Paris

Eine Übersetzung von Les Pèlerins von PacificRimbaud

https://archiveofourown.org/works/27762154 (Den Link hinterlasse ich Euch nochmal hier in den Kommentaren zum kopieren.)

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Eigentlich mein Valentinstagsspecial - auch wenn es mal wieder Weihnachten ist...

Irgendwie scheine ich etwas mit Weihnachten zu haben... -.-

Leider habe ich es gestern nicht geschafft es final fertig zu stellen - deswegen heute :)
Für alle die, die gestern keine Liebeserklärung bekommen haben :)

Audioversion wie immer unten :D

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I.

Sie sah ihn in einem Café auf dem Montmartre wieder, vor dem er allein an einem Tisch saß.

Von ihrem Platz drinnen, hatte sie ausgerechnet zuerst seine Hand wiedererkannt, die sich von der schwarzen Wolle seines Mantelärmels abzeichnete. Seine Finger blätterten Seiten seines Buches um, von rechts nach links, um dann zurück an ihren Platz zu wandern - zielgerichtet und geschliffen in ihrer Ausführung.

Sie hatte diese Geste unzählige Male in einem früheren Leben beobachtet, während stundenlanger Nähe - die keiner von ihnen begrüßt hatte.

Es war der schiere Fakt, seiner Präsenz, die sie zuerst und am heftigsten traf, gefolgt von schockierender, ungewollter Intimität; sie hatte sich seine Gestik eingeprägt, obwohl sie das nie gewollt hatte. Eigentlich hätte sie bevorzugt, es zu vergessen: wie seine Finger sich neigten, bogen und streckten, während er Reihen von Bücher inspizierte, von denen er dachte, dass sie kein Recht hätte, diese auch nur zu berühren. Die selbstgefälligen Kreise, die er in Zaubertränken rührte, die er zu gern als sein Erbe gehortet hätte. Oder die Art, wie er seinen Zauberstab schwang, mit harmloser Kindermagie, bis man ihm mehr beibrachte.

Er passte nicht ins Bild. Seine Präsenz und all seine vorgeschobene Vornehmheit in dem Café, in diesem Stadtteil, war genauso unwirklich wie sie auch aufdringlich war. Sie selbst hatte sich eine Umgebung von Fremden gesucht, nah genug, um ihren Weg in ihr anderes Leben wiederaufnehmen zu können, sobald sie es wollte, aber weit genug, um es zu vergessen, wann auch immer sie es wollte.

Er gehörte hier nicht her.

Seine Anmut kratzte an ihr.

Er hatte kein Recht dazu.

Sie sträubte sich vor Empörung über die Jahre, die sie damit verbracht hatte, ihre Fähigkeit zu nähren, Mitgefühl zu empfinden - als sie Reflexhaft begann, die Erde der Verachtung mit ihren Händen umzugraben, um ein Korn der Nächstenliebe zu finden. Zu ihrem Entsetzen fand sie einen - so klein, wie ein Senfkorn.

Sie vermutete, dass sogar ein Draco Malfoy das dafür nötige Muster und Körperbewegungen geerbt hatte, auf die gleiche nüchterne Art, wie Kinder seit jeher überall auf der Welt, die Lasten ihrer Vorfahren zu tragen hatten. Er konnte es genauso wenig abschütteln, wie die Bewegungen, mit denen er ein Buch las, seine Größe oder die Farbe seiner Augen.

Er blätterte eine weitere Seite um und ließ einen Finger über die Rinne des Bundes gleiten. Er hob sein graziles Handgelenk um einen Blick auf die silberne Uhr zu werfen.

Ein Weg öffnete sich zwischen ihnen. Sie hätte diesen möglicherweise genommen und wäre gegangen, ohne seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen... und genau genommen hatte sie dies auch vor, der Riemen ihrer Tasche hing schon um ihre Schulter, als sie den letzten Schluck inzwischen kalten Kaffees hinunterschluckte, der sich noch auf dem Boden ihrer Tasse befunden hatte.

Sie weigerte sich, an Schicksal zu glauben.

Sie hat genug von Bestimmungen und Prophezeiungen, dass es für ein ganzes Leben reichte.

Aber leider schien das Schicksal nicht genug von ihr gehabt zu haben. Sie konnte fühlen, wie es ähnlich einem goldenen Faden um ihren Körper geschlungen war und irgendwo zwischen ihrem Nabel und Herzen befestigt, in die Ferne lief. Er hatte sie aus einem Leben ohne Magie zu einem Ort gezogen, in dem diese real war. Hatte sie aus Sicherheit und Einsamkeit zu Freundschaft und Gefahr geleitet. Er hatte sie sicher durch ein Nadelöhr der Gefahren geführt und auf der anderen Seite wieder heraus - von ihrer Kindheit bis sie erwachsen war.

Sie dachte, dass es sie dahin gebracht hatte, wo sie sich jetzt befand, weil es Wiedergutmachung leisten wollte. Wenn es sie in langsamen Spaziergängen die Boulevards entlangführte, die längst vergangene Imperien entlang und über einen Fluss geschaffen hatten, der für seine Gastfreundschaft berühmt war - dass er nichts von ihr verlangte, außer, dass sie jeden Morgen aufstand und ihren Kopf Nachts auf ein Kissen bettete - und dazwischen ihren Körper und Geist fütterte.

Sie stand auf, im festen Glauben, dass wenn sie sich bewegte, ihr Schicksalsfaden sie von ihrem Tisch im Café, durch die Tür und vorbei an seinem blinden Rücken führte. Sobald sie sich dem Strom auf der Straße anschloss, würde dieser sie durch ihre Einkäufe und dann nach Hause schwemmen, an einen kleinen Tisch in der Mitte des Raumes, mit einem Buch und einem weiteren Kaffee, dessen Wasser durch den Zauber der Elektrizität unter ihrem Küchenfenster erhitzt wurde.

Als sie sich aufmachte zu gehen und ihr Faden sich um die Kanten aller falschen Tische führte, musste sie in stillem Erstaunen feststellen, dass es ihr Schicksal war, dass ihren Weg wob - der an allen Gegenständen vorbeiführte, die zwischen ihr und ihm standen und sie schließlich neben einem leeren Stuhl bei seinem Tisch zu stehen kam. Sie hielt sich geradezu an ihrer Handtasche fest.

"Malfoy."

Sein Gesicht sagte ihr, dass er sie noch nicht gesehen hatte - das er es nicht gewusst hatte: die geweiteten Augen, die geöffneten Lippen, seine Finger, die sich in seinem Buchrücken vergruben.

Sein Erbe war ein zweischneidiges Schwert und man konnte ihm ansehen, wie er sich fasste und die Seite von sich zeigte, die geschult war in Anstand - sein Gesicht portraitierte Höflichkeit wider.

"Hermione."

Sie wich zurück. Es war wie ein physischer Schlag - ihr Magen krampfte sich zusammen. Egal was er sonst hätte sagen können, es hätte sie nichts so sehr schockieren können.

"Nicht Granger?", fragte sie.

Seine Tasse war von feinem weißen Porzellan, mit schwarzem Kaffee darin. Er nippte an ihm, während er sie mit seinen blassen grauen klaren Augen beobachtete - grau wie die immerwährende Farbe der soliden Wolkendecke, die sich immerwährend über Paris spannte.

"Hättest du es lieber, dass ich dich so nenne?"

"Ich denke nicht."

Er setzte seine Tasse ab, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ ein Lesezeichen in sein Buch gleiten.

"James Joyce?", fragte sie.

Es war eine rethorische Frage. Der Titel lag offen zwischen ihnen, in dicken Lettern auf dem Buchumschlag. Ihre Fingernägel versanken in dem Leder ihrer Tasche, für die sie viel zu viel Geld ausgegeben hatte, als sie nach Paris gekommen war.

"Möchtest du dich setzen?" Sein Handgelenk schwang erneut, als er zu dem Stuhl gestikulierte, der dem seinen gegenüberstand.

Hermione zögerte.

Sie wollte sich nicht setzen.

Sie wäre eigentlich gerne gegangen - und hätte ihn das zweite Mal in ihrem Leben hinter sich gelassen.

Aber ihr Faden lenkte sie - also zog sie ihre Handtasche von der Schulter und setzte sich. Sie hockte steif und wachsam am Rande ihres Stuhls, die Arme verschränkt unter der warmen Wolle ihres Mantels, im Protest gegen ihn und ihr Schicksal.

Doch schließlich überwog ihre Neugier ihren Ärger, was sie nur noch ärgerlicher werden ließ.

Sie wollte wissen, was er hier tat, in Paris, in einem Muggelcafé. Warum trank er hier schwarzen Kaffee mit einer Ausgabe von Ulysses, die offen vor ihm lag.

"Warum bist du hier?", fragte sie, direkt wie ein Vorschlaghammer.

Sie erwartete ein Grinsen, das verhärten seiner Augen und einen Konter.

Stattdessen bot er ihr ein für ihn ikonisches Zucken seiner Mundwinkel an.

"Sie machen hier sehr guten Kaffee."

Seine schlanken Finger berührten den Henkel seiner Tasse, trommelten kurz und tonlos darauf, in einer exakten Linie - bevor er seine Hände zurückzog und sie vor sich - zwischen ihm und dem Buch auf dem Tisch ineinanderlegte.

"Ich meine nicht hier", sagte sie, "ich meine hier, in Paris."

Kämpfe, forderte sie ihn auf und spannte ihre Arme über ihrer Brust an. Sei, wer du sein solltest und wenn ich aufstehe und gehe, werde ich wieder auf mein Schicksal vertrauen.

Er kämpfte nicht.

Er bewegte nur seine Hände, als wären diese fehlgeleitete Objekte, die nicht wussten wo ihr Platz war, seine Finger kratzten über das kurz geschnittene Haar auf der Hinterseite seines Kopfes.

"Ich kann mir vorstellen", begann er, "dass es aus den gleichen Gründen ist, weshalb du auch hier bist."

Es war ihm nicht erlaubt auch nur anzudeuten, dass sie etwas gemeinsam haben könnten.

"Und warum stellst du dir vor, dass ich hier bin?"

"Wenn es mehr als ein kurzer Urlaub ist, sollte ich denken, dass es eine Studienfahrt ist." Er stupste gegen den abgegriffenen Pappumschlag an einer Ecke seines Buches. "Oder auch nicht. Vielleicht bist du nur hierher gekommen wegen des guten Kaffees."

"Ich bin nicht nur wegen des Kaffees hier. Ich bin auch nicht auf einer Studienfahrt. Aber das ist der Grund, warum du hier bist? Du bist nicht einfach mal hierher gekommen um deine Weihnachtseinkäufe zu machen, oder?"

