Die 7 Todsünden

Mit zittrigen Fingern öffne ich die Knöpfe meines Collarhemdes, um es mir von den Schultern zu streifen. Die letzten Stunden waren anstrengend und haben mich zunehmend ausgelaugt. Die gesamte Energie hat mich verlassen und das gibt mir mein Körper jetzt zu spüren. Ich benötige Ruhe, um meinem Körper die nötige Regeneration zu geben.

Ich tauche meine rechte Hand in die mit Weihwasser gefüllte Keramikschüssel, welche direkt neben meinem Bett steht. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und Heiligen Geistes", murmel ich vor mich hin und bekreuzige mich dabei. Seufzend falle ich in mein Bett und schließe meine Augen für einen Moment. Die Sache mit Silas wird mich die ganze Nacht beschäftigen. Ich frage mich, wieso er das getan hat und was ihn dazu gebracht hat. Ich muss mich langsam vorarbeiten und ihm auch raten, sich der Polizei zu stellen. Ob er das schlussendlich macht, ist seine Entscheidung.

Auch wenn er es nicht tut, werde ich ihn weiterhin behandeln, wie jeden anderen auch. Er ist in meinen Augen kein kaltblütiger Mörder, ich vertraue da auf meinen Instinkt und auf Gottes Wort. Wäre er das, dann hätte Gott nicht zugelassen, dass wir ihn bei uns aufnehmen. Seufzend setze ich mich wieder, ich muss auf andere Gedanken kommen. Wenn ich etwas in der Bibel lese, dann sollte mich das beruhigen.

Ich öffne die oberste Schublade meines Nachtschrankes, in der sich die Heilige Schrift befindet. Doch zuerst fällt mir etwas anderes ins Auge. Es ist das das kleine Holzschild, auf dem der vorherige Priester etwas eingeschnitzt hat;

Die sieben Todsünden
Neid
Völlerei
Habgier
Wollust
Hochmut
Trägheit
Zorn

Er sagt, er hat das angefertigt, um es immer vor Augen zu haben. Vor allem dann, wenn er es gerade sehen muss. Eine Zeit lang habe ich das über meinem Bett hängen gehabt. Doch irgendwann hat es sich falsch angefühlt. Nicht weil ich nicht glaube, dass diese Sünden zurecht Todsünden sind, sondern weil ich es nicht mehr verdient habe, das zu sehen.

Schnell schließe ich die Schublade wieder und entscheide mich dafür, stattdessen zu beten. Doch sobald ich meine Augen schließe, drängt sich Silas' Gesicht in meine Gedanken. Wie ein Schatten, der mich nicht loslässt, schweben seine Worte in meinem Kopf; „Du hast keine Angst vor mir, sondern vor dir selbst."

Eine seltsame Mischung aus Mitgefühl und unerklärlicher Anziehung ihm gegenüber breiten sich in mir aus. Ich sehe diese stahlgrauen Augen, wie sie mich voller Unsicherheit und im nächsten Moment voller Überzeugung, anschauen.

Beim Versuch diese Gedanken mit Gebeten jeglicher Art loszuwerden, spüre ich, wie mein Verstand beginnt zu wandern. Ich sehe ihn vor mir sitzen, er hat seine Beine ausgestreckt und er knetet seine Hände vor Nervosität, genauso wie vorhin im Beichtraum. Diese ganzen Geheimnisse, all diese Unsicherheiten,... all das überflutet meinen Kopf. Er wirkt geheimnisvoll, gibt fast nichts von sich preis. Auf der anderen Seite hat er mir sein wohl schlimmstes Geheimnis anvertraut.

Widerwillig schüttle ich den Kopf, doch das Bild von ihm bleibt und wird immer klarer. Egal wie sehr ich es versuche, ich kann es nicht loswerden. Wie eine Welle brechen meine inneren Argumente zusammen und ich spüre, wie mein Körper beginnt zu reagieren.

Wie von automatisch wandert meine Hand zu meiner Körpermitte und streift dort über den festen Stoff meiner Hose. Ich bin vollkommen hin- und hergerissen, doch das Verlangen wird immer größer. Direkt im Anschluss meldet sich die Stimme wieder in meinem Kopf; das ist Sünde. Aber ich ignoriere sie, während ich meine Hose öffne und meine Hand hinein gleiten lasse. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen und die klaren Gedanken in meinem Kopf werden verdrängt und von meiner Lust überrollt.

