Eight

Eight:
der Punchingball

Natashas Perspektive:

„Hat ihn inzwischen jemand erreicht?", seufzte Steve.

Ich schüttelte meinen Kopf. „Bartons Handy ist noch immer aus", sagte ich ihm.

„Er kann nicht einfach die Arbeit schwänzen", hob Tony leicht die Arme an, gestikulierte. „Ich weiß, dass er gerade nicht wirklich eine tolle Zeit durchmacht, aber das ist sehr verantwortungslos."

„Sagte der Verantwortungslose", deutete Rhodey auf ihn.

Ich zog kurz eine Augenbraue hoch. „Mir reicht's, ich fahr bei ihm vorbei."

„Kam jemand schon auf die Idee, Vika zu benachrichtigen und zu fragen?", fragte Charlie, wiegte Jane in ihren Armen hin und her, damit diese endlich einschlief.

„Die wird wohl schon gar nicht wissen, wo er sich gerade befindet", erwiderte Sam.

„Wie jetzt?", zog sie ihre Brauen hoch. „Ihr habt nicht mal gefragt? Ich hoffe, ihr wisst, das fragen nichts kostet, Leute."

----------

Victorias Perspektive:

Total erledigt ließ ich meine Tasche im Flur auf der Kommode sinken und schlüpfte aus den Schuhen. Danach aus der Leggings, ehe ich mit dieser in der Hand ins Wohnzimmer lief.

Ich ließ mich völlig fertig auf die Couch fallen und schloss die Augen für wenige Minuten. Ich hörte, wie Clint hantierte, während er mir nebenbei meine Leggings entriss.

Es war heute ein so schöner Tag gewesen. Auch wenn es schon einundzwanzig Uhr war, da wir diesmal in keinen Stau geraten waren. Und die Zeit verflog zurück viel schneller als noch auf der Hinfahrt.

Zum Schluss hatte Clint leichte Probleme gehabt, mich aus dem Wasser zu bekommen, weil ich am Strand am liebsten bleiben wollte. Die Zeit war so schön – ich wollte nicht, dass sie endete.

Doch letztendlich hatte er mich eiskalt aufm Arm herausgezerrt und zur Decke getragen, wobei uns die Menschen komisch angeguckt hatten, als wir lachen mussten und ich herumzappelte.

------

So in meine Gedanken versunken erschrak ich als Clint meine Beine entlangstrich, sich über mich beugte.

Ich stöhnte leicht und setzte mich auf, womit meine Stirn leicht gegen seine prallte und da kleben blieb. „Und nun?", murmelte ich leise, sah ihm in die Augen als er mir einen Stirnkuss verpasste. „Schläfst du mit mir?", bat ich und er lehnte sich leicht zurück, zog eine Augenbraue hoch. „Also", ich rang kurz nach Worten, „So, wie du es mir heute gesagt hast?" Ich spürte, wie sich meine Wangen wieder erhitzten. Das Ganze war so neu für mich – daran musste ich mich erstmal gewöhnen.

„War das eine Frage?" Er beugte sich zu meinen Lippen vor. „Denn ich-", wir zuckte beide zusammen als sein Handy in seiner Hosentasche bimmelte. Er seufzte, zog sich noch weiter von mir zurück und holte es aus der Tasche, ehe er draufsah. „Hm?", ging er dran. „Was ist?" Er verdrehte seine Augen, während er mich ansah und ich mich auf die Ellenbogen hochstützte. „Rogers", raunte er mir zu. „Was ist dabei?", fragte er lauter und in den Hörer. „Ich hab den Tag mit Victoria vebracht, falls du unbedingt wissen willst, wieso ich es nicht für nötig hielt, zur Arbeit zu erscheinen und dämlichen Bürokram zu erledigen." Er murrte. „Hast du mal gesehen, was für ein Wetter draußen herrscht, Rogers? Ich wär eingegangen, wenn ich weiter an Bürokratischem gesessen hätte." Er rollte nochmal mit seinen Augen, presste kurz die Lippen zusammen. „Ja, ja. Das nächste Mal melde ich mich einfach krank, dann haben wir den Salat nicht." Ich legte meinen Kopf schief, ehe ich tief einatmete und eine Hand ausstreckte, sie gegen seine Bauchmuskeln legte und drüberstrich. „Weißt du, ehm, was?" Er hob beide Augenbrauen, blickte auf meine Hand. „Ich muss schlussmachen, ich hab was zu erledigen." Er wartete keine Antwort ab, legte einfach auf und steckte sich das Handy zurück in die Hosentasche, ehe er sich mir wieder entgegenbeugte.

