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Sie musste im Krankenwagen dann doch noch ohnmächtig geworden sein, ... oder die hatten sie tatsächlich mit den Medikamenten so komplett ruhig gestellt, dass sie eingeschlafen war.
Doch als sie wieder erwachte, lag sie nun in einem großen hellen Einzelzimmer, ... in einem großen und sogar bequemen Bett ... aber immerhin in einer Klinik, ... oder?
Aber warum sah es hier nun so gar nicht nach Krankenhaus aus, sondern eher nach Hotelzimmer?
Und wo waren die anderen Betten von den anderen Patienten?
Hu...!?
Ein großer Flachbildschirm war an der Wand gegenüber angebracht und sie trug auch keinen unförmigen Krankenhauskittel, sondern irgendein ihr völlig unbekanntes Nachthemd ... Doppel-Hu ...?!
Wer hatte sie ausgezogen?
Wann?
Warum?
Und was ihr gleich als nächstest auffiel... jemand hielt gerade ihre Hand fest in seiner.
Einer großen Hand...
Sie drehte verwirrt den Kopf auf dem Kissen und sah dann tatsächlich Marcos Bruder mit einem schwarzen Bartschatten am Kinn und auf der Oberlippe auf seinen Armen halb auf ihrer Matratze liegen.
Das halblange Haar viel ihm in Wellen über die geschlossenen Augen und seine Kleidung war sichtlich zerknittert.
Oh Mann...
Marcos Bruder war also ein Arzt, erinnerte sie sich wieder an seine befehlsgewohnten Anweisungen im Krankenwagen.
Doch warum hielt er nun ihre Hand so fest in seiner?
- Gott!
Vorsichtig setzte sie sich im Bett auf und fragte sich dann ob sie ihre Hand nun einfach so aus seiner zurückziehen sollte.
Es war ihr nun doch etwas unangenehm, dass ein wildfremder Mann ihre Hand hielt, so als würde er sie schon lange kennen und sich gerade höllisch um sie sorgen.
Nein, ... das tat er doch ganz sicher nicht. Warum sollte er? Er kannte sie doch überhaupt gar nicht.
Also tat sie es nun einfach wie sie dachte, zog ruckartig an ihrer Hand und wurde dann aber schon im nächsten Moment wieder sehr viel stärker und am Handgelenk festgehalten.
Uhhh...!?
Und er setzte sich nun ebenfalls abrupt auf - Leicht verschlafen wirkend - doch dann schüttelte er die kurze Benommenheit mit nur einem Blinzeln ab und war schlagartig sofort voll da und wach.
Wow... was für ein Gesicht. Und was für beseelte Augen.
Er war, wenn möglich, sogar noch attraktiver als sein Bruder. Aber das sollte ihr nun je wirklich nichts bedeuten.
Oma hatte immer gesagt, die gut aussehenden Männer sind gerade diejenigen, die auch am schnellsten wieder weg sind.
Doch gerade war er hier. Bei ihr... und sah sie nun tief ausatmend an.
„Du bist endlich aufgewacht."
Wieso endlich...?
Das fragte sie sich nun doch schon Bass erstaunt.
Sein ehemals sicher blütenweißes Hemd war vorne ganz schmutzig und stand sogar halb offen.
War er also mit den nassen Sachen, in denen er im schmutzigen Fluss geschwommen war, die ganze Zeit über hier und bei ihr sitzen geblieben?
- Wieso?
„S...Sie können meine Hand jetzt wieder los lassen... B... Bitte", sagte sie einfach das erste, was ihr in den Sinn kam.
Er sah sie nur ernsthaft an und zwei seiner Finger drückten nun leicht auf ihren heftig pochenden Puls, derweil er einfach ruhig weiter sprach.
„Du musst nicht so förmlich oder mir gegenüber ängstlich sein, Theresa. Wir sind jetzt schließlich eine Familie ... durch Marco", sagte er schlicht.
Sie aber schüttelte nur sofort heftig den Kopf.
„Nein, Sind wir gar nicht. Ich weiß ja nicht mal, wer sie sind... ich kenne sie nicht.
Und ... Ich kannte auch Marco eigentlich gar nicht. Ich meine... Ich wollte das doch auch nicht... diese Nacht... Ich bin nicht ... nicht... so eine... Ich war nur an dem einen Abend irgendwie etwas betrunken oder so. Normalerweise trinke ich ja gar nichts. Aber der anscheinend doch schon leicht angegorene Traubensaft hat so gut geschmeckt. Gar nicht bitter, so wie Wein. Ich weiß ... noch nicht mal mehr wieviel ich davon überhaupt getrunken habe ... aber dann... ist es wohl einfach ... so passiert ..."