Dieses Gefühl ist nicht neu für mich, doch trotzdem immer noch so aufregend und gleichzeitig erschreckend. Inmitten meines inneren Sturms, beginne ich damit mich sanft zu berühren.

Mit jedem Berühren meiner eigenen Haut fühle ich, wie sich die Wellen des Vergnügens aufbauen, gleichzeitig sind sie immer noch von Schuld und Scham begleitet. Die Lust, die durch meinen Körper pulsiert, bringt mich dazu, die Gedanken zu verdrängen, die mich zurückhalten wollen. Immer wieder versuche ich, den Fluss der Empfindungen zu kontrollieren, doch es ist, als würde ich gegen eine mächtige Strömung ankämpfen, die mich immer weiter in die Dunkelheit zieht.

Ich lege meinen Kopf in den Nacken, habe meine Augen immer noch fest geschlossen, während mich eine Welle des Verlangens überrollt. Ich kann die Welt um mich herum nicht mehr wahrnehmen. Es gibt nur noch mich, meine Bedürfnisse und diese unerklärlichen Gefühle. Ein leiser, kaum hörbarer Seufzer entfährt mir, und ich weiß, dass ich die Kontrolle verliere. Es ist verrückt und gleichzeitig befreiend. Ich wünschte, ich könnte diese Momente für immer festhalten, weg von den Erwartungen und dem Druck meines Lebens als Priester.

Ich folge meinem Verlangen weiter, meine Berührungen werden intensiver, mein Atem wird schwerer und jede Nervosität, die ich gefühlt habe, wandelt sich in eine berauschendes Gefühl. In diesem Moment gibt es nichts anderes als pure Lust – der Rest der Welt ist vergessen.

Mit jedem Atemzug, den ich mache, wird das Verlangen in mir größer, und ich kann nicht mehr anders, als mich dem hinzugeben. Doch inmitten dieser Wellen des Vergnügens blitzt eine Gedankenflamme auf; was würde der Herr denken? Was würde die Gemeinde sagen? Der Glaube, der mich seit Jahren führt, beginnt zu wanken, und ich fühle, wie sich ein tiefer Abgrund unter mir auftut.

Die schmerzhafte Wahrheit ist, dass ich nicht nur mit der Lust zu kämpfen habe, sondern auch mit der Scham und der Angst, die alles ins Wanken bringen. Wie konnte ich nur in diese Dunkelheit geraten?

Doch meine Berührung bleibt, und trotz all dieser Gedanken kann ich nicht aufhören. Dieses intensive Vergnügen überflutet mich und lässt keinen Platz für Bedenken. Es fühlt sich an, als würde mich das Verlangen immer tiefer in seine eigene Welt ziehen. Ich schließe die Augen fester, als ob ich dadurch die Realität ausblenden könnte.

Ich weiß, dass ich die Kontrolle verliere, und doch genieße ich jeden Moment. Meine Gedanken wirbeln umher: „Das ist falsch. Du bist ein Priester." Und doch, je mehr ich kämpfe, desto intensiver wird das Gefühl. Ich bin in der Lage, alle Sorgen und die Erwartungen für einen kurzen Augenblick hinter mir zu lassen.

In mir spüre ich, wie sich der Höhepunkt näher und näher anbahnt; ein berauschender Rausch, der alles andere überlagert. In dieser puren Lust gibt es nichts mehr, was mich aufhält. Der Rest der Welt ist vergessen; nur ich existiere noch in diesem Moment.

. . .

Ich stehe vor dem großen Spiegel neben meinem Bett und erkenne mich selbst nicht wieder. Hier steht ein Sünder. Wollust. Wie konnte das nur wieder passieren? Der unaufhörliche Druck des Himmels auf meinen Schultern droht mich fast schon zu erdrücken.

Meine dunkelblonden Haare stehen in sämtlichen Richtungen von meinem Kopf ab, Schatten tanzen um meine blauen Augen, die jetzt düsterer wirken als noch vor wenigen Stunden. Die hart erarbeiteten Muskeln an meinem nackten Oberkörper sind kraftlos, als hätten sie den Kampf bereits aufgegeben.

