Magierkampf
„Los! Sperrt die Wege ab. Lasst die Anderen nicht entkommen!", hörte Simon noch, als er sich ein letztes Mal umdrehte, bevor er in den vollen Straßen von Moorfeld an diesem späten Nachmittag untertauchen wollte.
Mit einem letzten Blick sah er auf Marietta zurück, deren hilfesuchende Augen ihm zuzurufen schienen: 'Flieh endlich! Mach schon. Bring dich in Sicherheit!"
Woher der Hofmagister Ryth mit einem Mal gekommen war, konnte in der Eile und Hast der Ereignisse niemand sagen. Als die Vier auf die Moorfelder Hauptdurchfahrtsstraße, die von Menschen voll belebt war, einbogen, waren die Häscher mit einem Mal direkt vor ihnen.
Ryth kannte jedoch nur Marietta aus den etwas verteilt laufenden Vieren. Sie kam kurz hinter Simon als letzte die Treppen von der Burg herunter.
Hatte man sich soeben noch in Gemeinschaft daran erfreut, heil und unbescholten aus der Burg entkommen zu sein und durch die magischen neu gewonnenen Kräfte endlich ein wesentliches Ziel erreicht zu haben, so liefen sie direkt dem zu Pferd und mit dem Geleit von vier Wachknechten der Grafenwache zu Pferd geschützt, dem Hofmagister Ryth vor die Nase.
Wohl aus einem Reflex heraus, griff Ryth willkürlich in die langen dicken Haare Mariettas.
„Schön hiergeblieben! Wachen! Wachen!", erschall sein Rufen über die Straße.
Niemand konnte ihr so schnell Hilfe geben, um sie dem festen Griff Ryths zu entziehen.
„Wachen! Zu mir! Alle zu mir! Haltet diese Frau!"
Dass die Wachen erst von den Pferden heruntermussten, verschaffte Walla und Sina den Vorteil, sich schnell hinter einer Häuserecke auf der Gegenseite der Straße verstecken zu können. Auch Simon strebte- schnell gehend, dieser Stelle zu, als er das alarmgebende Rufen hörte.
„Simon! Komm. Nun mach schon!", forderte Walla, die auch sah, dass Marietta durch Ryth in den Haaren ergriffen worden war.
Marietta wollte sich geschickt daraus entwinden, um vielleicht doch noch die Flucht ergreifen zu können, doch die Wachen waren zu nahe und flink mit langen Spießen auf sie zugekommen. Angsterfüllt blickte Marietta Simon hinterher- wohl auch in der Suche nach Hilfe, erkannte sie jedoch, dass sie hier nicht entrinnen konnte. Sie zeigte mit einer Handbewegung an, dass Simon fliehen sollte, dann ließ sie sich leicht und unter starkem Schmerz auf dem Kopf leicht absacken, wollte sich herauswinden- um jeden Preis.
Es gab kein Entrinnen.
Ryth zog sie an den langen Haaren wieder etwas hinauf, schlug ihr dann fest ins Gesicht. Dann ließ er sein Opfer los und stieg vom Pferd, in der Gewissheit, dass nun alle vier Wachen auf Marietta aufpassten.
Marietta war in die Knie gegangen, ob des schweren Hiebes. „Du dreckiges Schwein!", fauchte sie Ryth an.
Nun bemerkte sie Simon auf der anderen Straßenseite, der immer noch mit sich rang, ob er einschreiten solle. Marietta schüttelte leicht den Kopf, winkte in sacht weg. 'Flieh!', schien sie zu sagen.
Tiefbetrübt zog sich Simon zurück, folgte Walla und Sina schnell nach. Sie flohen durch die Gassen, hin zum nördlichen Stadttor, durch welches sie sodann entkamen.
Marietta sah sich umstellt- verloren sah sie sich selbst.
Vier Wachen und Ryth selbst.
Doch eine Hoffnung hatte Marietta: Vielleicht war dies der Moment, ihre magischen Kräfte in einen Kampf der Magier zu bringen, um sich vielleicht doch noch aus der Umklammerung und vor Haft und Folter durch Ryth lösen zu können. Doch dafür musste sie kämpfen- und musste erfolgreich kämpfen- zumindest Ryth ausschalten durch das Gefecht.
Ryth klatschte lautstark seinem Pferd auf den Hintern, damit dieses sich fortbewegt. Dies gelang ihm. So hatte er nun auf der Straße freien Blick auf sein Ziel.
„Marietta! Welch überaus unerwartetes Vergnügen. Was haben du und dein Vater diesmal vor? Wo ist der alte Chisto überhaupt? Chisto? Bist du hier? Komm hervor aus deinem Rattenloch!", rief Hofmagister Ryth lautstark über die Straße und drehte sich dabei siegestrunken im Kreis einmal.
Doch niemand antwortete oder zeigte sich.