„Du brauchst es mir nicht zu erklären... und dich auch nicht mir gegenüber zu rechtfertigen oder zu schämen. Ich weiß von Marco das es damals das erste Mal für dich war, dass du sehr scheu und auch zurückhaltend ihm gegenüber warst.
Deshalb hat er sich auch bis zum Schluss sehr schuldig gefühlt", unterbrach Don Miguel sie nur wieder und setzte sich nun sogar zu ihr auf das Bett.
- Okay?
Sie schluckte hart und kämpfte wieder mit den Tränen, obwohl sie nun auch unwillkürlich von ihm wegrutschte.
„Ja. Ich weiß... Er hat vor der Decke gesessen ... an dem Morgen... und das Blut darauf angesehen... so fassungslos ... als hätte er mich ... erschossen oder so.
Er hat mir noch seine Karte in die Hand gedrückt und gesagt ich soll sie nicht wegwerfen und mich bei ihm melden ... ob es mir auch gut geht.
Aber ... ich hab es nicht getan. Ich bin nur ... ganz schnell weitergewandert. Auf dem Jakobsweg... und hab versucht es zu vergessen.
Er ist mir ja auch schließlich nicht gefolgt. Ich wusste auch nicht das er krank ist ... oder ... krank war.
I...ich hab das alles nicht gewusst, dass er dann wohl dort auch noch zusammengebrochen ist.
I...Ich hätte da bleiben sollen... vielleicht hätte er es dann noch mal überlebt...", flüsterte sie heiser und schniefte schon wieder an den Tränen.
„No! Hätte er nicht mehr, Theresa! Er hat schon zwei Monate länger gelebt als man ihm überhaupt noch Zeit gab. Aber das war nun mal sein eiserner Lebenswille. Er war immer schon sehr dickköpfig und stark. Mach dir also keine Vorwürfe, por favor..."
„Wie ... Wie bitte sollte ich das nicht? Ich hab ihn einfach da zurückgelassen und er war so unfassbar bleich ..."
„Du warst aber auch verletzt, Theresa! Konntest nicht mehr klar denken. Ich verstehe das und Marco hat es auch gesehen.
Er hätte das nicht tun dürfen.
Du warst noch unschuldig und er lag im sterben. ... Er war verrückt, ...sí? ... Loco!", nickte Don Miguel nun ernsthaft auf sie herab und sie rieb sich mal wieder die überfließenden Augen.
„Ja... ich ... ich meine... Ich mache ihm wirklich gar keine Vorwürfe deshalb. Er war so schwer krank, ... sie sagten ... ein Hirntumor.
Sicher hat das letztlich seine Urteilsfähigkeit getrübt. Das und ... der Alkohol. Obwohl es gar nicht so viel war. Er sagte sogar es sei nur Saft. Ach...
Ich weiß auch nicht.
Aber ... wir wollten das eigentlich alle beide nicht... deshalb ist es nun ja auch so irre.
- Das alles.
Und ich verstehe das auch nicht, weshalb sie nun hier sind? Warum denken sie, dass ich jetzt auf einmal zu ihrer Familie gehöre? Das tu ich nicht.
Sie haben doch auch rein gar nichts mit mir zu schaffen..."
„Du denkst wirklich ich habe nichts mit dir zu schaffen...?", schnaubte er nun ungläubig.
Sie nickte nur heftig.
Schon griff er sachte streichelnd in ihr Haar, wobei sie nur wieder unsicher zusammenfuhr, umfasste aber auch sogleich mit der anderen Hand ihr Gesicht und schaute sie nun derart ernsthaft an, dass es ihr ganz anders zumute wurde und sie unwillkürlich den Atem anhielt.
„Du hast mich angerufen, Ninã ... Und ich habe sofort die Angst in deiner Stimme gehört.
Marco sagte es mir, das du vermutlich nur dann anrufen wirst, wenn du wirklich in Umstände gerätst. Er sagte du bist erst 19 und stehst aber nun ganz allein in der Welt, nach dem plötzlichen Tod deiner Abuela. Er sagte mir, ich sollte mich in seinem Namen tausend Mal bei dir entschuldigen und mich dann gut um dich kümmern. Ja er flehte mich geradezu darum an.
Er sagte du bist sehr schüchtern und auch sehr liebenswert, hast nie mit ihm geflirtet, hast keine Annäherungsversuche gemacht, sondern warst eine sehr ernsthafte Pilgerin. - Für deine Abuela, die den Weg immer gerne selbst laufen wollte.
