"Nicht schwul!"

Soo, weil Potter_girl474 und Trauermaerchen es sich gewünscht haben, geht es jetzt endlich weiter!
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„Also?“, Sherlocks prüfender Blick ruhte auf John und er hatte die Hände in seiner typischen Denkerpose zusammengelegt. John saß, sich etwas unwohl und fehl am Platz fühlend, in einem Sessel im Zimmer des Dunkelhaarigen und trommelte nervös mit den Fingern auf der Armlehne herum. Er war sich unsicher, was er von der ganzen Situation halten sollte. 
Eben war er noch völlig ziellos und desorientiert durch die Straßen Londons geirrt, um dann von zu Tode erschreckt zu werden, weil jemand plötzlich hinter im auftauchte und ihn ins Haus bat – oder viel eher unmissverständlich klarmachte, dass John mitgehen würde, ob er wollte oder nicht. 

„Also was?“, antwortete er jetzt lahm und zuckte leicht erschrocken zusammen, als der andere plötzlich von seinem Bett aufsprang, auf dessen Kante er bis eben noch gesessen hatte, und anfing, wild gestikulierend im Zimmer auf und ab zu laufen, wie ein eingesperrtes Tier.
„Du tauchst hier auf, um beinahe 23 Uhr, desorientiert und außer Atem. Du bist schon länger unterwegs, was mir deine klatschnassen Haare und deine nicht unbedingt trockenere Kleidung bestätigen. Der Regen ist aber schon seit einer halben Stunde wieder vorbei. 
Du hast Angst, bist regelrecht in Panik. Du hast geweitete Pupillen, stehst unter Spannung und als ich dich angesprochen habe, bist du praktisch weggesprungen“, beim letzten Satz lachte Sherlock leise und hüpfte selbst einen Schritt zurück. 

Der Blonde runzelte irritiert die Stirn . Es schien seinem Gegenüber Spaß zu machen, den Hergang der Situation zu rekonstruieren. 
Erstaunlicherweise war war dafür sogar ganz dankbar, musste er so nicht selbst alles wieder aufrollen.

„Du warst nicht ohne Grund so spät noch unterwegs, so ganz ohne ein Ziel – und offensichtlich bist du eine Zeit lang gerannt. Warum?“ John wollte gerade antworten, da nahm Sherlock den faden wieder auf und fuhr fort: „Offenkundig gab es Streit, heftigen Streit. Nicht mit deiner Schwester, nein. Ihr seid euch zwar nicht übermäßig nahe, aber Streit kommt auch nicht häufig vor - und wenn, dann fällt er nicht heftig aus. Deine Mutter ist auch unwahrscheinlich, da Frauen statistisch gesehen weniger häufig handgreiflich werden, besonders ihren Kindern gegenüber.“ 

Der größere ging langsam auf John zu, stand schließlich vor ihm und betrachtete ihn mit mildem Interesse – ganz so, als wäre er ein besonders spannendes Experiment. „Und handgreiflich“, sagte Sherlock, leiser diesmal, und streckte langsam eine Hand nach dem anderen aus, „ist es geworden…“ Vorsichtig berührte er den Schnitt auf Johns Wange. Nur kurz dauerte die Berührung, doch es reichte, um John wie vom Schlag getroffen, zurückzucken zu lassen und den vor ihm stehenden erschrocken anzustarren. 

Dieser jedoch nahm die Reaktion kaum wahr, sah nur auf die getrockneten Blutkrusten, als wäre es das spannendste, was er je gesehen hatte. Einen Moment lang trat ein gedankenverlorener Ausdruck in seine Augen. 

Dann sah er wieder hoch und der Ausdruck war verschwunden. Stattdessen glitzerte etwas raubtierhaftes in seinem Blick und er sah John direkt an: „Also: was war der Auslöser?“, die Stimme war fast schon ein leises Knurren. Das Raubtier auf der Jagd. 
Der Blonde starrte ihn noch einige Sekunden überfordert an und drückte sich unbemerkt tiefer in den Sessel. Einerseits war es erleichternd, dass es noch eine andere Seite, als die des gelangweilten, gleichgültigen Sherlocks gab – irgendwie machte ihn das menschlicher -, aber anderseits machte ihm diese Seite des anderen ein wenig Angst. 