Ich öffne den Kleiderschrank mit zitternden Händen. Mein Herz rast. „Vater, vergib mir meine Sünde", flüstere ich, während ich die vertraute Berührung des Leders spüre. Die fünf-schwänzige Peitsche, mein treuer Begleiter. Ich knie nieder, lege die Peitsche vor mir auf das Bett. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen."

Langsam breite ich die fünf Enden der Peitsche sorgfältig vor mir aus, sodass jedes einzelne leicht vom nächsten entfernt liegt. Diese Anordnung soll den Schmerz gleichmäßig auf meinem Rücken verteilen.

Ich nehme den Griff fest in die Hand und hole tief Luft. Der Schlag auf meinen Rücken trifft mich wie ein Blitz, überflutet meine Nerven mit einem stechenden Schmerz, der sich bis in mein Innerstes ausbreitet. Jeder Muskel verkrampft sich, ein weiter Beweis meiner Schwäche. Doch ich muss weitermachen, der Schmerz ist der erste Schritt zur Wiedergutmachung.

Tränen steigen unaufhaltsam in meine Augen, während ich erneut aushole. „Vater, bitte vergib mir", flüstere ich durch zusammengebissene Zähne, in der Hoffnung, dass dieses Handeln von ihm erhört wird.

Der Raum zieht sich um mich zusammen, es fühlt sich an als würden die Wände immer näher rücken. Ich hebe die Peitsche ein weiteres Mal, ich bin entschlossen erst aufzuhören wenn ich verstanden habe, dass es mehr als nur falsch war.

Der nächste Schlag zerreißt die Luft und lässt mich innerlich aufschreien, dieser Schmerz schnürt mir die Kehle zu, so das kein Laut meinen Mund verlassen kann.

Mit jedem weiteren Hieb spüre ich die Haut auf meinem Rücken nachgeben, ein warmes Rinnsal bahnt sich seinen Weg die warme Haut herunter. Der Geruch von Metall steigt mir in die Nase und ich bemerke, wie die ersten Tropfen Blut auf dem Boden landen.

Jeder Muskel scheint sich zu weigern weiter zu machen, doch ich zwinge mich in die Aufgabe, die ich mir selbst gegeben habe. Erneut peitsche ich den zerschlagenen Rücken, ein leises Knacken begleitet den nächsten Schlag.

Die Tränen strömen jetzt unaufhaltsam über mein Gesicht. „Vergib mir, Vater. Vergib mir..." flüstere ich und spüre, wie die Erschöpfung mich einholt. Ich sinke auf den Boden, die Peitsche fällt aus meinen kraftlosen Fingern.

Im Dämmerzustand zwischen Schmerz und Bewusstsein versuche ich zu realisieren, was hier gerade passiert ist. Mein Verstand ist benebelt von den Schmerzen und all den Vorwürfen die ich mir mache. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, die Haut auf meinem Rücken pulsiert und der brennende Schmerz bringt mich an den Rand der Verzweiflung.

. . .

Mit zittrigen Beinen begebe ich mich zu einer der hölzernen Kommoden meines Zimmers. Jeder Schritt, jeder Atemzug schickt eine Welle des Schmerzes durch meinen Körper. Dieser Schmerz wird mich die nächsten Tage an all das erinnern, was ich falsch gemacht habe.

Ich öffne die oberste Schublade und nehme das dort liegende Smartphone heraus. Hier im Kloster benutzen wir das nicht, nur im äußersten Notfall greife ich darauf zurück. Ich schreibe Schwester Lahela eine Nachricht und frage sie, ob sie mir bitte jemanden von der Krankenstation vorbeischicken kann. Wenn ich sie das spät am Abend frage, dann weiß sie eigentlich schon was los ist und was sie auf der Station sagen muss.

Sie hat nie nachgefragt, wieso ich mir das antue. Ihr ist bewusst, dass ich es ihr nicht sagen würde. Auch wenn ich ihr sehr vertraue, das ist eine Sache zwischen mir und Gott. Oft schaut sie mich mitleidig an oder nimmt mich in den Arm und sagt mir dann, dass Selbstgeißelung keine Lösung ist und es weitaus humanere Methoden gibt um sich selbst zu bestrafen.

Sie kann das allerdings gar nicht beurteilen, immerhin weiß sie nicht was ich tue und welche Gedanken ich dabei habe.

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