"Nein, ich bin nicht wegen Weihnachtseinkäufen hier."

Es gab eine Magieuniversität in der Nähe - man kam zu ihr durch eine enge Straße und ein uraltes Holztor. Es war ein schrecklich wählerische Einrichtung, die bekannt dafür war esotherische Hexen und Zauberer zu produzieren, mit verbrannten Augenbrauen, die ihre Fingerspitzen gerne mit instabilen Zaubertränken zu beschmutzen pflegten. Wenn sie freundlich wären, würden sie später selbst an Schulen lehren. Möglicherweise würden sie auch durch Privatlabore schlendern oder sich andernfalls in Geheimlaboren abrackern.

"Du bist an der Université de L'Inconnu?", fragte sie.

"Nein."

"Nein? Wo dann?"

Seine Augenlider spannten sich an, dann senkten sie sich zu schmalen Schlitzen, als er von ihr abrückte und sein Buch schloss.

"Auf Sorbonne."

Sie schaffte es nicht das gesagte in sich aufzunehmen, das einzige was ihr Gehirn erreichte war, dass sein Französisch wundervoll klang.

Hermione konnte viele Dinge besser als die meisten anderen, aber sie war sich im Klaren darüber, dass egal wie unanfechtbar ihre Syntax doch war, ihr Akzent sie immer verraten würde.

"Was?"

"L'Université de Paris-Sorbonne. Es ist ein Institut für höhere Bildung." Heiterkeit machte sich wieder in seinem Mundwinkel breit.

"Machst du dich über mich lustig?"

"Nein. Es ist nur..." Seine Fingerspitzen glitten den Halbmond des Teegriffs entlang. "Ich hatte dein Haar beinahe vergessen."

Der Kragen ihres Mantels und der dicke Wollschal bildeten ein Nest um ihr Kinn, welches den Großteil ihrer Haare an ihren Hals drückte - dennoch griff sie nach einer einzelnen losgelöste Strähne, ließ diese aber dann wieder los.

"Wir reden hier nicht über mein Haar. Und ja, ich kenne die Université Paris-Sorbonne. Was in Gottes Namen studierst du dort?"

Ihre Verwunderung wirkte als heiliger Vermittler und minderte ihren Ärger im Namen der Neugierde. Die Lunte, die sie zum explodieren bringen würde, verlängerte sich, um ihr Zeit zu verschaffen, seine Worte zu begreifen.

"Klassische Philologie."

Sie hörte ihn. Sie wusste, was diese Worte bedeuteten.

Aber sie verstand nicht.

"Klassische Muggelphilologie?", fragte sie, "ist das nicht Socrates? Und Cicero?"

Er sah sich um, gerade so als hätte er Angst, dass ihn jemand hören könnte und sie wusste sofort, dass er die Wahrheit sagte.

In ihrem anderen Leben... das, in dem er sie eher angespuckt hätte, als einen Tisch in irgendeinem Café, in irgendeinem Stadtteil, irgendeiner Stadt - auf irgendeinem Kontinent der Welt - mit ihr zu teilen - in diesem Leben, war er komplett isoliert gewesen von der Hälfte, aus der sie entsprungen war.

Seither hatte er einen Instinkt dafür entwickelt, zu verbergen, was er tatsächlich war.

"Ja", sagte er, "genau die."

"Warum bei Merlin würdest du das tun?"

"Weil...", er öffnete seine Umhängetasche, die von dem Stuhl hing, auf dem er saß - und ordnete das Buch in eine Reihe ordentlich darin eingereihter in Leder geschlagenen Bücher. "Es war besser als die Alternative."

Er würde gehen.

Es gab keine Garantie, dass sie ihm nicht zufällig wieder über den Weg laufen würde, in einem Café oder einer Bar, vielleicht sogar in der Métro - wenn er sich so tief sinken lassen würde, aber es gab auch keine Garantie, dass sie das würde.

"Was war die Alternative?", fragte sie.

Als sie neunzehn geworden war, hatte sie verzweifelt versucht ihr Trauma in sich zu vergraben und sich auch von denen, aller anderen abzuschirmen, indem sie sich aus ihrer ersten Liebe einen kleinen, sicheren Kokon schuf. Sie war damals versunken in der neuen Erfahrung von Sex, Büchern und Prüfungen.

Sie wusste nur, dass er nicht ins Gefängnis gekommen war.

Sein Vater schon, aber seine Mutter nicht.

Und er auch nicht.

Ihr Gespräch kam zum erliegen. Er richtete seinen Schal zurecht und knöpfte seinen Mantel zu, um anschließend die letzten Tropfen seines Kaffees zu leeren. Er stand auf und hängte sich seine Tasche über die Schulter.

"Lust auf einen Spaziergang?", fragte er.

"Einen Spaziergang?"

Ihr Mitgefühl war nur ein Samenkorn. Es war nicht einmal eine Pflanze.

Sie schuldete ihm nichts.

Sie wollte nichts von ihm.

"Ja", meinte er schlechthin, "einen Spaziergang."

Der verräterische Faden zog sich um ihren Magen zusammen und zog dann so fest, dass sie auf den Rand ihres Stuhls rutschte, in Richtung von Bitterkeit und Faszination gezogen.

Zu ihm.

"Wo möchtest du hingehen?"

"An jeden Ort, an den du gehen willst."

"Ich habe meine Handschuhe nicht dabei."

Auch wenn es erst kurz nach Mittag war, war das Licht bereits gedämpft und diffus. Die Magie von Muggelwissenschaft versprach, dass es bald schneien würde und am Himmel über ihnen, türmten sich die Wolken wie eine Aschedecke auf, durch die einzelne Sonnenstrahlen zu dringen versuchten und die in Zeitlupe verwirbelte, im Versuch sich davon abzuhalten, auf die Erde herunterzuschneien.

"Du kannst dir meine ausleihen." Er öffnete seine Umhängetasche erneut und griff in seine ordentlich aufgereihte Besitztümer um ein Paar schwarzer Lederhandschuhe zum Vorschein zu bringen. Er hielt sie ihr hin. "Sie werden zu groß sein, aber sie halten sehr warm."

Die Hände der Schicksalsgöttin zogen an ihren Fäden und Hermione war in diesem Moment nichts anderes als ihre feingliedrige Marionette. Sie brachte sie dazu aufzustehen. Sie hob ihre Hände. Sie streckte sie ihm entgegen um die Handschuhe anzunehmen.

Sie waren aus butterweichem Leder geschneidert und mit taubengrauem Cashmeere gefüttert, der sich weich an ihre Haut schmiegte, als sie ihre Hände hinein steckte.

Die Wärme fühlte sich köstlich an.

Er ließ seine eigenen Hände in die Taschen seines Mantels gleiten.

Eine Frau mit einem Putzlappen kam aus dem Café und begann den Tisch abzuwischen um letzte Krümel zu beseitigen.

"Merci", sagte Draco zu ihr. Sein Französisch bestand aus flüssigen und wohl artikulierten Worten, die seinen Mund verließen. "Joyeux Noël."

"Joyeux Noël!" Die Frau faltete den Lappen zusammen und zeigte zwischen ihnen hin und her, bevor sie etwas in schnellem akzentuiertem Französisch von sich gab, das Hermione nicht verstehen konnte.

Er hielt kurz inne und seine Lippen öffneten sich.

Dann presste er sie wieder aufeinander.

"Merci", antwortete er, "c'est gentil."

Und dann gehörte Hermione wieder seine volle, dennoch zurückhaltende Aufmerksamkeit.

"Also, wo sollen wir hingehen?", fragte er.

Sie hatte eigentlich in das Büchergeschäft gegenüber gehen wollen.

Aber als sie ihrem goldenen Faden folgte, führte er an einen Ort, den sie nicht sehen konnte. Er glitt nur einen Meter zwischen ihnen und endete irgendwo zwischen Dracos Rippen.

"Ich denke, wo auch immer unsere Füße und hinführen." Sie dehnte ihre Finger in den schönen Handschuhen und atmete den Geruch der Luft ein. "Es wird schneien."

II.

Statt Touristenführern zuzuhören, las Hermione Bücher über die physische Geographie, als ob das Wissen über die natürlichen Prozesse, die ihre neue Stadt geprägt hatten, ihr erklären könnten, warum genau sie hier war.

An dem Tag, an dem ihr Schicksalsfaden sie in die Métrostation zur Place de la République geführt hatte, hatte sie die Statue der Marianne angesehen, die einen Olivenzweig hielt. Darunter waren die drei Statuen abgebildet die "Liberté", "Égalité" und "Fraternité" darstellten, den Leitspruch der Révolution, auf deren Schultern die Republiqué gegründet war. Zu ihren Füßen saß ein Löwe. Um sie knatterten die Reifen der Skateboards. Dann war sie in ihre Wohnung zurück gegangen - sie hatte nur lange genug dort innegehalten, um ihre Taschen abzusetzen tief Luftzuholen und den Geruch von verfliegendem Desinfektionsmittel aufzunehmen, bevor sie wieder ging.

Manchmal, auf ihren einsamen Streifzügen durch Pariser Arrondissements, deren Anordnung einem Perlentaucher gleicht, kam ihr die Stadt wie das Gesicht des Steins der Erde vor. Die berühmte grau und elfenbeinfarbene Glanz der Straßen, der herausgeschnitten schien, aus den Gebeinen die direkt unter ihnen lagen - seine Häuser und Monumente die aus bleichen Sandstein gefertigt waren, der dort seit der Zeit des römischen Imperiums verwendet wurde.

Es war eine Stadt, die im Zentrum eines geologischen Beckens lag, der wie ein gigantischer Fingerabdruck in der Erde wirkte, erbaut aus Muscheln, die jahrtausende zuvor ihr Leben am Strand eines sich immerwährend ändernden Ozeans verbracht hatten. Als die Meere der Welt anstiegen und anschließend zurückgegangen waren, erneut anschwollen, über Klippen traten, zu riesenhaften Lagunen gefangen wurden, begannen sich Schalentiere dort anzusiedeln. Sie fraßen, wuchsen, sanken zu Boden, ihre Körper zerrieben in den Wellen, und bildeten viele Schichten, immer wieder gereinigt von chemischen Reaktionen mit dem Wasser, bis der Druck sie schließlich zu Stein verwandelte.

Doch dieses Mal begannen sie ihren Spaziergang am Fuße des Montmatre, eine riesige Felskuppel im Norden der Stadt, welche die Seine von der weichen Erde befreit hatte. Sein Gipskern wurde ausgeschöpft von Männern, welche die Mineralien weiterverarbeiteten und Höhlen mit gewölbten Decken zurückließen, die einer Kette von Untergrundkathedralen wirkten. In Windmühlen wurde der Gips zu Staub zermahlen und zu Pflaster verarbeitet, der anschließend zur darüberliegenden Stadt wurde.

