Die Schmiedin

Mit eiserner Miene verfolgte Henry jede seiner Bewegungen. Rathrankar musste schmunzeln. Die Menschen waren zu schwach. Man konnte sie steuern, ihre Taten bestimmen und sie merkten es nicht einmal. „Da wir uns nicht einigen können, Henry, und weitere Verhandlungen keinen Sinn ergeben, erwarte ich dich morgen mit deinen Kriegern an eben dieser Brücke", sagte Rathrankar.  Er öffnete die Tür zu der Kuppel und trat in seinen Kartenraum. Er deutete auf jene kleine Brücke, die er in letzter Zeit verstärkt hatte. 

Früher hatte sie nur aus einfachem Holz bestanden, jetzt stützten sie mächtige Granitsäulen, damit sie nicht in den Fluss Ihamin brach, wenn tausende Krieger über sie rannten. Der Boden war nun mit glattem Stein versehen der tückisch war, wenn die Krieger nicht jene Stiefel trugen, die Rathrankar für diesen Krieg hatte herstellen lassen. Die Sohle war mit Nocken versehen, nagelähnlich, die sich in den glatten Boden gruben. Die Menschen würden die Brücke nicht passieren können, vor allem dann nicht, wenn sie von Blut getränkt war. Der Fluss Ihamin war tief, mehr als dreifach so tief wie ein Mensch groß war. Es war eine geniale Idee von Irkandir gewesen. 

„Dort erwarte ich euch morgen zum Sonnenuntergang. Nimm all deine Krieger und Frauen und Kinder mit. Auch die Alten. Jeder hat ein Recht zu wählen. Lassen wir das Volk entscheiden, ein neues Zeitalter bricht an!", rief Rathrankar und fügte in Gedanken hinzu: ‚Ein Zeitalter der Elfen'. Henry fuhr sich einmal hektisch über die Stirn, drehte sich dann ohne weitere Worte um und verschwand durch die doppelflügelige Tür.

~

„Alle Mann mit anpacken! Die Zeit ist knapp!", schrie Rathrankar und eilte über den Hof. Er fuchtelte wild mit den Armen. So aufgeregt hatte Mothruit ihn noch nie erlebt. Über den Hof schallte der Ruf des Hammers, der immer in dem selben Tempo auf das Eisen einschlug. Hektische Befehle sagten den Elfen, was sie zu tun hatten. Tief im Wald hörte Mothruit eine Streitmacht. Ein Stampfen ertönte, ein blechernes Geräusch, dann Schweigen. 

Er selbst half dabei, die Stiefel auszurüsten. Voller Wut schlug er von innen Nägel durch die Sohle, so war es unwahrscheinlicher, dass die Elfen von der Brücke rutschten. Seit der Totenfeier hatten er und Areen nicht ein einziges Wort über ihre Auseinandersetzung verloren. Wenn sie miteinander sprachen, dann kühl und über Geschäftliches. Ihre Sehnsucht nacheinander ließen sie unkommentiert.

Unruhig wieherten die Pferde, als ihnen Panzer auf Rücken, Hals, Beine und Kopf gelegt wurden. Schwerter wurden zu den Reitern hochgereicht, Speere ein letztes Mal geschliffen. Bögen wurden noch einmal getestet, Sehnen in die Köcher gelegt. Die Pfeile wurden in Bündeln von mehr als fünfzig Stück in verschiedene Köcher gelegt. Weiter hinten webten die Elfendamen das Banner vom Elfenwald: eine Efeuranke, die sich um ein Schwert schlang, das vor weißem Untergrund schwebte. 

Mothruit trat einen Schritt zurück, als zwei Elfen ein riesiges Rad zu einem der Streitwagen rollten. Diese waren fast mannshoch. Jeweils zwei Pferde wurden vor einen der weißen Holzwagen gespannt, nicht miteinander verbunden. Wenn ein Pferd stürzte, würde das andere nicht mit zu Boden gehen. Areen trat an Mothruit. Er ignorierte sie. Ihre Nähe machte ihn unglücklich, sie erinnerte ihn zu sehr an das, was er entbehren musste, um sie zu retten.

„Mein Herr", sagte Areen kühl und Mothruit musste sich doch umdrehen. Nur ein einziges Mal, um sommersprossiges Gesicht zu sehen. 

Er deutete stumm auf einen der Ställe und sie folgte ihm genauso schweigend. Mit einem Stoß schloss Mothruit die Tür, nur um davor zu verweilen. Eine Weile lang herrschte Schweigen zwischen ihnen, dann unterbrach Areen die Stille.

„Ich verstehe dich und ich akzeptiere dein Verhalten, aber glaube ja nicht, dass ich mich den Rest meines Lebens so gegenüber dir verhakten werde!", schnaubte sie und ihre Augenbrauen schoben sich zusammen. Mothruit seufzte. 

