Two
Two:
Alltagsroutine
Mit einem trockenen Mund, verstopfter Nase, brennenden Augen und einem total trockenem Hals wachte ich auf. Nicht schon wieder. Puh.
Schniefend drehte ich mich auf die Seite, rieb mir meine Nase. Sie kribbelte. Ich hatte also schon wieder im Schlaf geweint. Wann hörte das endlich auf?
Das ging mir alles langsam auf den Senkel. Seit zwei Wochen wachte ich schon beinahe jeden Morgen so auf. Seit Clint gar kein Wort mehr mit mir wechselte. Er unternahm gar nichts mit mir, fuhr mich nicht zur Basis und auch nicht zurück – und an den Wochenenden war er nicht mal dort, sondern hier. Doch ich glaubte, heute im Schlaf geweint zu haben, weil ich gestern noch spät gehört hatte, wie eine Frau lachend den Flur entlanggetapst war. Ich wusste nur, dass Clint definitiv dagewesen war, aber ich hatte keine Ahnung, dass er einfach Frauenbesuch mit hergenommen hatte, obwohl ich auch da war – und er um meine Gefühle wusste. Das war so rücksichtslos und verletzend gewesen, dass ich gestern noch vor dem Schlafen in Tränen ausgebrochen war – und ich musste so wohl im Schlaf weitergeweint haben.
Seufzend griff ich nach der Packung Taschentücher, die sich auf meinem Nachttisch befanden – und wo auch die mittlerweile verwelkten Rosen in der Vase standen. Ich brachte es irgendwie nicht übers Herz, sie wegzuschmeißen. Es war wie ein Strohhalm an den ich mich klammerte.
Und während er in letzter Zeit Zuhause war, war ich draußen gewesen, bis acht Uhr.
Ich hatte das Angebot nach vier Tagen mit dem Chauffier angenommen. Damit ich was zu tun gehabt hatte. Denn mit Clint alleine in der Wohnung zu sein, war mir zu unangenehm gewesen, da er mich so eiskalt behandelte.
Doch seither entdeckte ich jeden Tag eine neue Seite von Manhattan und lenkte mich ab. Jeden Morgen traf ich mich mit Mrs. Andrews und frühstückte mit ihr in einem nahegelegenen Café. Ich aß brav und hielt auch brav alle Regeln nur zu gern ein – nach dem Riesenfiasko. Mit Emilia traf ich mich auch häufig, doch seit diesem einen Abend hatte mir Natasha natürlich nicht erlaubt, abends wegzugehen – ganz zum Missfallen von Emilia, die mich häufig am Wochenende einlud, mit sich und ihren Freunden feiern zu gehen.
Sie half mir wo sie konnte. Sie zeigte mir, wie ich mein Handy besser nutzen konnte und meldete mich auf ein paar Social Media Seiten an – doch ich benutzte das nicht sonderlich viel. Obwohl ich mittlerweile fast schon eine Million Follower hatte, wie Emilia immer wieder bestaunte.
Ich war mit ihr ein paarmal im Kino gewesen oder auch spazieren gegangen, aber wir trafen uns tatsächlich viel bei ihr oder Clint und mir. Denn wir unterhielten uns ganz gern – und sie wurde zu einer echten Freundin, die ich in dieser Zeit gebrauchen konnte. Gerade abseits des ganzen Avenger-Krams. Ich lernte immer mehr, dass wirklich jeder von den Avengers wusste – und ich dazuzählte, nur weil ich mit einem verwandt war.
Nur es gab eine Sache, die ich seit beinahe anderthalb Monaten misste – egal wie toll der Tag auch war. Meine Träume. Denn ich träumte nicht mehr – wortwörtlich. Ich träumte von Schwärze. Von einem schwarzen Loch, in dem ich mich befand und aus dem ich niemals herausfinden würde, träumte ich. Das war gruselig. In den ersten zwei Tagen nachdem alles ans Licht gekommen war, hatte ich noch versucht, mit Clint darüber zu sprechen, doch er hatte mich ignoriert – wie immer also. Deswegen hatte ich mich an jemand komplett neuen gewandt – Natasha. Und tatsächlich hatte sie mir versucht, zu helfen. Doch viel beim Schlichten konnte selbst sie nicht beitragen, wie's schien. Denn Clint ließ nicht mit sich sprechen. Sie hatte mir auch vor zwei Wochen angeboten, zu ihr zu ziehen, wenn sie wollte, doch ich wusste, dass sie sich nicht wie Clint einfach freinehmen konnte und ich dort wirklich größtenteils auf mich alleingestellt gewesen wäre – weswegen ich das Angebot ausschlug.