„Was hast du zu erledigen?", fragte ich, legte den Kopf auf die andere Seite schief.

„Meine eigenen Vorsätze zu brechen." Ich schloss gerade die Augen, sehnsüchtig darauf wartend, dass er mich küsste. Doch sein Handy vibrierte ein weiteres Mal.

„Shit", entfuhr es ihm als er's wieder hervorzog und ich zog die Brauen zusammen. Gerade als ich den Mund öffnen wollte, um zu fragen, was los war, sprach er los. „Ich muss nochmal weg", seufzte er wehmütig und ich hob meine Brauen an.

„Ist denn etwas nicht in Ordnung?", fragte ich besorgt.

„Ich wollte nur noch einmal schnell meine Schwester verabschieden, weil sie schon viel zu lange in Manhattan war und wieder nach Hause muss", erklärte er. „Ich hab das total verpeilt", meinte er zu mir. Auf der Stelle wollte ich aufstehen, doch er drückte mich wieder zurück auf die Couch, beugte sich über mich. Ich zog eine Augenbraue hoch als er seufzte und meine Schultern entlangfuhr. „Geh duschen und schlafen, Victoria", sagte er mir. „Das war ein langer Tag und schwimmen macht einen müde. Ruh dich aus und wir sehen uns morgen früh."

Morgen früh? Warum sollte er denn solange wegbleiben, nur um seine Schwester zu verabschieden? Würde das die gesamte Nacht dauern? „Aber ich mag dich begleiten", schmollte ich, als er mich umarmte, sobald ich mich trotzdem wieder aufsetzte. „Ich mag Leyla auch verabschieden", sagte ich ihm, sah zu ihm hoch.

„Wünschte ich mir auch", murmelte er und streichelte meinen Rücken sanft entlang. „Tust du mir einen Gefallen?", hakte er nach und ich nickte mit gerunzelter Stirn. „Bleib bitte nicht mehr zu lange wach."

Ich nickte irritiert und ließ noch zu, dass er meine Stirn küsste, obwohl ich ihm gerne einen Mundkuss gegeben hätte. Aber er löste sich zu schnell.

Seufzend stand ich auf und drehte ihm dann meinen Rücken zu. „Clint?" Ich hob meine Arme, entknotete mein Kleid.

„Hm?"

Ich wurde rot, während mein Herzschlag schneller wurde. „Du verpasst was." Mutig zog ich mir mein Kleid im Flur aus, blieb an der Badezimmertür stehen und sah zurück. „Bist du dir sicher, nicht noch einen Moment bleiben zu wollen?"

Er biss sich im kleineren Flur, zu mir in den längeren Flur blickend, auf die Lippen – doch wie schon den ganzen Tag ließ er sie schnell wieder los. Dann schüttelte er den Kopf. „Sie muss sich etwas beeilen", meinte er. „Immerhin hat sich ihr Sohn den Arm gebrochen", fügte er hinzu.

-------------

Clints Perspektive:

„Ich dachte, du musst arbeiten." Ich zog beide Augenbrauen zusammen, schloss Emilias Haustür. „Du warst mit ihr heute unterwegs", grummelte sie, hielt mir ihr Handy entgegen. Ich hob beide Augenbrauen als ich uns auf einem Foto entdeckte, wie wir eine Wasserschlacht gegeneinander führten. Gott, sie hatte so niedlich dabei ausgesehen – so sorglos.

