Thirty-five

Thirty-five:
ein seit Jahren begangener Fehler

Pfeifend machte ich mich auf den Weg in meine Küche, öffnete den Kühlschrank.

„Wie meinst du das?", fragte Tyr. „Mit dem hier kann man alles schauen, was man möchte?" Er hielt die kleine Fernbedienung hoch.

„Ob du's glaubst oder nicht, aber ja", antwortete ich ihm. „Und wenn du über Nacht bleibst", ich schloss den Kühlschrank nachdem ich mir Schoki rausgeholt hatte, „Finger weg von meiner Schokolade", deutete ich auf den Kühlschrank. Ich runzelte die Stirn als er die Fernbedienung genau in Augenschein nahm. „Was ist?", hakte ich nach.

„Dingsda", sprach er die Fernbedienung an, die piepte und rot aufleuchte. Das dumme war, seit man den Programmen eigene Namen geben konnte, dass mir kein Name eingefallen war – und ich mein Programm wirklich Dingsda benannt hatte. „Sex."

Ich hob beide Augenbrauen. Dann verdrehte ich die Augen und lief an ihm vorbei, biss in meine Schoki. „Der Fernseher is' hier", nuschelte ich kauend, deutete auf den Fernseher. Er kam sofort hin und sah auf den Bildschirm.

„Was das?", deutete er darauf.

Ich seufzte. „Sex And The City", erklärte ich ihm. „Er sucht dir nun mal die nahgelegenste Serie oder den nahgelegensten Film heraus, Tyr. Nichts weiter. Keine Schmuddelfilme, kein gar nichts."

„Schmuddelfilme?", lachte er auf. „Wo hast du denn das gelernt?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Kein Plan."

„Oh nein", deutete er mit der Fernbedienung auf mich. „Ich weiß, dass du weißt, wie das heißt. Ich hab's Stark sagen hören. Vor Jahren." Ich zog fragend eine Braue hoch. „Porno." Ich wünschte, er hätte das nicht gesagt. Denn ich lief rot an als mein Fernseher die Internetsuche zur Hilfe nahm und ihm den Begriff „Porno" breitfächernd erklärte. „Ah, das hab ich gesucht", grinste er, deutete auf den Fernseher.

„Tyr, das ist nicht lustig", sagte ich, schaltete meinen Fernseher aus. „Du kannst keine Schmuddelfilme auf meinem Fernseher gucken."

Er zog eine Braue hoch. „Wollte ich nicht", zuckte er mit den Schultern. „Ich wollte gucken, was dieses kleine Ding alles finden kann, wenn ich's ihm befehle."

<Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht...
>Pookie.
<Was?! Ich sag's ja nur!

„Was machst du jetzt hinsichtlich wegen Barton?", verschränkte er die Arme vor der Brust.

Ich hob beide Augenbrauen. „Nichts?", entgegnete ich.

„Wie ‚nichts'?", erwiderte er sofort. „Kein tränenreiches Wiedersehen, wo du ihm an den Kopf wirfst, was für ein betrügerischer Arsch er doch ist oder kein wütendes Wiedersehen, an dessen Ende ihr trotzdem übereinander herfallen werdet?"

Ich schüttelte den Kopf. „Ich hab nicht vor, Clint jemals wiederzusehen."

Er lachte, löste seine Arme wieder. „Bitte sag mir, dass das ein Witz ist", bat er mich. Ich erwiderte nichts. Er deutete mit der Hand auf meinen Bauch. „Dein Kind braucht einen Vater, Victoria. Du kannst ihm oder ihr nicht einfach den Vater vorenthalten."

„Werde ich auch nicht", zuckte ich leicht mit meinen Schultern.

„Und was dann?", zog er die Augenbrauen zusammen. „Wie hast du dir das vorgestellt, huh?"

„Natasha. Sie darf alles regeln. Ich werde Clint jedenfalls niemals wieder unter die Augen treten."

Ich schnaubte, drehte mich um und wollte mich auf den Weg in mein Schlafzimmer machen. „Ich meinte zwar, du solltest ihn schmoren lassen, aber das kann nicht dein Ernst sein", lachte er – und ich hörte seine Schritte, die mir eindeutig nachgingen.

„Doch. Und ob", widersprach ich.

„Victoria, das ist nicht zu fassen, du-"

„Ja, es ist nicht zu fassen", fuhr ich im Türrahmen herum. „Es ist nicht zu fassen, dass ich überglücklich die Wohnung betrat, die dem Mann gehört, den ich in der gesamten Galaxie am meisten liebte. Den Mann, der der Vater meines zukünftigen Kindes sein wird. Und es ist nicht zu fassen, dass ich diesen Mann dabei erwischte, dass ich dabei zusah, wie er andere fickte", verschwamm meine Sicht. „Ich habe wirklich einiges Schlimmes erlebt", stimmte ich Tyr zu, der seinen Mund schloss. „Aber ich habe es nicht verdient, dass ich dermaßen gedemütigt werde."

