1. Ich
Langsam blickte ich mich in meinem neuen Herrschaftsgebiet, alias meinem Zimmer, um. Nett. Große Fenster, ein schlichter Eichenholzecktisch und eine knallpinkne Tapete. Meine Mutter hasste mich für diese Entscheidung. Ein gönnerhaftes Lächeln huschte über meine Lippen. Ich bekam immer, was ich wollte. Ich strich über meine mit Postern verzierte Bettkante. Wäre ich jetzt ein Anime-Charakter hätte ich sicherlich Herzchenaugen bekommen. Das wäre toll. Als Anime-Kichi* war es ein nahezu selbstverständlicher Wunsch, in seinen Lieblingsanime eintauchen zu wollen. In meinem Fall war es Naruto, der erste Anime, den ich je gesehen hatte. Ich hatte mir bereits diverse Strategien überlegt, wie ich Konoha die Inkompetenz zusprechen, Gaara knuddeln und Akatsuki auf der Nase herumtanzen könnte. Mein Blick viel auf meine beiden Heiligtümer: Die Itachi Shinden Bücher. Seit ich Itachi das erste Mal gesehen hatte, hatte ich den sehnlichsten Wunsch, dass mein großer Bruder genau so cool sein würde. Aber das war er nicht. Er sah zum einen nicht mal annähernd so gut aus und war zum Anderen auch nicht so talentiert. Und er hatte kein Sharingan, okay, das Kriterium ist fies, aber wen juckts? Ich hockte mich auf meine Akatsuki Bettwäsche und starrte das überdimensionale Madara Poster an meinem Schrank an. Außerdem stand in meinem Zimmer noch ein kleiner Schrein, dem ich eigens dem Zweck gewindmet hatte Jashin-sama zu huldigen. Ich hatte sogar einmal eine Maus geopfert, aber die Sauerei, die dabei entstanden war, war meiner Mutter ein Dorn im Auge gewesen und sie hatte doch tatsächlich meine geistige Gesundheit in Frage gestellt. Sieben (erfolglose)Termine bei einem Psychiater waren die Folge. Nicht, dass es auch nur das Geringste gebracht hätte. Ich, sechzehn Jahre alt, weiblich und Single, war und blieb ein hoffnungsloser Fall. Okay, doch. Ein Gutes hatte diese ganze Aktion, denn meine Mutter war danach so verstört, dass sie mich in den Keller umquartierte um nicht auf dem selben Stockwerk schlafen zu müssen, wie ihre 'psychopathische' Tochter. Das Verhältnis zwischen uns war ziemlich angespannt und wir sprachen nur noch das Nötigste, ebenso verhielt es sich mit meinem zwei Jahre älteren Bruder. Ein wenig machte es mich traurig, doch es war so gesehen nicht meine Schuld, dass sie so intolerant waren und meine Religion nicht respektierten.
Ich stand von meinem Bett auf und trat vor meinen Schrein. Exakt siebzehn Uhr. Zeit zu opfern. Leider hatte ich keine Möglichkeit mehr Tiere hier her zu bringen, daher nahm ich, was ich kriegen konnte. Heute Morgen hatte ich eine Spinne an meinem Fensterrahmen entdeckt und sie, in weiser Voraussicht, sofort in ein Glas gesperrt. Jashin-sama wird es sicherlich erfreuen, endlich wieder das zu bekommen, was er verdiente: Etwas Lebendiges. Falls sich mir nicht die Gelegenheit bot, Insekten oder Ähnliches aufzutreiben, so nutzte ich bei meinem täglichen Gebet mein eigenes Blut. Für viele mag es verrückt klingen, dass eine reale Person eine fiktive Religion auslebte -und anfangs war es für mich auch mehr ein Fangirlbedürfnis, als tatsächliche Gläubigkeit-, doch ich hatte mit der Zeit eine Erfüllung im Jashinismus gefunden, die keine andere Religion zu ersetzen vermochte. Von Jashin fühlte ich mich verstanden. Auch wenn es keine tatsächliche Gemeinde der Jashinisten gab, so hatte ich immer das Gefühl, nicht allein zu sein. Ich lächelte und schraubte das Glas auf, holte das Tier heraus und platzierte es auf einer hölzernen, runden Platte, in die ich das Symbol meines Gottes geschnitzt hatte. Danach griff ich nach dem riesigen Metzgermesser, welches ich einmal habe mitgehen lassen, als ich noch versuchte, mich anzupassen und dachte ich sei cool, mur weil ich irgendeiner dämlichen Clique angehörte. Heutzutage hatte ich verstanden, dass nur wahre Freunde zählten und keiner wollte echt und aufrichtig mit einem Psycho befreundet sein. Mit diesem Gedanken stieß ich das Messer durch den haarigen Leib der Spinne. Das Vieh zuckte noch ein paar Mal, dann gab es sich dem erlösenden Tod hin. Ich zog das Messer wieder heraus und leckte es symbolisch ab. Natürlich hatte es hier, in dieser Welt keinen Effekt, aber es fühlte sich richtig an, alle Elemente des Rituals durchzuführen. Anschließend zog ich die Klinge über mein rechtes Handgelenk. Blut trat aus der Wunde und ich hielt den Arm über den Kadaver, dann begann ich zu beten. Eine halbe Stunde stand ich einfach nur mit ausgestrecktem Arm da, ließ das Blut tropfen, vermischte es mit dem der Spinne, und sagte japanische Gebetsformeln auf.
Als ich fertig war trat ich von meinem Schrein zurück, verbeugte mich und ging dann ins Bad, ich hatte ein eigenes, denn auch diesen Ort wollte meine Familie nicht mit mir teilen. Ich hielt den verletzten Arm in lauwarmes Wasser, welches ich zuvor mit Iodlösung angereichert hatte, um ihn zu desinfizieren, danach wickelte ich Bandagen darum und ging zurück in mein Zimmer. Den Kadaver legte ich zurück in das Glas, dann kippte ich Alkohol darüber und warf ein Streichholz hinein. Dieses Glas war extra für die Entsorgung der Opfer vorgesehen und der Deckel war eigens für diesen Zweck mit Löchern versehen. Aus eben jenen Löchern drang nun Rauch und ich öffnete eines der Fenster und stellte das rauchende Glas hinaus. Danach widmete ich mich wieder dem Schrein, welchen ich mit einem feuchten Lappen vom Blut befreite. Damit war meine Aufräumaktion beendet und ich ließ mich erschöpft auf mein Bett fallen. Nach meinen Ritualen war ich immer ziemlich K.O., was vermutlich auf den Blutverlust zurückzuführen war, aber damit konnte ich leben, denn ich brauchte die täglichen Gebete und Opfer, um mich daran zu erinnern, dass ich frei war, zu tun was mir beliebte und ich einzig dem Willen meines Gottes zu gehorchen hatte. Mit diesem Gedanken fielen mir die Augen zu. Ich war müde. Auch das war normal.
Doch was nicht normal war, war die Tatsache, dass ich mich selbst dabei sehen konnte, wie ich einschlief. Ich sah mich von oben. Meine Seele schien sich nicht mehr in meinem Körper zu befinden. Panik stieg in mir hoch. Was zur Hölle war hier los? *Jashin-sama! Helft mir!*, bat ich in Gedanken, als sich das Bild vor meinen Augen zu drehen begann und plötzlich schwarz wurde.
Ich war allein in dieser Dunkelheit. Fühlte mich verlassen wie nie zuvor. Ich begann zu beten, um die Einsamkeit die mich überkam auszubelenden, flehte meinen Gott an, er möge mir Licht bringen und da geschah es....
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