Durchnässt

Nach dem Mittagessen waren Victoria und Felicitas, im Auftrag ihrer Mutter, auf dem Weg zum "Saal der Bestimmungen". Angeblich wurden dort vor Jahrtausenden die Prophezeiungen getätigt und nieder geschrieben, heute nannte es jeder nur noch das "Rechtshaus". Es handelte sich um ein großes Gebäude mit zwei Etagen, welches in der Nähe der Schlossmauern stand. In der unteren Etage befand sich ein großer Saal, an dessen Ende ein kleines Podest zu finden war, welches man über vier Stufen erreichen konnte. Links und rechts befanden sich jeweils drei Türen, von denen je zwei in kleine, schlauchartige Räume führten, die anderen beiden gaben den Blick auf die Treppen frei, die in die nächste Etage führten. Dort gab es mehrere Räume die damals wohl zum schlafen gedient haben mussten, jetzt saßen dort zumeist unfreundliche Damen die verschiedene Bereiche der Stadt verwalteten. Es war Mittwoch, der Tag der Woche, an dem die Bürger zu der königlichen Familie sprechen konnten. An diesem Tag wurden viele Segen ausgesprochen, Gaben angenommen und zwischen Menschen vermittelt die im Clinch lagen. Heute würden Felicitas und sie diese Aufgabe übernehmen. Joe hatte sie ursprünglich begleiten wollen, doch ihre Eltern hatten das nach den wiederlegten Anschuldigungen noch für zu früh gehalten. ,,Felicitas!" Die beiden Schwestern drehten sich um und sahen Oktavian auf sie zukommen. Als er bei ihnen angekommen war begrüßte er Victoria kurz mit einem nicken und wandte sich dann Felicitas zu. Es erstaunte sie immer noch das er sie drei auseinander halten konnte: ,,Ich hatte gehofft ihr würdet mich auf einen Ausritt begleiten?" Er sah Felicitas charmant an, doch diese sah zu ihr und zeigte dann hinter sich auf das Rechtshaus: ,,Das würde ich wirklich sehr gerne, aber ich habe Pflichten zu erfüllen." Oktavian folgte Felicitas' Handbewegung, er schien zu überlegen. Victoria nutzte die Gelegenheit und sah sich die beiden genau an, Felicitas wäre auf jeden Fall wirklich gerne mit ihm mit gegangen, aber sie kannte eben ihre Pflichten. Oktavian schien, seinem Blick nach zu urteilen, wirklich etwas an Felicitas zu liegen. Wie gerne hätte sie jetzt die Gaben von Lena oder Melody, dann könnte sie die Situation viel besser einschätzen. Plötzlich wandte Oktavian sich an sie: ,,Könnt ihr das nicht alleine?" Victoria schüttelte den Kopf: ,,Ich könnte wahrscheinlich schon, aber solange wir nicht Königin des Landes sind, müssen wir mindestens zu zweit dort erscheinen. Glaubt mir, ich würde das alleine machen wenn wir dürften. Verschiebt den Ausritt doch auf später und begleitet uns, dann könnt ihr sehen wie wir in diesem Land mit unseren Bürgern umgehen." Felicitas sah Victoria lächelnd an "Danke!" , sie sah kurz zu Oktavian "Danke mir nicht zu früh, er hat noch nicht zugestimmt." Dann lächelte Oktavian plötzlich: ,,Ich würde euch gerne begleiten.", sein Blick lag dabei ganz genau auf Felicitas, um ihre Reaktion zu sehen. Diese lächelte: ,,Ich freue mich, dann kommt, wir sind schon spät dran!" Victoria konnte die Spannung zwischen den beiden fast spüren, sie empfanden ohne Zweifel etwas füreinander.

Nach Stunden des Reitens, hatten sie endlich das kleine Wäldchen erreicht, von dem Nathalie gesprochen hatte. Vollkommen durchnässt suchten sie Schutz unter den Bäumen. Nathalie und Xanthos waren einmal gestürzt, weil sie die tiefe einer Pfütze nicht richtig eingeschätzt hatten. Ab da waren sie langsamer gewesen um einen weiteren solcher Vorfälle zu vermeiden. Besorgt saßen die anderen drei ab und kamen auf sie zu. ,,Wie geht es dir und Xanthos?" Melody beäugte sie genau, Nathalie zeigte zuerst auf Xanthos: ,,Er sagt ihm fehlt nichts, aber ich habe das Gefühl das er humpelt." Dann wandte sie sich an Lena: ,,Könntest du dir vielleicht seinen vorderen rechten Knöchel ansehen?" Lena nickte: ,,Natürlich." Sofort ging Lena auf Xanthos zu und sprach beruhigend mit ihm. Anika und Melody ließen sich davon jedoch nicht ablenken: ,,Und jetzt zu dir, wie geht es dir, deine Schulter ist immer noch nicht ganz verheilt!" Anika sah sie abwartend an, doch Nathalie sah ihnen fast in die Augen: ,,Mir geht es gut, ja die Schulter schmerzt etwas, aber alles andere ist unverletzt." Melody sah ihr einen Moment lang tief in die Augen, ließ sie dann jedoch weitestgehend damit in Ruhe. Die anderen mussten ja nicht wissen das sie sich eine böse Schürfwunde zugezogen hatte. Nathalie würde sich schon noch darum kümmern wenn die anderen schliefen oder abgelenkt waren.

