Kapitel 17 | Die Gemeinschaft


Lothlorien war ein Ort des Lichts.
Die Macht eines unverderbten Ringes schützte die Grenzen des Reiches und bewahrte seine Bewohner vor allem Bösen.
Zum ersten Mal, seit sie Bruchtal verlassen hatten, vier Tage nach der Überschreitung des Charadras, fühlte Eonwe sich sicher.

Schweigend standen die beiden Maia allein vor den Herrschern Lothloriens - Elladan und Elrohir waren, zusammen mit Craban, bei den Wachen geblieben, die sie an der Grenze abgefangen hatten. Wie auch Elrond war das Herrscherpaar über ihre Ankunft informiert worden - und wie auch der Herr von Imladris waren ihre Gesichter von tiefer Sorge gezeichnet.

"Was wollt Ihr nun tun?", fragte Celeborn schließlich.
"Es war unser Ziel, die Gemeinschaft des Ringes einzuholen. Wir zählen auf den Rat Gandalfs - vielleicht weiß er, welchen Weg wir gehen müssen," antwortete Eonwe. Vadrion stand einen Schritt hinter ihm und hatte die Hände hinter dem Rücken Verschränkt - ein klares Zeichen, dass er Eonwe das Reden überließ.

Kurzzeitig glaubte er, so etwas wie Trauer in Galadriels Augen zu sehen. Die erschreckende Erklärung darauf ließ nucht lange auf sich warten: "Mithrandir ist tot. Er rang mit einem Balrog von Morgoth und stürzte mit ihm in die Dunkelheit unter Kazad-dûm."

Die Nachricht traf Eonwe wie ein Schlag ins Gesicht. Das konnte nicht wahr sein! Gleichzeitig fiel ihm Crabans vehemente Weigerung wieder ein und nun war er ihm dankbar dafür.
Hinter ihm zog Vadrion scharf die Luft ein.
Der Herr der Maiar neigte betrübt den Kopf und erwiderte leise:"Ich danke Euch für diese Botschaft. Olorín," - Eonwe schien es richtig, nun seinen wahren Namen zu benutzen- "war ein guter Freund."

Er hob den Blick und verbannte die Trauer aus seiner Stimme, als er weitersprach:"Nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir mit der Gemeinschaft sprechen sollten. "

Galadriel und Celeborn nickten verständnisvoll. Die Herrin Lothloriens wieß auf den Hauptmann der Wache, die sie an der Grenze getroffen hatten.
"Haldir wird Euch zu ihnen bringen."
Eonwe nickte und deutete eine Verbeugung an, bevor die beiden Maia dem blonden Elben in die Tiefen von Caras Galadhon folgten.

Ohne ein Wort führte Haldir sie zu einer Art offenem Zelt, in dem acht unterschiedliche Gestalten saßen und miteinander sprachen. Eonwe zählte einen Zwerg, zwei Menschen, einen Elben und vier Hobbits - wahrlich eine seltsame Truppe.

Der schwarzhaarige Mensch erhob sich, als er sie auf die Gruppe zukommen sah.
Er war großgewachsen und erinnerte Eonwe an die edlen Menschenvölker der Alten Welt.
Als er die beiden Maiar erreicht hatte, verneigte der Mensch sich tief.
"Mein Herr Eonwe, mein Herr Vadrion. Es ist eine Erleichterung, Euch zu sehen. Ich wünschte nur, Ihr hättet uns zu anderen Umständen eingeholt."

"Das wünschten wir auch," erwiderte Vadrion leise. Die Nachricht von Gandalfs Tod hatte sie beide schwer getroffen. Der Mensch nickte nur betrübt.
"Mein Name ist Aragorn, Arathorns Sohn. Ich habe...ich sehe es als meine Pflicht, die Gemeinschaft nun zu leiten."

Während sich Haldir verabschiedete, gesellten sich die beiden Maiar nun zu der Gruppe, die sie teils erleichtert, teils ehrfürchtig und teils misstrauisch betrachtete.
Aragorn stellte sie einander kurz vor, und während er sprach, versuchte Eonwe, sich ein Bild von der Gruppe zu machen.

