12
Miguel aß schnell. Schließlich konnte er nun keine Zeit mehr verschwenden.
Sein Assistent hatte ihm bereits eine Nachricht auf sein Handy geschickt, dass er die besagte Kiste in dem Haus gefunden hatte und auch das ausgeschaltete Handy darinnen.
Er hatte zudem ein Foto von dem Inhalt gemacht. Ganz oben auf lagen ein leicht verschwommenes Foto und Marcos Visitenkarte. Ganz offensichtlich war das Bild nur ein Selfi - mit dem Handy gemacht ... von Theresa.
Doch Marco stand etwas weiter hinten im Hintergrund und blickte gerade ernsthaft und scheinbar Gedankenversunken auf das Meer hinaus.
Sie hatte die Erinnerungen an ihn also in ihrer stets abgeschlossenen Kiste gelassen.
Er atmete tief durch und kämpfte kurz gegen die überwältigende, Trauer wie auch den aufbrandenden Zorn in seinem Herzen an.
Trotz, dass Marco sie so sehr ausgenutzt hatte, hatte sie tatsächlich etwas von ihm behalten.
- Nur wegen des Babys?
Um ihm irgendwann seinen Vater zeigen zu können?
Er konnte sich nicht sicher sein.
Doch er zoomte unwillkürlich in dem übersendeten Bild auf seinem Handy an das Gesicht seines Bruders heran und betrachtete es eingehend.
Sein allerletztes Bild.
Und es gehörte Theresa.
Egal aus welchem Grund behalten, für diesen einen Moment war er ihr tatsächlich dankbar dafür, dass sie damit doch noch einen letzten ruhigen und friedlichen Moment in Marcos Leben festgehalten hatte
Wie sie es sagte, hatte sie seinen Bruder dabei lediglich unaufdringlich ein Stück des Weges begleitet. Jedoch nicht gekannt.
Von ihrer Seite aus gesehen war ihre Begegnung nur rein zufällig den absichtlich...
Denn auch dieses Bild sah nicht gestellt aus. Sie hatte nur sich selbst fotografiert, nicht wirklich Marco. Sein Gesicht war etwas verschwommen, ihres nicht. Vermutlich hatte sie auch erst später bemerkt dass er gerade zufällig im Hintergrund gestanden hatte.
Denn sie hatte tatsächlich keinerlei Absichten auf ihn gehegt und war nur ganz in ihrer eigenen Trauer und Tragödie, um den Verlust ihrer Abuela versunken.
Sogar ihr Lächeln auf dem Bild war irgendwie traurig. Ihre Augen blickten viel zu alt und müde für ihr junges Alter...
Es hielt nun auch ihm wieder vor, was ihre Absichten gewesen waren. Der innerliche Abschied und das Gedenken an ihre Abuela.
Erneut verfluchte er seinen Bruder für seine Wahnsinnige Tat. Das war eine ernsthafte und nicht nur zum Spaß geschuldete Pilgerreise einer zutiefst trauernden jungen Frau gewesen.
Doch Marco hatte ihre reinen Absichten zunichte, sie gnadenlos betrunken gemacht und gewissenlos für seine Zwecke ausgenutzt.
- Und gleiches hatte nun auch er vor. Ihre Umstände für seine Zwecke zu nutzen.
Vorsichtig, um sein Handy nicht schon wieder zu zerschmettern, wie schon so oft in letzter Zeit, legte er es zurück auf den Tisch und beendete dann rasch seine Mahlzeit.
Er hatte nicht vor, noch viel länger hier in Deutschland zu verweilen. Doch, dass er Theresa nun ganz alleine hier zurücklassen sollte, weil sie es so von ihm verlangte, um mehr Zeit zu erhalten ihre Dinge zu regeln, stieß ihm doch gerade sauer auf.
Doch vermutlich war es besser so, wenn sie nun freiwillig zu ihm kam, aus ihren eigenen Beweggründen heraus. Dann konnte er sich damit nun wenigstens einreden, ihr jetzt doch damit etwas Gutes zu tun, ihr seine Güte zu erweisen, statt nurmehr Marcos Schuld zu begleichen und sich dabei auch noch den ersehnten Erben für die Familie zu sichern.
Er beschloss, zumindest seinen privaten Assistenten hier bei ihr zu lassen der ein Umzugsunternehmen beauftragen würde, und ihr bei allen relevanten Dingen zur Seite stehen würde. Auch bei der Reise.
Er sandte ihm noch eine Nachricht sich schon morgen bei Theresa zu Hause einzufinden und sie beim packen und Organisieren zu unterstützen. Ja... alles was sie noch behalten wollte, bis auf die Möbel, würde mitgenommen. Auch die Sachen ihrer Abuela.