Marco sagte mir du hast immer nur das von dir erzählt. Deinen Vornamen und dann von deiner Abuela, Theresa."
„I...Ich habe ihnen aber doch noch gesagt das ich gar nicht schwanger bin", flüsterte sie unsicher.
Er lächelte kurz bitter.
„Du hast es schon mit deiner Bitte nur kurz mit Marco sprechen zu wollen gesagt. Es sei sehr privat... - Si! Das ist sehr privat. Und nun hat ein Bluttest deine Vermutung bestätigt. Ich habe nachgeforscht. Du warst noch nicht einmal bei einem Arzt..."
„Ich hab meinen Termin erst in zwei Wochen bekommen. Und auch nur deshalb so schnell, weil ich ungewollt schwanger wurde. Sonst hätte ich noch mal sechs Wochen warten müssen... Außerdem war ich vorher noch nie bei einem Gynäkologen. Ich musste erst mal rumtelefonieren und einen finden der mich aufnimmt. Eigentlich wollte ich auch lieber eine Ärztin haben ... Aber ... die waren alle schon voll belegt..."
Er sah sie ungläubig an.
„Du warst noch nie zuvor beim Gynäkologen?", fragte er sie und schluckte dann sichtlich fassungslos.
Sie senkte nur verlegen den Blick und hob die Schultern.
„Wozu hätte ich denn einen solchen brauchen sollen? Ich hatte doch noch nie einen Freund. Und Oma hat gesagt es reicht zu gehen, wenn ich einen Freund habe oder zu starke oder arg unregelmäßige Blutungen ... oder sonstige Schmerzen. Aber das hatte ich nie. Ich bin ziemlich gesund.", versicherte sie ihm eilig.
Doch da schüttelte er nun langsam den Kopf.
„Du leidest wohl aktuell an leichter Hypertonie. Das heißt, dein Blutdruck ist zu hoch. Hattest du früher oft Kopfschmerzen oder war dir ab und zu schwindelig? Hattest Atemnot oder konntest nur schlecht schlafen?"
Sie nickte bei dem letzten Punkt.
„Ich kann seit ... seit Spanien nur noch schlecht schlafen und bin deshalb nun auch ständig müde...", gestand sie ihm leise.
Er nickte nur wieder ernsthaft.
„Also vermutlich eine Schwangerschaftsbedingte Hypertonie. Doch tritt das eigentlich erst im späteren Stadium auf, wenn der Körper noch mehr durch den Fötus belastet ist. Also vielleicht eher ein emotionales Problem. Nun gut. Immerhin wurde es durch deinen Brückensprung nun entdeckt."
„Ich bin nicht gesprungen!", ereiferte sie sich sofort „Sie haben mich nur total erschreckt und dann bin ich mit der Hand vom Geländer abgerutscht..."
Er holte tief Luft und runzelte ernsthaft die Stirn.
„Lüge bitte nicht! Ich habe gesehen wie unglücklich du ins Wasser geschaut hast und dann bist du plötzlich auf das Geländer hoch geklettert..."
„Weil da eine Entenfamilie im Wasser war, mit Küken! Ich wollte noch schnell herausfinden wie viele es sind. Aber sie waren zu schnell vorbei und im Gebüsch verschwunden ...", unterbrach sie ihn hastig und nun auch beschämt.
Er zog lediglich die Brauen hoch ... schweigend ... und seine Hand strich sachte über ihre Wange.
Das verwirrte sie ... ernsthaft.
„I...Ich lüge nicht! - Ehrlich! Ich bin außerdem ja auch katholisch. Schon deswegen würde ich nie auch nur auch den Gedanken kommen.
Und sowieso ... hätte der Sturz ins Wasser mich wohl auch kaum getötet. Ich bin schließlich Rettungsschwimmerin im Verein.
Der Rautekgriff, den sie angewendet haben, ist wirklich sehr wirkungsvoll, wenn man sich gegen die Maßnahme wehrt. Aber es war unnötig mich im Wasser zu schleppen oder dann auch noch raus zu tragen. Sie hätten sich dabei verletzten können. So ein Leichtgewicht bin ich schließlich auch wieder nicht...", murmelte sie noch leicht vorwurfsvoll und sah ihn plötzlich doch mal fein lächeln.
Auch nur ganz kurz, doch es erinnerte sie wieder so sehr an Marcos Lächeln, das sie nun doch wieder die Hand hob und die seine verschämt aus ihrem Haar herauszog.
Sofort ging er wieder ein wenig auf Abstand zu ihr und setzte sich ein Stück zurück.
