Twelve
Twelve:
ihre fünf Minuten
So schnell ich konnte, richtete ich das Kleid, als Clint mit einem kleinen Glasfläschchen hereingelaufen kam und mich zu sich herumdrehte.
„Mach mal den Kopf hoch", bat er und ich gehorchte. Ich spürte, wie er mir etwas auf den Hals schmierte, es ordentlich verteilte. Später auch aufs Dekolleté. Es fühlte sich gar nicht so schön an, dieses „etwas". Eher wie so eine dickflüssige Masse an Hautschichten, die überflüssig waren. „Das ist Makeup. Sollte die Knutschflecke überdecken", seufzte er und ich sah auf mein Dekolleté hinunter. Ich zuckte mit den Schultern. Denn meiner Meinung nach konnte man garantiert noch den einen „Knutschfleck" oberhalb meiner rechten Brust erkennen. „Muss schon gehen", seufzte er schwermütig. „Denn sie läuft gerade die Treppen hoch."
Ich riss meine Augen auf. „Du hast noch kein Shirt an!", zischte ich.
„Und deine Haare sehen aus, als hätte ein Vogel darin genistet", kommentierte er.
„Kann ich nur zurückgeben", lachte ich leise, da zog er mich plötzlich an der Taille zu sich und küsste mich einmal heftig, wobei ich meine Arme aus dem Reflex heraus gegen seinen Brustkorb stemmte, mich dann aber entspannte und den Kuss erwiderte.
„Den ganzen Abend ohne einen Kuss auszuhalten wird schwer werden", seufzte er. „Aber Geduld liegt bekanntlich in jeder Menschenseele."
Schon löste er sich, ehe er ohne einen Blick zurück aus dem Zimmer lief und in seinem Zimmer sein Shirt vom Boden aufhob. Ich sah ihm noch circa zehn Sekunden hinterher, ehe ich hörte, wie die Tür vorne geschlossen wurde und ich mir meine Bürste schnappte.
Akribisch und erbarmungslos fuhr ich mir damit durch die Haare, verzog nicht nur einmal meine Miene, ehe ich sie schnell wieder weglegte, weil hinter mir ein Klopfen gegen meine offene Zimmertür ertönte.
„Tash ist da. Kommst du?", murmelte Clint, ehe seine Mundwinkel zuckten, ich leicht rot wurde und seufzte. Ich drehte mich um und sah, wie Clint schmunzelnd den Kopf schüttelte. „Sweet", formte er mit seinem Mund und ich wurde rot, ehe ich schnell an ihm vorbeilief.
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„Hallo, Nat", setzte ich ein Lächeln auf und beobachtete genau ihre Reaktion als sie sich umdrehte, einen Beutel auf der Kommode im kleinen Flur ablegte.
„Na, kleine Schwester", grinste sie in ihrem schwarzen und farblosen Kleid. Ich blinzelte, legte den Kopf schief als ich ihren Kopf betrachtete. Sie hatte diese wunderschöne offene Frisur noch nie in meiner Gegenwart getragen. Noch immer grinsend schloss sie ihre Arme um mich, wobei ich das erste Mal vom nahen sah, wie gut ihr Makeup stand.
„Du bist wunderschön", sagte ich leise – und beneidend. Ich wünschte, ich wäre so schön wie meine große Schwester. Selbst im Farbton unserer Haare unterschieden wir uns. Das war... unfair.
„Dafür, dass ihr euch beide wahrscheinlich erst vor zehn Minuten fertig gemacht habt, sieht es hier sogar relativ sauber aus", überging sie mein Kommentar.
„Wir hatten zu tun und Vika hat voll verpennt", log Clint auch schon drauflos. „Wir mussten uns beeilen."
„Ja, ich habe verschlafen, weil es einfach ein super anstrengender Tag gestern war", verdrehte ich meine Augen.
„Ach, tatsächlich?", hob sie skeptisch eine Augenbraue. „Ich dachte, du warst gestern nur mit deiner Freundin Emilia unterwegs."
Ich nickte. „Manchmal ist sie echt anstrengend", versuchte ich zu bluffen. Es war kein bluff. Emilia konnte wirklich anstrengend sein.