Felicitas und Victoria standen vorne an dem beginn des Podest im Rechtshaus, Oktavian hatten sie gebeten sich etwas hinter ihnen hin zu stellen. Bisher hatten sie zwei Säuglingen und einem frischen Ehepaar ihren Segen gegeben. Es kamen immer noch vereinzelt Gaben zu Ehren von Melodys Krönung. Aber am meisten mussten sie heute Streitigkeiten lösen und vermitteln. Gerade erst hatten sie dafür gesorgt daß zwei Geschäftspartner sich wieder verstanden. Sie ließen die nächsten vor treten, es war eine kleine Gruppe von sechs Leuten. Diese bestand aus fünf Frauen und einem Mann, eine Dame mit braunen Haaren trat vor. Felicitas schätzte sie auf etwa zwischen 40 und 50 Jahre: ,,Eure Hoheiten, wir benötigen dringend eure Hilfe!" Felicitas sah mit besorgten Blick zu ihrer Schwester, welche sich daraufhin an die Gruppe wendete: ,,Sprecht, was ist geschehen?" Die Frau verlor keine Zeit: ,,Wir kommen aus sechs Dörfern in der Nähe der Bergkette. Seid einiger Zeit wird unser Vieh von einem mysteriösen Wolf angefallen, zudem kommt noch das in der Nacht einige vermummte Gestalten auftauchen und unsere Ernte dezimieren. Bei dem Versuch diese zu stellen verloren drei von uns ihr Leben. Einige unserer besten Frauen und Männer sind aufgebrochen um der Sache auf den Grund zu gehen, sie sind seid dem spurlos verschwunden. Unsere Dörfer haben kaum noch etwas zu essen und zu schlafen traut sich kaum einer, weil wir nicht wissen wann sie wieder kommen." Ohne ein Wort zu wechseln setzten sich Victoria und Felicitas in Bewegung und gingen auf die Gruppe zu, vor diesen blieben sie stehen. Felicitas, die das reden übernahm, legte ihre Hände mitfühlend auf die Schultern der Frau: ,,Wir werden euch helfen so gut es geht. Es wird Veranlasst das auf jeden Fall eure Kinder hierher kommen, damit sie sicher sind. Eine Gruppe unserer Soldaten werden wir gleich mit Vorräten zu euren Dörfern schicken. Natürlich ist es euch gestattet mit euren Kindern wieder hier her zu kommen. Wir werden das veranlassen sobald wie hier fertig sind." Der Mann mischte sich ein: ,,Und was ist mit dem Wolf, den Maskierten und unseren vermissten Angehörigen?" Nach einem kurzen Blick zu ihr antwortete Victoria: ,,Wenn ich euch richtig verstanden habe, wird bereits daran gearbeitet. Deshalb möchten wir euch bitten später noch ein paar Einzelheiten zu erzählen, die vielleicht helfen könnten. Bis wir wieder für euch Zeit haben, wird Kronprinz Oktavian von Skufa so freundlich sein und euch mit in unser Schloss nehmen, wo ihr euch ausruhen könnt und etwas zu essen bekommt." Felicitas sah Oktavian bittend an: ,,Sprecht mit Joe und übergebt sie in seine Obhut. Setzt dann bitte unsere Mutter in Bilde, sie kann dann schon entsprechende Wege einleiten." Oktavian stellte sich neben sie: ,,Das mache ich natürlich." Felicitas hörte ein leises "nur für dich" zwischen seinen Zeilen heraus. Die Stimmenführen der Gruppe meldete sich wieder zu Wort: ,,Vielen, vielen Dank, das ist wirklich sehr freundlich von euch." Damit entließen Victoria und Felicitas die Gruppe. Sie stellten sich zurück auf ihr Podest und widmeten sich wieder ihren Aufgaben.

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