Sie bestiegen den hohlen Hügel ohne sich dabei zu beeilen, sie erklommen die nördlichen Treppen, die sich den Berg hinaufschlangen - begleitet von den Geräuschen, die ihre harten Schuhsohlen verursachten, wenn sie auf das Pflaster trafen. Gebäude gleicher Größe erhoben sich auf beiden Seiten der Straße, gleich den Mauern eines Labyrinths, deren Oberseiten mit Mansardendächern gekrönt waren, unbeleuchteten Weihnachtsgirlanden, die über ihren Köpfen hingen und sie auf beiden Seiten einzuschließen schienen.

Angespannt und ohne Ziel, blieb ihr Fortschritt aus. Hermiones Schicksalsfaden kettete sie an ihn - und ihn an sie - so dass wann auch immer einer von ihnen sich dazu entschied, in eine beliebige Straße abzubiegen, der andere folgte.

Sie gingen nach links, umkreisten einen Häuserblock, der so viele Ecken zu haben schien, dass sie eine Weile brauchten um zu bemerken, dass sie wieder dort angekommen waren, wo sie losgegangen waren. Ein halb durchsichtiger Weihnachtsmann aus Plastik diente ihnen als Erinnerungspunkt. Er ragte über ihnen auf, seine Füße steckten in einer Girlande, die über die Markise eines Bekleidungsgeschäft für Frauen geschlungen war.

Sie gingen zu oft nach Links.

Dann gingen sie nach rechts.

Die Straßen des Labyrinths weiteten sich um Platz für die Metrostation zu machen, deren Ausgang zu einer Kirche aus rotem Ziegelstein zu führen schien, die neben einem öffentlichen Platz, mit einem großen erleuchteten Baum, stand. Die Kälte wurde vampierhaft, und nippte an dem kleinen Schlitz verletzlicher Haut, die von Hermiones Hals nicht durch einen Schal geschützt wurde.

Dracos Schritt verlangsamte sich um sich dem ihren anzupassen. Dann sprach er als erstes und schälte damit eine weitere Schicht ihrer Erwartungen ab.

"Also... wohnst du hier?"

Sie leckte sich über die Lippen, errötete und biss sich dann auf die Unterlippe.

"Das tue ich."

"Für wie lang schon?"

Bevor sie antworten konnte, kam ein Trio Teenager in engen Jeans und Daunenjacken und brachte sie auf dem Gehweg zum Stehen.

"Vous avez du feu?", fragte einer der Jungen. Er hatte eine Zigarette zwischen den Fingern geklemmt.

Draco zog ein silbernes Muggelfeuerzeug aus seiner Umhängetasche, schnappte den Verschluss auf und rieb den Feuersteinen in einer einzigen Bewegung. Der Jungen beugten sich einer nach dem anderen in seine Richtung und sogen anschließend an den orangefarbenen Enden ihrer Marlboro Zigaretten. Dann gingen sie, große Rauchwolken ausstoßend, die zum Teil aus Zigarettenrauch, zum Teil aus Wasser bestanden, das in der Winterluft kondensierte.

"Hast du mit dem Rauchen angefangen?", fragte Hermione, als sie wieder anfingen sich zu bewegen.

"Nein. Aber ich werde an der Universität so oft nach einem Feuerzeug gefragt, dass es sich langsam unhöflich anfühlte, dem nicht nachzukommen."

"Um deine Frage zu beantworten, ich wohne hier seit beinahe drei Monaten", sagte sie ihm, "ich bin anfang Oktober hierhergekommen. Direkt nach meinem Geburtstag."

Als ihre Straße in eine andere mündete, bog Draco nach links ab, ging an einem Gemüsehändler vorbei, dessen geneigte Auslagekisten vor dem Geschäft vollgestopft mit Pyramiden von Äpfeln, Birnen, Orangen und Clementinen war. Weiter unten wurde die Straße flankiert von Geschäften mit lila und blauen Fassaden, die von elektrischen Lichtern erleuchtet wurden.

Er zog seine Hände aus seinen Taschen, seine Finger waren bleich, als er den Kragen seines Mantels aufstellte. "Lebst du hier? Im achtzehnten Quartier meine ich?"

"Nein, ich bin im Elften. Und du?"

"Ich habe eine Wohnung im sechsten. Ganz in der Nähe der Universität."

"Das ist sehr unkonventionell von dir, Malfoy. Ich hätte nicht gedacht, dass du fähig wärst wo anders zu überleben, außer im magischen Quartier, in einem riesigen Haus mit Garten und allem drum und dran."

Einige Minuten, ihre Hände immer noch in seinen Handschuhen, hatte sie darüber nachgedacht, was für eine Boshaftigkeit sie ihm entgegenschleudern könnte.

Sie hätte nur zu gern jedes Wort, dass sie ihm vorsetzte mit zynischen Sarkasmus durchsetzt. Es sollte die Schneide ihres Tonfalls so sehr schärfen, bis es dem Messer eines Metzgers glich.

Aber Malfoy selbst war sowohl Wetzstein als auch die Kraft, die dagegenhielt. Sie benötigte seine Mithilfe, um ihre Worte zu vergiften.

Ohne ihn, waren die Worte die ihren Mund verließen, so gefährlich wie eine Heftzwecke.

"Es ist schwer sich eine Zweitwohnung im Malfoystil vorzustellen. Soll ich dir sagen, was ich darüber denke?"

Es war eine rhetorische Frage und sie schaffte es nur, dass sich sein Mund als Antwort vor Vergnügen verzog."

"Du...", begann sie, "... bist ein vierundzwanzig Jahre alter Student in einer Universität, bist soweit gesunken, dass du nun in einer Wohnung leben musst, mit drei Meter hohen Decken und einem Blick über die Stadt. Du hast... vier Schlafzimmer oder zumindest zwei gigantische. Und eine große dekorative Feuerstelle. Möglicherweise sogar vergoldete Spiegel."

Sie schwenkten in eine kleinere Straße, als das neonfarbene Zeichen einer Apotheke auftauchte. Was dazu führte, dass sie dem Anstieg des Montmatres folgten. Ihr Mund verzog sich zu einem selbstzufriedenen Lächeln.

Sein Ausdruck spiegelte ihren wieder, nur schien es ihn wirklich zu amüsieren - er wirkte geradezu erwartungsvoll durch das Versprechen eines besonderen Spiels. "Du liegst falsch."

"Ich liege nicht falsch."

"Ich befürchte, dass du es eben doch tust." Seine Stimme war so glatt, wie sie geschmeidig war. "Ich habe keine große, dekorative Feuerstelle."

"Nicht?"

"Nein. Ich würde all die dekorative Feuerstellen in meiner Wohnung als ziemlich bescheiden bezeichnen."

"Natürlich würdest du das." Eine Windböe umspielte sie. Sie senkte ihr Kinn in den Schal und ballte ihre Hände in Dracos Handschuhen zu Fäusten. "Wusstest du, dass deine Handschuhe bemerkenswert warm sind?"

"Wusste ich."

"Hast du sie verzaubert?"

"Nein."

"Nun, sie sind wirklich schön."

Sie gingen weiter, Schulter an Schulter, durch einen Durchgang der gerade breit genug für ein einzelnes Auto war und auf dessen Wänden Graffitis angebracht waren. Gedichte und das Abbild, eines lächelnden blauen Hundes.

"Was machst du heute auf dem Montmartre?", fragte sie, "gehst du nur Spazieren? Oder gehst du zur Messe?"

Sie wendeten sich nach Westen, weg von dem weißen Dom des Sacré-Cœur, der Basilika des heiligen Herzens, durch Schwärme an Touristen und Betrügern, als die Straßen wieder hinabführten.

"Spazieren... ja. Ich wollte mich auch noch auf die Jagd nach einem Sandwich machen."

Hermione hielt inne und Draco zog sofort an dem Ende seines Fadens, als er vier Schritte weiter anhielt.

"Stimmt was nicht?", fragte er.

"Du..."

Eine kleine Gruppe Touristen, die auf dem Weg nach oben waren, umhüllten sie mitten auf der Straße.

"Du bist freundlich, Malfoy. Und das zu mir." Sie zeigte mit ihrer Hand, die immer noch im Handschuh steckte, auf seine Brust.

Draco zuckte zurück, als ob der Fingerzeig ihm Schmerzen verursachen würde.

"Wir gehen zusammen spazieren", sagte sie und spreizte ihre Arme dabei weit, um alles um sie herum damit zu umfassen. "Das ist alles unglaublich seltsam."

Der Wind hatte seine Zähne auch in ihn geschlagen und zwei rosane Inseln machten sich auf der anderen Seite des Sandsteinweges auf seinen Wangen breit.

Hermiones Augen schmerzten vor Kälte. Sie schloss sie und öffnete sie dann wieder.

Draco schien darauf zu warten, dass sie noch etwas sagte.

"Also warst du auf der Jagd nach einem Sandwich", fuhr sie fort, "und wurdest von einem Kaffee abgelenkt?"

"War ich. Passiert mir tatsächlich öfter, als du denken würdest."

Hermione war auf dem Weg zu einem Büchergeschäft gewesen und hatte sich in dem Schaum eines Café Crème verloren.

Sie verschränkte wieder die Arme vor der Brust.

"Über welche Art von Sandwich reden wir?", fragte sie.

Draco lächelte.

Sie kauften Baguettes mit Grillfleisch, Schinken und Gläser mit goldfarbenem Bier. Sie aßen sie an einem kleinen Tisch in einer der Ecken des Restaurants. Dracos Handschuhe lagen zusammengefaltet in Hermiones Taschen.

"Du musst mir von altertümlicher Literatur erzählen." Sie zeigte mit dem Ende ihres Sandwiches auf ihn, wie es ein Polizist mit seinem Knüppel getan hätte, bevor sie es zu sich drehte um hineinzubeißen.

Ein Paar amerikanischer Mädchen in Parkas, mit pelzgefütterten Kapuzen und Kameras die um ihre Hälse hingen, standen direkt vor dem Mitnahmefenster, während sie sich mit dem schweren kalifornischen Akzent über Glühwein unterhielten.

Sein Sandwich hielt auf dem Weg zu seinem Mund inne. "Du willst über altertümliche Literatur reden?"

"Möglicherweise." Hermione spitzte ihre Lippen.

"Nun." Er legte sein Sandwich ab und führte seine Fingerspitzen zusammen, so dass ein klein bisschen Mehl von seinem Teller zu Boden fiel. "Ich habe gerade erst einen Zeitschriftenartikel über die homerischen Bestrebungen der Aeneis gelesen. Oder wenn es dir lieber wäre, könnten wir auch mit didaktischer Tradition von Naturphilosophie anfangen. Es ist wirklich erfrischendes Zeug."