Von Nathan hatte ich einen Wecker bekommen. Er sollte mir helfen in den Alltag wie jeder normale Mensch hineinzufinden. Ich hatte von Wanda ganz viele Modetipps bekommen und war nochmal mit ihr shoppen gewesen. Dabei hatte ich mir viel rausgesucht, was mir gefiel und stand – ohne die Entscheidung und Beeinflussung eines Kerls. Ich traf mich zweimal die Woche mit Charlie. Zweimal war bisher sogar Carolina dabei gewesen, die aber bei Sam, ihrem besten Freund blieb, der sich den Arm gebrochen und kurzdarauf auch noch verrenkt hatte. Naja. Lyane hatte ich bisher noch nicht wiedergetroffen. Sie hielt sich aus meinen Gedanken heraus. Ich hatte sie nicht einmal darum gebeten. Nein, ich hatte sie sogar einige Male versucht, anzusprechen. Aber sie bockte wie ein Kleinkind – und erinnerte mich damit an Clint.
Clint und ich hatten uns eigentlich bis vor zwei Wochen auch nur unterhalten, wenn es darum ging, was wir einkauften oder kochten. Nur seit zwei Wochen ignorierte er mich wie gesagt und kochte sogar einfach nur das, was er wollte – ohne auf mich Rücksicht zu nehmen. Genauso wenn es darum ging, einzukaufen.
Ich seufzte wieder, setzte mich auf und starrte, anstatt an meine Decke, an meine Wand.
Ich hatte mich fast jeden Abend seit vier Wochen eine Stunde vor acht Uhr mit Natasha getroffen und war mit ihr irgendwo umhergelaufen. Wir unterhielten uns, lernten uns noch besser kennen, was mir sehr gefiel. Sie hatte wie ich diesen nicht gerade ausgeprägten Ordnungstick, weswegen es schnell mal unordentlich wurde. Und sie konnte nicht gut kochen. Dafür liebte sie aber wie ich dieselben Genres bei Filmen und Bücher. Und wir hatten definitiv nicht denselben Männergeschmack – abgesehen davon, dass sie wunschlos glücklich mit Bruce war und sogar in meinem Beisein von ihm schwärmte wie eine Schulmädchen.
Nun hatte ich die große Schwester, die ich brauchte und mochte. Aber den Halt fürs Leben hatte von dem einzigen Mann verloren, der mir mehr bedeutete, als ich zuzugeben zu bereit war.
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Ich seufzte als ich endlich aufstand – und entschloss mich, zu duschen, um meine steifen Glieder zu entspannen.
So lief ich direkt von meinem Zimmer aus mit frischen Klamotten hinüber ins Badezimmer, wo ich sie auf dem Klodeckel ablegte und mich dann entkleidete.
Unter der Dusche entspannten sich meine Glieder wieder und ich seufzte genüsslich, als ich das Wasser noch einen Moment genoss, ehe ich mich einseifte. Danach griff ich nach meinem Shampoo, seifte mein Haar ein und wusch es direkt wieder aus, ehe ich das Wasser wieder ausschaltete.
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Als ich mich abgetrocknet und angezogen hatte, föhnte ich mein Haar, machte ich mir dann einen Pferdeschwanz und lief hinaus.
„Morgen", murmelte mir Clint plötzlich auf der Couch sitzend zu. Das er schon wach war, war mir neu. Normalerweise kam er erst spät am Abend her, legte sich hin, und schlief bis zwölf Uhr durch.
„So früh wach?", hakte ich überrascht nach und lief in die Küche.
Ich hatte es nochmal mit dem Getränk Kaffee probiert. Die richtige Mischung und schon war er gar nicht mehr so schrecklich, wie ich zu Anfang dachte.
„Ja, muss gleich los."
„Wohin?" Ich hatte nicht wirklich Hoffnung, darauf eine Antwort zu erhalten, war aber umso überraschter als ich eine bekam.
„Zu meinem Bruder."
Ich sah ihm ins Gesicht und bemerkte, wie er seine Augen verdrehte.
„Aha", machte ich und holte Orangensaft aus dem Kühlschrank. Das war's nur leider auch schon wieder, an unserer Konversation. Mehr war wohl nicht drin. Es tat mir weh, dass er so mit mir umging. Er kannte mich besser als ich mich selbst – und nun bestrafte er mich für einen einzigen Fehler, den ich getan hatte, als ich schwach war.
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„Tschau", rief Clint mir tatsächlich zu und ich seufzte.
„Tschüss, Clint", sagte ich leise.
Da schlug die Tür auch schon zu. Ich seufzte, nahm ich mir einen Apfel.
