Unerwartetes Geschehen
Wer in kalter Nacht hier in den Bergen nur ein wenige Decken eingehüllt dazu bestimmt ist, seinen Schlaf an einen Baum angelehnt verbringen muss, derjenige ist wahrlich nicht sehr zu beneiden. Und wenn Derjenige zudem gezwungen ist, ohne die Wärme auszukommen, welche durch ein Feuer abgestrahlt wird, dem ergeht es gleich noch viel schlechter.
So war es also auch in dieser bedeckten Nacht für Sina, Walla und Simon. Aus Sorge, dass ihr Besuch am Huppiner Grabhügel durch unerwünschte Blicke entdeckt wird, wählten die Drei den nahen Wald, welcher vom Ort abgewandt hinter dem Grabhügel lag. Auch wollten sie sich und ihren Aufenthalt hier oben nicht durch einen Feuerschein verraten und preisgeben- so blieb nur die kalte Einsamkeit, welche sich jeder für sich zu stellen hatte.
Walla wand sich hin und her. Unter den zwei Decken, welche ihr geblieben waren, machte sie sich so klein es eben ging, um die Decken so viel wie möglich einhüllen zu lassen. Und von hinten am Rücken drückte die grobe Rinde des hohen Baumes gegen das Fleisch und erzeugte zusätzliches Unwohlbefinden.
Unwohl war Walla auch in anderer Hinsicht. Doch dies hatte nicht mit der Kälte der Nacht oder diesem für Tod stehenden Sinnbild des Grabhügels zu tun. Auch an den Baum im Rücken dachte Walla nicht bei diesem Unwohlgefühl.
Die Gruppe hatte Simon zuerst zu dem am Grabhügel vorgefundenen Kraftort in die Gruft geschickt. Simon war dort auch einige Zeit verblieben und sich die magische Kraft des Ortes angeeignet. Danach hatte sich Sina hinunter in die schon lang ausgeplünderte Grabkammer der Gruft begeben, um auch ihre magische Kraft zu stärken. Doch Sina kam sehr lange nicht herauf.
Walla war daher unwohl, da sie selbst sich schuldig sah, den Magiezufluss ihrer Schwester gestört zu haben. Eine sehr heftige und kaum zu beschreibende Erscheinung hatte Walla, als sie ihre Schwester berührte, um sie eigentlich nur zur Eile zu mahnen.
Und nicht nur dies war der Grund dafür, dass Walla nicht zum Schlaf finden konnte: Es trat die Angst und Sorge um sich selbst hinzu. Denn Walla fragte sich, wie stark die hier im Grabmal des Magiers vorhandene Kraft des Ortes sie selbst vielleicht heimsuchen würde. Wenn allein schon die Berührung ihrer Schwester einen solch heftigen Blitzschlag an Emotionen ausgelöst hatte, wie würde dann die eigentliche Aufnahme der magisch vorhandenen Kraft dieses Ortes erst auf sie wirken?
Lange grübelte Walla über diese Frage nach. Und was für Erscheinungen hatte sie in dieser Situation hier gehabt?
Wie Walla, so gingen auch Sina und Simon fest davon aus, dass Magie gut oder auch schlecht sein konnte. Und alle Drei hatten sich bislang immer nur einzeln den Abläufen einer Aufnahme von Magie am Kraftort gestellt- als Gruppe vereint jedoch noch nie.
Walla beobachtete das Tal. Tiefhängend zogen einige Wolke über den Wald, das Huppiner Tal und auch die Moorfelder Ebene dort weit hinten. Mehr und mehr Lichter verloschen in den Siedlungen.
Erschöpft vom langen Grübeln dämmerte Walla erst in den gesuchten Schlaf, als in der Ferne schon fast der Morgen wieder erstes Licht über die Berge brachte.
Unterbewusst merkte sie nahe Unruhe, verursacht durch das Aufstehen von Simon und später dann von ihrer Schwester, knackende kleine Äste im nahen Umfeld und leises Gerede zwischen ihren Weggefährten. Doch Walla schlief weiterhin fest.