Ein Funken erglomm in der Mitte von Hermiones Magen, als sich ihre goldenen Fäden trafen.

"Wir müssen nicht über altertümliche Literatur reden. Gerade interessiere ich mich nicht wirklich für Vergil. Ich meine... warum studierst du überhaupt? Ich hätte gedacht, dass all dieser Muggelpomp auf den du anspielst, weit unter dir liegt."

"Es gibt ein paar sehr provozierende Anzeichen, die auf die Möglichkeit hinweisen, dass Demokrit ein Zauberer war." Er zog ein Schinkendreieck, das von seinem Baguette gefallen war, von seinem Teller und schob es sich in den Mund. "Aber zum größten Teil ist es Philologie, weil wir in der Schule eine ganze Menge Latein gelernt haben. Erinnerst du dich?"

Hermione vernichtete die letzten Reste ihres Sandwiches und säuberte dann ihre Finger mit der Serviette. "Tue ich. Aber das erklärt nichts."

Er drehte sein Glas in einem Kreis auf dem Tisch, dann betrachtete er eine Schliere von Bläschen, die sich davon lösten und zur Oberfläche glitten.

"Du hast erwähnt, dass du zu einem Büchergeschäft wolltest", sagte er, "die meisten Geschäfte schließen an Weihnachten."

"Weiß ich."

"Sollen wir aufbrechen?"

Vor der Tür fotografierten sich die Amerikanerinnen gegenseitig, während sie sich ihre Glühweintassen an die Gesichter hielten.

"Meinst du, ich sollte jetzt zum Büchergeschäft gehen? Mit dir?", fragte sie.

"Ich denke, du solltest mit mir zu dem Büchergeschäft gehen. Ja."

"Auf unserem Spaziergang?"

"Auf unserem Spaziergang."

III.

Sie fand, dass er genauso ablenkend war, wie ein kleiner spitzer Stein, der sich in einen Schuh geschlichen hatte.

Sie brauchten mehr als eine Stunde um das Buchgeschäft zu finden, da sie an einem dutzend Fenster anhielten, um sich über deren Weihnachtsdekoration zu äußern.

Hermione mochte bunte Lichter. Draco bevorzugte weiße. Sie verliebten sich beide in ein Schneedorf in dem kleine Püppchen in französischer Tracht in einem Pavillon tanzten. Und was die seltsamen Wackelkopf-Rentiere, mit ihren leblosen Augen und den zu lebhaften Mündern betraf, die so gar kein Enthusiasmus dafür zeigten davonzufliegen - von denen wussten beide nicht, was sie davon halten sollten. Allerdings konnte auch keiner von ihnen ihren Enthusiasmus verbergen, als sie den Flug eines Miniatur-Heißluftballons über die Alpen in himmelblauen Umfeld betrachteten.

Als sie beim Verkäufer ankamen, war es gerade vierzig Minuten vor Ladenschluss.

Hermione atmete den trockenen, süßlichen Geruch alter Bücher ein, die würzige Druckerschwärze von Neuen, neben dem gefangenen Staub von hoffnungslosen Spalten, des mit Bienenwachs und Orangenöl poliertem Holzes, den Geruch der Wollteppiche und Wollpullover und den Vorgeschmack von Schnee, der mit dem Wind hereinkam, der jedes hereinbließ wenn die Tür geöffnet wurde.

Eine Treppenflucht von niedrigen blauen Stufen führte zu einem Zwischenstockwerk, das über dem Hinterhof des Geschäfts lag. Hermione ging sie hinauf, pflückte ein dutzend Bücher auf dem Weg heraus, legte die meisten aber wieder zurück. Draco folgte ihr, neigte sich träge und doch stylisch in Richtung der Rubrik feiner Künste und Kino. Seinen Mantel hatte er immer noch zugeknöpft, als auch schon ein Taschenbuch in seinen Händen lag.

Hermione durchquerte das Zwischenstockwerk im Uhrzeigersinn, schmachtete die Bücher an, als hätte sie eine ganze Stunde Zeit und ging jedes einzelne einer jeden Abteilung durch, bevor sie zur nächsten Abteilung wechselte. Schließlich kam sie wieder einen Meter von ihm entfernt zum stehen, einen Band von Beaudelaire's Übersetzungen Edgar Ellen Poes an ihre Brust gedrückt, als könne dieser ihr Leben retten.

"Warum bist du hier?", fragte sie flüsternd.

Seine Augen blieben auf sein Buch geheftet, eine Hand hielt eine Seite fest und war im Begriff sie umzudrehen, nur noch ein Eck wurde von seinem Daumen gehalten.

"Ich denke, wir suchen nach Büchern", flüsterte er zurück.

Hermione senkte um die Namen zu erkennen, die auf den Bücherrücken gedruckt und zwischen seinen Fingern deutlich sichtbar waren. "Mr Hitchcock wie haben sie das gemacht" und "Fraçois Truffaut".

"Vermutlich." Der Boden protestierte mit einem lauten Quietschen, als sie einen weiteren Schritt die Stufen hinabstieg. "Aber ich verstehe nicht, wie du irgendetwas über Star Wars wissen solltest, ganz zu schweigen davon, weshalb du dich jetzt für Hitchcock interessieren könntest. Oder Truffaut. Als nächstes möchtest du mir wohl sagen, dass du gern mehr über Almodóvar wissen willst."

Immer noch seine Bücher untersuchend, blies er ein kurzes trockenes Lachen durch seine Nasenflügel.

"Kennst du Star Wars?", fragte sie.

"Natürlich kenne ich Star Wars und Almodóvar."

"Natürlich tust du das", kam es von ihr, "wie könntest du das auch nicht?"

Sie zog ihr erstes Buch von Paul Klee über Farbentheorie von einem Regal, schlug es an einer beliebigen stelle auf, aber seine derzeitige Präsenz war zu groß und sie konnte ihr Bewusstsein nicht von ihm befreien.

Auch jetzt, da er sich die Attribute eines fast ausgewachsenen Mannes angeeignet hatte, war er immer noch tadellos gekleidet. Sein schwarzer Wollmantel endete gerade unterhalb seiner Knie, es war mit einem Faltenwurf umgenäht, der Luxus mit untadeligen Taktgefühl ausstrahlte. Der Saum seiner anthrazitfarbenen Hosenbeine endete genau dort, wo sie sollten, direkt über seinen Budapester Schuhen.

Er war so sehr ein Malfoy, wie er es überhaupt hätte sein können und das alles ließ ihn fiel intelligenter erscheinen als ein Mann seines Alters eigentlich hätte sein sollen, womit er sich der Pariser Landschaft anpasste, und dennoch die Aura eines störrischen englisch Aristokraten behielt.

Aber da war jemand, der hinter der Person entstanden war, die er zuvor gewesen war - eine fremde Person, deren Schichten die bekannten überlagerten oder teilweise ganze Teile von ihm ersetzten. Sie vermengten sich so unwiderruflich, dass man sie nicht länger mehr trennen konnte... zumindest sie konnte es nicht. Es beunruhigte sie, verwirrte sie, heizte ihre Kuriosität an, trieb ihr Interesse soweit, dass sie sich nicht mehr mit der Feindseligkeit begnügen konnte konnte, mit der er sie damals, in den tiefsten Tiefen ihres Herzens verletzt hatte.

"Ich möchte es wirklich wissen, weißt du."

Ohne es wirklich zu wollen, ging sie näher auf ihn zu, nicht weiter, als ein einziges Bücherregal breit war - aber überraschte sie beide, als sie ihr Kinn anhob und ihm direkt in die farblose grauen Augen.

"Du bist in dein Gesicht hineingewachsen. Es sieht nicht mehr ganz so spitz aus", sprach sie laut aus und lachte dann beinahe, über die Absurdität ihres Satzes.

"Danke." Er machte sich selbst noch größer. "Aber tut mir leid es zu sagen, ich befürchte, dass dein Haar mit deinem Wachstum schritt gehalten hat. Was sonst wolltest du noch wissen?"

"Sei nicht so begriffsstutzig."

"Wirst du die da kaufen?"

Hermione zog beide Bücher in ihren Händen in betracht.

"Den Klee?"

"Ja."

"Nein." Sie sortierte den Klee wieder im Regal ein und hielt das Taschenbuch hoch. "Ich kaufe den Beaudelaire."

"Ich hab das Buch, wenn du es ausleihen willst."

"Den Beaudelaire?"

"Ich meinte den Klee."

"Hast du ihn gelesen?", fragte sie.

"Ich habe alle Bücher in meiner Wohnung gelesen."

Hermione lief vor Entrüstung rot an. "Nein, hast du nicht."

Er lachte laut auf. "Was meinst du mit, nein, hast du nicht? Es sind meine Bücher. Ich denke doch, dass man mir glauben kann, ob ich sie nun gelesen habe oder nicht."

"Wie viele hast du?"

"Ich weiß nicht. Nicht viele. Vielleicht einige hundert..."

"Sind es alles Muggelbücher?"

"Hier? Ja."

"Und du besitzt keine, die du noch nicht gelesen hast?"

Er schnappte sich eine Ausgabe von André Bazin's 'Qu'est-ce que le cinéma?' von einem Regal, das sich nahe seines Ellenbogens befand und begann unerschütterlich damit es zu lesen. "Tue ich nicht."

"Du bist ein Monster. Als nächstes wirst du mir sagen, dass du ein Bild von Klee in deiner Wohnung hast."

Seine Augen schnellten von der Seite nach oben. "Leider nicht."

Hermione sah ihn böse an.

Nach einer Pause, geprägt von einem Hauch der Schuld, sagte er: "Ich habe einen Schiele. Aber um ehrlich zu sein ist er ziemlich klein."

"Ich gehe." Hermione fuhr auf ihrem Absatz herum und stolzierte mit ihrem Taschenbuch unter dem Arm davon. Als sie sich den blauen Stufen näherte, hob sie ihr Kinn an und sah zu ihm zurück. "Wenn du willst kannst du ja mitkommen."

Draußen hatte sich die Sonne hinter dem düsteren Vorhang gesenkt und die eiskalte Luft war nun von all ihren Einschränkungen befreit.

"Habe ich dich irgendwie gekränkt?" Seine Hände verschwanden wieder in dem Schutz seiner Taschen.

Die Kälte biss in Hermiones Finger und sie schob diese wieder in seine Handschuhe. Die Straßenlichter der Stadt flammten auf.

Vor drei Monaten hatte Hermiones Faden sie aus dem dunklen Kasten gezerrt, zu dem ihr Leben in London geworden war - und sie zu den leuchtenden Lampen von Paris gezogen, einer lichttrunkenen Motte gleich.

