Der Beginn einer bedeutsamen Freundschaft
„Was ist los?", fragte ich etwas besorgt und hielt knapp vor ihm an. Ich wollte nicht, dass die Schüler von etwaigen Problemen mitbekamen. „Was tust du hier?", fragte er bloß und nickte zu den Elben hinter mir. Ich folgte seinem Blick kurz und sah ihn dann verwirrt an. „Trainieren?" Er kniff seine Augen zusammen: „Hier?" Ich zögerte. Hatte ich etwas übersehen? Legolas seufzte kurz und trat noch einen Schritt näher. „Hier war das letzte Spinnennest, schon vergessen?" Ich hob etwas überrascht meine Augenbraun. Das war dann wohl das gewesen, was mein Kopf mir noch sagen wollte, als wir hier angekommen waren. Und die Schüler hatten offensichtlich auch davon gewusst. Dem Getuschel auf dem Weg hierher nach zu urteilen.
„Hätten sie uns nicht inzwischen bereits angegriffen? Außerdem habt ihr doch alle besiegt?" „Es könnten immer noch welche dort sein", erwiderte er ernst und ließ seinen Blick durch die Bäume wandern. „Ich kann besser ihre Nester erkennen, wie wärs, wenn ich nachschaue und du hierbleibst?", lächelte ich etwas belustigt und trat schon einen Schritt nach hinten.
„Ich glaube ich-", fing er an, doch ich unterbrach ihn schnell: „Ich dachte als Prinz muss man alles können? Hier kannst du mal deine Trainerkenntnisse unter Beweis stellen." Ich grinste, klopfte ihm auf die Schulter und drehte mich um. Auch, wenn er eigentlich die größere Befehlsgewalt hatte, hatte ich bei Meinungsverschiedenheiten meistens das letzte Wort. Das war sein Weg sich dafür zu entschuldigen, dass er was das betraf über mir stand, obwohl mich das nicht groß störte, eigentlich fand ich es sogar ganz gut so.
„Ich muss etwas nachschauen gehen. Legolas wird das weitere Training gerne übernehmen", informierte ich die Schüler und drückte im Vorbeigehen dem Elben sein Schwert zurück in die Hand. Kurz schaute ich nochmal zurück zu meinem Bruder, welcher etwas genervt näherkam. Ich wusste, dass er heute sowieso nicht besonders viel zu tun gehabt hatte, sonst hätte er mich nicht zwei Mal persönlich aufgesucht, sondern irgendwen geschickt.
Etwas erlöst machte ich mich also auf den Weg zu dem ehemaligen Nest. Mir war klar, dass wir auch einfach zum Palast hätten zurückgehen können, doch ich wollte einfach die Chance nutzen, die Schüler loszuwerden.
Ich konnte sofort die Krankheit spüren, als ich von der Lichtung zwischen die Bäume trat und weiter zwischen den von Spinnweben überzogenen Stämmen und Büschen entlangging. Es war still. Die Vögel hatten sich längst bessere Orte zum Leben gesucht, genauso wie alle anderen Tiere in diesem Bereich.
Dennoch lauschte ich aufmerksam und hatte schnell die Schüler und den Prinzen hinter mir vergessen. Es war gut möglich, dass Eier, welche übersehen wurden, überlebt hatten. Bald hatte ich auch die Nester gefunden. Sie waren leer bis auf die Überbleibsel der Eier und denen ein paar ausgewachsener Spinnen.
Doch ich wusste es besser, als es bei dem beruhen zu lassen und suchte weiter. Tatsächlich entdeckte ich etwas weiter weg einen schmalen Spalt in der Erde. Er musste durch einen Erdrutsch so klein geworden sein. Als ich mich hinunterhockte und einen Blick hineinwarf, kam ein hohes, klägliches Zischen als Antwort zurück. Etwas überrumpelt zuckte ich ein wenig zurück und zögerte. Zwei kleine Beinchen streckten sich aus dem Schlitz hervor und versuchten nach mir zu greifen. Sie waren schwarz und dicht behaart. An den Enden befanden sich kleine Krallen, die in solch anfänglichen Zuständen noch weich und biegsam waren.
Mit großen Augen beobachtete ich die kleine Spinne bei den verzweifelten Ausbruchversuchen und wusste nicht ganz, was ich tun sollte. Sie musste erst heute oder gestern geschlüpft sein, sonst wäre sie längst verhungert. Sie wäre perfekt für meine Studien, doch bis jetzt hatte ich immer nur beobachtet und mich nicht aktiv um das Überleben der grausigen Kreaturen gekümmert.