Irgendwann rüttelte jemand an ihrem schlafenden Körper- sacht, jedoch nachdrücklich.
„Walla? Walla, Schätzchen? Schwesterchen? Bist du wach?", Sinas Stimme erwuchs in ihrem noch schlafenden Unterbewusstsein zu einer immer dringender klingenden Stimmlage an.
Und auch Simons Stimme trat hinzu- begleitet von einem etwas kräftigerem Rütteln an der Schulter und dem Haufen aus Decken. „Walla. Wach bitte auf, komm schon."
Walla musste sich zwingen, den fordernden Stimmen zu folgen und die Schlaftrunkenheit des Körpers zu überwinden. Mit eng zugekniffenen Augen begrüßte Walla den Tag- und damit auch die Gefährten. Während der Tag ihr nur Licht in die Augen schien, so waren ihre Schwester Sina und auch Simon schon in Aufbruchsstimmung.
„Walla? Ah- da bist du ja! Komm, steh auf! Und mach wenig Krawall dabei! Wir müssen hier verschwinden- weg von der Waldkante!", forderte Sina mit ernstem Gesicht.
„Wieso? Was ist denn?", fragte Walla schlaftrunken.
„Fremde kommen den Berg hinauf! Fremde zu Pferd- Ritter, wie es aussieht. Komm jetzt, frag nicht weiter! Nimm deine Decken, den Rest haben wir schon zusammengekramt!
Simons Erklärungen waren kurz und knapp.
Walla war schnell wach hiernach, gezwungenermaßen.
Hatte man sie vielleicht doch am Grabhügel gesehen gestern? Dabei hatte man doch aufgepasst. War all das Bemühen und die Vorsicht umsonst gewesen?
„Komm erstmal. Ohne hastige Bewegung! Um die Bäume. Dann gehen wir weiter hoch in den Wald. Die Reiter sind noch recht weit weg, vielleicht haben wir ja Glück und uns hat noch niemand wahrgenommen."
Simon hockte schon hinter dem Baum, als er vorsichtig und leise auf Walla einredete und an ihrer Decke zog. Sofort kroch Kälte unter die Decken, dass es Walla fröstelte.
„Reiter? Oh ihr Heiligen, steht uns bei."
Walla kroch- eingehüllt in die Decken, langsam um den Baum und folgte dann Simon gehockt, bis auch er sich nach mehreren Bäumen erhob und schneller ging- tiefer in den Wald. Sina ging noch ein kleines Stück vor ihm voraus- sich ständig umdrehend. Als sie sich sicher fühlten, blieben alle drei stehen, hockten sich hinter den Bäumen geschützt hin, um dem treiben zu folgen.
Vom Dorf Huppin führte ein kleiner Pfad zu den Bergen hinauf. Von dort kamen die Berittenen. Langsam und im wiegenden Schritt der Pferde bahnten sie sich den Weg herauf. Dann bogen sie über eine offene Weide ab- es zog sie hin zu dem riesigen Grabhügel. Nun konnte man sie auch zählen. Es waren sechs Bewaffnete mit einem rot-schwarzen Wamsüberwurf und ein großer Mann mit einem dicken Schulterfell über leichter Rüstung. Ein zusätzliches Pferd hatte verschiedenste Dinge zu tragen, war dafür aber ohne einen Reiter. Es wurde von einem der Ritter am Führstrick hinterher gezogen.
Simon tuschelte leise. „Das sind Gräfliche Reiter! Du erkennst sie an deren Wams. Rot- schwarz! Die Farben des Grafenwappens."
„Woher weißt du das?", wollte Sina wissen, ihren Blick fest auf das Geschehen gerichtet.
„Sie kommen zweimal im Jahr zu Uns ins Sporntal, wenn sie mit dem Steuereintreiber die Abgaben holen. Recht grobe Gesellen sind das, wenn ihr mich fragt. Ich sehe sie lieber wegreiten, als hier heraufkommen."
