3. Tag

6:22 Uhr Morgens und ich stehe im Bad und dusche. Ich bin gestern, nach dem Bier, in mein Zimmer verschwunden und dann auch recht früh eingeschlafen. Jetzt wollte ich mir das Gästehaus mal etwas genauer angucken. Ich ziehe mir einen meiner Hoodis an und mache mich auf den Weg. Das Haus ist so schön still wenn alle schlafen. Der Garten steht noch mit den ganzen Tischen und Stühlen voll, also fange ich erstmal an alles in die Garage zu bringen. Nach 20 Minuten bin ich fertig und gehe weiter zum Gästehaus, ich nehme den Schlüssel in die Hand und schließe die Tür auf.
Ein Keyboard, drei Gitarren, ein Schlagzeug, 4 Mikrofone und ein großer Schrank mit kleinen Instrumenten und Zubehör.
Ich setze mich an das Keyboard und fange an ein bisschen vor mich her zu spielen, um herauszufinden in welche Richtung das Lied gehen soll. Nach geschlagenen 25 Minuten beschließe ich das Instrument zu wechseln. Ich versuche die Gefühle von gestern zu verarbeiten. Diese überwältigenden Gefühle, die Trauer, die Wut und das unbeschreiblich Gefühl in meinem Bauch das ich noch nie zuvor gespürt habe. Vielleicht gehört es mit zu der Trauer. Ich habe noch nie in meinem Leben so einen Verlust verarbeiten müssen, also kann das Gefühl mit zu dem endlos langen Trauerprozess gehören, das würde so viel erklären.
Ich fange an leise meine Texte zu singen und werden immer ein bisschen lauter. Ich komme in den tackt und lasse meine Gedanken einfach aus meinen Mund fallen. Das hat mir so gefehlt. Ich habe seit dem tot meiner Mom nicht mehr gesungen. Ich empfinde wieder ein bisschen Freude und könnte es Lautstark in die Welt schreien.

Doch plötzlich höre ich Gepolter aus dem anderen Zimmer, ich höre schlagartig auf und stelle die Gitarre auf den Ständer zurück. Meine Beine fangen an schwach zu werden und ich gehe auf die verschlossene Tür, am anderen Ende des Raumes, zu. Langsam öffne ich sie und ein großes Bett kommt zum Vorschein. Ich gehe langsam darauf hinzu und ziehe die Decke ein Stück zurück.
Jonas. Ich hole Luft.
Er fängt an sich zu drehen und öffnet leicht die Augen. Bevor ich mich leise davon schleichen kann, springt Jonas erschrocken aus dem Bett und macht eine verteidigende Arm Bewegung.
„Was zur Hölle machst du denn hier?", ruft Jonas hinter seinen Armen hervor. Er hat nichts an bis auf eine schwarze Boxershorts und WOW... was für ein Körper. Er hat definierte Bauchmuskeln und durchtrainierte Beine. Seine Braunen Haare sind durchgewühlt und seine blauen Augen gucken mich direkt an. Langsam komme ich wieder zu mir.
„Ähm was? Ich habe draußen aufgeräumt und...", stammle ich so vor mich her als mir, mal wieder, klar wird das ich in diesem Haus wohne und er eigentlich gar nicht hier sein dürfte.
„...und das gleiche könnte ich dich fragen. Ich wohnen hier. Warum pennet du hier?", frage ich entsetzt. Jonas nimmt seine Arme runter und setzt sich auf die Kante von dem größten, weißen Boxspringbett. Ich warte auf eine Antwort, doch Jonas fängt an seine Hose umzukrempeln und sie anzuziehen. Ich werde ungeduldig und stelle mich vor ihn. Ich wollte einfach nur in Ruhe singen und komponieren.
„Was willst du von mir? Ich darf hier ab und zu übernachten, das ist alles mit Janine abgesprochen. Eigentlich weiß das auch jeder hier und deswegen habe ich dich gefragt was du hier machst? Das ist der Probenraum von der Band. Hast du die Instrumente angefasst?", Jonas steht auf und plötzlich ist er mir wieder so nah, mein Atem stockt und ich trete ein Schritt zur Seite damit er an mir vorbei kommt. Er geht nur in seiner Hose bekleidet in den Probenraum, setzt sich auf das alte Sofa und macht sich eine komisch aussehende Zigarette an... ein Joint. Entsetzt gucke ich ihn an.
„Was machst du da? Bist du wahnsinnig? Das ist Teufelszeug. In meiner Branche haben...", Ich halte inne. Ich sollte nicht weiter reden. Ich drehe mich zu dem kleinen Tisch neben mir, wo meine zusammen gekritzelten Noten und Text drauf liegen. Ich sammle sie zusammen und gehe in den, von mir bereits, aufgeräumten garten.