„Das geht dich ein Scheiß an." Ich zog mir die Jacke aus, verdrehte die Augen. „Ich habe dir schon mal gesagt, dass dich nicht alles in meinem Leben etwas angeht, Emilia."

„Ich hab dir aber gesagt, du sollst dich von ihr fernhalten", entgegnete sie. „Clint, sie war mit dir verlobt und-"

„Und ich habe dir gesagt, das kannst du knicken", fuhr ich sie an, lief ihren Flur hinab in ihr Wohnzimer. „Denn sie bleibt da wohnen", sagte ich nachdrücklich und zeigte Richtung Tür. „Und wir wohnen zusammen. Es kommt hin und wieder vor, dass ich sie zu etwas mitnehme", stellte er klar. „Ich kann aber auch gerne wieder gehen."

Sie schob leicht die Unterlippe vor. „Versteh doch nur, dass ich mir Sorgen mache, du würdest mich betrügen, Clint."

Ich rollte mit den Augen. Gott, wenn sie wüsste. Ich hatte den offensichtlichen Weg versucht, damit sie endlich verstand, dass ich nichts für sie war. Doch sie hatte die Anzeichen schlichtergreifend einfach ignoriert.

Emilia schnappte sich meine Hand, ehe sie ihre Hand mit meiner verschränkte.

„Wieso kommst du jetzt darauf?", zog ich leicht eine Augenbraue hoch.

Sie presste ihre Lippen zusammen. „Weil du nicht offen mit mir über deine Bedürfnisse sprichst, Clint." Ich verdrehte meine Augen. „Rede endlich mit mir, ich-"

„Ich sollte nun da drüben sein und einfach in die Dusche platzen, um sie zu vögeln", haute ich grob raus. „Und nicht mit dir hier stehen und dieses sinnlose Gespräch führen."

„Aber du bist mit mir zusammen, nicht mit ihr." Ich unterdrückte den Drang, meine Augen erneut zu unterdrücken, als ihre Sicht glasig wurde. „Ich tu alles, um dir die perfekte Freundin zu sein und-"

„Mit perfekt wirst du aber niemals bei mir weiterkommen", schüttelte ich den Kopf. „Ich bin niemand, der eine Frau begehrt, die andere nur zu ihrem eigenen Vorteil manipuliert und sich als perfekt ausgibt, Emilia."

„Und was ist das, was du da mit Victoria tust?", legte sie den Kopf schief. „Manipulierst du sie nicht auch zu deinem Vorteil?", fragte sie ihn. „Oder ist es mehr als nur Vergnügen? Hast du je wirkliche Liebe für sie empfunden?"

„Wag es dich, nochmal so etwas zu sagen", stellte ich mit hochgezogenen Augenbrauen klar. „Meine Liebe zu ihr geht dich nichts an, Emilia, und sie wird dich auch niemals etwas angehen. Ist das klar?"

Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Baby, ich mein doch nur-"

„Ja, ich mein auch nur", unterbrach ich sie. „Ich kann's nicht leiden, wie du über sie herziehst, ihr die perfekte Busenfreundin vorspielst und denkst, bei mir könntest du Verständnis dafür erreichen." Ich seufzte. „Was mach ich hier eigentlich?", schüttelte ich nochmal den Kopf.

„Hast du mit ihr geschlafen?", haute sie ruhig raus.

„Wie bitte?", hielt ich inne.

„Hast du mit Victoria geschlafen?"

Ich biss mir von innen auf die Unterlippe. Diese Frage sollte ich wohl besser nicht beantworten. „Nein", sagte ich trotzdem. „Ich schlafe ungern mit zwei Frauen gleichzeitig. Da ist 'ne Geschlechtskrankheit vorprogrammiert."

