Verhandlungen mit Spinnen?

Mit guter Laune schloss ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir und betrat den langen Gang, in welchem Legolas anscheinend bereits auf mich gewartet hatte. Es waren einige Monate vergangen, in denen ich fast täglich Zeit mit meinem neuen Freund verbracht hatte.

„Wohin geht's denn?", fragte er, doch schien die Antwort bereits zu kennen. Ich ließ mich davon nicht verunsichern und ging ein Stück an ihm vorbei. Er hatte natürlich bemerkt, dass ich so oft abwesend war und mich das ein oder andere Mal sogar verfolgt. Wenngleich ich das immer rechtzeitig bemerkt hatte, hatte das seinen Verdacht niemals stillgelegt.

„In den Wald, falls mir das erlaubt ist, Eure Hoheit", erwiderte ich schnippisch und erwartete eigentlich keine Antwort mehr. „Das ist es nicht." Ich runzelte meine Stirn ein wenig und drehte mich um. Was wollte er denn nun wieder von mir? „Ich mische mich da gar nicht mehr ein. Vater will mit dir sprechen", erklärte er etwas genervt und breitete eine Hand in Richtung der Tür aus, welche vor ihm lag. Sofort machte sich ein schlechtes Gefühl in mir breit.
Legolas zuckte kurz mit den Brauen als ein Ausdruck von ich-habs-dir-doch-gesagt und ging dann an mir vorbei. Natürlich hatte sich seine Ansicht über meine Studien nicht geändert, das war auch nicht zu erwarten gewesen.
Ich musste schwer schlucken, doch trat ein. Das war kein Gespräch von Vater zu Tochter, ich würde gleich mit meinem König sprechen und ich mochte es nicht wirklich, wenn das passierte. Das hatte schon Legolas und ihn zu weit auseinandergebracht und ich hatte nicht vor bei uns dasselbe geschehen zu lassen.
„Vater", begrüßte ich ihn und neigte meinen Kopf. Er lächelte fahl und bat mich mit einer Handbewegung herein.
„Ich denke dir ist klar, dass wir etwas Wichtiges zu besprechen haben", fing er an und baute sich zu seiner vollen Größe auf. Ich nickte bloß wortlos und trat noch einen Schritt näher. Es würde ihn nicht stören, wenn ich nur die Spinnen studieren würde, also musste er noch mehr erfahren haben.
„Mir ist schon seit längerem bekannt, dass du dich viel mit den Ungetümern in unserem Reich beschäftigst, doch das geht jetzt schon seit einigen Monaten so", erklärte er und suchte den eindringlichen Augenkontakt mit mir. Ich war mir immer noch nicht sicher wieviel er genau wusste und auch woher, doch das spielte jetzt keine Rolle mehr.
„Das ist richtig", antwortete ich, als er eine Pause einlegte und senkte meinen Blick ein wenig. „Dann bin ich mir sicher, dass du einige wichtige Informationen gesammelt hast in dieser Zeit, die uns nützlich sein könnten im Kampf gegen die Spinnen." Mein Blick fixierte sich sofort wieder auf ihm. Fast etwas außer mir schaute ich ihm in seine stahlblauen Augen.
„Ich denke, dass ich nichts mit Sicherheit sagen kann", erklärte ich stockend und bemühte mich den Blickkontakt aufrecht zu erhalten. Thranduils Augen schienen mich zu durchbohren, als er mich nachdenklich musterte und dann ein paar kleine Schritte um mich herum machte.
„Da wurde mir anderes berichtet." Ich atmete leise aus und kräuselte meine Lippen ein wenig. Vor ein paar Tagen hatte mich eine Patrouille bei meinen Studien beobachtet und bemerkt wie leicht es mir viel, die Nester ausfindig zu machen. Sie mussten ihm Bericht erstattet haben.

Es entstand Ruhe zwischen uns, in der er an mir vorbeiblickte und nachzudenken schien.
„Mir ist klar, dass ich eine gewisse Verantwortung für dieses Reich habe und ich werde mein Möglichstes tun, um diesen Wald von den dunklen Geschöpfen zu befreien", sprach ich schließlich entschlossen und wandte mich ihm wieder zu. Ich mochte die Idee nicht nun aufzuhören, wo ich so weit gekommen war, doch wenn es sein Befehl war, hatte ich keine andere Wahl.
Ohne seinen Kopf zu bewegen, legte sich sein Blick wieder auf mich. Seine Mundwinkel zuckten kurz, was mich fast ein wenig überraschte.
„Das hatte ich erwartet", antwortete er, doch es war nicht böse oder voreingenommen gemeint. „Deswegen hatte ich mir gedacht, dass du dich einer Gruppe von erfahrenen Waldelben anschließen wirst und ihnen die Nester zeigst", führte er seinen Satz aus und ging wieder zurück zu dem kleinen Tisch, neben dem er vorhin gestanden hatte. Auf ihm befand sich ein Glas mit Wein, das er nun aufhob.