„Victoria-", legte er den Kopf.

„Denn, auch mal zu deiner Info, fickte er ein Mädchen, dass sich als meine Freundin ausgab und hinter meinem Rücken die Hure des Jahres spielte." Ich war am Überlegen, ihm meine Zimmertür vor der Nase zuzuschlagen – aber ich ließ es bleiben. „Nein danke. So jemanden möchte ich nie wiedersehen." Ich wischte mir über die Augen. „Er verdient mein Mitleid nicht, meine Liebe nicht, dieses Kind nicht", deutete ich auf meinen Bauch. „Aber allem voran verdient er meine Tränen nicht." Ich gab einen verquerten Laut von mir als Tyr mich an sich zog, mich fest umarmte. „Hey, was tust du da?", murmelte ich mit dem Gesicht gegen seine Schulter gedrückt.

„Ich umarme dich", seufzte Tyr, ehe er mir anfing, über den Hinterkopf zu streicheln. „Jetzt halt die Klappe und lass es einfach geschehen, kapiert?"

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Natashas Perspektive:

Ich seufzte, lächelte leicht.

„Du machst mir ehrlich gesagt ein bisschen Angst, wenn du mich mit diesem Dauergrinsen ansiehst", schmunzelte Clint.

Ich sah noch immer lächelnd auf unsere Hände. „Ich bin froh", sagte ich, zuckte leicht mit den Schultern. „Du bist doch nicht tot."

Er verdrehte die Augen. „Ich dachte, das ist das, was du dir am sehnlichsten wünschst?"

Ich schüttelte den Kopf. „Dass ich dich eines Tages umbringe, ja. Das wünsche ich mir sehnlichst", scherzte ich. „Aber nicht, dass dich die Syrer vor mir kriegen."

Er lachte leicht, hustete kurz. „Du bist eine Nervensäge", verdrehte er die Augen nochmal.

„Ich weiß", gab ich von mir. „Aber ich bin die Nervensäge, die du nicht mehr loswirst", stellte ich klar, befeuchtete kurz meine Lippen. „Und ich muss dir was sagen", seufzte ich, strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

„Dass du einen neuen Haarschnitt hast?", entgegnete er. „Du hast das blond abgeschnitten."

Ich nickte. „Aber das ist nicht das, worüber ich mit dir sprechen muss, Clint."

Er seufzte, sah auf seine Brust. „Du musst mit mir darüber sprechen, was vor der Mission war, oder?"

Ich bewegte leicht meinen Kopf. „Sowohl als auch", stimmte ich teils zu und er runzelte die Stirn.

„Okay, hau raus", bat er leise.

Meine Mundwinkel zuckten, ehe ich beide Augenbrauen hochhob. „Ich hab einen Fehler gemacht", sagte ich ihm. „Schon vor ein paar Jahren", merkte ich direkt an und die Furche zwischen seinen Augenbrauen verstärkte sich. „Ich habe immer Victoria verteidigt und sie beschützt, wenn du ihr wehgetan hast, weil sie meine kleine Schwester ist."

„Was für Geschwister ziemlich normal ist", seufzte er. „Denk dran, wie sehr ich Tyrone das erste Mal fertiggemacht habe, als ich ihm unter die Augen trat und er sagte, Leyla heiraten zu wollen."

Ich schmunzelte leicht, drückte seine Hand und ließ die Schultern etwas hängen. „Ja, aber ich hab zwischen all dem die Tatsache ignoriert, dass du mein bester Freund bist, Clint", stellte ich schluckend klar. „Und als deine beste Freundin hätte ich auch für dich da sein und einstehen sollen", seufzte ich. „Keiner kennt dich besser als ich und weiß, was du durchgemacht hast." Ich lächelte leicht. „Erinner dich nur mal an Budapest." Er rollte leicht mit den Augen. „Ich denke, es wird mal langsam Zeit, dass ich aufhöre, immer nur an meine Schwester zu denken und nun auch mal an meinen besten Freund denke", sah ich ihm ins Gesicht, wartete darauf, dass er mir in die Augen blickte – was er nicht tat. Er sah stur auf seinen Brustkorb.

„Ich hab deine Schwester betrogen."

„Ich weiß", gab ich ruhig von mir. „Aber ich glaube, ich bin diesmal nicht ganz so wütend wie sonst geworden."

„Wieso?"

„Weil ich ans Bett gefesselt war und mit acht Schusswunden flachlag."

