Lust
„Junia Bennet, wo bist du und wieso warst du nicht in der Schule? Das wird Konsequenzen geben, das schwöre ich dir!"
Nach 10 Anrufen bin ich dann endlich ans Telefon gegangen. Und was erwartet mich?
Ein wildgewordener Vater.
„Dad?"
„Junia, wo bist du?"
Plötzlich höre ich, wie ihm jemand das Handy aus der Hand reißt.
„Junia? Junia was hast du dir dabei gedacht? Schule schwänzen?"
„Mum?"
Was macht meine Mutter neben meinem Vater?
„Mum, bist du wieder zu Hause?"
„Ja und weißt du was mich heute in der Früh erwartet hat? Dein Vater und ein Anruf deiner Schule!"
Oh.
OH.
„Ehm...", versuche ich zu erklären. Jake schaut mich besorgt an, während er unsere Sachen bezahlt.
„Erklär es mir, wenn du nach Hause kommst."
Ich verstehe das nicht. Zuerst interessieren sie sich ein halbes Jahr gar nicht für mich und jetzt auf einmal werde ich zu dem Problemkind oder was?
„Mum, wo warst du die letzten Monate?"
In diesem Moment wird es still am anderen Ende der Leitung. Das einzige was ich hören kann ist die Stimme meines Vaters, der im Hintergrund mit Mark redet.
„Mum, wo warst du?"
„Bei deiner Oma, das habe ich doch schon gesagt."
„So lange kannst du nicht bei Oma gewesen sein. Ich weiß sie ist alt, doch kein Fuß braucht so lange zum heilen."
„Ehm..."
Plötzlich weiß ich es, das plötzliche Verschwinden, das glücklicher wirken, all diese Anrufe, bei denen sie plötzlich auflegen musste.
„Mum, wie heißt er?"
„Florian."
Also das kommt jetzt überraschend.
Kennt ihr das? Wenn etwas passiert, was ihr nicht erwartet habt, ehrlich gesagt das letzte was ihr erwartet habt? Etwas, was euch nicht einmal für eine Sekunde in den Sinn gekommen ist bevor es wirklich passiert ist.
„Und wann wolltest du Mark und mir das erzählen?"
Wieder ist es still. Diesmal höre ich nicht einmal meinen Vater.
„Heute, deswegen bin ich ja hier."
„Wie lange läuft das schon?"
Jake hält mir meine Tasche hin und sieht mich fragend an.
„Seit fast einem Jahr."
„Fast einem...MUM!"
Ich. Fasse. Es. Nicht.
„Ich wollte es dir ja schon früher sagen, aber..."
„Aber was?"
Jake nimmt meine Hand, man muss den Vulkanausbruch in meinem Inneren wohl auch von außen bemerken.
„Junia, komm einfach nach Hause und wir können über alles reden."
„Mum, wenn ich ehrlich bin ist das das Letzte was ich jetzt machen will."
Enttäuscht und geschafft lege ich einfach auf, ignoriere die Stimme meiner Mutter, ignoriere die Rufe meines Vaters und das schlechte Gewissen, das sich in mir aufbaut.
„Kann ich bei dir schlafen?", frage ich den Briten neben mir. Den Briten, der mich schon so oft vor dem Drama meiner Familie gerettet hat.
„Ist etwas los?"
„Meine Familie ist los."
Und schon hört er auf zu fragen, setzt sich ins Auto, wartet auf mich und fährt los.
-
„Ist das wohl ok? Ich meine mit dem ganzen ‚Nur Freunde'-Ding und so.", frage ich Jake, als wir auf seinem Bett sitzen und die neueste Folge ‚Orange ist the new black' schauen.
„Natürlich, wir tun ja nichts Schlimmes. Außerdem werde ich dir immer helfen, egal was passiert."
Mein erster Gedanke war ‚oooooh' und mein zweiter Gedanke war ‚Ich will dich jetzt wirklich küssen'.
„Ich gehe schnell ein Wasser holen.", meine ich, bevor ich meinen Hormonen noch nachgebe und flüchte aus dem Zimmer. Flucht ist in meinem Leben immer eine gute Lösung. Jakes Haus ist still, seine Familie ist wahrscheinlich schon im Bett.
Hoffentlich.
Scott ist der Letzte, dem ich jetzt über dem Weg laufen will.
Und in dem Moment in dem ich das gedacht habe, was für eine Überraschung, gratuliere Leben, sehe ich ihn. In der Küche. Mit einem Glas Wasser in der Hand.
Also wenn das mich nicht auf eine vergangene Nacht erinnert, dann weiß ich auch nicht.
„Du.", sagt dieser nur genau so unüberrascht wie ich.