Die Leute stieben immer weiter verängstigt auseinander. Mütter suchten ihre Kinder zu schützen vor einer Gefahr, die sie nicht verstanden oder einzuschätzen vermochten. Gaffer machten aus verstecken heraus lange Hälse. Pferde wieherten.
„Ihr müht Euch umsonst, Ryth! Mein Vater ist nicht hier. Er kann Euch somit unmöglich hören! Und ich? Ich habe nichts getan, was die Wachen gegen mich bringen sollte. Ihr vermutet nur Schlechtigkeit, wo keine- außer Euch selbst- vorhanden ist!", verkündete Marietta lautstark, dass alle im Umfeld es hören konnten. „Ich war hier nur zum Markttag! Allein bin ich hier."
„Und deine mutigen Spießgesellen? Was habt ihr ausgefressen? Wo sind sie denn? Kommt denn niemand hervor, um dich zu retten oder dir zu helfen?", tönte Ryth erneut.
„Ich werde jetzt gehen, wie jeder Unbescholtene es darf. Oder macht mir einen Vorwurf. Wenn nicht, so gehe ich auf der Stelle. Und hütet Euch."
„Deine gut gewählten Worte werden dich nicht schützen. Nicht dieses Mal. Jeder weiß doch, dass du dich gegen den Grafen verschworen hast! Und gegen mich! Soeben hast du mir Widerstand geleistet, oder nicht?"
Marietta bewegte sich zum Fortgehen und warf den Bewaffneten, die immer noch auf sie mit Spießen gerichtet standen, einen bösen Blick zu. Dann fragte sie die Wachen. „Habt ihr gesehen, dass ich mich gegen Graf und Ryth verschworen habe? Habe ich hier etwas Unrechtes getan, weil ich nur auf den Markttag gegangen bin? Senkt Eure Waffen gefälligst!"
Und tatsächlich- die Wachen waren sich wohl unsicher und uneins. Einer ließ seinen Spieß senken, ein zweiter Waffenknecht schien noch mit sich zu ringen, sein Spieß senkte sich ebenfalls leicht.
Das brachte Ryth noch mehr auf.
„Heda! Wem glaubst du? Der Hand, die dich füttert und dir Hacksilber gibt? Oder einer gefälligen metze, die mich und den Grafen mehr als beleidigt und eine Gefahr für alle darstellt?", geiferte Ryth.
„So? Ich bin es, die hier eine Gefahr für die Menschen sein soll? Dann will ich hier, wo alle es vernehmen können, doch an Euch die Frage richten, wie es um die Kinder der magisch begabten Familien in diesem Land steht, die Euch in jedem Jahr einmal zu den Hochfesten zur 'Erwählung eines neuen Schülers' vorgestellt werden, damit ihr Euch einen neuen Magisterschüler erwählen könnt?", schrie Marietta, woraufhin ein großes Raunen unter den Leuten an den Rändern der Straße zu hören war.
Damit hatte sie Ryth wohl am richtigen Punkt getroffen und mit Worten vor allen Leuten hier verletzt.
„Halts Maul!", schrie Ryth wütend.
„Wo sind denn all die vielen Schüler, die ihr mittlerweile haben müsstet? Fragt sich denn das niemand? Doch! Ich frage Euch. Wo sind denn Eure zahlreichen Schüler? Habt ihr sie alle weggesperrt vor der Welt? Ich sage, ihr habt sie getötet, um sie ihrer magischen Fähigkeiten zu berauben. Weil sie vielleicht eines Tages zu einer Gefahr für Euch geworden wären!", klagte Marietta an.
Nun ließ die unschlüssige Wache auch ihren Spieß senken und sah zu Ryth herüber. Der atmete tief durch, entschlossen, Marietta jetzt mundtot zu machen.
„Dann mache ich es eben selber!"
Mit schnellem und entschlossenen Schritt ging er auf Marietta zu- wendete einen Donatus- Zauber dabei an, die Hände aus der Hüfte heraus in Mariettas Richtung schiebend.
Lautes Schreien erklang auf der Straße. Entsetzen machte sich breit.
Doch Marietta gab nicht klein bei. Sie setzte dem einen Secura- Zauber sofort entgegen, der den Streuzauber heftig in die Erde schleuderte, was Dreck und Staub in großer Menge aufwirbeln ließ und umherschleuderte. „So verhält es sich also? Ist dies das Verhalten eines Unschuldigen? An euren Händen klebt das Blut der Kinder und der Leute dieses Landes!"
Erzürnt ging Ryth weiter auf Marietta zu, schleuderte zwei weitere Donatus- Zauber auf die junge Frau.
Wehrte Marietta den Ersten in gleicher Weise ab, so gelang es mit dem nachfolgenden wegen der schnellen Ausführung nur schwer. Durch die Ablenkung des Secura wurde Ryths Pferd an den Beinen getroffen und das arme Tier stürzte von einem Moment zum anderen Moment jammernd auf den Boden der Straße. Dann quietschte das Tier unter seiner Verletzung.