Kurz vor der Terrassen Tür spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. Erschrocken drehe ich mich um und trete einen Schritt zurück. Es kann, um diese Uhrzeit, ja nur Jonas sein.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet, Prinzessin. Was machst du um diese Unmenschliche Zeit im Probenraum?", ich deute auf den Garten und erzähle ihm das ich nur aufgeräumt habe. Ich bin ein bisschen stolz auf mich das ich so schnell eine Erklärung gefunden habe. Er dreht sich nach einem kurzen Blick in den Garten wieder zu mir. Jonas hat ein funkeln in den Augen, es sieht gefährlich und zugleich so verführerisch aus. In mir macht sich Angst breit, die Angst schwach zu werden, die Angst zu flüchten oder vielleicht doch einfach nur die Angst er könnte sich für meine Zettel interessieren.
„Man soll nicht lügen, Prinzessin. Warum warst du im Gästehaus?", fragt mich Jonas nochmal und kommt immer näher. Dieses Mal bleibe ich aber standhaft. Ich kann ihm nicht immer die Oberhand lassen. Aber was erzähle ich ihm jetzt?
„Ich wollte mir mal die Instrumente angucken. Ihr scheint ja ganz gut zu sein.", versuche ich von mir abzulenken: „Geht das nur mit Drogen und Alkohol oder seid ihr nüchtern auch in der Lage aufzutreten?" dieses mal mache ich ein Schritt auf ihn zu. Wir stehen so dicht voreinander das ich kaum noch Atmen kann.
„Nein eigentlich sind wir wirklich schlecht aber mit Drogen ist das leichter zu überspielen.", lächelt er mir sarkastisch zu.

Da ist es, da ist er.
Ich liebe dieses Gefühl.
Er ist meine Droge.
Die Kraft macht mich süchtig.

Er fängt an mich im Nacken zu berühren. Kleine Explosionen auf meiner Haut werden entfacht. Ich zucke zurück aber er zieht mich sanft wieder an sich heran. Seine Hände fahren meine Arme runter.
„Was haben wir denn hier? Dachtest du ich würde nicht merken das du etwas hast mitgehen lassen?", reißt Jonas mir plötzlich die Zettel aus der Hand. Ich versuche noch hinterher zu springen, aber er ist einfach viel größer als ich. Er fängt an die Zettel der Reihe nach zu lesen. Ich bekomme Panik, was soll ich denn jetzt machen? Rennen, genau ich renne weg und verbarrikadiere mich, dann muss ich keine seiner Fragen mehr beantworten.

Was mache ich hier? Wo ist der verdammte Schlüssel? Es war nicht die schlauste Idee in den Probenraum zu laufen aber mein Kopf hat einfach abgeschaltet und das Panik Programm laufen lassen. Ich finde den blöden Schlüssel einfach nicht. Meine Panik wird immer größer.
„Sind die von uns? Vielleicht von Sarah oder Tobi?", wird die Tür aufgeschmissen und Jonas guckt mich entsetzt an. Ich antworte nicht, ich gucke ihn einfach nur an. Mein ganzer Körper ist Taub, ich kann kaum atmen. Wenn ich einfach nichts sage, geht er vielleicht wieder aber wenn ich so nachdenke hat er das die letzten male auch nicht gemacht. Wir stehen gefühlte Stunden, wenn nicht sogar Tage, nur so da. Die Welt um uns verschwimmt und nur noch wir sind hier.