Frodo - der schwarzhaarige Hobbit - war derjenige, der den Ring und somit das Schicksal der Welt mit sich trug. Eonwe konnte Saurons Werk an ihm spüren, bevor Aragorn das Geheimnis offenbarte. Die Verderbtheit umwaberte das äußerlich unscheinbare Schmuckstück, wie Nebel ein ruhiges Gewässer.

Als der Mensch geendet hatte, herrschte kurz Schweigen, bevor Eonwe wieder das Wort ergriff:
"Da ihr auf unsere Ankunft gewartet habt, gehe ich davon aus, ihr wisst, warum wir hier sind." Ein grimmiges Nicken seitens Aragorn und des Elbenprinzes, der den Namen Legolas trug. "Wir hielten es für die beste Möglichkeit, wenn wir, so wie ihr, auf Heimlichkeit setzen. Es darf unter keinen Umständen nach Mordor gelangen, wo wir uns befinden."

"Dann werdet Ihr uns begleiten?", wollte Legolas wissen, der neben Aragorn stand und sie mit wachsamen Augen musterte.
Eonwe und Vadrion wechselten einen Blick. Schließlich erwiderte der schwarzhaarige Maia: "Ich denke, dass dies im Moment der beste Weg ist, den wir einschlagen können. Wie schon gesagt: Heimlichkeit ist unsere größte Waffe. Er darf nicht auf uns vorbereitet sein."

"Also ist dieser...Chelhathol... wirklich so gefährlich, wie man sagt?",fragte Boromir nun, der Zweite Mensch innerhalb der Gemeinschaft, "Ich habe nur die Geschichten gehört. Und ich wollte sie nie so recht glauben."

"Er ist ein Stratege," gab Vadrion zur Antwort,"Ein Anführer. Er setzt auf List statt auf rohe Stärke und schlägt dort zu, wo man es nicht erwartet. Abgesehen davon, dass er selbst nicht ganz ungeschickt mit dem Schwert ist...ja. Auf seine Weise ist er äußerst gefährlich. "

"Und wie wollt ihr ihn dann aufhalten?"
Es war Frodo, der diese Frage gestellt hatte.
"Das können wir erst entscheiden, wenn wir ihn gefunden haben, Ringträger." Es war die Wahrheit. Als er den verunsicherten Blick des jungen Hobbits bemerkte, zwang er sich hinzuzufügen: "Aber wir werden alles tun, was in unserer Macht steht. Und alles, was notwendig ist."

Diese Feststellung schien die Gemeinschaft zu beruhigen.
Sie sprachen noch eine kurze Weile, über Dinge, die alle weniger bedeutungsvoll und finster waren.

Als die Maiar sich schließlich verabschiedeten und sich zum Gehen wandten, fing Eonwe einen Blick von Vadrion auf. Seine grünen Augen blitzten beinahe zornig.
Eonwe konnte sich vorstellen, warum.

Sie waren noch nicht lang außer Hörweite, als Vadrion so plötzlich stehenblieb, dass Eonwe noch einige Meter weiterlief, bevor er es bemerkte.
"Hast du das gerade ernst gemeint?," wollte er mit kalter Stimme wissen.

"Was?," fragte Eonwe zurück und drehte sich zu dem Maia um. Er wusste, worauf Vadrion anspielte, doch er versuchte nach wie vor, diesem Thema auszuweichen.

"Du meintest, du würdest alles tun, was nötig ist. Wirklich alles?"
"Ja," zwang er sich zu sagen.

"Dann sag es mir, Eonwe," forderte Vadrion, "Sieh mich an, und sag mir, dass du ihn töten würdest."
Der Maia hob den Kopf und sah seinem Begleiter in die grünen Augen.
"Ich weiß, dass uns vielleicht keine andere Wahl bleibt,"sagte er kühl - viel gelassener, als er sich fühlte, "Und ich bin bereit dazu."

Vadrion schüttelte den Kopf in einer Mischung aus Ungläubigkeit und Enttäuschung und trat einen Schritt zurück.
"Weißt du, Eonwe...ich war bis jetzt bereit, dir zu folgen und auf deine Entscheidungen zu vertrauen, weil ich dachte, du wüsstest, was du tust," sagte er leise,
"Aber wie kann ich dir vertrauen, wenn du nicht nur alle um dich herum sondern auch noch dich selbst anlügst?"