Existiert das Wort ‚unüberrascht' überhaupt?
Egal.
„Du.", meine ich nur und gehe an ihm vorbei.
„Was tust du hier?"
Abrupt drehe ich mich zurück, so dass ich fast in ihn krache.
„Familienstress. Du?"
„Ich wohne hier.", meint er, seine Stimme zitternd. Er fährt mit seiner Hand an meinem Arm entlang, seine Augen auf mich gerichtet.
„Jake redet nicht mehr mit mir."
„Mit mir bis heute Morgen auch nicht. Jetzt sind wir Freunde."
Seine Hand lenkt mich ab, lässt meine Gedanken wild herumfliegen und mein Herz rasen.
„Scott, hör auf.", ich nehme seine Hand und trete einen Schritt zurück.
Er sieht aus, wie ein verlorener Hund, der den Weg nach Hause nicht findet.
„Können wir reden? Ich könnte wirklich jemanden zum Reden gebrauchen."
Ich nicke, mein Glas fest umklammert. Scott setzt sich zu dem Tisch und schaut mich erwartungsvoll an.
„Bitte sag mir, du hast nicht hier in der Küche auf mich gewartet."
„Ach bitte, sei nicht so eingebildet, ich wusste gar nicht dass du hier bist."
„Wieso glaube ich dir das nur nicht?"
Scott lacht leise, doch wird plötzlich wieder ernst.
„Also?", frage ich. Jake wartet sicher auf mich.
„Ich wollte mich nur bei dir bedanken."
Was?
„Was? Wieso solltest du dich bei mir bedanken?"
Jetzt ja nicht lachen Junia, nein, nicht passend.
„Du hast mir irgendwie gezeigt, dass ich Frauen schlecht behandle."
Wow, dem ist wohl ein Licht aufgegangen.
„Immer wieder gerne."
„Ich meine das ernst, Junia."
„Ich weiß Scott und ich bin stolz auf dich, doch wir können nicht zusammen sein."
Er berührt mich wieder am Arm und schon wieder fühle ich mich unwohl.
„Ist mir klar.", meint er nur.
„Gut.", ich versuche aufzustehen doch er hält noch immer meinen Arm.
„Was ist Scott?"
„Jake ist echt ein Idiot, wenn er dich nicht zurück nimmt." Und schon lässt er mich los und geht in Richtung Treppenhaus. Geschockt setze ich mich wieder hin und versuche verzweifelt meine Nerven zusammenzusammeln.
Was war das gerade?
Wieso ist das passiert?
Ich sollte wirklich aufhören in diesem Haus Wasser trinken gehen zu wollen.
Als ich mich auf den Weg mache, um wieder zu Jake ins Zimmer zu gehen sehe ich es erst. Einen Schopf Haare hinter dem Türrahmen. Die Augen der Person starren mich an, seine Mundwinkel sind nach oben gebogen und sein Gesicht ist halb in der Dunkelheit der Nacht.
Wäre dass ich Horrorfilm würde ich schreiend wegrennen. Aber weil das mein Leben ist und ich sonst immer flüchte, bleibe ich stehen.
„Wie lange stehst du schon da?"
„Lange genug."
Er streckt seine Hände aus und legt seine Arme auf meine Schulter, sodass ich in einer Umarmung lande. In einer gutriechenden Umarmung.
„Scott hat Recht, ich wäre echt ein Idiot." Und schon habe ich seine Lippen auf meinen, die mich leidenschaftlich küssen.
Leidenschaftlich, hungrig, heißblütig, brennend. Wie ihr es nennen wollt.
Der Kuss fühlte sich an, wie eine Antwort auf alle Fragen die sich in diesem Moment in meinen Kopf schleichen.
Hat er mir vergeben?
Sind wir wieder zusammen?
Wie fühlen sich noch schnell seine Lippen an?
In diesem Moment waren nur wir beide wichtig, seine Berührung auf meiner Haut und seine Lippen auf meinen.
Jake hebt mich auf, der Muskelmann der er ist, und trägt mich die Treppen rauf, in sein Zimmer.
Wie romantisch.
Wir küssen uns weiter, versuchen so leise zu sein wie möglich und schon wird die Kleidung entfernt. Jede einzelne Berührung von ihm brennt auf meiner Haut und löst einen Schauer von Lust aus.
Ja, ich habe das Wort ‚Lust' verwendet. Deal with it.
Und bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte, passierte es einfach.
Mit Jake.
Dem heißen Briten, der vor einer Stunde noch das Wort ‚Freunde' im Bezug auf uns verwendet hat. Dem heißen Briten der in der ganzen als ‚heißer Brite' bezeichnet wird.
Und man habe ich lange auf diesen Moment gewartet.
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