Sie lief rot an, lief auf mich zu und umarmte mich – was mich irritiert. „Es tut mir leid, aber ich bin schlichtweg einfach eifersüchtig", murmelte sie an meinem Hals. „Ich fühle mich von ihr einfach angegriffen." Eigentlich sollte sich Victoria von ihr angegriffen fühlen – oder von mir. Ich hätte nicht mit Vika schlafen dürfen. Um ihrer Selbstwillen. Das hier würde einfach kein gutes Ende nehmen, wenn ich nicht ehrlich war. Und ich wusste, ich konnte nicht ehrlich sein – denn ich war ein verdammter Idiot. „Lass uns doch aufhören, zu reden." Sie drückte mir einen keuschen Kuss auf. „Es sei denn, du willst weiterreden und nicht mit mir vögeln."

Oh, ich wollte nichts lieber als nur weiterreden.

------

Victorias Perspektive:

Müde rollte ich mich von einer Seite zur nächsten, fand aber keinen Schlaf – weil mir zu warm war. Ich strampelte die Decke von mir, fand aber noch immer nicht die Erfrischung, nach der ich mich sehnte. Ich stand auf, öffnete meine Fenster – trotzdem half es nicht.

Außerdem machte ich mir wegen Clints Verhalten von vorhin etwas sorgen.

----------

Nach gefühlt tausend Stunden stand ich seufzend auf und lief aus dem Zimmer hinüber ins Wohnzimmer und schnell in den Flur, ehe ich die Stirn runzelte.

Wo war meine Tasche?

Ich durchsuchte die Wohnung kurz, fand die Sachen jedoch schnell in der Küche, wo ich mir mein Handy endlich schnappte. Clint hatte meine Tasche dort mit dem Rest an Gepäck von heute abgelegt. Das musste er wohl getan haben, als ich unter die Dusche gestiegen war.

Ich machte das Licht an, blinzelte einige Sekunden geblendet und setzte mich kurz an den Esstisch, ehe ich Clints Nummer heraussuchte. Er ging nicht ran. Auch nicht nach dem zweiten Versuch. Seufzend suchte ich Natashas Nummer heraus. Soweit ich wusste, war sie auch mit Leyla befreundet.

„Ja?", ertönte ihre Stimme lachend nach ein paar Sekunden. „Vika?"

„Oh, hey." Ich blinzelte, sah zum Kühlschrank.

„Was gibt's, kleine Schwester?" Sie lachte, machte ein „psht". „Ist was nicht in Ordnung, dass du so spät noch anrufst?"

„Nein, nein, alles gut." Ich sah hinunter auf das Holz des Esstischs. „Ich wollte nur fragen, ob du auch bei Leyla bist, um sie zu verabschieden und ich sie kurz sprechen könnte, weil... ich ihre Nummer nicht habe." Ich nuschelte zum Ende hin und Natasha lachte auf.

„Vika, Leyla ist schon heute früh gefahren. Gleich nachdem ihr Mann sie anrief und meinte, Nathanael hätte sich den Arm gebrochen. Oder glaubst du ehrlich, sie bleibt noch bis zum Abend, wenn der Kleine durch den Bruch operiert werden muss?"

„Operiert?", hob ich beide Brauen. „Oh, Verzeihung, das, eh, wusste ich nicht. Clint hatte nichts gesagt, er-", ich brach ab. „Er sagte, er gehe sie jetzt verabschieden", murmelte ich hinterher.

„Hm", machte sie. „Nein, tut mir leid. Ich weiß nur, dass sie heute direkt nach dem Anruf abgereist ist." Sie seufzte. „Aber sie wollte eigentlich schon gestern Abend abreisen, nur hatte so starke Kopfschmerzen." Sie schmunzelte. „Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen?", hakte sie nach. „Denn ich, eh", sie lachte nochmal auf, „Ich bin gerade beschäftigt, tut mir leid."