Vor den elektrischen Lichtern waren es Gaslampen gewesen; vor den Gaslampen waren es Kerzen; vor den Kerzen waren Feuer, und vor den Feuer, war es nur der Mond gewesen, der über einen dunklen ruhigen Fluss leuchtete. Das Flussbett der Seine war einst breiter als der Radius der Stadt, welche nun deren Ufer bereicherte. Die sie umschlingenden schwarzen Arme und Nebenflüsse, die diesen Teil der Welt umfassten, hatte auch damals schon unter der leuchtenden Sichel des darüber kreisenden Mondes geglänzt, als wäre ein Stück Stoff des Himmelzelts herausgeschnitten.

Sie wanderte in das Licht der Stadt und fühlte sich dennoch, als wäre sie von Dunkelheit umfangen, das Licht der Sterne vom Himmel gefegt - wünschte sie sich beides haben zu können: die glänzende Stadt und die ursprüngliche Dunkelheit, beide für sie erreichbar in je einer ihrer Hände.

Dracos Ellenbogen rempelten Hermiones Arm an, als sie Seite an Seite neben ihm die Rue de Saint-Pétersbourg entlang ging.

"Ob du mich gekränkt hast?", fragte sie, "mit welcher Gelegenheit soll ich deiner Meinung nach anfangen?"

Draco sah von ihr weg, einem Auto nach, dass gerade auf der Straße an ihnen vorbeigefahren war.

Ihr Mitgefühl entschloss sich dazu aufzublühen.

"Hat es mich gekränkt, dass du Muggelkunst sammelst? Nein." Sie lenkte sie nach links, ihr Faden spannte sich immer noch hartnäckig zwischen ihnen, wie gehabt. "Genauso wenig bin ich gekränkt von irgendeiner Person, die einen Schiele in der Wohnung hat. Aber hör auf mit der Ablenkung. Warum in Merlins Namen bist du hier - lebst du so, hier?"

Dracos Augen verzogen sich, als ein Windstoß über den Bürgersteig fegte. "Möchtest du ein Glas Wein trinken?"

Sie drehte sich um, um ihn anzusehen. Nun ging sie rückwärts, ohne ihren Schritt innezuhalten oder auch nur langsamer zu werden, schlug sie ihm mit der Hand gegen die Brust. "Ich sagte, keine Ablenkungen mehr."

Für kaum eine Sekunde nahm er ihre behandschuhte Hand in die seine. "Immer so gewalttätig."

"Ich bin nicht gewalttätig. Du schlängelst dich nur jedes Mal heraus." Ihr Gesicht zeigte wieder nach vorne und sie schwang ihre Tasche vor sich her, wie einen Schild. "Wenn ich gewusst hätte, dass du mich nur dazu bringen würdest, mit dir Sandwiches zu essen und mich dazu ermutigen würdest Bücher zu kaufen, wäre ich nie mit dir auf diesen Spaziergang gegangen."

"Ist das ein Problem?"

"Die Bücher?", fragte sie.

"Nein, die Bücher sind definitiv ein Problem."

"Sind sie, wenn du keine riesige Bibliothek zuhause hast, mit magisch erweiterten Dimensionen um sie alle darin aufbewahren zu können."

"Meinetwegen. Ich dachte eher das Spazierengehen. Gefällt es dir nicht?"

Hermione mochte das Spazierengehen sehr.

Der Faden glomm zwischen ihnen auf und zog sie zu einer Straßenecke.

Er zog seine Schultern in Richtung seiner Ohren, als ob der Wind seinen Mantel überwunden und die Kälte hinein gekrochen wäre.

"Wartet jemand auf dich?", fragte er, "in deiner Wohnung oder...?"

Das Licht einer Ampel, wurde von seiner Haut widergespiegelt - zuerst rot und dann grün.

"Niemand wartet auf mich."

Seine Schultern entspannten sich.

"Dann iss mit mir Abend." Er zog an seinem Ende des Fadens, nach Süden, über die Kreuzung.

"Ich dachte, dass du mich auf einen Wein eingeladen hättest."

"Wein ist tatsächlich ein Bestandteil eines Abendessens."

"Wenn ich mit dir zu Abend esse, wirst du mir dann erzählen, was du hier tust?"

"Werde ich. Aber nur wenn du es auch tust."

"Gibt es bei dir jemanden? Also, jemanden der dich erwartet?", fragte sie.

"Nein."

"Du verbringst Weihnachten nicht mit deiner Mutter?"

"Meine Mutter verbringt ihren Urlaub mit ihrem neuen Liebhaber in Indonesien. Ich habe mich dagegen entschieden dem beizuwohnen."

"Verständlich. Ich hatte geplant Salzcracker mit Käse zu Abend zu essen", gab Hermione zu, "denkst du, wir können irgendwo noch einen Tisch für heute Abend ergattern?"

"Das sollte kein Problem sein."

Sie dachte an den Rock und an die Bluse, die sie unter dem Mantel trug. "Soll ich mich umziehen?"

"Nein, das passt."

"Bist du dir sicher?"

"Ich bin sicher."

Dreieinhalb Stunden später lehnte sie sich in einem mit Plüsch überzogenen Stuhl zurück, neben einer Hecke spindeldürrer Orchideen, und zeigte mit ihrem Löffel auf die Mitte ihres Tellers.

"Ich habe dein Abendessen gegessen."

Sie hatten sich ihrer Mäntel entledigt und sie einem Bediensteten an der Tür gereicht. Draco saß neben ihr an einem runden Tisch, in einem dunklen Wollpulover über einem weißen Hemd. Die obersten Knöpfe seines Kragens waren geöffnet.

"Und, wie hast du es gefunden?", fragte er.

Hermione sah sich in dem privaten Raum um. Das Licht war gedimmt und die vergoldete, beruhigende Einsamkeit ließ sie schlaftrunken werden. Sie war mit Vorspeisehäppchen und Brot mit Trüffelkruste, Hummerschwanz, Rinder- und Taubenfilet, pochierten Birnen und Schokoladensouffle, Bûche de Noël und Petit Fours gefüttert worden - immer mit dem dazu korrespondierenden Wein: Chardonnay, Bordeaux, Côte-Rôtie und mehr als einer Flasche Bollinger.

"Wenn ich mich nicht täusche, warst du früher schon Mal hier." Sie drehte den Stiel ihres Glases zwischen den Fingerspitzen, als sie schließlich vollgestopft mit dekadentem Wein und unvergleichlichem Essen war.

"War ich", bestätigte er, zog seine Ärmel hoch und fuhr sich dann mit einer Hand durch sein beinahe farbloses Haar, das immer noch kurz war, aber in keinster Weise auf die Art, wie er es zu seiner Schulzeit getragen hatte.

"Weißt du, dass es sich leicht wellt?", Hermione gestikulierte in seine Richtung, "hätte nie gedacht, dass es das tun würde."

"Mein Haar oder deines? Weil, wenn du deines meinst, muss ich dir denke ich mitteilen, dass es mehr als leichte Wellen sind."

"Deine."

Er klemmte sein eigenes Glas zwischen seine Finger und schwenkte seinen Wein.

"Meine Mutter und ich sind hier immer eingekehrt, wenn wir in der Stadt waren."

"In einem Muggelrestaurant?"

"Ja. Unter der Bedingung, dass wir Vater nie davon erzählen würden." Er schüttete sich den letzten Schluck in seinen Mund. "Es gibt einen gewissen Zug auf der Blackschen Seite meiner Familie, die eine Affinität für das Profane haben. Es entsetzte Vater."

Hermione ließ den Löffel durch die Mitte ihres Tellers gleiten und leckte anschließend einen Streifen Zitronencreme von ihm. "Ich würde das hier nicht profan nennen."

"Du weißt, was ich damit meine."

Das wusste sie.

"Also...?" Sie hob voller Erwartung ihrer Hände.

"Na schön", sagte er schließlich, "ich bin hier, weil man mir nachdrücklich zu verstehen gegeben hat, wie unerwünscht ich in England bin. Mein Französisch ist um einiges besser als mein Deutsch und mein Mandarin ist auf Kleinkindniveau."

Hermione lachte, das Glas wieder an ihren Lippen. "Du bist hier in einem freiwilligen linguistischen Exil?" Sie trank das Glas leer und legte dann ihr Kinn auf ihre Fingerspitzen. "Und du lebst wie ein grotesk privilegierter Muggeluniversitätsstudent, weil..." Sie sah ihn schief an, "die Gesellschaft dich hier ebenfalls ablehnt?"

"Sowas ähnliches. Und wie sieht es mit dir aus?"

Sie war nun gesättigt und ihr Durst war gestillt - so dass ihr die Wahrheit nicht schwer fiel.

"Ich bin hierhergekommen um allein zu sein."

Draco ließ es zu, dass die Bedinung ihm den letzten Champagner einschenkte.

"Allein, mit zwei Millionen anderer Leute, die sich um einen anderen Fluss als zuhause scharen", sagte er, "irgendsoetwas?"

Hermiones Augen schlossen sich. Dann öffnete sie diese wieder.

"Irgendsoetwas."

IV.

Die Seine läuft durch Paris, wie ein gebeugter Ellenbogen.

Ihre Quelle ist auf der Hochebene von Langres in Burgund - in einem Park, der direkt neben einer kleinen Landstraße liegt. Quellwassser tropft dort in Senken und Gräben im Boden.

Vor zweitausend Jahren, reisten gallische Pilger vom Mittelmeer bis zu dieser Quelle und weiter zum Ärmelkanal, um der Göttin Sequana geweihte Opfer darzubringen, der Göttin der Seine.

Die Römer ersetzten den gallischen Schrein der Heilkunst an der Quelle der Seine, mit einem ihrer eigenen Tempeln und baten um Sequanas Fürbitte, auf die gleiche Weise, wie die Gallier es zuvor getan hatten. Sie warfen winzige Statuetten, die ihre größten Leiden symbolisierten in die Quellen, aus denen unerschöpflich das Wasser heraussickerte: Köpfe, Glider, Brüste, Leber und Herzen.

Von der Quelle an, schlängelte sich der Fluss in Serpentinen nach Nordwesten, durch den Boden des Basins von Paris, bis er bei Le Havre den Ärmelkanal erreichte und sein Wasser dem Meer übergab.

Es ist ein sich langsam bewegendes Ding, das gemütlich durch das Herz von Paris trieb, schwarz wie eine Tahitiperle.

Hermione opferte andere mögliche Annehmlichkeiten um ein Bücherregal in ihrer winzigen Wohnung unterzubringen. In einem Werk über die Geschichte der Seine war ein Bild, das sie sehr gern hatte - einer kleinen, erlesenen Bronzestatue der Sequana, die in römischen Roben gekleidet, ihre Arme wohltätig ausgestreckt hatte, während sie auf einem Boot stand, das wie eine Ente geformt war.