„Ganz ruhig, geh ein bisschen zurück", flüsterte ich leise und lehnte mich wieder vor. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich verstehen konnte oder es meine sanfte Stimme war, welche sie dazu brachte, wirklich etwas tiefer in den Bau zurückzuweichen. Ich fing an mit meinen Händen die Erde wegzuschaufeln und als ich mir sicher war, dass sie durchpassen würde, wich ich ein paar Schritte zurück.
„Du kannst rauskommen", sagte ich leise, doch hatte eine Hand bereit auf dem Griff meines Schwertes liegen. Nur langsam traute sich die Spinne an die Luft. Sie glänzte noch vom Saft des Eis und stoppte, als sie mich sah. Ich war immer noch in der Hocke und sah sie abwartend an. Es lag nun an ihr. Ich war mir nicht so sicher, ob sie das auch wusste.
Ein paar Sekunden standen wir uns still gegenüber, wobei mich ihre schwarzen glänzenden Knopfaugen genau musterten, bis sie sich mit ihren kleinen Beinchen auf mich zubewegte. Ich musste ein wenig schlucken, doch breitete dann meine Arme aus. Sie konnte mir nichts anhaben, auch wenn ich keine Waffen an mir hätte, falls sie sich doch zu einem Angriff entscheiden würde.
Nur langsam und mit absichernden Blicken nach oben zu mir, trat sie knapp vor meine Beine und drückte sich dann gegen mein Knie. Ich war so überrascht, dass ich mich zunächst gar nicht bewegte, doch dann eine Hand auf den noch weichen Panzer legte. Ich hätte dieses Verhalten im Leben nicht erwartet.
Wir saßen einige Minuten so da, bis die Spinne ihren Kopf hob und ein wenig mit ihren Zähnen an mir schabte. Es war offensichtlich ein Ausdruck von Hunger. Ich musste ein wenig lächeln und stand auf.
„Komm mit", hauchte ich leise und ging vor in Richtung eines Nestes, das ich erst letztens entdeckt hatte. Die Spinnen hatten noch keine Eier gelegt, weshalb es für mich noch von keinem Nutzen war, doch sie würden sich zweifellos auch um dieses Jungtier hier kümmern. Wie erwartet folgte sie mir. Es war kein besonders weiter Weg. Ich wollte auch nicht zu lange wegbleiben, sodass Legolas nicht anfing sich Sorgen zu machen.
Schon von der Weiten hörte ich das gewohnte Surren und Flüstern der Geschöpfe von über mir. Auch mein kleiner Gefährte schien ein wenig Angst zu bekommen und lief näher zu mir.
„Das sind deine Artgenossen. Sie werden dir etwas zu Essen besorgen und ich werde nochmal vorbeischauen", erklärte ich leise, während ich mich abermals hinunterbeugte und meine Hand auf den Kopf der Spinne legte. Sie sah mich aufmerksam an und senkte dann den Kopf. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob sie mich verstanden hatte, doch sie lief langsam, mit ein paar Blicken zurück, von mir weg.
Die ausgewachsenen Spinnen kamen sofort auf sie zu und musterten mich gespannt. Ich hob ein wenig meine Hände und entfernte mich rückwärts von dem Nest. Sobald ich außer Sichtweite war, drehte ich mich um und beeilte mich zurück zu dem Trainingsplatz zu kommen. Die Waldelbin in mir sagte, dass diese Wesen von Grund auf böse waren, dass sie aus dem Dunkel geschaffen waren, doch wie war dann diese Begegnung entstanden? Vielleicht hatten wir immer das Schlechteste angenommen, vielleicht hatten diese Geschöpfe Gefühle und konnten denken?
Durch die Bäume konnte ich Legolas erkennen, welcher zufrieden den größten der Schüler mit einem seiner Dolche beobachtete. Ich musste unwillkürlich grinsen. Sogar ihm musste klar sein, dass sich so etwas nicht gehörte, doch wenn es ihn glücklich machte, dann sollte das eben so sein. Er passte schließlich auf.
Ich näherte mich absichtlich von hinten. „Wurdest du leicht entwaffnet? Ich bilde mir ein, dass du vorher zwei Dolche hattest", lächelte ich, worauf sich alle zu mir umdrehten und der Schüler die Waffe hinter seinem Rücken versteckte. „Ich muss ihn wohl im Palast vergessen haben. Hast du etwas gefunden?", antwortete Legolas und wechselte zum Ende hin zu einem ernsthafteren Tonfall.