Ich seufzte, zog leicht die Brauen zusammen. „Nein, schon gut", sagte ich ihr leise. „Dann mach mal weiter mit deiner Beschäftigung."

„Alles klar", lachte sie los. „Dann gute Nacht, Victoria."

„Nacht", murmelte ich als die Leitung bereits erstarb und ich aus dem Fenster zu meiner Linken blickte.

Wieso hatte er mich angelogen?

---------

Ich lief zum Schrank, um mir ein Glas zu nehmen. Gerade als ich mir kaltes Leitungswasser eingegossen hatte und das Glas an meinen Lippen ansetzte, hörte ich, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte und horchte auf.

Es hörte sich nicht so an, als wenn Clint seine Schuhe loswerden würde. Und sonst strampelte er diese immer von sich und ließ sie ihm Flur stehen. Völlig irritiert kam er wenige Sekunden später in die Küche.

Er sah mehr als erschöpft aus und... wieso waren seine Haare so krass zerzaust? Wütete draußen ein Sturm?

Ich blickte nochmal schnell aus dem Fenster. Nein, es war ruhig draußen, definitiv.

„Ich hatte dich doch gebeten, schlafen zu gehen, Victoria", murmelte er und lief zum Kühlschrank.

„Ich hatte Durst und konnte nicht schlafen", gestand ich. „Ich fand es traurig, Leyla nicht noch einmal gesehen zu haben, bevor sie abreiste", sprach ich ihn unterschwellig darauf an.

„Ja, aber-", er seufzte. „Ach, egal, vergiss es einfach wieder", grummelte er leicht und schlug die Tür des Kühlschranks zu, ehe ich sah, dass er sich Cola genommen hatte.

Er nahm sich ebenfalls ein Glas aus demselben Schrank und goss sich das Getränk ins Glas.

Ich derweil stellte meins auf der Anrichte ab. „Wieso hast du mich belogen?", fragte ich ihn ruhig.

Er hielt mitten in der Bewegung inne. „Wie bitte?", fragte er mich.

„Wieso hast du mich belogen?", wiederholte ich.

„Wie kann ich dich bitte belogen haben?", fragte er mich als ich zu ihm lief.

„Leyla", meinte ich seufzend, strich mir mein Haar zurück. „Ich habe mit Natasha telefoniert und sie sagte, Leyla wäre heute Morgen bereits abgereist", erzählte ich ihm. „Wieso wolltest du mir nicht sagen, wo du hingehst?" Ich seufzte, schlang meine Arme von hinten um ihn und lehnte meinen Kopf gegen seinen Rücken. „Du weißt doch, dass du mit mir über alles sprechen kannst."

Sein Magen rumorte plötzlich laut. So schob er mich von sich und blockte ab. „Ich muss-", er keuchte und ließ das Glas fallen.

Ich schrie auf, als es zersprang und landete mit einem Mal mit meinem Hintern auf dem Tisch, wobei ich die Cola abbekam.

„Na, vielen Dank auch!", rief ich ihm aufgebracht hinterher.

Was sollte der Mist denn eben?

------

Da ich barfuß war, hatte ich Angst, durch die Küche zu laufen und blieb lieber hier sitzen, bis Clint sogar in Boxershorts nochmal hereinkam und den Mist, den er angestellt hatte, behob.

„Geh verdammt nochmal ins Bett!", rief er als er die Küche verlassen hatte und durchs Wohnzimmer wütete. „Wieso hört sie nie auf mich? Ist das deine Bestrafung, Gott?"

-----

So naiv wie ich war, lief ich ihm hinterher und fand ihn in seinem Badezimmer, wo er sich den Mund mehrfach ausspülte.

„Was habe ich dir getan?", fragte ich verletzt. „Bitte, klär mich auf."

Er verharrte in der Position, das eiskalte Wasser über sein Gesicht laufen zu lassen und nochmal das Wasser auszuspucken. Nach einigen Sekunden seufzte er, richtete sich auf und spuckte das Wasser aus.

