Im Kerker

Unten im Kerker fand sich Irkandir in einer Zelle wieder. Gegenüber saß Flonella. Sie weinte lautlos. Gerade waren Elfen dabei, dicke Lederriemen von ihren Handgelenken und Knöcheln zu lösen. Sie war auf ein metallenes Brett gefesselt worden und hatte die Wucht einer Peitsche zu spüren bekommen. Bei jedem Knall war Irkandir zusammengezuckt. Sie tat ihm unfassbar leid. Stets sagte sie die Wahrheit, aber die Folterer glaubten ihr nicht. Also waren sie mit weiteren Strafen gekommen. Mit Messern hatten sie begonnen, Flonellas Finger abzuschneiden und als sie immer noch bei ihrer Geschichte blieb, hatten sie unter der Metallplatte ein Feuer entzündet. Ihre Schreie hallten immer noch in seinen Ohren.

Irkandir spürte, wie Mothruit die Kontrolle seines Körpers an sich nahm. Er selbst konnte nichts dagegen unternehmen, sein Körper gehorchte ihnen gleich. 

Der Feuerschwanz stand in der Gestalt Irkandirs auf und zischte jenen Zauber, der eine Lichtkugel erschuf. Damit sprengte Mothruit das Schloss weg und trat aus der Zelle. Flonella blickte ihn an. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Das war der Zauber gewesen, weshalb Helburi gestorben war. Irkandir war froh, nur ein Geist zu sein. Was hätte er erwidern sollen? 

Schnell eilte Mothruit den dunklen Gang entlang, bis er an der Treppe ankam. Acht Wachen achteten darauf, dass niemand floh. Ein blonder Elf trat vor und hielt seinen Speer an Irkandirs Brust. „Du hast nicht die Befugnis, diesen Kerker zu verlassen, Gefangener!", sagte er befehlsgewohnt. Mothruit hob die Arme. „Da muss ich dich leider entschuldigen, geehrter Höfling. Mich kann man nicht einfach hinter Gitter sperren!", erwiderte er, riss der Wache den Speer aus den Händen und rammte ihn in dessen Brust. Die anderen Wachen zogen ihre Schwerter und gingen auf Mothruit los. Der Feuerschwanz zischte ‚Sarn' und streckte somit zwei Wachen gleichzeitig nieder. Winselnd lagen sie ihm zu Füßen, als er seinen Speer in das Gesicht eines anderes Wächters warf und sein Schwert zog.

„Ich entschuldige mich aufrichtig, aber das ist jetzt mein Schwert", sagte er, ließ sich fallen und machte einen Ausfallschritt. Er unterlief einen Stich, wehrte einen anderen ab und trat seinem Gegenüber ins Gesicht. Dann stach er ihm in sein Herz und hob ihn vor sich. Zwei Speere landeten zitternd in dem toten Körper. Mothruit warf die Leiche fort und nahm eine Fackel von der Wand. Er warf sie auf einen der Wächter und rammte ihm sein Schwert in den Rücken, als er zu Boden ging, damit die an ihm hochkletternden Flammen erstickten. 

Nun stand Mothruit noch zwei Elfen gegenüber. Mit einem weiteren Zauber streckte er beide nieder. Die Druckwelle, die er erzeugt hatte, durchlief mit einem tiefen Dröhnen den ganzen Kerker. Mit übertrieben lässiger Geste steckte Mothruit sein neues Schwert in die Scheide und nahm jeweils zwei Stufen auf einmal, als er die Treppe hinaufging. Irkandir war nicht fähig, einen sinnvollen Gedanken zu denken. Alles, was er verarbeiten konnte, war der Kampf. Mothruit war eine Gefahr für ihn! Alle Elfen würden denken, er hätte das gemacht! 

Mothruit kam in einem großen Raum an, den gerade weitere unzählige Wachen durchquerten, wagrscheinlich, um dem Lärm im Kerker nachzugehen. Irkandirs Körper breitete die Arme aus und rief: „Ihr vermögt mich töten zu können, aber wenn ich sterbe, wird euer König den Krieg gegen die Menschen verlieren!" Die Wachen tauschten irritierte Blicke. „Das heißt, du hast dich umentschieden?", fragte dann ein junger Elf mit bronzefarbenem Haar und gezogenem Schwert. Mothruit nickte und Jubelrufe erhoben sich. Die Wachen steckten ihre Waffen zurück in die Scheiden und brachten Irkandir in den Thronsaal. Niemand warf auch nur einen weiteren Blick auf den Gang, in dem die toten Wachen lagen, und kein einziger fragte, wie Mothruit entkommen war. 