Ihr Lächeln, welches sie mir zuwarf, wirkte ehrlich und wunderschön als die Skepsis aus ihrem Blick verschwand. „Das freut mich trotzdem", sagte sie. „Du hast Freunde gefunden."
Ich nickte. „Aber er hier mag Emilia nicht", wisperte ich ihr zu und beugte mich dazu leicht vor.
„Das habe ich gehört", merkte Clint an und kam mit meiner Tasche zurück. Warum zum Teufel war die in der Küche? Hatte ich die da gestern liegengelassen? In dem Moment, wo er sie mir reichte, klingelte es an der Tür.
„Das wird Steve sein", seufzte sie. „Er hat es noch eilig, weil..." Sie murrte und sah kurz zur Decke. „Irgendwie ist aus dem ‚wir gehen als ursprüngliches Team' ein ‚wir gehen uns alle einen Blackout holen' geworden." Natasha zuckte mit ihren Schultern. „Ich bin nicht so in Feierlaune, um ehrlich zu sein, aber mit Vika auszugehen könnte Spaß bedeuten."
„Was ist ein Blackout?", hakte ich verwirrt nach und lehnte mich etwas nach vorne.
„Das, was du dir bei deinem letzten Ausflug in einen Club geholt hast", kommentierte sie es und lief in den Flur voran. Ich seufzte schwermütig, obwohl ich so tat, als hätte ich nicht bemerkt, dass Clint zusammengezuckt war. Danach lief ich ihr hinterher, zuckte jedoch zusammen und fuhr mit meinem Kopf herum, nur, um zu sehen, wie Clint unschuldig pfiff. Der hatte mir gerade in den Hintern gekniffen. Ich schüttelte kurz den Kopf, wandte mich wieder nach vorne und sah dann auf die Hände meiner Schwester, die Schuhe trug. „Damit kannst du auch den ganzen Abend sicher durch die Gegend tanzen", lächelte sie und hielt mir weiße Römersandalen hin – die ich persönlich total schön fand. „Ausgeliehen", erklärte sie mir und zog sie kurz zurück, bevor ich heftig nickte und sie sie mir in die Hände drückte.
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Natashas Perspektive:
Lächelnd sah ich zu, wie Vika an Clint vorbei ins Wohnzimmer hüpfte, um sich die Schuhe anzuziehen.
„Du sagtest gestern, du hättest Fehler gemacht", murmelte ich als ich mich neben Clint stellte und zu Victoria sah. „Aber doch nicht welche, die ihr schaden könnten... oder?"
„Erklär ich dir später, wenn wir mal einen Augenblick für uns haben", raunte er zurück und ich seufzte.
„Du weißt, dass ich heute Abend wahrscheinlich beschäftigt bin, auf diese hyperaktive, tickende Zeitbombe aufzupassen."
„Dann reden wir morgen darüber, keine Ahnung", sagte er und sah wieder zu ihr. „Ich mag das nicht mit dir bereden, wenn sie in der Nähe ist."
Ich seufzte. „Okay." Ich betrachtete seine Gesichtszüge, während er ihr zusah, wie sie sich die Schuhe anzog. „Wieso hat sie einen Knutschfleck?", fragte ich. Er zuckte ruhig mit seinen Schultern. „Würdest du mir bitte sagen, was da abgeht?"
„Sie hat sich den keine Ahnung wo geholt", haute er raus. „Ich weiß auch nicht alles, okay? Der ist seit ein paar Tagen dort."
Ich wollte den Mund öffnen, ihm widersprechen. Doch da kam Vika auch schon zu uns gelaufen und ergriff plötzlich unsere Hände – lachend. Was war denn jetzt mit ihr los? „Kommt schon!", rief sie. „Ich hab jetzt Lust, zu tanzen!"
„Du kannst doch gar nicht tanzen", meinten Clint und ich perplex.
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„Es kommt doch immer auf den Spaß an", grinste sie als wir unten im Erdgeschoss ankamen. Da schloss sich gerade auch der Briefkasten einer Nachbarin. „Guten Abend, Mrs. Andrews", lächelte Vika höflich und die ältere Dame fuhr herum.