Marietta schenkte dem kaum Beachtung, sie musste sich auf Ryth konzentrieren und auf die erneute Abwehr, der sie selbst diesmal einen Donatus folgen lassen wollte. „Ich sage: Ihr Ryth seid ein Mörder! Euer Kopf gehört dem Henker!"
Ryth schickte erneut einen Donatus- Angriff. Diesmal jedoch besser von Marietta pariert. Nun ging auch Marietta auf Ryth- im großen Kreis um ihn bewegend- zu, setzte ihrerseits einen Donatus ein.
Ryth lenkte ihn kurzerhand einfach in die Menschengruppe an einem Haus zur rechten Seite. Holz zerbarst, Splitter und Dreck flogen herum. Ein alter Mann brach zusammen.
„Und so ergibt sich eine Unschuldige dem Gesetz? Verbreitet Lügen und bedroht einen Magister? Einen Mann von hohem Stand? Ich zeige dir, wo dein Platz ist!", rief Ryth zurück- alle Aussagen von Marietta ignorierend.
Drei Donatus folgten zu Marietta hin- aus verschiedenen Winkeln durch Ryth angegriffen.
Der dritte warf Marietta zur Seite um. Sie suchte sich schnell wieder zurecht zu finden. Doch war sie an linker Hüfte und dem linken Bein verletzt. Sie humpelte.
„Du bist mir unterlegen! In jedweder Hinsicht! Mit deinem Können bist du mir nicht gewachsen. Deine Magie ist lächerlich!", spottete Ryth und schickte zwei weitere Donatus- Angriffe auf Marietta.
Erschöpft, verletzt und nur wenig konzentriert gelang es ihr nur die Angriffe mit schwach geführten Secura- Zaubern entgegen zu treten.
Dann wollte sie sich durch einen eigenen Donatus befreien, den Ryth jedoch mit spöttischem und bösartigem Lachen wegwischte und erneut einen starken Donatus zu Marietta herüber sandte, der sowohl Marietta als auch einen Mann seiner eigenen Wache traf.
Marietta wehrte geschwächt in letzter Sekunde ab.
Für die zu nahestehende Wache kam jede Hilfe zu spät. Wie ein Stein kippte er tödlich getroffen einfach nach hinten um und schlug in ganzer Länge seines Körpers auf der Straße auf.
„Wieder ein Menschenleben, welches ihr auf dem Gewissen lasten habt!"
Erneut bewirkte Marietta einen Donatus, den Ryth zu Boden hin abwehrte.
Dann schnellte Ryth mit einer schnellen Bewegung im Zick- Zack wie ein Hase auf Marietta zu, die sich kurz darauf mit dem Dolch von Ryth am Hals ausgesetzt sah.
„Du kannst nicht gewinnen. Die Magie, welche du in dir trägst ist nur ein Bruchstück dessen, was ich mir an magischer Macht angeeignet habe.", tuschelte Ryth der verletzten und bedrohten Frau entgegen. „Und deinen Vater hole ich mir auch noch. Bei nächster Gelegenheit! Mit dir habe ich einen sehr schönen Lockvogel, um den alten weisen Mann zu mir zu holen. Dann habe ich Euch Beide endlich getilgt vom Antlitz meiner Welt." Noch näher rutschte Ryth an Mariettas Ohr heran. „Und deine Magie hole ich mir dann auch."
Marietta erkannte, dass sie geschlagen war. Doch wollte sie ihren Vater nicht vor ihren Augen leiden sehen- sie wusste, warum. Wenn Ryth sie töten wollte und ihrer Magier berauben, so sollte es besser gleich hier sein- vor aller Augen, damit alle Umstehenden die Wahrheit erkennen konnten.
Marietta entwand sich zur Seite aus dem harten Griff des Hofmagisters.
„Nein!", schrie sie noch in den Abend der Stadt hinein, dann spürte sie einen hart geführten Klingenstich in der Brust.
'Wenn dies mein Ende ist, so soll meine Magie freiwillig an jemanden übergehen, der es würdig ist, sie zu erhalten.', dachte sich Marietta im Ringen mit dem Tode. Sie konzentrierte sich ein letztes Mal. Nur einmal musste dieser letzte Zauber gelingen- ein Zauber, den man selbst nur einmal wirken kann. Ein Zauber, der die eigene Magie in freien Stücken an einen selbst frei gewählten anderen Magier abgibt, damit er diese Magie in besserer Weise für sich fortnutzen kann.
'Neodomus!', dachte sich Marietta konzentriert.
Kurz darauf sank alles Leben aus Mariettas Körper- hier auf den staubigen Straßen von Moorfeld.
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