Er hatte damit das Gespräch wohl für zu Ende erklärt, weshalb ich kurz meinen Kopf neigte und wieder auf die Tür zusteuerte. Natürlich konnte ich seine Entscheidung verstehen und so konnte ich sicherstellen, dass die Spinne, der ich das Leben gerettet hatte, auch nicht verletzt werden würde. Das Verhältnis zwischen mir und ihr war ein wenig kompliziert. Inzwischen war ich mir sicher, dass er zumindest das meiste, was ich sagte auch verstand und ich konnte ebenso seine Körpersprache verstehen, wenngleich er nicht fähig war sich auf Elbisch zu verständigen. Diese Tiere hatten eine Seele, wenngleich das die Elben nicht akzeptieren wollten. Man konnte sich mit ihnen verständigen und damit auch Verhandlungen führen.
Thranduil hatte keine genaue Angabe gemacht wann diese Gruppe von Elben starten sollte, weshalb ich annahm, dass ich noch genug Zeit für einen Besuch im Wald hatte. Es regnete ziemlich stark, weshalb ich nicht annahm, dass wir heute noch auf die Jagd gehen würden.

Meine Haare verstaute ich in dem Mantel und meinen Kopf verbarg ich unter der Kapuze, als ich nach draußen trat. Ich kannte den Weg inzwischen auswendig, jeden Baum und jede Wurzel, die aus dem Boden ragte. Ich hatte schließlich nicht besonders viele Aufgaben im Palast im Gegensatz zu meinem Bruder, welcher immerhin Anführer der Palastwachen war, wodurch ich sehr oft unterwegs war.

Schnell fühlte ich die Nässe durch die Schichten von Kleidung dringen, doch er störte mich nicht groß. Das hier war mein Königreich und ich würde schnell wieder in meinem Zimmer sein, wenn mir wirklich kalt werden würde.

Ich zögerte etwas misstrauisch, als sich nichts an unserem gewöhnlichen Treffpunkt regte. Normal wartete er mit manchen seiner Freunde hier auf mich. „Tithen?", rief ich leise, was mein Spitzname für die Spinne war. Aufmerksam ließ ich meinen Blick durch die dichten Bäume schweifen, welche noch so ruhig wie vorhin dalagen und nur von dem schwachen Wind ein wenig raschelten. Ich rutschte näher an einen Stamm heran, da inzwischen der Regen stärker geworden war und legte eine Hand auf die Rinde. Wo blieb er nur?
Ich rieb mir kurz über meine Arme und rannte dann weiter in den Wald hinein. Tithen mochte es nicht wirklich, wenn ich direkt auf das Nest zukam, doch irgendwie machte ich mir Sorgen.
Ein leichter Schauer lief mir über den Rücken, worauf ich mein Tempo verlangsamte und meinen Kopf in den Nacken legte. Tatsächlich konnte ich über mir etwas krabbeln sehen, doch ich wusste nicht, ob es eine von meinen Spinnen war. Noch im selben Moment hörte ich das Spannen einer Sehne und erstarrte. Ich war mir nicht sicher, ob sie auf mich oder auf das Geschöpf gerichtet war. Also hob ich leicht meine Hände und drehte mich um.
„Was tut Ihr so weit vom Palast entfernt?", fragte mein Gegenüber, welcher seine Kapuze nicht so wie ich in sein Gesicht gezogen hatte. Nun sammelten sich noch mehr Elben um mich, doch nicht alle hatten ihre Waffen gezogen, einige beäugten mich bloß interessiert.
„Dasselbe könnte ich dich fragen. Um diese Zeit sind hier keine Patrouillen eingeteilt", antwortete ich und stellte mich wieder aufrechter hin, wodurch der Elb einen kurzen Blick auf mein Gesicht erhaschen konnte. „Vergebt mir, Herrin Níniel, ich hatte Euch nicht erkannt", erklärte er etwas hastig, senkte seinen Bogen und verbeugte sich.
„Wir hatten einen kleinen Unfall, doch sind wieder auf dem Weg zurück", sprach er weiter und auch die anderen Elben sammelten sich wieder. Ich neigte kurz meinen Kopf als Erlaubnis für sie zu gehen. Weiter hinter ihnen konnte ich nun eine weitere Person erkennen, die geschickt über die rutschigen Äste rannte und eine Etage über uns zum Stehen kam. „Müsstest du nicht im Palast sein?", fragte Legolas und kam näher, ohne die Patrouille auch nur eines Blickes zu würdigen, welche sich nun nochmal kurz verbeugte und dann ging.
„Also dafür, dass deine Hauptaufgaben im Palast liegen, bist du aber ziemlich oft im Wald", antwortete ich und hoffte, dass er nicht auf das leise Rascheln im Plätschern des Regens über uns aufmerksam wurde. „Ich muss doch ein Auge auf dich haben", lächelte er bloß und hob dabei zu meiner Enttäuschung seinen Blick gen Himmel. Ich starrte ihn einfach weiter an, als er versuchte die Situation abzuschätzen und schloss kurz die Augen, als er blitzschnell seinen Bogen zog. Ich konnte nicht anders, als eine Hand auf die seine zu legen und ihn vielsagend anzusehen. Der Blick aus dem Augenwinkel auf die Spinne hatte gereicht, um festzustellen, wer das war. Es war nicht Tithen selbst, sondern eine der Mitglieder aus seinem Nest.
Legolas kniff seine Augen leicht zusammen und sah mich verwirrt an. „Nicht", hauchte ich leise und drückte die Hand leicht nach unten. Ich musste schwer schlucken, als ich mich zu dem vermeintlichen Ungeheuer drehte und „Hol Tithen her", murmelte. Nun sah mich mein Bruder fast schon enttäuscht an. „Hör dir einfach an, was ich zu sagen habe, bitte", bat ich leise und er zögerte.
Schließlich packte er jedoch seinen Bogen wieder weg und gerade als ich dachte, dass er mich verlassen würde, verschränkte er doch nur seine Arme.