„Oh, Victoria, Liebes. Wie geht es dir?", lächelte diese ebenso freundlich wie Vika zurück und ich sah zu Clint, der nur leicht den Kopf schüttelte.
„Wunderbar. Wir gehen heute feiern."
„Und was wird gefeiert?", hakte Mrs. Andrews nach und meine Mundwinkel zuckten.
„Die Verlobung eines Freundes und einer Freundin."
„Freut mich", lächelte sie in meine Richtung und ich nickte höflich.
„Ich warte draußen", murmelte ich. „Sorg dafür, dass sie sich jetzt nicht in einem Gespräch verfängt, denn wir sind spät dran."
„Eye, Ma'am", scherzte Clint und ich sah ihn mit einem Pokerface an, ehe ich schmunzeln musste und mich entschuldigte.
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„Ihr braucht zu lange!", beschwerte sich Steve und ich seufzte.
„Bleib mal locker", meinte ich ruhig und die Autotür öffnete sich. „Bucky kann auch mal fünf Minuten von dir getrennt sein."
„Versuchst du aber, Sarah von ihm loszubekommen, dann hast du ein Wrack bei dir", erklärte Bruce und ich schmunzelte, ehe ich mich zu ihm stellte.
„Kein Wrack", meinte ich und seine Augenbrauen flogen nach oben.
„Nich'?", ich schüttelte meinen Kopf.
„Ein einsamer Hund, der wartet und jault, bis sein Herrchen wieder da ist", lächelte ich und Bruce schmollte.
„Willst du mich schon mit einem Hund vergleichen, weil ich letztens nachgefragt habe, wann du wieder da bist?"
„Quatsch!", winkte ich ab. „Ich meine doch lediglich Bucky und Sarah."
Schmunzelnd küsste er meine Wange. „Sicher?"
Ich nickte, ehe ich ihm meinen Kopf zudrehte und mir schnell einen Kuss stahl. „Ganz sicher", nickte ich erneut, beugte mich wieder vor, um mir noch einen Kuss zu stehlen. Doch da kam mir jemand dazwischen.
„Hier wird nicht rumgeknutscht!", rief Vika lachend. Und deswegen löste ich mich lächelnd und drehte ihr meinen Kopf zu. Das war nicht ihr Ernst.
„Sag mir nicht, du und Clint knutschen nicht rum", verdrehte ich meine Augen. „Denn er kann mir noch so oft sagen, der Knutschfleck auf deinem Hals stammt von Peter Pan."
Clint hinter ihr zog eine Augenbraue hoch. Dann schüttelte er den Kopf.
„Na los, ich mag feiern!", rief sie und zu Clints Wagen rannte los, der eine Querstraße weiter hielt – was ich auch nur wusste, weil wir vorhin daran vorbeigefahren waren.
Clint sah ihr mit schiefgelegtem Kopf hinterher.
„Was ist eigentlich mit ihr los?", fragte Bruce nach. „Ich habe sie seit Wochen nicht so fröhlich erlebt."
„Scheint, als hätte sie entweder ihre fünf Minuten", begann Clint. „Oder sie geißelt sich selbst und verhindert es, dass sie sich an ihre Vergangenheit erinnert und sich gerade wie ein Kind verhält, weil sie mit ihren Gefühlen nicht klarzukommen weiß." Danach sah er mich kurz an und lief ihr dann hinterher.
„Sollte ich mir Sorgen machen?", rief ich ihm nach, doch er schüttelte wieder den Kopf.
„Denkst du denn, es ist etwas mit Vika nicht in Ordnung?", fragte Steve und stieg wieder ein, ehe Bruce und ich hinten einstiegen und ich mich anschnallte. „Dr. Bolyn hätte es uns mitgeteilt, wenn was wäre."
Ich strich mir eine Strähne hinters Ohr. „Ich denke, mit Clint ist etwas nicht in Ordnung", seufzte ich. „Schon seit längerer Zeit kommt er mir verändert vor."
„Vielleicht merkt er nun, was wirklich passiert ist."
„Ja", meinte ich und legte kurz den Kopf schief. „Vielleicht."
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Datum der Veröffentlichung: 20.05.2020 12:16 Uhr
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