Und zugleich würde sie die Zeit erhalten die sie brauchte, um ihrem alten Leben lebewohl zu sagen.
Wenn sie so auch erst einige Tage später in Spanien eintraf, konnte er sogar auch dort noch einiges in die Wege leiten, um ihr gegenüber auch weiterhin den bloßen Anschein eines lediglich wohlhabenden Arztes aufrecht zu erhalten. Abuela gegenüber konnte er behaupten ihre Absichten zu testen, bezüglich ihrer Eignung und in punkto Geldgier und Emotionaler Reife.
Sie würde dann zweifellos mitspielen und sich unwissend geben. Das hatte sie auch schon zuvor so getan und es ihm auch bei fast allen Frauen denen er begegnet war und sie ihn umgarnt hatten geraten.
Allerdings sah er hier bei Theresa nicht unbedingt Gier als ihre Absicht sich durch die Ehe zu bereichern an, eher ganz im Gegenteil. Es würde sie wahrscheinlich eher abschrecken, zu wissen, über welchen Reichtum und Geldmittel sie zukünftig Gebieten konnte.
Sie hatte sich ja jetzt schon geweigert, auch nur ein Taschengeld oder Kleidung, mit Ausnahme eines Brautkleides anzunehmen, egal, in welcher Höhe.
Nur ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen und medizinische Versorgung wollte sie verlangen ... welcher Mensch kam mit nur so wenig aus?
Er tippte nachdenklich mit dem Fibget auf die Tischplatte.
Vielleicht war es ja doch ein Fake von ihr. Nur ein kleines Spiel um ihn für sich zu gewinnen, und über ihre wahren Absichten zu täuschen, obschon sie sicher verstanden hatte, dass er keinerlei Liebesbeziehung zu ihr wünschte.
Zu einer so jungen Frau... erst neunzehn.
Nun zumindest würde die Hochzeit erst nach ihrem Geburtstag stattfinden. Zwanzig klang doch etwas besser als neunzehn.
Ja...
Und was die Wesens-Prüfung betraft... da brauchte es auf jeden Fall zuerst ein etwas bescheideneres Haus.
Anstatt seiner 120 Zimmer Smart-Energy-Villa und 30 Bediensteten...
Vielleicht sollte er sie statt dessen lieber in das alte Strandhaus seiner Eltern, dass seine Mutter so sehr geliebt hatte, einquartieren.
Es war beinahe leer geräumt, nur noch die Möbel standen da. Eigentlich perfekt, damit sie sich nun dort ausbreiten und auch all ihre Sachen unterbringen konnte.
Ihm selbst war es tatsächlich nicht so wichtig, wo nun sein Hauptsitz lag. In der Klinik gab es auch nur wenig Luxus und er schlief dort oft im Bereitschaftsraum.
Doch für seine zukünftige Frau waren nun wohl doch einige Modernisierungen angebracht und würden auch schon in den nächsten Tagen ausgeführt werden müssen.
Er nahm wieder sein Handy zur Hand und und rief den zweiten Hausassistenten Juan in Spanien an um rasch alles notwendige in die Wege zu leiten.
Das alte Haus sollte zumindest bewohnbar sein und auch möglichst bewohnt aussehen, wenn Theresa dort eintraf.
Es sollte ihr dort auch an nichts fehlen, derweil er sie vor der Hochzeit noch etwas besser kennenlernen wollte.
Und ja, dafür musste er sich nun wohl doch etwas Zeit einräumen.
Die Informationen über sie mussten zweifellos gesichert sein, bevor er eine weitreichende Entscheidung für die Zukunft der Familie traf.
Eine Rettungsschwimmerin? ... ernsthafte Pilgerin? ... Vollwaise? ... Streng Religiös?
... Und tatsächlich schwanger von seinem verstorbenen Bruder...?
Auch dafür brauchte es natürlich noch einen offiziellen DNA-Test. Pränatal. Obschon Marco es ihm gesagt hatte... und sie ihn deshalb angerufen hatte, seine Visitenkarte und das Bild von ihm auf dem Jakobsweg besaß, und sein Leibwächter, der ihm auf dem Jakobsweg gefolgt war, und auch hierher nach Deutschland mitgekommen war, ihre Identität visuell bestätigt hatte.
Nun denn.
Er wollte nun vorerst daran glauben, dass sie die war, die sie zu sein schien. Aber noch in Spanien hat er sich in den letzten Wochen immer wieder gesagt, dass die ganze Sache vermutlich kein großes Ding für Marcos Mädchen gewesen war. Dass Marco seine im den letzten Momenten seines Lebens doch wieder gezeigte Sorge um sie übertrieben hatte. Sie verhütete vermutlich sogar, wie die meisten deutschen jungen Frauen...