Er schmunzelte. „Also war die Aktion, die ich da hinlegte, nicht ganz so erfolgreich."

„Ich wurde vorher schon dreimal getroffen", gestand ich ihm. „Sonst hätte ich den Idioten auf mir in Grund und Boden gestanzt. Und du weißt das genauso gut wie ich."

Er lachte. „Ich glaube sogar besser", merkte er an. „Aber gut, du bist das, was du sagen wolltest losgeworden. Und-"

„Ehrlich gesagt", sah ich wieder auf, „Noch nicht alles", sagte ich, zog leicht die Brauen zusammen.

„Okay", entgegnete er. „Hau raus."

„Ich möchte wissen, wieso du sie schon wieder von dir gestoßen hast." Ich seufzte, strich mir das Haar zurück. „Sie bedeutet dir alles und du... du hast das schon wieder zerstören wollen?" Ich legte den Kopf schief. „Was ist falsch mit dir?"

Er lachte leise. „Ich denke, eine Menge abgedrehte Scheiße", meinte er.

„Clint?" Ich biss mir auf die Unterlippe. „Kannst du mir eine Frage ehrlich beantworten?"

„Ich versuch's zumindest." Toll – das war kein ja.

„Warst du je bei der Therapie? Nach dem Krieg?"

Er hob beide Augenbrauen. „Wie kommst du darauf?"

„Weil Tony für den Fall der Fälle deine Rechnungen durchgegangen ist und... und wir keine für einen Therapeuten finden konnten."

Er seufzte, holte tief Luft. „Nun, vielleicht ist das auch so, weil ich diese Rechnung schon bezahlt habe?"

„Doch wie?", hinterfragte ich gleich. „Ich habe meine auch noch nicht vollständig bezahlt."

„Nun ja", zuckte er mit den Schultern. „Jeder von uns verarbeitet dieses Ereignis anders, Nat." Er schüttelte den Kopf. „Möchtest du echt wegen einem Therapeuten mit mir sprechen?" Er rollte mit den Augen. „Ich kann gern noch eine Therapie machen, wenn's dir wichtig ist und hilft, dein Gewissen etwas zu erleichtern."

„Nein, schon okay", murmelte ich.

„War's das nun?" Ich presste die Lippen zusammen.

„Eigentlich noch immer nicht, nein."

Er lachte. „Was gibt es denn noch so Wichtiges zu besprechen, Natasha? Ich bin keine drei Stunden wach. Und ich habe Hunger. Ich-"

„Clint, ich muss dir was Wichtiges sagen", unterbrach ich ihn, biss mir auf die innere Seite meiner Wange. Er zog fordern eine Braue hoch, wartete darauf, dass ich weitersprach. „Vika erinnert sich an... einige Sachen wieder."

„Wie meinst du das?"

„Nun ja", ließ ich endlich seine Hand los. „Sie... weiß noch nicht alles von früher, aber... sehr vieles."

„Hat es ihr jemand erzählt?" Ich schüttelte den Kopf.

„Sie hat sich einfach wieder... erinnert."

„Das ist... großartig", lächelte er.

Ich schüttelte den Kopf. „Sie ist sehr sauer", meinte ich. „Ich... ich hab sie heute das erste Mal seit drei Monaten wiedergesehen." Er hob beide Augenbrauen.

„Du warst vorhin bei ihr als dir... Bruce schrieb?" Ich nickte. „Wieso zum Teufel bist du nicht geblieben?"

„Weil ich mich vergewissern musste, dass es dir gutgeht."

„Natasha, mir geht's gut." Er lachte. „Mach, dass du deinen Arsch wieder zurück zu ihr bewegst."

Ich schüttelte den Kopf. „Clint, da ist noch was."

„Und was?" Er klang so fröhlich, ich... ich wusste, dass meine nächsten Worte seine Stimmung zerstören würden.

„Sie will dich nie wiedersehen, doch-"

„Moment", unterbrach er mich. „Was?"

„Doch ich halte das für keine gute Idee, weil-"

„Natasha, warte!", unterbrach er mich wieder. „Sie will mich nie wiedersehen? Hat sie das gesagt?"

„Ja", antwortete ich ihm schnell.

„Und wieso hältst du das für keine gute Idee, dass sie mich nie wiedersieht?"

Ich schluckte. „Clint, wenn ich das jetzt ausspreche, dann wird sich alles ändern."

„Komm schon, spuck's aus", gab er plötzlich angepisst von sich. „Zieh das ab. Wie so ein Pflast-"

„Sie ist schwanger, Clint."

Er blinzelte mich an – gleich mehrfach. „Wiederhol das", haute er nach einigen Sekunden Stille raus.

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Datum der Veröffentlichung: 20.05.2020 13:30 Uhr

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