Wie ein Paar, das im neunzehnten Jahrhundert durch die Straßen flanierte, während der Wein in ihren Metabolismus drang, gingen Draco und sie durch das dichte Gedränge auf den Straßen des 8ten Arrondissements, überquerten die Champs-Élyssées mit ihren Bäume mit deren vertikale Lichterketten und ließen sich von der Strömung zum Flussufer treiben.

"Und magst du es?", fragte er, "das allein sein?"

Sie gingen am Flussufer von Westen nach Osten, entlang der vertäuten Boote zu ihrer Rechten und den Monumenten der Könige, des Imperiums und der Demokratie zu ihrer Linken.

Im Dunkeln erschien alles hell erleuchtet zu sein.

Die gelben Flutlichter des Palastes und des Versammlungshauses, die Straßenlichter, deren Rot und Grün sich abwechselten, die roten leuchtenden Augen der Autorücklichter - die blauen und weißen Lichterketten, mit denen die Schiffe geschmückt waren: All diese Lichter spiegelten sich auf der Oberfläche der Seine in einem unregelmäßigen Lichtspiel wieder, welches durch die Wasserbewegung noch zu vibrieren schien."

"Tue ich", antwortete sie.

Sie schlenderten weiter, still, ihr Haar und ihre Schultern wurden von dem goldenen Schein der Straßenbeleuchtung erleuchtet.

Die Antwort hätte ausreichen können, wenn seine Stille ausdruckslos gewesen wäre.

Aber die Atmosphäre zwischen ihnen war angespannt und er schien weiter aufmerksam darauf zu warten, dass sie seiner wortlosen Aufforderung nachkam fortzufahren.

Sie öffnete ihren Mund und ein Strom an Wörtern brach daraus hervor, und breitete sich als Nebel kondensierter Luft vor ihnen aus.

"In meiner Jugend bestimmte allein die Schule mein Leben. Die magische Schule." Ein Stein schien sich in ihrer Kehle zu bilden. "Du kannst dir nicht vorstellen, wie es sich anfühlte zu..."

Ihre Wörter blieben ihr im Halse stecken und sie musste schlucken und neu anfangen.

"Ich wurde allein durch meine Schulbildung definiert", fuhr sie fort, "und alles über einen Krieg zu lernen, der älter war als ich selbst, so dass ich später in ihm kämpfen könnte." Sie ließ ihre behandschuhten Hände in ihre Taschen gleiten. "Es war alles so gewichtig, furchteinflößend und gleichzeitig wichtig."

Sie fühlte nicht in der Lage sich zurückzuhalten, als er darauf nicht antwortete.

"Und dann habe ich mich verliebt. Auch das fühlte sich irgendwie gewichtig, furchteinflößend und gleichzeitig wichtig an. Und es war irgendwie schwer, aber ich habe mich noch nie mit einfachem begnügt. Ich bin sehr gut darin, Dinge zu tun, die für andere schwer sind."

Eine Familie ging an ihnen vorbei und verschwand in der anderen Richtung: Großeltern, Eltern und zwei Töchter im Teenageralter, die leise Portugiesisch miteinander sprachen.

"Aber dann fing mein Leben irgendwann an nur noch an aus Arbeit zu bestehen. Hauptsächlich Bürokratie, dann den Abwasch machen, die Katze füttern und zu lernen, wie man sich angemessen entschuldigte, wenn man etwas schreckliches gesagt hatte. Und alles das schien für mich auf eine Art schwer zu werden, für die ich alles andere als geschaffen war."

Sie lachte kurz hohl auf.

"Du bist noch jung, Hermione."

Die kalte Nachtluft schnitt in ihre wässrigen Augen.

"Ich bin älter als du."

Zum ersten Mal, seit sie am Fluss angekommen waren, erlaubte sie sich wieder ihn anzusehen.

Seine Augen waren halb geschlossen, entweder nachdenklich oder besorgt.

Eine Welle des Entsetzens schwoll unter ihrem Brustbein an, als sie herausfand, dass sie seine Hände kannte, aber nicht sein Gesicht.

Nicht dieses Gesicht.

Sie kannte das Grinsende und das, dass über den Schmerz anderer lachte. Sie wusste, wie er aussah, wenn er in seiner eigenen Überlegenheit schwelgte, wenn er klar machte, dass er über allen anderen stand, wenn er an dem Selbstwertgefühl einer anderen Person, mit seiner scharfen Abneigung kratzte.

Seine Hände waren immer noch die gleichen, aber sein Gesicht hatte sich verändert.

Hermione kannte ihn nicht mehr länger.

Sie wurde still und ging mit einem Fremden flussaufwärts.

"Liebst du ihn immer noch?", wollte er wissen.

"Nein", antwortete sie ihm schnell und ihre Brust drückte sich vor Schmerz zusammen. "Am Ende mussten wir uns beide eingestehen, dass es eigentlich nicht so schwer sein sollte, einfach nur zusammen zu sein." Sie drehte sich ihm zu. "Und wie sieht es mit dir aus?"

"Mit mir?!?"

"Liebst du jemanden?" Hermione erinnerte sich an ihn in ihrer Schulzeit und daran, dass er sich ab und an wie alle anderen in Alkoven zurückgezogen hatte - bis ihr gesamtes Umfeld zu deprimierend dafür wurde. "Pansy vielleicht? Oder doch jemand anderes?" Sie gingen weiter und durchquerten dabei die weiße Wolke ihrer eigenen Worte. "Es tut mir Leid. Ich hätte dich nicht einfach so fragen sollen."

"Es muss dir nicht leid tun."

Er beobachtete ein Boot das vorbeiglitt und sie betrachtete eine Minute lang staunend, die Bewegungen seiner Augen und seines Mundes, während er in Gedanken verloren zu sein schien.

"Pansy bedeutet mir wirklich alles", sagte er schließlich, "nach dem Krieg habe ich mich ein ganzes Jahr im Manor verkrochen. Sie hat mich dazu gezwungen mich wieder aus dem Manor herauszuwagen und mich dann dazu gedrängt hierher zu kommen."

Dieses Geständnis kam so fließend über seine Lippen, dass Hermione nichts mehr darauf zu sagen wusste, als den leeren Raum zwischen ihnen zu belassen, um ihn dadurch aufzufordern weiterzureden.

"Aber um deine Frage zu beantworten: Nein. Ich liebe sie und ich werde es auch immer tun. Wir waren schon miteinander befreundet, bevor wir überhaupt gehen konnten. Ich denke, dass es unvermeidbar war, irgendwann zusammen zu kommen, aber wir sind nicht ineinander verliebt. Und sonst gibt es da niemanden."

Hermione beobachtete die sich zusammenziehenden Wolken.

"Das Wetter will heute wirklich noch zu Schnee umschlagen."

"Das will es wirklich."

Sie gingen an den Mündungen von einem halben Dutzend Brücken vorbei, bevor sie am Ende des Pont Neuf ankamen, der die Verbindung zum Ufer der Île de la Cité, in der Mitte des Flusses darstellte.

Hermione zog sie beide nach rechts, zur Insel über die Brücke, die angefüllt war mit Fußgängern, auf ihrem Weg zur Mitternachtsmesse im Notre-Dame.

"Sollen wir auch einen Abstecher in die Kathedrale machen?", fragte er.

"Warum sollten wir das tun?"

Er blickte etwas betrübt drein und ihr Magen zog sich zusammen, als sie ihre Worte auch schon bereute.

"Du hast das ernst gemeint?", fragte sie, "es ist nur so, dass sich dort wirklich eine unglaubliche Menschenmenge versammeln wird."

"Magst du Chöre nicht? Oder sind es die Weihrauchfässer?"

"Sie haben dort ganze Fässer mit Weihrauch?"

"Es sind die kleinen Dinger an der Kette...", Draco machte mit seinem Arm nach vorne und zurückschwenkende Bewegungen, "mit dem Weihrauch drin."

Hermiones Lachen verließ ihren Mund mit einer Nebelwolke - es war echt und kam aus ihrem tiefsten Inneren. "Wie vielen katholischen Messen hast du schon beigewohnt?"

"Vielen."

"Hast du nicht."

Er verzog sein Gesicht in gespielter Kränkung. "Habe ich. Tatsächlich gibt es nichts, dass ich so sehr mag wie ein gutes Kirchenlied."

Der Faden zwischen ihnen glänzte und wärmte Hermione von innen heraus.

Sie konnte ihre Augen nicht von ihm abwenden.

"Ich verstehe dich nicht mehr."

"Und ich verstehe dieses ganze Zeug über die heilige Dreieinigkeit nicht. Nicht jeder versteht alles..."

"Du könntest zu den Unitariern gehen."

"Zu den was...?"

Dieses Mal lachte sie auf seine Kosten.

"Willst du wirklich dem Chor zuhören?", fragte sie, "und den Weihrauch schnuppern?"

"Ich denke, ich könnte ohne den Weihrauch leben." Seine Lippen verzogen sich zu einem Schmollmund. "Auch wenn es Weihnachten ist."

Ohne ein Wort zu wechseln, drehten sie beide nach Westen ab, weg von der Kathedrale zu dem spitz zulaufenden Ende der Insel.

"Was denkst du eigentlich darüber?" Sie geriet mit einem ihrer Absätze in eine Fuge des Pflasters und kippte in seine Richtung. Er fing ihren Ellenbogen und richtete sie wieder auf. "Also über Muggelreligion."

"Das ist eine ziemlich umfangreiches Themengebiet."

Sie gingen an einer Bronzestatue von Henri dem IV vorbei, der aufrecht auf einem Pferd saß, dann eine Treppe hinunter, die zum Eingang eines Parkes führte, der kaum höher lag als der Fluss selbst.

Entlaubte Bäume und mehr als ein dutzend hell erleuchtete Laternenmasten, umringten ein kleines Fleckchen Gras, an der Spitze der Insel, das aussah wie die Vorderseiten von Schiffen, die flussabwärts in der Seine trieben.

Hermione führte sie im Uhrzeigersinn auf den Weg darum herum.

"Ich habe genug Wissen um in einem gewissen Maß über das Christentum reden zu können", sagte er schließlich, "davon habe ich Primärtexte und ein bisschen über die Geschichte gelesen. Auch weiß ich etwas über ihre Musik und tatsächlich ziemlich viel über Kirchenarchitektur. Oh - mein Wissen über Räuchergefäße ist recht solide."

"Ich werde dir zum nächsten Weihnachten ein Weihrauchfässchen kaufen."

"Gerne."