Ja er hatte sich sogar eingeredet das das Blut auf der Decke andere Ursachen gehabt hatte, und sie vielleicht letztlich genauso durchtrieben und auf einen One-Night-Stand aus gewesen sein konnte wie sein Wahnsinn gewordener Bruder.
Doch es passte nun absolut nicht zu dem was er bei ihr sah und fühlte. Was sie sagte und wie sie hart schluckte und erbleichte ... allein bei seinem Anblick.
Sie hatte ihm zudem erzählt, dass sie nun auch gar keine Männer mehr mochte, ihn auch nicht.
Im Fluss hatte sie ihn kurz mit Marco verwechselt und war geschockt gewesen. Hatte das also vielleicht ihren Blutdruck und Puls so dermaßen in die Höhe katapultiert?
War es möglich, dass sie gedacht hatte, Marco wäre wieder da, auch wenn sie erzählt bekommen hatte er sei gestorben?
Er erinnerte sich noch an ihr schneeweißes Gesicht und die riesengroßen geschockten Augen.
Ja...
So etwas war nach einem Missbrauch, auch unter Alkoholeinfluss normal, wenn ein Opfer dann später plötzlich und unerwartet erneut mit dem Täter konfrontiert wurde.
Und sie hatte ganz kurz eindeutig Marco in ihm gesehen.
Also war sie vielleicht doch freiwillig in den Fluss hineingesprungen ... Weil er auf sie zu gerannt war und aus der Ferne zu sehr wie Marco ausgesehen hatte?
...Dios!
Gut, dass er seinen eigentlich Plan vor ihrem Erwachen noch geändert hatte.
Nur die rein logische Vernunft, medizinische Versorgung für sie und das Baby, ihr emotionales Chaos ein ungewolltes Kind zu erwarten, obwohl sie sonst niemanden mehr im Leben hatte und sicher einsam fühlte ... und natürlich auch ihre Religion.
Er hatte das alles gegen sie verwendet, denn ihre Absichten das Kind abzutreiben und danach mit dem eigenen Leben fort zu fahren waren natürlich überaus vernünftig überlegt.
Sie schien zudem sehr darum bemüht, zumindest noch halbwegs die Fassung zu bewahren und sachlich wie auch ganz vernünftig mit ihm zu reden, anstatt ihn anzuschreien oder wegzulaufen.
Ein Mädchen, das eine Erwachsene spielte oder dass tatsächlich schon derart reif für ihr Alter war, weil sie in jungen Jahren nun bereits zu viel über Tod und auch Leid erfahren hatte?
Er nahm wieder ihre Informationen zur Hand die seit gestern hier auf dem Tisch lagen und schlug die Ledermappe ruhig ausatmend auf.
Das Mädchen in stammte aus keinem guten zu Hause. Ja, es hatte noch nicht einmal einen Vater in seiner Geburtsurkunde stehen.
Die Mutter war anscheinend früh gestorben, nachdem sie sich mit ihrer eigenen Familie überworfen hatte und davon gelaufen war. Eine schwere Erkrankung war nach ihrem Tod bei ihr festgestellt worden, die sie wohl aufgrund mangelnder Bildung und Armut nicht richtig hatte behandeln lassen.
Sie hatte darum wohl auch keinen festen Job gehabt, um sich und ihre Tochter durchzubringen. Doch sie hielt durch bis das Mädchen zwölf Jahre alt war und starb dann mitten auf der Straße an einem Herzanfall, derweil ihre Tochter noch tagelang allein zu Hause auf sie wartete, ... bis die Lehrer aufmerksam wurden und die Behörden informierten.
Sie war erst zwölf gewesen als sie dachte ihre Mutter habe sie einfach verlassen und sie konnte sich danach noch nicht mal an ihren Vater wenden, wusste auch nichts von ihrer Großmutter, zu der sie dann aber letztlich gebracht worden war.
War dann vielleicht auch die Mutter seiner Verlobten ein Opfer von sexuellem Missbrauch oder anderer Gewalt gewesen?
Miguel atmete gleich mehrmals tief durch um sich wieder zu beruhigen. Er war immer noch fassungslos, wie sehr ihr Anblick auf der Brücke ihn getroffen hatte.
Die alte Nachbarin hatte ihm recht unwirsch gesagt er sollte einfach vor ihrer Haustür auf sie warten, wenn er mit ihr sprechen wollte. Sie sei wohl unten zum Fluss spazieren gegangen.