„Auch wenn mein Verhalten nicht angepasst war, sollten wir unsere Liebe sein lassen. Zumindest so lange, bis Rathrankar nicht tot sein wird", sagte er. Areen nickte verstehend. „Ich weiß, dass es falsch ist! Aber wir sollten uns trotzdem nicht wie bockige Kleinkinder verhalten, die nicht miteinander reden", ihre Stimme bebte. Mothruit hob die Hand, um ihre Sorgenfalten aus dem Gesicht zu wischen, entschied sich dann aber dagegen. Jede ausgelassene unnötige Berührung war besser.

Er nickte. „Einverstanden. Wenn damit dann alles geklärt wäre...", entgegnete er und war in Begriff, due Tür wieder zu öffnen, als Areen ihn aufhielt.

„Ich habe noch etwas für dich", raunte sie und zog einen Zweihänder hervor. Mothruit zögerte kurz, dann erfasste er den Griff und zog das Schwert aus einer einfachen Lederscheide. Dem Feuerschwanz stockte der Atem, so präzise war die Klinge ausgearbeitet. Es war ein Zweihänder, aber von leichtem Gewicht. Die gebogene, silberne Klinge war mit goldenen Schnörkeln verziert. Der Griff war mit dunklem Leder umwickelt, in dem Knauf saß ein roter Edelstein mit schwarzem Kern und die Parierstange bildeten zwei Feuerschwänze, die sich voneinander abwandten. 

„Bist du wahnsinnig?", zischte er, empfand aber gleichzeitig tiefe Bewunderung für seine Kriegerin. „Wenn jemand das Schwert sieht bin ich erledigt!", fügte er hinzu. Areen grinste ihn an, ein Grinsen, das er viel zu lange schon nicht mehr gesehen hatte. Dann wandte sie sich ab und sagte: „Ich muss wieder los. Das Banner ruft. Die Frauen neben mir haben schon mehr als die Hälfte, ich bin noch nicht einmal beim Schwert angekommen. Wir sehen uns", damit ließ sie ihn alleine im Zwielicht des Stalls zurück, die Tür halb geöffnet. 

Mothruit musterte erneut das Schwert. Es war wie für ihn gemacht. Seine traurige Miene spiegelte sich in der blanken Klinge wider.

„Irkandir, kommt! Die Feldherren sind einberufen worden! Ich führe Euch zum König!", rief plötzlich ein junger Elf im Gedränge. Als er merkte, dass Mothruit zögerte, fuhr der Elf ungeduldig fort: „Kommt jetzt. Der König wartet ungern!"

~

„Endlich, Irkandir, jetzt bist du da. Wir warten schon lange auf dich. Komm, was siehst du hier?", fragte Rathrankar sofort, als Mothruit in den Raum trat. Der Elfenkönig schob ihn an den Spieltisch und Mothruit erkannte darauf eine schwarze, unförmige Figur und einen weißen, ebenso undefinierbaren Stein. 

„Das sind die Heere", sagte Imenuil. Mothruit konnte den Elfen nicht leiden. Lieber hätte er Imenuil verloren als Jimday. Er vermisste den verträumten Elf. „Wer hätte das gedacht?", spottete Irkandir. „Dass ein Feuerschwanz mal mit einem Elf befreundet sein kann!" Mothruit ignorierte ihn, als Rathrankar sagte: „Bis jetzt ist dein Plan aufgegangen, Irkandir. Wir werden dir nun auch weiterhin vertrauen, du bist unser Ass im Ärmel. Du wirst erst später in die Schlacht ziehen, wenn es wichtig wird. Du bist unser Fels im Meer. Egal wie stark die Welle der Menschen ist, du wirst standhalten! Ich weiß es." 

Er nahm sieben der silbernen Weingläser und veteilte sie an die Feldherren und sich selbst. Das Silberglas enthielt Wein, der stark nach Früchten stank. „Auf die Elfen, die stark genug sind, den Menschen zu widerstehen!", sagte Rathrankar und hob den Kelch. Die Feldherren wiederholten den Spruch und stießen an. Dann setzte Mothruit sich das Glas an die Lippen und trank einen kleinen Schluck. 

Er hätte beinahe wieder alles ausgespuckt. Das Zeug schmeckte widerlich! 

Nach einem Schluck setzte Rathrankar das Glas wieder ab und sagte: „Ich bin mir sicher, Imenuil der Täuscher, Elundaiul Messerzunge, Irkandir der Tod, Frudaerul Adlerauge, Ghloriel Schildechse und Khauriel Schlangenbiss, dass wir gemeinsam stark genug sind, um die Schlacht zu gewinnen!"

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