An der Spitze der Insel stand eine Trauerweide, kahl im Dezember, schlafend wie eine gespenstische Hand. Pärchen saßen aneinandergekuschelt auf der Kaimauer, ließen ihre Füße über die spiegelnde Flussoberfläche unter ihnen hängen und redeten leise miteinander, während hell erleuchtete Jachten leise an ihnen vorbeifuhren.

Sie fanden einen Platz, der breit genug für sie beide war und sahen nach Westen hinunter, zu der weißglühenden Stadt, deren Lichter wie die Wellen einer künstlichen Meeresflut, von den Brückenbögen der Pont des Arts aus, weiter, über die Stadt zu rollen schienen.

Hermione hatte das verwirrende Gefühl, dass je größer die Stille sich zwischen ihnen aufbaute, desto näher drifteten sie zusammen, obwohl sie beide sich nicht bewegt hatten.

Sie saßen ziemlich still, übersättigt von dem Abendessen und den Weinen, die zu genießen sie sich Zeit genommen hatten.

Nach vielen Minuten, die sich ewig hinzuziehen schienen, lehnte er sich auf seine Arme zurück, ließ seinen Blick zum schwarzen Himmel wandern, weit entfernt von jedem Lampenlicht.

"Ich mag die Vorstellung von Vergebung", sagte er schließlich, "davon, dass sie möglich ist."

Sie nahm die gleiche Haltung ein und beobachtete jede Bewegung, die über ihnen stattfand.

"Ich denke, dass sie es ist", sagte sie, "meistenfalls zumindest."

"Denkst du?"

Sie drehte sich ihm zu, um festzustellen, dass sein fremdes Gesicht sie bereits studierte.

"Tue ich." Sie meinte es so. "Aber man muss sie sich verdienen. Nur sehr wenige von uns besitzen ein reines Herz."

Ein winziges weißes Gebilde landete auf Dracos Wimpern, über den verschatteten Spiegeln seiner Seele. Sie schnappte lautstark nach Luft, dann sah sie wieder auf und hielt ihre Hand in Richtung Himmel.

Die Wolken hatten aufgegeben und entließen nun ihre kalte Fracht. Soweit das Auge reichte, drehte sich diese tanzend, in langsamen Kaskaden durch die elektrischen Lichtergirlanden.

"Ich glaube, dass es mich hierhergezogen haben könnte, damit mein Herz heilt", sagte sie. Ihr Blick folgte einer einzigen Schneeflocke, bis diese auf ihrem Handballen landete, dort einen Moment verweilte, bevor sie anfing zu schmelzen. "Ich bin mir nicht ganz sicher. Aber ich hoffe sehr auf die Unterstützung Sequanas, die mit ihrem Entenboot die Seine hinuntertreibt." Sie sah ihn an. Ihre Wangen brannten, als sie sich eigene Torheit in Worte fasste. "Ach vergiss es. Es ist einfach nur lächerlich."

"Nein. Es ist überhaupt nicht lächerlich."

Hermione neigte ihren Kopf um einen ihr bekannten Ton zu lauschen, brauchte aber etwas, bis sie ihn identifizieren konnte.

"Hörst du das?"

Es waren Chorstimmen, die von der Kathedrale im Osten bis zu ihnen strömten, deren Worte man nicht mehr ausmachen konnte.

Sie strengte sich an ihnen zuzuhören, aber bevor sie die Melodie ausmachen konnte, verging sie wieder und die Kirchen von jedem Kirchturm riefen zur Mitternachtsmesse.

Die Stimme von Emmanuel, der größten und tiefsten Glocke in Notre-Dame, sang ihr ihr widerhallendes Fis, als der Schnee über die glitzernde Stadt fiel, auf den erkalteten wartenden Gehweg und das sich immer wieder verändernde Gesicht des wohlwollenden Flusses.

"Hat es das?", fragte Draco.

"Hat es was?", Hermione streckte ihre Zunge aus und fing damit eine der Schneeflocken auf, die vom Himmel fiel.

"Hat es dein Herz geheilt?"

"Ich weiß es nicht." Sie lachte ohne zu wissen warum. "Denkst du, dass es einfach so passiert? Eines Morgens wacht man auf und fühlt sich plötzlich wieder ganz?"

"Ich denke, dass es passiert", meinte er, "zumindest wenn du es versuchst."

Der Fluss floss auf der Suche nach dem Meer um sie herum.

V.

Er begleitete sie durch weiße Wirbel nach Hause. Ihre Schritte verewigten sich in der immer dicker werdenden Wolkendecke.

"Möchtest du auf einen Tee mit hochkommen?"

Sie standen auf dem Gehsteig unter ihrem Fenster. Von ihrem Ende des Fadens wurde der Drang auf sie übertragen, ihn dazu zu bringen, dem zuzustimmen.

Er hätte das nicht tun müssen.

Ohne Probleme zog sie ihn mit sich, die Wendeltreppe nach oben und durch die Tür ihrer Dachgeschosswohnung.

In einem anderen Leben, hätte sie den Schnee einfach von ihrem Mantel gezaubert, aber hier, ließ sie ihn einfach zu Boden fallen und in den Teppich schmelzen.

Sie zog seine Handschuhe aus, viel zu groß und erhitzt von ihren Händen, streckte sie diese ihm entgegen.

"Vielen dank", sagte sie, "ich hätte wohl auch einen Wärmezauber nehmen können, aber sie fühlten sich wirklich wunderbar an."

Er nahm sie ihr ab, faltete sie und legte sie in seine Umhängetasche.

Sie wand sich den Schal vom Hals und hängte ihre Tasche und ihren Mantel auf einen Haken neben der Tür und hielt ihm ihre Hand entgegen.

"Gibst du mir bitte deinen Mantel?"

Er stand reglos im Türrahmen, als ob er nicht vor hätte sich den Mantel auszuziehen oder weiter in ihre Einzimmerwohnung zu kommen.

Ihre Wangen brannten vor Verlegenheit.

Sie hatte alles was sie brauchte: Links ging es zum Bad und die Küche war um die Ecke, mit einem Herd, einer Spüle, drei Küchenschränken und einen quadratisches Dachfenster. Bündig an der gegenüberliegenden Wand, stand ein großes Bett, das für sie und einen gelegentlichen Gast ausreichte.

Aber acht normale Schritte war alles was es brauchte, um den Raum zu durchqueren.

Dachschrägen zogen sich von der Wand, bis unter die Fenster, gestützt von dunklen Holzbalken, die sie dazu zwangen immer ihren Kopf einzuziehen, wenn sie sich dem kleinen Tisch näherte, um sich setzen zu können.

"Ich weiß, dass es nicht den malfoyschen Standards entspricht, aber ich bin recht stolz auf mein Heim." Sie bückte sich um zu einer Steckdose an der kleinen Außenwand zu kommen und steckte einen Stecker ein. Eine Lichterkette mit alten rot, goldenen, blauen und grünen Glühbirnen fing um beide Fensterrahmen an zu blinken. "Schau! Ich habe es sogar dekoriert."

Draco blieb im Türrahmen stehen, sein Mantel immer noch zugeknöpft, die Umhängetasche immer noch über die Schulter geschlungen.

"Ich stell schnell den Wasserkocher an, okay?" Sie zeigte unbeholfen mit einem Finger in Richtung der Küche.

Die Unsicherheit brannte in ihr, als sie ihren elektrischen Wasserkocher auf die Spüle stellte, seinen Stand festigte und ihn einschaltete.

Und dann fing sie an zu plappern.

"Ich könnte natürlich auch Zauberei nutzen, aber seit ich hier angekommen bin, habe ich es genossen die Dinge einfach so zu machen. Ich habe so viel Zeit damit verbracht, zu lernen, wie man all das mit dem Wedeln eines Zauberstabs macht, dass ich vergessen habe wie viel Freude es mir bereitet, die Dinge zu nutzen, mit denen ich aufgewachsen bin."

Sie brachte ein Paar Teetassen mit Rosenmuster von einem der Regale über der Spüle, ließ in jede einen Teebeutel fallen und stemmte dann ihre Hände in die Hüften, um dem Wasserkocher beim kochen zuzusehen.

"Ich sollte gehen...", sagte er.

Das Wasser begann sich mit einem leisen Summen zu erhitzen.

Er hatte sich immer noch nicht bewegt.

"Du darfst gerne bleiben. Zumindest solltest du deine Hände etwas erwärmen." Sie sah zu ihm auf. "Wie willst du deinen Tee?"

Schnee schmolz in seinem Haar und die leichte Welle dort schien den Gedanken zu fassen, sich in eine Locke verwandeln zu wollen.

"Aber ich denke, dass sie wohl wunderbar warm sind", sagte sie zum Wasserkocher, "ich kann mir nicht vorstellen, dass du nicht zumindest deine Taschen verzaubert hast."

Sie griff nach dem Zucker, dann schluckte sie, fasste Mut und sah ihn richtig an.

Er hatte sie beobachtet. Eine Hand hielt immer noch den Riemen seiner Umhängetasche und die andere hing kraftlos herab. Seine Hände waren von den Handflächen bis zu den Fingernägeln gerötet.

Hermione starrte auf seine verkrampften Finger.

"Malfoy, deine Hände sehen so..." Sie verharrte auf der Stelle, an der sie stand. Ihre Hand auf dem vergoldeten Deckel ihrer Zuckerdose. Dann ging sie einen Schritt auf ihn zu und ließ den Tee hinter sich zurück.

Mit einer zögerlichen Berührung nahm sie seine hängende Hand in die Ihre.

"Mein Gott, Draco. Du erfrierst ja. Und ich habe die ganze Zeit deine Handschuhe gehabt. Du hättest etwas sagen sollen."

Er sagte nichts.

Ohne die Hand loszulassen, die sie genommen hatte, zog sie seine andere von der Umhängetasche um herauszufinden, dass sie genauso eiskalt war wie die Erste.

"Warum hast du zugelassen, dass sie so kalt werden?"

Sie drückte seine Handflächen gegeneinander, so dass sie seine gefalteten Hände mit den ihren umschließen konnte. Dann legte sie ihren Mund an seine Finger und blies.

"Hermione."

Die Intensität seines Gesichtsausdruck erschreckte sie.

"Jetzt musst du bleiben." Sie versuchte verzweifelt einen frechen Tonfall anzuschlagen. "Nur bis deine Hände sich wieder erwärmt haben. Und wenn du gehst, musst du mir versprechen, dass du direkt in deine Wohnung apparierst. Du kannst in solch einem Schneesturm nicht zu Fuß gehen. Lass mich schnell meinen Zauberstab holen, damit ich einen ordentlichen Wärmezauber ausführen kann."

Als sie sich von ihm losmachen wollte, fing er ihre Hand ab.

"Hermione."

So nass und kalt, wie er in der Tür stand, glich er einem mit Wasserfarbe gemaltem Portrait, in dem der Künstler allen Kummer festhalten wollte. Seine Augen waren zusammengekniffen und suchend.