Ich holte tief Luft und versuchte mich ein wenig zu beruhigen. Er musste es sowieso irgendwann erfahren, dann konnte ich es ihm auch gleich erzählen. Außerdem konnte er mich bei Vater unterstützen, wenn er mir glaubte.
„Vor ein paar Monaten... da habe ich einer kleinen Spinne, die gerade geschlüpft war, das Leben gerettet. Es war nur eine, also habe ich mir nicht viel dabei gedacht. Ich kann mit ihr kommunizieren und ich habe so viel mehr erfahren über diese Wesen. Wir könnten Frieden mit ihnen schließen, anstatt Krieg zu führen", erklärte ich etwas aufgeregt und sah ihn flehend an. Doch wenn sich überhaupt etwas an seinem Ausdruck änderte, dann ins Schlechte.
„Ist das dein Ernst?" Mein zunächst hoffnungsvoller Gesichtsausdruck verblasste sofort. „Gib dem doch eine Chance", bat ich und sah ihn eindringlich an. Bevor er antworten konnte, hörte ich auch schon das vertraute Surren neben mir. Es war Tithen wie bestellt. Er fletschte böse seine Zähne, sobald er neben mir angekommen war und sah den Elben vor mir angewidert an.
„Schon gut", murmelte ich leise und legte eine Hand auf seinen Kopf. Er war bereits ausgewachsen, was mich überrascht hatte, doch eigentlich logisch war. Diese Wesen mussten sich schnell vermehren können, wenn sie eine Chance gegen Waldelben haben wollten.
„Wir haben bereits die Möglichkeit ausdiskutiert einfach nur einen Teil des Waldes an sie zu übergeben und wir lassen uns gegenseitig in Ruhe, aber-" „Niemals", unterbrach mein Bruder mich sofort und fixierte die Spinne mit stechendem Blick. „Legolas, es ist ein geringer Preis für-" „Nein. Sie können den ganzen südlichen Teil des Grünwaldes besiedeln. Ich werde nicht zulassen, dass sich hier auch nur eine einzige niederlässt und den König wirst du auch nicht überzeugen", antwortete er entschlossen. „Vielleicht könnte ich das, wenn du mir hilfst?", fragte ich etwas leiser. „Wie stellst du dir das vor, Ní? Diese Spinnen sind aus dem Bösen geschaffen, ihre Natur ist es zu töten und ich bin sicher dein neues Haustier hier lebt auch nicht vegetarisch. Es wird niemals funktionieren, das ist nicht natürlich, was du hier versuchst", erklärte er und wandte sich endlich wieder mir zu. Ich warf Tithen einen Blick zu, welcher betroffen zu Boden schaute. Er hatte schon irgendwo recht, doch sollte nicht auch diesen Lebewesen die Chance eines echten Lebens geboten werden?
„Er soll aus dem Düsterwald verschwinden, dann wird er überleben und du solltest in den Palast zurückkehren und deinen echten Pflichten als Prinzessin nachkommen. Es ist nicht deine Aufgabe über solche Dinge nachzudenken", murmelte der Prinz ruhig und drehte sich um.
Ich legte meine Hände auf meine Arme und merkte, wie sich ein miserables Gefühl in mir breit machte. Als ich Tithen dabei beobachtete, wie er sich ohne große Verabschiedung davon machte, wurde mir klar, dass ich damit all der Arbeit der letzten Monate hinterherschaute. Ich war nun mal nicht die Königin und konnte nichts dagegen machen.

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