Ellrick
Im Hof der inneren Burg herrschte Aufregungen. Der gräfliche Hofmagister Ryth war aus dem Lager Salfurth zurück an die Burg gekommen- doch mit unerwartetem Gut auf einem der Pferde.
Alle erschienen auf dem Treppenaufgang und dem Wehrgang, um zu sehen, was sich hier tat. Auch die Mutter des Schwarzen Grafen, Frau Barbara, die Gräfin Frik, Kämmerer Hubert sowie die Kinder des Grafen, Nilan und Ellrick waren unter den Schaulustigen.
Ellrick, dem in der Abwesenheit des Grafen die Angelegenheiten der Burg übertragen war, kam die Treppe von den Obergeschossen herunter, um zu sehen, was hier am Abend Unruhe brachte.
Ryths Gewänder waren über und über mit Dreck, Blut und Blutspritzern bedeckt.
Die Pferde standen im Hof. Knecht Melchior kam aus den Stallungen schnell herbei, um sich der Tiere anzunehmen.
Ein Pferd wurde in den Hof hereingeführt, über den Sattel war der leblose Körper einer Frau geworfen.
Drei der Männer der Wache, die Ryths Gefolge stellten, waren eher stumm und wortkarg, als dass man ihnen etwas entlocken konnte. Sie hatten Angst im Gesicht.
„Los! Schafft sie runter, wie ich es euch angewiesen hatte.", forderte Ryth von seinen drei Begleitern.
„Ryth? Was ist hier los? Wer ist das?", hinterfragte Ellrick.
„Es wird soundso morgen in aller Munde sein. Diese Hexe hat mich unten in der Stadt auf offener Straße angegriffen. Vor vielen Zeugen sogar.", erklärte sich Ryth, beobachtete aber, wie der tote Körper der Frau durch die stummen Wachknechte vom Pferd gezogen und in den Keller geschleift wurde.
Als die Wachen die tote Frau über den Hof zur Kellerpforte schleiften, drehte sich der Kopf der toten zur Seite, so das leblose offene Augen zum Himmel über der Burg blickten. Er kannte das Gesicht. Diese Frau war eine der Frauen, die vor kurzer Zeit mit der schönen Sina hier in die Burg kam. Waren jetzt alle hier in Gefahr?
„Ein Attentat auf Euch? Am helllichten Tage? Mitten in der belebten Stadt? Und? Ist das die Frau? Wer ist sie?", wollte Ellrick erklärt bekommen.
Ryth klopfte seine Handschuhe aneinander, dass Staub ab wirbelte.
„Ja. Das ist sie. Eine magisch begabte Hexe. Ihr Name ist Marietta. Sie ist- sie war die Tochter des Bleckenbecker Bibliothekars. Sehr gefährlich, muss ich sagen. Überaus mächtig an Magie und sehr bewandert in ihren magischen Künsten. Da hatte bestimmt ihr Vater die Hände im Spiel. Wir sollten ihn sofort Arrestieren. Bibliothekar Chisto ist ein sehr verschlagener Mann. Er verbreitet Lügen."
Ellrick konnte den Leichnam nur kurz ansehen, doch da klaffte eine erkennbare Stichwunde.
„Haben die Wachen sie getötet?"
„Nein. Sie hat sich selbst getötet, indem sie mich angriff. Ihr Angriff lenkte jedoch von der Flucht einiger Mitverschwörer ab, die wohl mit ihr unterwegs waren. Die haben sie einfach zurückgelassen."
„Dann waren da noch mehr Attentäter gegen Euch?" Ellrick konnte es kaum glauben. Sollte er sich so in Sina und ihren Gefährten getäuscht haben?
„Die anderen Attentäter flohen und entkamen nur, weil diese Hexe alle Männer gegen sich aufbrachte. Sie erschlug eines unserer Pferde und tötete einen der Bewaffneten durch einen Zauber. Nur mir ist es zu verdanken, dass nicht mehr passiert ist. Gegen meine magischen Kräfte kam sie jedoch nicht an.", log Ryth, die Ereignisse verfälschend. „Der Angriff war für uns alle ungünstig gewählt. Euer Vater verhandelt derzeit am südlichen Grenzpass mit den Feinden. Sein Ansehen unter den hochgestellten des Reiches steigt von Stunde zu Stunde. Ich selbst wollte nur einige Dinge besorgen und dann schnell zum König und seinem Heerlager nach Salfurth zurück. Um den König ist es nicht gut bestellt. Er liegt im tiefen Schlaf seit Tagen. Und jetzt noch diese Widerständler im Land? Das kann nicht gut sein für unsere Absichten."
„Und diese Stichwunde? Dort- in ihrer Brust?"
„Wohl im Kampf durch eine der Wachen. Alles ging so schnell. Doch ebenso schnell war es vorbei!"
„Und? Was habt ihr mit ihr vor, dass ihr den Leichnam in unseren Bierkeller schaffen lasst?"
Ellrick bestand auf Aufklärung. Eine Leiche im Vorratskeller könnte Ratten anlocken- oder Schlimmeres bewirken. Darüber hinaus war es dem Ruf der Burg nicht zuträglich. Die Wachen und auch die Leute würden schlecht reden.
„Ich will sie nur in Ruhe durchsuchen. Mit magischem Blick suche ich nach Antworten. Gleich morgen früh fange ich damit an. Hilfe benötige ich dafür allerdings nicht, solltet ihr Euch anbieten wollen. Auch tote Hexen stellen noch eine Gefahr da. Morgen werden wir die Leiche vom Henker der Stadt wegschaffen und verscharren lassen.", beschwichtigte Ryth den Grafensohn.
Die Grafentochter Nilan kam die Treppe herunter. Dies hatte Ellrick schon befürchtet. Er ließ Ryth mit all seinen Plänen und Absichten im Hof zurück, um seine Schwester noch auf der Treppe abzufangen- nicht das Nilan noch davon erzählte, dass die Tote heute mit weiteren Personen an der Burg war.
„Nilan komm. Das ist nichts für deine Augen. Lass uns hinauf gehen in die Kemenate. Ich will dort mit dir reden.", drängte Ellrick seine Schwester ab von Ryth und dem blutigen Geschehen.
Ellrick besaß den Vorzug einer eigenen Kammer nahe den Frauengemächern. Hier hinein brachte er seine Schwester. Er forderte Milan auf, ihm alles genau zu schildern, was sich am Nachmittag ereignet hatte.
Nilan tat dies, fühlte sich schuldbeladen.
„Habe ich etwas Falsches gemacht? Hätte ich Sina und ihren Freunden die Höhle nicht zeigen dürfen?", fragte das Mädchen.
„Alles ist gut, Nilan. Doch zu niemanden ein Wort. Versprich es mir.", forderte Ellrick mit ernster Miene und besorgtem Blick. „Weder zu Vater, und schon erst recht nicht zu Ryth. Zu keinem, auch Mutter nicht!"
Nilan nickte. „Ja. Ich verspreche es."
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