„Verzeih mir, wenn ich das fehl interpretiert habe. Doch du sahst wirklich zutiefst unglücklich aus...", seufzte er schließlich leise.
Sie hob nur wieder unwillig den Kopf.
„Wie denn bitte auch nicht? Ich hatte einen ungewollten One-Night-Stand mit einem netten spanischen Jungen Mann, der nun Folgen hatte. Er hat mich gebeten ihn anzurufen, wenn sowas passiert, also tat ich es und bekam erzählt er ist inzwischen an einem Hirntumor gestorben.
Also bin ich nun allein, schwanger und mein Studium fängt in drei Wochen an.
Darum ... Ja...
Ich gebe es zu, das macht mich gerade echt betroffen und auch ziemlich unglücklich. Weil ich vom Alter her und auch finanziell noch gar nicht dazu in der Lage bin jetzt schon ein Kind zu bekommen und es gut aufzuziehen.
Andererseits bin ich wie gesagt katholisch. Meine Oma würde sich im Grab umdrehen, wenn ich abtreibe. ... Doch komme ich garantiert in Schwierigkeiten, wenn ich das Baby bekomme. Als erstes wird man mir nahelegen Omas Haus zu verkaufen, um davon noch eine Weile leben zu können, bevor ich dann Sozialhilfe beantragen muss.
Es ist alt und baufällig, aber immerhin bezahle ich da keine Miete, habe einen Garten und die Uni ist auch nicht so weit weg.
Doch ich kann mit Baby doch gar nicht auf die Uni gehen. Wer soll darauf aufpassen? D...Dafür habe ich doch extra noch mein Abi gemacht. Sogar ein echt gutes Abi!
Aber ich hab niemanden auf der Welt, der mir jetzt noch damit helfen könnte oder würde. Ich hab keine Eltern, und meine Oma ist nun auch nicht mehr da.
Bliebe also noch die Möglichkeit übrig es von andern adoptieren zu lassen ... nachdem ich es bekommen habe.
- Aber das geht auch nicht. Weiß ich jetzt schon.
Wenn ich es bekomme, dann kann ich es später sicher nicht mehr hergeben.
Aber so ja auch noch nicht mal eine Ausbildung beginnen.
- Wovon sollen wir denn bitte leben?
Ich will ja arbeiten und selbstständig sein ... aber dazu müsste ich mein Kind allein lassen oder es in eine ganztägige Betreuung geben.
Aber dafür bekommt man doch kein Kind, oder?
Ich hab jetzt also einfach keine andere Wahl als abzutreiben. Aber das wird mich sicherlich für den Rest meines Lebens totunglücklich machen. Das Baby ist schließlich das einzige was Marco noch auf dieser Welt hinterlassen hat, außer zwei Fotos und Erinnerungen. Vielleicht bin ich ja auch deshalb sofort schwanger geworden. Weil noch was von ihm dableiben sollte.
Oma hat gesagt Gott hat immer einen Plan.
Aber dieser hier ist ... echt fies. ... Für mich.
Denke ich zumindest.
Klar also, dass ich nicht so gut drauf bin und mir gerade Sorgen mache. Ich habe außerdem jetzt schon Angst vor den Beratungsgesprächen.
Denn im Forum haben sie gesagt die Beratungsstellenmitarbeiter setzen einem ganz schön zu, wenn man abtreiben muss, ohne vergewaltigt worden zu sein.
Und... das war's ja nun nicht bei mir. Aber die sind wohl zum Teil ganz schön fies zu Frauen die einfach nicht aufgepasst haben oder so wie ich betrunken oder weggetreten waren. Aber... ich meine ich hatte das ja nun wirklich nicht so geplant.
Und ich kann da auch nicht einfach so hingehen und lügen. Das würde Marco mir sonst da oben im Himmel echt übel nehmen. Und einen Kranken zu beschuldigen ... Nein! ... Das mache ich nicht. Am liebsten würde ich nur einfach in die Klinik gehen. Aber ohne die Beratungs-Gespräche darf man hier nun mal nicht abtreiben ...", redete sie sich allmählich in Rage und raufte sich dann auch noch kurz das Haar. Doch Don Miguel unterbrach ihren Wortschwall einfach nur wieder, indem er erneut ihre beiden Hände ergriff und entschlossen drückte.
„Heirate mich, Querida!", sagte er ernsthaft und Theresa ... blieb jetzt einfach nur noch der Mund weit offen stehen.
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Sehr offensichtlich, oder?
🤣✌🏻🫶
LG
Bea
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