Jonas legt die Zettel zur Seite und kommt mit Größen Schritten auf mich zu. Er nimmt meinen Kopf in seine Hände und zieht mein Gesicht an seins, so nah das ich seinen Atem auf meiner Stirn spüre.
„Bitte Prinzessin, sag mir das diese Texte nicht von dir sind. Das kannst du mir nicht antun.", flüstert er mir schmerzlich zu. Ich kann ihn nicht angucken, stattdessen gucke ich an ihn vorbei, auf den Boden. Der Schmerz in seiner Stimme lässt mich schweigen, ich kann ihn einfach nicht anlügen also sage ich gar nichts. Er geht in das Schlafzimmer und kommt angezogen mit einem kleinen Rucksack wieder raus. Bevor ich etwas sagen kann ist er schon durch die Tür, in den Garten verschwunden. Ich überlege noch hinterher zu laufen aber ich kann mich zurzeit einfach nicht um den Schmerz andere Menschen kümmern, ich trage selbst genug in mir. Das flaue Gefühl in meinem Magen, breitet sich aus zu heftiger Übelkeit. Ich gehe ins Badezimmer und setze mich auf den Badewannen Rand. Geschlagene 20 Minuten versuche ich jetzt schon mit Atem Übungen, mich nicht zu übergeben. Mir schießen so viele Gedanken und Erinnerungen durch den Kopf das mittlerweile auch noch Kopfschmerzen dazu gekommen sind. Ich kenne diese Übelkeit, genau so habe ich mich bei dem tot meiner Mom gefühlt. Aber die größte Sorge macht mir grade, das Jonas allen von meinen Texten erzählt. Er ist ohne was zu sagen hier rausgestürmt und hat mich mit meiner Angst zurück gelassen. Übelkeit macht sich wieder breit.
„Hallo, Jonas bist du da?", höre ich Tobi durch die Tür rufen.
„Komm rein.", bekomme ich noch, mit meiner letzten Luft raus. Die Tür öffnet sich und Tobi guckt mich erschrocken an. Er fragt mich ob alles gut ist und ich schüttle mit dem Kopf. Wir sitzen noch eine Weile nur so da bis Tobi mich auf den Arm nimmt und langsam in mein Zimmer trägt. Er legt mich in mein großes Bett und deckt mich zu.

Ich öffne langsam die Augen und sehe Tobi wie er neben mir im Bett liegt und etwas auf seinem Handy tippt. Meine Übelkeit hat sich in Luft aufgelöst.
„Wie lange habe ich geschlafen? Warst du die ganze Zeit bei mir?", setze ich mich auf. Tobi legt ruckartig sein Handy zur seit und will mir hoch helfen.
„Du hast fast drei Stunden geschlafen aber ich war nicht die ganze Zeit bei dir, ich war eine halbe Stunde in der Küche und habe mit Janine, Lena und deinem Vater geredet. Währenddessen haben Janine und ich dir Frühstück gemacht. Möchtest du?", hält Tobi mir ein großes Tablett vor die Nase. Ich nehme mir langsam ein trockenes Brötchen und fange an es zu essen.
„Was war denn eben los? Du warst total aufgelöst. War Jonas gar nicht da? Der wollte eigentlich über Nacht im Gästehaus bleiben."
Mir fällt alles wieder ein. Meine Texte, der Schmerz und diese unhaltbare Angst. Verdammt, meine Texte liegen noch im Gästehaus.
„Ich muss wieder ins Gästehaus, ich habe etwas vergessen. Es ist wichtig!"
„Nein du stehst nicht auf, du bist immer noch ziemlich Blass um die Nase. Ich gehe, was soll ich denn holen?", schlägt Tobi vor und mir wird irgendwie klar das ich hier nicht so einfach weg komme, also gebe ich nach.
„Okay, ich hoffe ich kann dir vertrauen. Im Probenraum liegen auf so einem kleinen Tisch ein paar Zettel die total vollgekritzelt sind. Die musst du mir holen ohne das geschriebene zu lesen. Bitte versprich es mir!", Tobi nickt und geht aus dem Zimmer. Ich lege mich wieder hin und schlafe sofort wieder ein.

Ich wache erst wieder auf als es Mittagessen gibt. Tobi ist schon wieder weg und meine Zettel liegen da wo er vorher gelegen hat, mit einer kleinen Notiz.

Ich hoffe die sind richtig. Schreib mir, wenn es dir besser geht. ;)

Ich zücke mein Handy und Speicher mir die Nummer ein, die unten auf dem Zettel steht. Dann bedanke ich mich bei Tobi und lege mich wieder hin.

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