Durch die unzähligen Fenster warf der Vollmond kaltes, silbriges Licht. Rathrankar stand an einem dieser Fenster, die Arme auf dem Rücken verschränkt. „Ich sehe, du hast dich umentschieden, Irkandir", sagte er. „Ja, mein Herr. Ich bin auch ein Elf, und in diesen Zeiten muss man für sein Volk kämpfen. Ich strich durch die Wälder Eures Reiches und an den Grenzen erkannte ich Menschen, die dabei waren, unsere Wälder für Waffen und Öfen abzuholzen", erwiderte Mothruit. ‚Fällt dir nichts bBesseres ein?', fragte Irkandir spöttisch und erinnerte sich an jene Nächte, in denen er als Feuerschwanz zu den Menschen geflogen ist. Er mochte die Menschen. Und er wusste auch, weshalb sie gegen die Elfen vorgingen. 

Sie hatten Angst vor der Herrschaft Rathrankars. Sie fürchteten sich davor, dass er einst über sie herrschen würde. Auch hatte Irkandir den Plan der Feuerschwänze durchschaut. Er hatte gespürt, dass Irkandirs Körper Mothruit jedes Mal, wenn der Feuerschwanz den Körper übernahm, mehr gehorchte als Irkandir selber. Und es fiel dem Feuerschwanz immer leichter, die Kontrolle zu übernehmen. Mothruit drängte Irkandir immer dazu, ihm die Kämpfe zu überlassen. Aber jedes Mal wurde der Feuerschwanz in ihm damit mächtiger. 

Rathrankar überlegte lange. Als er sich umwandte und Irkandir in die Augen sah, sagte er: „Tritt zu mir." Mothruit gehorchte ihm und Irkandirs Körper stellte sich vor dem Elfenkönig und verharrte dort. ‚Töte ihn jetzt doch einfach! Du bist in seiner Nähe, die Wachen sind zu weit weg, um ihm zu helfen. Bitte, tu es jetzt und verschwinde dann!', dachte Irkandir flehend. „Nein. Meine Geschwister wollen auch Rache, wir machen es in der höchsten Not", entgegnete Mothruit bestimmt. Rathrankar nahm die linke Hand Irkandirs und murmelte ein paar Wörter. Dann ließ er sie los und als Mothruit die Hand vor die Augen hielt, war dort ein feines schwarzes Mal zu erkennen. 

„Blutmagie, Irkandir. Durch sie werde ich jederzeit wissen, wo du bist. Glaub nicht, ich wäre dumm. Ich weiß, dass du durch Mord an meine treuesten Wächter entkommen bist und ich weiß ebenfalls, dass du für meine Herrschaft eine Gefahr bist. Du willst selbst die Krone der Elfen in den Händen halten", sagte Rathrankar kalt lächelnd und fügte hinzu: „Doch vergessen wir das vorerst. Ich zeichne dich nun als meinen siebenten Feldherren aus. Sei mein Schwert. Dränge die Menschen zurück in jene dunkle Ecke, aus der sie gekommen sind. Und sammle Krieger. So viele, wie du finden kannst. In einem Mond erwartet uns eine Schlacht."

~

Mothruit ging noch einmal zurück zum Kerker. Er bat die Elfen dort nach seinen Waffen. Während die Kerkerwächter nach dem Schwert suchten, trat Mothruit an Flonellas Zelle. „Was denn?", zischte sie nach wenigen Minuten. An ihrem Mund haftete der Rest von erbrochenem Blut, der Schmerz in ihrem Gesicht ließ selbst Mothruit nicht kalt, das spürte Irkandir, auch wenn der Feuerschwanz versuchte, sich das Mitleid nicht anmerken zu lassen. 

Mothruit öffnete die magische Sicht. Irkandir sah Flonellas Aura, aber auch noch eine zweite, schwache. In ihr. Mothruit schloss die Sicht und sagte leise: „Du bist schwanger." Flonella hob erneut den Kopf. „Woher weißt du das?", fragte sie mit erstickter Stimme. „Mir bleibt wenig verborgen", entgegnete Mothruit aus dem Munde Irkandirs und lächelte. „Ich werde ihnen sagen, dass sie dich freilassen sollen", fuhr er dann fort. Flonella entgegnete nichts. Plötzlich kamen die Wachen wieder und gaben Irkandir das Schwert. Mothruit lächelte sie an, dann schlug er den Weg in Irkandirs altes Heim ein. 

Nach einer Weile fragte Irkandir ihn: ‚Warum hast du das gesagt?' „Was?", entgegnete Mothruit gut gelaunt. ‚Das mit Flonella', antwortete Irkandir. „Sie ist eine wichtige Verbündete für uns im Krieg gegen die Elfen", sagte Mothruit und fügte dann hinzu: „Vergiss nicht, mein Freund. Wir Feuerschwänze führen keinen Krieg gegen die Elfen. Wir führen nur Krieg gegen Rathrankar und all seine Verbündete."

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top