„Nein. Und wie schaut es mit der Prüfung aus?", fragte ich immer noch belustigt und schaute in die Runde. „Sie haben bestanden", antwortete mein Bruder mir und nickte zur Seite, sodass wir uns ein paar Schritte entfernten. Ich war mir nicht ganz sicher, wie ernst er diese Prüfung genommen hatte, doch er würde schon wissen, was er tat und es war schließlich nicht die einzige in ihrem Leben.
„Warum hast du so lange gebraucht?", fragte er ernst und sah mich forschend an. „Ich wollte sichergehen." Er kniff seine Augen misstrauisch zusammen. „Sicher, dass da nicht irgendwo doch noch ein Nest ist, das du jetzt beobachten willst?" Ich legte meinen Kopf ein wenig schief. „Nicht, wenn sie dadurch in Gefahr sind", antwortete ich und nickte zu den Schülern, welche gerade mit leuchtenden Augen den Dolch herumreichten.
„Nun gut. Ich muss in den Palast zurück. Und du solltest sie vielleicht ein wenig zur Brust nehmen, also ich weiß nicht, wie weit sie inzwischen sein sollten, aber das ist doch eine Beleidigung für das Waldlandreich", lächelte er belustigt und legte mir kurz seine Hand auf meine Schulter, bevor er ging. Ich musste ebenfalls leise lachen und ging wieder zu den Schülern. Damit sprach er mir aus der Seele.
„Legolas! Dein Dolch?", rief ich noch schnell und drehte mich noch mal um. „Nimm ihn mir einfach mit", rief er zurück und winkte ab. Das hatte vermutlich auch etwas damit zu tun, dass er wusste, wie viel Spaß es ihnen machte damit zu spielen. Vielleicht würde ihnen das auch die Ernsthaftigkeit für das Training geben, die sie brauchten?
Ich war es nicht wirklich gewohnt jemandem etwas beizubringen, doch dafür fand ich, dass ich einen ziemlich guten Job machte. Meine Autorität als quasi-Prinzessin hatte wahrscheinlich auch etwas damit zu tun, dass sie die ganzen nächsten Stunden konzentriert blieben und nur selten abwesend oder unkooperativ waren. Ich konnte kaum erwarten wieder nach der kleinen Spinne zu sehen. Ich glaubte nicht, dass sie mich vergessen hatte, und vielleicht würde ich irgendwie eine Beziehung zu ihr aufbauen können und damit mehr über diese Wesen erfahren. Und auch wenn nicht, so war es nur eine Spinne, der ich das Leben gerettet hatte, damit würden die Waldelben schon zurechtkommen.
Ich war recht stolz darauf, was ich mit dem Training erreicht hatte. Auch Übungen für die nächsten Tage hatte ich ihnen aufgegeben. Eigentlich war es gar nicht so schlimm gewesen, wie ich erwartet hatte, auch wenn ich es immer noch niemals gegen meinen normalen Alltag eintauschen würde. Das würde wohl auch nicht zu jemandem wie mir passen. Ich war froh, dass Legolas die Hauptansprechperson für irgendwelche Probleme war, doch ich fühlte mich dennoch irgendwie verantwortlich für dieses Reich. So war ich eben aufgewachsen.
Als ich in den Palast zurückkehrte, war es kurz vor Sonnenuntergang. Genauso wie die Schüler war ich ziemlich erschöpft und froh endlich in mein Zimmer zu kommen. Legolas' Dolch hatte ich noch in der Hand während ich auf dem Weg zu den königlichen Gemächern war. Das war schon ein Luxus, den ich immer noch genoss. Einen eigenen kleinen Trakt für meine Familie zu haben, in dem keine Wachen, Kinder oder andere Elben herumliefen. Außerdem war es immer ruhig und es gab einige Räume, die nur der Entspannung dienten. Natürlich nahm ich auch oft Freunde mit hier hin, doch im Generellen durften nur mein Vater, mein Bruder und ich hier hinein. Es diente hauptsächlich der Sicherheit von Thranduil, da hier die Eingänge auch strenger überwacht wurden, doch daran gewöhnte man sich mit der Zeit. Es war auf jeden Fall ein guter Rückzugsort, in dem ich auch jetzt meine Ruhe finden konnte.
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