Sie hatte ihn dabei auch äußerst misstrauisch von oben bis unten angesehen.
- So als wüsste sie darüber Bescheid, was in Spanien gelaufen war ...
Und vielleicht tat sie es ja auch.
Er blätterte die Seite zu dem ausgedruckten Zeitungsbericht der erst im Mai herausgekommen war. Der Detektiv hatte ihr Bild und einen Bericht von ihr gefunden... eigentlich eine Lobesrede auf die neuesten Absolventen des Abiturs.
Doch feierlich konnte er ihr Bild nicht nennen. Sie trug darauf komplett schwarz, und doch kein Abendkleid, so wie die anderen auf dem Gruppenbild, dass dann auch ohne sie aufgenommen worden war, sondern nur einen schwarzen Pullover und eine schwarze Hose, war ungeschminkt und lächelte auch nicht, wurde aber gerade vom Bürgermeister und dem Direktor des christlichen Gymnasiums an dem sie absolviert hatte beglückwünscht, ... als Jahrgangsbeste Abiturientin!
Seine Verlobte war also anscheinend sehr klug.
So gut abzuschließen, trotz des Verlustes in der Prüfungszeit. Und doch wollte sie anstatt Wirtschaft, Jura oder Medizin, einfach nur Literatur studieren.
Wirklich unfassbar ideologisch gedacht.
Sie hätte wohl auch in den Naturwissenschaften sehr leicht mehrere Stipendien an renommierten Universitäten erhalten können, doch sie hatte sie alle abgelehnt.
Ihr Ehrgeiz schien also nicht besonders ausgeprägt zu sein, dafür aber ihr Ehrgefühl, ...selbst wenn ihre Wortwahl zuweilen, doch etwas seltsam anmutete...
Er verzog kurz kopfschüttelnd das Gesicht.
Sie würde sich, ohne zu zögern und auch ohne irgendwelche Ansprüche zu stellen von ihm scheiden lassen, sobald er eine echte Beziehung zu irgendwem outen wollte?
War das nun deutsche, jugendliche Umgangssprache in der Unterschicht, oder was...?
Er war sich nicht sicher, wollte sie aber auch nicht in Verlegenheit bringen, indem er ihre Wortwahl nun korrigierte oder ihr gar diese vermutlich in Unwissenheit um die wahre Bedeutung ausgesprochene Beleidigung seiner absolut heterosexuellen Männlichkeit vorhalten.
Sie war auch so schon eingeschüchtert genug und zudem auch noch immer recht durcheinander von seinem plötzlichen Erscheinen hier in Deutschland.
Nein, mit Autoritätsbezeugungen, Vorschriften, Korrekturen oder der weiteren musste er sich nun wohl erst noch sehr zurückhalten.
Denn sie kannte keine Männer.
Sie kannte ihn auch nicht und verkannte gerade auch ganz und gar die Geschehnisse in Gijõn, aufgrund dieses Aussetzers in ihren Erinnerungen.
Zum Glück.
Doch als Arzt wusste er genau, dass dieser Aussetzer auch sehr gut eine traumatisch bedingte Amnesie sein konnte, um ihren ohnehin bereits angeschlagenen Verstand davor zu schützen, was tatsächlich mit ihr geschehen war.
Ja, das war eine sehr gut denkbare Möglichkeit.
Und wenn es tatsächlich so war, dann konnte diese Erinnerung aber nun jederzeit wieder kehren. Vermutlich zunächst in Form von schweren Träumen.
Das sorgte ihn gerade am meisten.
Sie war noch so jung und stand nun ganz allein vor einer gewaltigen Aufgabe.
Egal wie nun also ihre Persönlichkeit gestrickt war, ... schon allein deshalb würde er sich nun gut um sie kümmern ... und dafür sorgen das sie alles bekam was sie für sich und ihr Kind brauchte. Eine Ehe und seinen Namen
Nun denn...
In Spanien würde er sie zunächst einmal einen Vertrag zum Schutz seiner Familie und seines Vermögens unterschreiben lassen.
Mal sehen wie sie darauf reagieren würde.
————————————————————————
Hi!
Wieder einen Tag zu spät, doch dafür überlang!
Gestern war ich noch bis spät beschäftigt mit der Musikauswahl zum Hörbuch von Seelenverwandt-Rahel, dass demnächst herauskommen wird. Ich kann euch sagen ... das wird Megatoll! Romina ist eine klasse Sprecherin❤️.
🥰🥰🥰
I love it!
Habt noch einen schönen Tag!
🍀😁
LG
Bea
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top