„John, der Auslöser!“, wurde er erinnert. Die Stimme war ungeduldig und John war sich sicher, dass der andere nicht lockerlassen würde. Also gab er sich einen Ruck, auch wenn er keine Lust hatte, die ganze Situation noch einmal hervorzuholen. „Es… es war“, setzte er an, nur um dann ganz plötzlich unterbrochen zu werden.

„Ha!“, rief Sherlock, wie aus heiterem Himmel, triumphierend und schaute ihn fast ein wenig herausfordernd an. „John, sag nichts, ich weiß es!“, noch ein paar Sekunden schien er sich an seiner deduktiven Meisterleistung zu erfreuen, dann wurde sein Gesicht plötzlich ernster und er ließ sich wieder auf die Bettkante fallen. Schließlich fuhr er fort: „Es lag an deinem Outing.“

John klappte die Kinnlade herunter und er konnte nichts anderes tun, als Sherlock vollkommen fassungslos anzustarren. 

Dieser fasste den Blick falsch auf und begann John zu beschwichtigen: „Ich hab kein Problem damit, wirklich nicht! Es ist so, dass…“

Jetzt war es an dem Kleineren, das Wort zu ergreifen. „Stopp! Stopp, stopp, stopp – Sherlock, das… Nein. Du verstehst das vollkommen falsch!“, abwehrend hob er die Hände und schüttelte vehement den Kopf. „Nein, Sherlock, ich bin nicht schwul!“, er konnte nicht verhindern, dass sein Atem schwerer ging, so aufgewühlt und überfordert war er mit der Situation. 

Dann platzte alles aus ihm heraus: „Es gab ein Outing, ja. Aber nicht von mir, sondern von Harry. Und mein Vater… er ist ein Arsch. Das da“, vage deutete er auf den Schnitt, „stammt von einer Scherbe, die mich getroffen hat, als er auf die Idee kam einen Teller an die Wand zu werfen!“, Johns Stimme troff vor Verachtung und klang so bitter, dass Sherlock die Augenbrauen zusammenzog.

„Ich… ich konnte einfach nicht dableiben und bin raus und einfach gerannt und ich hab keine Ahnung, wie ich hier gelandet bin und ich sollte gehen, es ist spät und meine Familie weiß nicht, wo ich bin – nicht , dass ich große Lust hätte, zurückzugehen, aber…“, die Stimme des Blonden war von bitter, über entschuldigend und ratlos, zu fast schon hysterisch übergegangen. 

„John“

„…aber ich muss auch wissen, was jetzt mit Harry ist. Sie ist immerhin meine Schwester und auch, wenn wir nicht gerade ein Herz und eine Seele sind, sie ist trotzdem meine Schwester und ich mach mir ja auch irgendwie Sorgen und es ist mir auch egal, auf welches Geschlecht sie steht, aber…“

„John!“

„…aber ich bin nicht schwul, Sherlock.“, jetzt schien der Blonde sich wieder einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen. „Nicht. Schwul!“

Dann drehte er sich um und wollte schon durch die Tür verschwinden, doch dieser Plan wurde durch einen durchaus berechtigten Einwurf Sherlocks zunichte gemacht: „Du weißt nicht mal wo du bist und willst ernsthaft mitten in der Nacht durch London laufen.“ Der jüngere zog leicht spöttisch eine Augenbraue hoch. „Viel Spaß dabei.“

John hielt inne, seufzte und drehte sich wieder zu ihm um: „Also schön. Und was soll ich deiner Meinung nach stattdessen tun?“, er lachte freudlos. „Hierbleiben?“ Zu seiner Verwunderung nickte Sherlock daraufhin: „Ja“ 
Der Blonde schnaubte: „Und wo, meinst du, soll ich schlafen?“

„Bei mir im Bett, wo sonst?