Ich sollte erst in wenigen Stunden im Café sein, da brauchte ich nicht lange, bis ich fertig war.
Entspannt setzte ich mich auf Clints alten Platz und fing an, mit der Fernbedienung durch die Kanäle zu schalten, als es klingelte.
Ich seufzte entnervt und stand auf. Dann lief ich zur Haustür und machte auf.
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„Ja?", hakte ich nach.
„Sind Sie Miss Romanoff?", fragte der Typ vor mir und ich runzelte meine Stirn. Sah ich nicht danach aus?
„Ja. Wieso?", hakte ich skeptisch nach und schloss die Tür etwas.
Vor allem, als der Typ ein Paket hervorholte. „Das ist an Sie hier adressiert", erklärte er und ich runzelte die Stirn als er auch noch ein Gerät hervorholte.
„Er braucht eine Unterschrift, Vika", ertönte Emilias Stimme und mein Kopf wandte sich ihr zu. Oh, ich hatte nicht mitbekommen, dass sie eben aus der Tür treten wollte.
„Ich glaube, dass hätte ich auch so rausgefunden", sagte ich ihr – denn sie musste mir nicht bei allem helfen. Auch wenn sie es gern tat.
„Ich wollte nur helfen", schmunzelte sie und zuckte mit ihren Schultern.
Ich strich mir eine Haarsträhne, die sich aus dem Zopf gelöst hatte, hinters Ohr, ehe ich mich zum Postboten umdrehte und ihm die gewünschte Unterschrift lieferte. Meine Schrift sah dermaßen krakelig aus, dass ich mir vornahm, lieber gleich zu üben, wie ich meine Initialen hinterließ.
Danach bekam ich mein Paket.
„Schönen Tag noch, Miss Romanoff", nickte er mir zu und richtete kurz seine Kappe.
„Danke, ebenfalls", meinte ich und sah ihm kurz noch nach, wie er um die Ecke verschwand, ehe ich mich mit dem Paket im Arm in die Wohnung zurückzog, Emilia zuwinkte als sie die Treppen anfing, hinunterzulaufen.
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Als erstes lief ich in die Küche und stellte es dort ab. Als nächstes lief ich schnell in mein Zimmer und schnappte mir mein Handy vom Nachttisch. Als letztes wählte ich Natashas Nummer.
„Ja?", ertönte ihre müde Stimme.
„Ich hab ein Paket bekommen", meinte ich irritiert und sprach es direkt an. „Was ist ein Paket?" Blinzelnd sah ich gegen die Decke und dann kurz aus dem Küchenfenster.
„Hey, bleib mal ruhig", lachte sie leise los als ein Geräusch im Hintergrund zu hören war. „Guten Morgen, Bruce", schmunzelte sie.
„Hast du mich gerade aus dem Bett geworfen?", meinte er leise lachend und automatisch musste ich lachen, als ich es mir bildlich vorstellte.
„Nein, so etwas würde ich niemals tun", beteuerte meine Schwester und ich lief lächelnd kurz zum Kühlschrank. Doch dann entschloss ich mich um, mir doch kein Trinken herauszunehmen und lief zurück zum Esstisch.
Da fiel mir wieder dieses braune Papppaket mit gelblichem Klebeband ins Auge. „Was mach ich jetzt wegen diesem Paket?"
„Ist es für Clint?", fragte sie nach, doch ich schüttelte den Kopf, ehe mir einfiel, dass sie mich nicht sehen konnte.
„Nein", antwortete ich schnell.
„An wen dann?", fragte sie. „An irgendeinen Nachbarn im Haus?"
„Natasha", sagte ich. „Es ist an mich adressiert."
„Was is' denn eigentlich los?", gähnte Bruce im Hintergrund.
„Vika hat das erste Mal einen Postboten kennengelernt", erzählte Natasha sarkastisch.
„Wie interessant", stimmte Bruce zu und ich stöhnte genervt.
„Natasha, das ist absolut nicht lustig", entgegnete ich. „Was ist, wenn da irgendwas Böses drin ist?"
„Komm schon, mach dir nicht ins Hemd", sprach sie aus und ich sah an mir herunter.
„Ich habe eine Bluse an", korrigierte ich sie und sie kicherte.
„Soll ich vorbeikommen und das Paket für dich öffnen?"
Ich sah zur Mikrowelle, wo ich letztens erst eine Uhr entdeckt hatte. „Nein, dafür würde die Zeit nicht mehr reichen", verneinte ich seufzend. „Ich bin doch um zwölf mit Mrs. Andrews verabredet", rief ich ihr in Erinnerung und nun war sie es, die seufzte.