„Du hast nichts falsch getan", meinte er und sah mich kurz an, ehe er den Kopf wieder übers Waschbecken in Position brachte. „Nur ich." Er schüttelte seinen Kopf. „Ich mache dauerhaft alles falsch und nur Fehler."

Wieso sprach er denn nur so schlecht über sich?

„Du machst keine Fehler", beschwichtigte ich ihn und wollte seinen Arm entlangstreicheln. Doch er entzog sich mir sofort.

„Bitte, Vika." Er seufzte, schüttelte den Kopf und senkte den Blick als er bemerkte, dass ich ihn durch den Spiegel betrachtete. „Lass mich einfach alleine", bat er als er sich am Waschbecken abstützte.

„D-darf ich bei dir schlafen?", fragte ich schüchtern und er seufzte. Dann senkte er den Kopf nur noch tiefer und schüttelte ihn, weswegen ich seufzte. „Clint, ich mach mir nur Sorgen um dich", meinte ich. „Wirst du krank?" Ich sah zum offenen Klodeckel. „Du hast gebrochen, nicht wahr?", hakte ich nach. „Vielleicht hast du die Sonne nicht so gut vertragen", murmelte ich.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen", sagte er und sah auf, sah mich durch den Spiegel durchringend mit triefnassem Gesicht an. „Mir geht es bestens", stellte er klar. „Ich habe nur gerade nicht wirklich gute Laune und brauche mal für fünf Minuten meine Ruhe."

Ich seufzte nochmal, akzeptierte aber seine Meinung und hielt nur nochmal kurz am Türrahmen, um ihn anzuschauen. Danach verließ ich das Zimmer, glaubte aber noch zu hören, dass irgendwas im Badezimmer schniefte. Okay, nicht irgendwas, sondern er. Bekam er schnupfen?

Mir tat es leid, wie es ihm gerade ging. Ich hätte ihn am liebsten getröstet oder ihm dabei geholfen, das aus der Welt zu schaffen, was ihm allem Anschein nach groß zu schaffen machte. Oder ihn gerade krank machte. Denn ich wusste ja nicht, was mit ihm los war.

--------

Zurück in meinem Zimmer wusch ich mir auch nochmal mit kaltem Wasser das Gesicht und ging dann zu Bett. Komischerweise konnte ich nun endlich schlafen, wo er da war.

----------

„Was ist los? Banner sagte, du hättest heute früh einen Alptraum gehabt." Er tätschelte mein Knie.

„Es war nichts", winkte ich es ab, fuhr mir durchs Haar.

„Anscheinend doch, wenn du so durcheinander bist", entgegnete er und platzierte seine Hand endgültig auf meinem Knie.

„Clint, wir sollten das lassen", sagte ich und tat seine Hand von meinem Knie.

„Eh, was denn?", fragte er irritiert nach, zog leicht seine Augenbrauen zusammen.

Ich zeigte zwischen uns. „Uns selbst vorzumachen, was derjenige denkt."

Er runzelte seine Stirn nachdenklich, kam aber anscheinend nicht zum Punkt, den ich ansprach. „Bitte, klär mich auf", bat er.

„Ich kann nicht das sein, was du willst", zuckten meine Mundwinkel. „Ich möchte wissen, ob das hier was Festes werden kann", deutete ich zwischen uns. „Und ich möchte meine Zeit nicht verschwenden, wenn du das nicht so siehst."

Nun fiel der Groschen, während er schmunzelte. „Du denkst-", er schüttelte seinen Kopf, „Oh, man", lachte er dann ein wenig los.

Ich runzelte die Stirn. „Wie bitte?", hakte ich nach. „Wieso lachst du?"

Er schüttelte noch immer den Kopf. Doch ruckartig atmete ich die Luft einmal zischend ein, als er sich schnell vorbeugte und mich gegen die Seite des Fensters drückte. Kurz vor meinen Lippen machte er Halt.