„Bitte?!“, zum wiederholten Male starrte John den anderen entsetzt an. „Nicht schwul, schon vergessen?!“

„Ja, ja. Das habe ich durchaus verstanden!“, schnaubte der. „Weder du hast ein sexuelles Interesse an mir, noch ich an dir. Wo ist das Problem?“ 

Einen Moment lang dachte John, der andere würde ihn verarschen, doch dieser sah ihn todernst an. „Du… siehst das Problem wirklich nicht, oder?“ Der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Die Leute werden reden, Sherlock! Oh, und jetzt frag nicht ‚welche Leute denn?‘“, setzte er hinzu, da er ahnte, dass genau das dem Dunkelhaarigen auf der Zunge lag. „Was sollen allein deine Eltern denken, wenn ich morgen aus deinem Zimmer spaziere? Und dein Bruder erst – ja, ich habe mitbekommen, dass du einen Bruder hast. Auch ich bin nicht blind!“ Er hatte sich ein wenig in Rage geredet, räusperte sich nun und senkte die Stimme wieder etwas. 

„Und zumindest meine Mutter wird sich Gedanken machen – ich kann nicht einfach hier übernachten!“

„Doch, kannst du“, sagte der gelockte schlicht. „Und wenn dich das mit dem Bett so stört“, er zuckte verständnislos die Schultern, „dann habe ich zur Not auch noch irgendwo eine Matratze“

John seufzte – Widerstand war wohl zwecklos und wenn er ehrlich war, wollte er sich heute Abend nicht auch noch mit dem Ärger zuhause herumschlagen. Wenn er erst morgen wieder auftauchte, konnte es kaum schlimmer werden. 
„Na schön“, sagte er schließlich ergeben. „Aber ich bestehe auf die Matratze!“, setzte er nachdrücklich hinzu und ein leichtes, beinahe zufriedenes Lächeln, schlich sich auf Sherlocks Gesicht. 
„Wunderbar!“, sagte er und ließ sich dann rücklings auf sein Bett fallen. Er fuchtelte mit dem Arm in Richtung eines Schrankes und sagte: „Rechte Seite, oberstes Regal.“
John konnte nur wieder ein verwirrtes „Was?“ in den Raum werfen. 
Ein genervtes Seufzen drang vom Bett zu ihm herüber: „Das Bettzeug, John! Ernsthaft, bist du wirklich so begriffsstutzig oder tust du nur so?
Die Matratze ist unter dem Bett“, fügte er noch hinzu, bevor der Blonde etwas erwidern konnte. 
Dann starrte er schweigend zur Decke und John blieb nichts anderes übrig, als seufzend die Matratze unter dem Bett hervorzuziehen, die zu seinem Glück bis jetzt noch nicht für eines von Sherlocks vielen Experimente hatte herhalten müssen. Er bezog Decke und Kopfkissen und stand dann etwas überfordert im Raum. 

Dem faul Herumliegenden entging diese Tatsache natürlich nicht und ungeduldig forderte er den Kleineren auf, sich hinzulegen – zumindest dazu sollte er doch wohl allein in der Lage sein! 
Etwas zögerlich kam dieser der Aufforderung nach und lag dann unbehaglich steif auf der Matratze. Erst, als Sherlock schließlich das Licht ausmachte konnte der Blonde sich etwas entspannen, aber auch dann wurde er noch lange von quälenden Gedanken wachgehalten, die sich größtenteils darum drehten, wie er seinen Eltern morgen unter die Augen treten und es überleben sollte. 

Doch irgendwann holte auch ihn der Schlaf und sogar Sherlock schlief, unruhig. 

Und keinem von ihnen war aufgefallen, da sie an diesem seltsamen Abend näher an einer Freundschaft waren, als je zuvor mit einem Anderen.

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