„In Ordnung", gab sie von sich. „Dann lass es doch da stehen und wenn ich heute Abend wieder vorbeikomme, dann können wir es gemeinsam öffnen. Einverstanden?"
Ich nickte, ehe mir wieder einmal mehr einfiel, dass ich nur mit ihr sprach, sie mich aber nicht sah. „Ja, okay", stimmte ich zu und sie gähnte mir in den Hörer.
„Bye", sagte sie nach einige Sekunden zögerlich.
„Auf Wiedersehen, Natasha", erwiderte ich und legte auf, ehe ich das Handy einige Sekunden anblickte.
Dann legte ich es beiseite und lief zögerlich zu einer Schublade, wo ich wusste, dass eine Schere darin vorzufinden war. Ich war wieder zu neugierig.
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Ich bekam das Paket nicht auf, stellte ich fest, als ich versuchte, es aufzuschneiden.
Also musste die altmodische Variante her. Ich nahm mir ein scharfes Messer und schnitte jedes Klebeband an der Linie genau entlang vorsichtig durch. Danach wollte ich es aufmachen. Klappte noch immer nicht.
Frustriert seufzte ich, strich mir mein Haar nach hinten und lehnte mich in meinem Stuhl zurück.
Gut, dann bekam ich es eben nicht auf. Mir doch auch egal!
Plötzlich ertönte ein leises Geräusch. Sofort sah ich auf. Natürlich! Jetzt ging es auf.
Neugierig schnellte ich vor und drückte die Seiten des Paketes weg, ehe ich endlich in das Innere des Pakets blicken konnte.
Völlig verwirrt war ich aber. Warum ließ es sich nicht öffnen, wenn doch nur so weißes Zeug darin war?
<Du musste reingreifen.
>Danke.
Ich nahm meine rechte Hand, griff hinein und... wühlte einige Zeit darin herum. Ich musste kichern, weil es kitzelte. Am Ende ergriff ich etwas Rundes und gleichzeitig Eckiges.
Es war eine Schachtel, stellte ich fest als ich sie aus dem Paket herauszog. Die war eckig, dunkelblau und abgerundet, weswegen sie mir rund erschien.
Irritiert schlug ich nun das Paket beiseite und betrachtete die Schachtel. Sie war süß, aber... sie kam mir irgendwie bekannt vor.
Plötzlich, als ich meinen Ellenbogen auf dem Tisch abstützte, stieß ich das Paket zu Boden und der Inhalt versammelte sich auf dem Boden.
„Na, super", stöhnte ich auf, runzelte gleich darauf meine Stirn.
Als ein Stück Papier an der Seite mit rausflog, legte ich die Schachtel auf dem Tisch ab, stand seufzend auf und kniete ich mich zu Boden.
Ich hob es langsam an, ohne auf die Unordnung zu achten, die ich verunstaltet hatte. Ich faltete das Blatt Papier auseinander und als ich sah, dass ich es lesen konnte, verschlang ich die Zeilen förmlich.
Lass das Clint nicht wissen, Victoria. Ich möchte, dass du dir in Ruhe die Bilder anschauen kannst.
Mark
Völlig verwirrt sah ich auf.
„Was?", sprach ich laut meinen Gedanken aus, ehe ich mich am Tisch abstützte und so hochzog.
Als ich stand legte ich das Papier neben die Schachtel und räumte erstmal auf.
Danach stellte ich mich vor den Tisch und betrachtete das alles, was auf dem Tisch lag.
Unordentlich zusammengebundenes Paket – kaum aufzukriegen. Ein Papierstück, wessen Zeilen darauf mich verwirrten. Und dann die dunkelblaue, feine Schachtel, die anscheinend einen Inhalt barg.
Ich seufzte, nachdem ich gute zehn Minuten draufgesehen hatte und öffnete sie einfach.
Es war ein Stift. Hä? Das waren doch keine Bilder... oder?
Ich runzelte erst die Stirn, ehe ich mir die Schläfen rieb, die ziepten als ich mich daran erinnerte, wie Mark Clint in einem Café etwas geben wollte.
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„Mist", fluchte ich, hüpfte in meine Turnschuhe als ich im Hausflur stand.
Nur weil ich hatte herausfinden wollen, wie ich die Bilder mir anschauen konnte, hatte ich es verpeilt, dass ich zum Frühstück verabredet war.
Fertig mit meinen Schuhen, schnappte mir meine Handtasche, packte mein Handy und Geldbeutel ein und lief schnell zur Tür hinaus.
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Datum der Veröffentlichung: 20.205.2020 11:44 Uhr
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