„Wenn du denkst", er legte den Kopf schief, „Ich würde dich nur als Spielzeug gebrauchen, um meinen Spaß zu haben, dann hast du dir irgendwo den Kopf gestoßen, Victoria." Er klang ernst. Nicht wie sonst, bei solchen Gesprächen zwischen uns. Da lächelte er, riss Witze und flirtete noch mit mir. Aber nun? Nein. Als ob er mit Tony ernst wegen einem mörderischen Roboter sprechen würde. „Ich sagte, ich möchte es draufankommen lassen, Vika." Ich biss mir auf die Unterlippe. „Und ganz sicher möchte ich dich nicht wie einen Punchingball nochmal durch die Gegend kicken und dich verletzen", erklärte er und ich schluckte, was ihm auffiel, weil er kurz auf meinen Hals sah und seine Mundwinkel ein klein wenig zuckten.

Er hatte eine Wirkung auf mich, die ich einfach nicht verstand und irgendwo auch gar nicht erst verstehen wollte.

Sein Aftershave vernebelte mir die Sinne, sodass ich nicht richtig denken konnte. Doch genau da lag das Problem. Er wollte jetzt nichts Festes – ich schon. Wie lange sollte ich warten? Ein Jahr? Oder zehn Jahre?

Solange wir uns nicht einig waren, darüber, was wir beide wollten und vor allem wann wir es wollten... solange konnte ich nicht weiterhin so tun, als wäre nichts.

Vorsichtig streichelte er mir über die Wange, sodass ich zurückzuckte. Doch konnte ich ja auch nicht ausweichen, so, wie wir auch dasaßen. Es war schlichtweg unmöglich, dem zu entkommen.

„Clint, ich-", ich war überfordert mit der Situation.

„Ja, Victoria?", entgegnete Clint fragend, blieb so hocken, wie er war. In seiner Position, mir gegenüber gebeugt, gekniet, zwischen meinen Beinen. Ich brachte keinen Ton heraus, sondern sah weg, aus dem Fenster. Was tat ich nun? Dieses Kribbeln in meinem Bauch war wieder da, wenn ich daran dachte, wie nah er mir gekommen war. Und mir wurde heiß. Ich hatte schlichtweg nur noch das Bedürfnis, ihm die Kleidung vom Leib zu reißen. „Sehe mich an", befahl er und ich drehte meinen Kopf nach einigen Sekunden wieder zu ihm. Ich wollte nicht, doch irgendwas in meinem Körper wollte mir hier auch nicht ganz gehorchen. „Was ist los? Rede mit mir."

„Nichts", murmelte ich und sah nach unten, ehe er mein Kinn anhob.

„Ich könnte dich zwingen, es mir zu sagen." Seine Mundwinkel zuckten, doch meine Augen verengten sich leicht als ich schmulte.

„Das würdest du nicht wagen."

„Ich bin zu allem bereit", entgegnete er sofort.

----------

Ich schreckte hoch, sobald ich etwas an meinem Körper fühlte.

„Ganz ruhig", murmelte Clints sanfte Stimme, doch ich zitterte augenblicklich los, weil sein freier Oberkörper so kalt war. So kühl – und so auch sehr genießbar.

Als ich merkte, dass er sich zu mir gelegt hatte, drehte ich mich so, dass ich mich an ihn kuscheln konnte. „Du bist hier", meinte ich müde und schnappte mir erschöpft seine Hand, ehe ich unsere Finger ineinander verschränkte.

„Ich bin hier, ja", seufzte er. „Auch wenn ich das nicht immer sein werde."

Kurz danach schlief ich dann wieder ein, spürte aber noch wie er mir einen Kuss auf meinen Scheitel gab.

------------

Datum der Veröffentlichung: 20.05.2020 12:05 Uhr

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top