Am Grabhügel- dort, wo der Zugang ist- hielten sie an. Nach und nach stiegen die Reiter von den Pferden ab. Der Mann mit dem dicken Schulterfell sah sich erst um, dann ging er etwas abseits am Hügel. Eine der Wachen folgte und stellte sich neben den Mann mit dem Schulterfell- auch zum Hügel blickend. Die anderen hielten die Pferde oder machten sich an dem Tragetier zu schaffen. Sie luden verschiedene Sachen ab.
„Was machen sie?", fragte Walla von weiter hinten, wo sie weniger gut durch die Bäume sehen konnte.
Simon drehte sich schmunzelnd zu Walla um. „Sie pissen!"
Walla senkte den Kopf auf die Seite und zog ein angewidertes Gesicht. Damit zeigte sie Simon ihren Dank für die 'wertvolle' Information, die alles veränderte.
Simon nahm es – wie immer- mit Humor. „Zwei pissen! Die anderen laden die Pferde ab. Keine Ahnung, was sie bezwecken!"
Der Mann mit den Fellschultern gab einige Anweisungen und verschwand kurz darauf im Grabhügel- er hatte sich abgeduckt und war dort in die Gruft hinab.
Zwei Wachen trugen eine kleine Truhe vom Lastpferd herbei und auch sie verschwanden dann mit Truhe in dem Loch, welches der Zugang zur Gruft war.
Kurz darauf kamen die beiden Wachen wieder herausgekrabbelt. Dann entspannten sich die Wachen augenscheinlich. Sie streckten sich durch nach dem Ritt, verssorgten die Pferde, schufen sich einen Lagerplatz und schickten sich an, eine Feuerstelle abzugrenzen.
„Gut! Jetzt sollten wir besser hier weg! Die werden sich Holz besorgen- und das bekommen sie normalerweise hier: im Wald! Also? Auf geht's- leise und schnell!"
Walla fand es gut, wie weitblickend Simon war. Und auch, dass er sich so mühte, Sina und sie zu schützen. So nahmen sie alles auf und suchten das Weite- viel höher gingen sie hinauf und dann um den langgezogenen Felsgrad herum- ohne sich umzuschauen.
Als man sich geschützt glaubte, ließen sie ihre Beutel und Taschen erschöpft niedersinken. Durch die Wolken dringende Sonne wärmte die Leiber der Erschöpften- vorerst wollte man keine Rauchsäule durch ein Feuer schaffen. Ruhen wollte man und etwas von den Vorräten verzehren.
So hielt man sich bis zum späten Nachmittag auf. Dann ging Simon freiwillig zum Spionieren fort und kehrte erst am frühen Abend zurück.
„Sie sind noch dort unten. Ich kann nicht sagen, ob sie vorhaben, über die Nacht zu bleiben. Die Pferde stehen auf der Weide am Hügel und sind abgesattelt. Die Wachen liegen im Gras um ein Feuer, ich glaube zwei haben gewürfelt oder sich mit etwas die Zeit vertrieben."
„Was ich nicht verstehe, was Die hier wollen?", wunderte sich Walla.
„Vielleicht suchen sie ja nach etwas?", meinte Sina dazu.
„Oder Jemanden? Doch dazu- wenn sie nach Uns suchen würden- sind die Wachen sehr entspannt. Als würden sie nur die Zeit absitzen da unten. Das ist alles schon merkwürdig.", meinte Simon.
„Und dieser große Mann mit dem Fell? Konntest Du ihn erspähen? Kennst du den Mann? Er muss wichtig sein, sonst wären nicht die sechs Wachen um ihn herum. Und sie ließen sich von ihm Weisung geben.", hinterfragte Walla bei Simon.
Doch Simon zuckte nur mit den Schultern. „Ich kenn ihn nicht, denke jedoch auch, dass er wohl das Sagen hat."
Doch viel blieb den Dreien nicht übrig, als noch eine Nacht hier zu verbringen. Doch geschützt durch die Felsennase wollte man zumindest am späten Abend ein Feuer machen. Keiner wollte noch eine Nacht frieren müssen. Und am Abend war auch der rauch nicht mehr so gut zu sehen- man musste halt nur ein Glutnest schaffen, dass über die Nacht etwas Wärme gab.
Und so war es dann auch.
Dieser Tag war durch Abwarten bestimmt.
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