"Hermione, es tut mir so, sehr Leid."

Der Wasserkocher pfiff und schaltete sich dann aus.

"Ich habe dir schreckliche Dinge angetan." Seine Stimme brach in seiner Kehle, als er sprach. "Und den Leuten, die dir am Herzen liegen. Ich habe so vielen Leuten Leid bereitet oder sie in Gefahr gebracht, die jetzt nicht hier sind damit ich bei ihnen entschuldigen kann." Seine Hand spannte sich um die Ihre an. "Ich erwarte nicht, dass du mir vergibst. Ich erwarte nicht einmal, dass du überhaupt etwas sagst. Aber ich werde gehen und ich musste es dir einfach sagen, damit du es weißt. Und vielleicht kann es dir irgendwie helfen, dass ich es gesagt habe. Du hast es nicht verdient, dass du dich fühlst, als ob..."

"Stopp."

Dracos Gesichtsausdruck verwandelte sich von Reue in schiere Verzweiflung.

"Natürlich. Ich... ich werde gehen. Danke, dass du mit mir spazieren gegangen bist. Und für das Angebot des Tees. Vielleicht... ein ander Mal."

Er begann ihre Hand loszulassen, aber Hermione schlang ihre Finger durch seine und ging einen letzten Schritt auf ihn zu, so dass sie glaubte, ihren Größenunterschied in Millimetern schätzen zu können.

"Bitte, bleib."

Sie wusste mit absoluter Sicherheit, dass wenn er jetzt ging, ihrer beider Faden... es war schon immer der Faden von ihnen beiden gewesen... sich bis zu dem Punkt dehnen würde, dass die Spannung an den Rand der Schmerzhaftigkeit gehen würde, bis er sie wieder zueinander bringen könnte.

Sie lenkte seine Hand unter den Saum ihrer Bluse, spannte sich an, als seine kalten Fingerspitzen in Kontakt mit ihrer erhitzten Haut kamen, auf halben Weg, zwischen ihrem Nabel und ihrem Herzen.

"Was tust du?", flüsterte er.

"Das."

Hermione stellte sich auf ihre Zehenspitzen und drückte ihre Lippen auf seinen Mundwinkel.

Er stand erstarrt und ausdruckslos da. Seine Lippen öffneten sich, als er nach Luft schnappte.

Aber langsam schien ihre Hitze ihn aufzutauen.

Und dann schmolz er.

Und dann floss er geradezu um sie, glich sich ihren Umriss an, seine Hände glitten über ihre Seite, spannten sich um den Stoff ihres Rockes.

Seine Berührung fühlte sich so wichtig und altbekannt, wie die von Wasser an.

"Hermione", murmelte er gegen ihre Lippen, als sie seine Umhängetasche von seiner Schulter schob. "Ist das wirklich..."

Sie knöpfte seinen Mantel auf und schälte ihn von seinen Armen, bevor sie ihn zu Boden fallen ließ.

"Ist das wirklich das, was du willst?"

"Ist das wirklich eine gute Idee?"

Was auch immer seine Frage gewesen wäre, Hermione wollte sie nicht beantworten.

Es war als würde sie ihre hohlen Hände bis zum überfließen mit ihm anfüllen um ihn dann zu trinken.

Er protestierte nicht weiter und ließ stattdessen seine kühlen Hände über ihre Seiten gleiten.

Sie zupfte am Saum seines Pullovers, bevor sie ihm diesen über den Kopf zog. Als er zu Boden fiel, war er vollkommen verwüstet. Sein Haar stand ihm vom Kopf, seine Haut war fleckig rot.

Ihre Kehlen dürsteten nacheinander, sie bewegten sich über die Strecke von acht normalen Schritten, mit zwanzig, während sie immer wieder den Rücken des jeweils anderen gegen die Wand pressten.

Als sie endlich Zuflucht in Hermiones Bett gefunden hatten, arbeiteten ihre Hände zusammen, um Schnallen, Knöpfe, Krawatten und Haken zu lösen, um sich von jedem greifbaren Hindernis zu befreien, das sie voneinander trennte.

In dem Moment, als sich ihre Körper soweit miteinander vertraut machten, dass seine Haut die ihre berührte, begannen ihrer beider Fadenenden so hell wie Sternwerfer aufzuglimmen. Und dann verschwanden sie, als hätten sie endlich das gefunden, was sie gesucht hatten.

Er bewegte sich in ihr, seine Finger zitterten an ihrer Schläfe. Sie hielt ihr Kissen mit der Faust umklammert hinter ihrem Kopf. Sie umklammerte seine Hüften mit ihren Beinen, als er sich zu bewegen begann.

Sie wollte ihn sofort und gründlichst studieren, sich mit seinen Eigenheiten vertraut machen, auf die gleiche Weise, wie sie auch alles andere schnell erlernte, aber dafür hatten sie nicht die Zeit. Noch bevor sie es vorgehabt hatte, keuchte sie gegen seine Schulter, umfasste seine Taille mit ihren Oberschenkeln und streckte ihm ihre Kehle entgegen, um seinen feuchten Mund willkommen zu heißen, der sich bei jeder Berührung mit ihrer Haut leicht öffnete, als sein Körper weiter in den ihren jagte.

Sie verweilten einen Moment, bevor sie sich trennten und Hermione sich in ihrem Bett aufsetzte. Ihr ganzer Körper erzitterte vor Hochgefühl und Schock zugleich.

Auf dem Rücken liegend versuchte er wieder zu Atem zu kommen, während er zögerlich über die angespannte Mitte ihres Rückens strich. Dann begann er mit schläfriger, müßiger Ungenauigkeit Muster auf ihre Haut zu zeichnen.

Sie streckte ihren Arm hinter sich aus und nahm seine schmale Hand, die neben ihm auf dem Bett lag, in die ihre. Sie öffnete sie, indem sie ihre Rückseite gegen ihr Knie drückte und fuhr die Linien in seiner Handfläche mit dem Daumen nach.

"Ich konnte schon einen wortlosen Zauber durchführen, als unser viertes Jahr begann." Sie blickte ihn über ihre Schulter hinweg an. "Aber du kannst es nicht, oder?"

Ein Ausdruck den sie nicht kannte, zog sich über seine Gesichtszüge. Sie vermutete, dass es Scham sein könne.

Er schüttelte verneinend seinen Kopf.

"Sie haben dir deinen Zauberstab genommen?", fragte sie.

"Haben sie."

Vor zwölf Stunden hätte ein solcher Gedanke ihre Brust, angefüllt mit rechtschaffendem Siegesgefühl, anschwellen lassen.

"Haben sie dir deine Magie genommen?"

Es war Scham, entschied sie. Scham und Erschöpfung.

Er blickte eine lange Zeit stumpf geradeaus, bevor er nickte.

"Wie?", fragte sie.

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf seine Hand, die immer noch Runen am Ende ihrer Wirbelsäule schrieb.

"Einmal im Monat bekomme ich Besuch von einer sehr netten Bewährungshelferin, in meiner, wie ich zugeben muss, sehr netten Wohnung. Sie stellt sicher, dass ich nichts tue, dass ich nicht tun sollte und ich die Zaubertrankphiole trinke, die sie mir aushändigt."

"Wie lange?"

"Fünf Jahre."

"Wie viele sind davon schon rum?"

"Dreieinhalb."

Auf der anderen Seite von Hermiones farbigen Lichtern vervielfältigten sich die immer dicker werdenden Schneeflocken.

"Soll ich gehen?" Seine Stimme wurde rau, als er sich gegen die aufkommende Flut zu wappnen schien.

Sie hätte ihn jetzt zu gerne angesehen, also tat sie jetzt genau das.

"Verabscheust du es, so zu sein?"

Er griff nach dem Ende einer Locke, die sich auf der Mitte ihres Rückens breitgemacht hatte, drehte sie um seine Fingerspitze und rieb dann mit seinem Daumen darüber.

"Ich leide hier nicht."

"Aber hasst du es, so zu sein?"

Ein Wassertropfen löste sich von seinem Augenwinkel und glitt seine Kiefer hinunter, bevor er in Hermiones Kissen verschwand.

"Nein. Ich hasse es nicht."

"Stört es dich, dass du es nicht tust?"

"Manchmal."

Das Schneegestöber schwoll zu einem hypnotischen Durcheinander an.

"Mach weiter mit dem, was du vorhin mit meinem Rücken gemacht hast."

Das erschöpfte Lachen strömte federleicht aus ihm heraus.

"Herrisch", flüsterte er.

Sie ließ zu, dass er sie zurück in seine Arme zog.

Als der Morgen graute, brach das Licht durch ihr Fenster, als wäre es bereits hellichter Tag. Sie wusste, dass wenn sie zu den Fensterflügeln gehen würde, sie einen Ausblick auf die Stadt hätte, wie sie in ihrem weißen Kostüm unter ihr lag.

Der Schnee hätte sich auf den Mansardendächern angehäuft und an den Rändern der Eisengeländer, auf den Kopfsteinpflasterstraßen und den modernen Boulevards, hätte sich verteilt und würde das durch Wolken verschleierte Tageslicht verstärken, sowie jede Schallwelle dämpfen - vom Klicken des Absatzes eines Spaziergängers, bis hin zu den Glockenschlägen der Kathedralen, die reuige Herzen jeden Weihnachtsabend zur Messe riefen.

Aber sie blieb in ihrem Bett. Müdigkeit rann noch durch ihre Venen, als eine aufkommende Morgenlust in ihr Aufstieg. Sie konnte mit ihrer Fußsohle deutlich den Umriss und die Beschaffenheit von Dracos Waden spüren.

Mit seinen kühlen Armen, die territorial um ihre Hüfte geschlungen waren und seiner Wange, die sich zwischen ihre Brüste gebettet hatte, wiegte sie seinen Kopf in ihren Armen. Sie fuhr mit ihren Fingern eine imaginäre Linie auf seiner Haut nach.

"Deine Hände sind so warm", murmelte er. Seine Stimme war immer noch rau vom Schlaf.

Sie öffnete ihre Hand, um sie auf seinen Rücken zu legen. Sie konnte sein Herz und seine Atmung durch seine Rippen hindurch spüren.

Sie füllte ihre Lungen an mit Luftan, langsam und vollständig, bevor sie mit ihren Lippen in sein widerspenstiges Haar fuhr.

"Es schneit immer noch."

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Falls es Euch gefallen hat, lasst doch auch der Originalautorin einen Kudo da.

https://archiveofourown.org/works/27762154 (Den Link hinterlasse ich Euch nochmal hier in den Kommentaren zum kopieren.)

https://youtu.be/Y9JDZzlkvEQ

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