"Das tue ich nicht", erwiderte Eonwe, heftiger als beabsichtigt. Er hatte nicht gewollt, dass Vadrion merkte, wie sehr ihn diese Anschuldigung getroffen hatte. Vor allem, weil er tief in sich wusste, dass sein Begleiter recht hatte...

"Ich bin ein Maia von Mandos. Ich erkenne eine Lüge, wenn ich sie höre, erst recht von Jemandem wie dir," gab Vadrion zurück. Seine Stimme war vollkommen ruhig - sie passte nicht im Geringsten zu dem impulsiven Gemüt, das er von ihm kannte.

"Aber mach die Augen auf! Selbst wenn du dich weigerst, Hand an ihn zu legen, glaubst du wirklich, er wird es nicht tun?"
Eonwe stand da, rang mit sich, wusste nicht, was er sagen sollte. Alles in ihm sträubte sich gegen diese Worte, so wahr und vernünftig sie auch klingen mochten.
"Das kannst du nicht wissen," stieß er schließlich hervor.

"Eonwe," kam es eindringlich von Vadrion, "Als du Daenor damals in Angband diese Begnadigung angeboten hast, hätte er dich getötet.
Er hätte dich ohne zu zögern erschossen. Und seit dem Krieg des Zorns ist er nur mit jedem weiteren Tag wütender, verbitterter und hasserfüllter geworden.
Das weißt du so gut wie ich."

"Mag sein," gab Eonwe kalt zurück. Er hatte Prinzipien, und an denen würde er festhalten, "Aber ich werde nicht einfach jemanden töten, wenn es eine andere Möglichkeit gibt."
Vadrion schnaubte.
"Es gibt Zeiten, in denen so eine Entscheidung notwendig ist. Deswegen bin ich doch hier, nicht war? Um die Entscheidung zu treffen, die du nicht treffen kannst."

Der letzte Satz traf direkt ins Schwarze.
Mit vor Wut zitternder Stimme knurrte er:
"Dann sag du mir, Vadrion: Wenn du nicht zögern würdest, kaltblütig zu morden...Was unterscheidet dich dann von dem, den wir jagen?"

"Ich will nur ihn tot sehen!",blaffte Vadrion zurück - mittlerweile war auch er mit seiner Geduld am Ende. "Aber Daenor würde es auch nichts ausmachen, wenn er knietief im Blut stehen würde! Er zerstört diese Welt, ich will sie beschützen! Und dafür würde ich alles tun. Das unterscheidet mich von ihm, Eonwe."

Vadrion wartete nicht mehr auf eine Erwiderung, sondern wandte sich zum gehen. Er schien keinen Sinn mehr in dieser Diskussion zu sehen.
Er war aber erst ein paar Schritte gegangen, als er wieder stehenblieb.
Ohne sich umzudrehen sagte er:

"Du bist der Anführer, Eonwe. Ich kann deine Meinung sowieso nicht ändern. Von mir aus machen wir es auf deine Art. Aber wenn du am Boden liegst und Daenor dir zusieht, wie du an deinen Wunden verreckst, erinnere dich an meine Worte."

Dann ging er davon und ließ Eonwe dort stehen, der ihm nachsah und nicht die leiseste Ahnung hatte, wie es nun weitergehen sollte.

Mae govannen!

Ich melde mich auch mal wieder, sogar etwas früher als gewöhnlich. Und zwar mit einer Frage:

Da wir, im Zuge der nächsten paar Kapitel, die 1k-Hürde überschreiten werden, hätte ich wieder einmal ein Bonuskapitel für euch geplant!
(Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber für mich ist die 1k-Marke etwas ganz besonderes).

Ich hätte daran an ein zusätzliches "Schatten der Vergangenheit"-Kapitel gedacht.
Jetzt die Frage an euch:

Was würde euch interessieren?

Oder habt Ihr andere Ideen?

Lasst es mich wissen!

Ich wünsche noch viel Spaß mit der Geschichte.

LG m_r_480

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