Ein Zeichen setzen?

Simon hatte einen Zuber- Bottich am Haus mit frischem Wasser der nahen Quelle befüllt, den seine Besucher für die Reinigung von Körper und auch der eigenen Sachen nutzen konnten. Zuerst erhielten die zwei Schwestern dieses Privileg, während sich die Männer in der Hütte aufhielten.

Die Sachen von Bowien und Urien allerdings konnte man nur noch den Flammen anvertrauen, so verschlissen waren sie über die lange Zeit ihrer Inhaftierungen.

Simon hatte noch alte Sachen seines Vaters in der Truhe, die zur Überraschung Bowiens sehr groß ausfielen und durch ihn getragen werden konnten. So behielt Bowien nur seine alten Schnürschuhe, um an das gewesene erinnert zu werden. Auch Urien fand in der Truhe Sachen, welche er mit wenig Problemen tragen konnte. Und ein altes Paar Stiefel von Simons Vater passte Urien überraschend gut, denn der kleine Mann hatte doch recht große Füße.

Sina und Walla waren nach dem Bad im Zuber erkennbar erleichtert. Während sie sich am Feuer in Decken gehüllt erschöpft ausruhten, war es an Bowien, sich dem Wasser hinzugeben.

Urien bewunderte immer noch seine neuen Gewänder. Dennoch warf er eine Frage in der Runde auf.

„Was meint ihr? Kann man dem Bowien überhaupt vertrauen? Ihr wisst, dass er früher einmal der Hauptmann der Grafenwache war? Haltet ihr es da nicht für seltsam, dass man ihn einfach so wegsperrte? Glaubt mir, da ist sicherlich mehr im Spiel, als Bowien uns wissen lassen will.", gestand Urien ein.

„So?", fragte Walla. „Wenn ich seine Geschichte anhöre, dann klingt sie fast glaubhafter, als die Geschichte, die Du zu erzählen hattest. Doch zweifelte ich daran ebenso wenig. Ich traue Euch Beiden! Wenn es an dem ist, was Bowien sagte, dann hat er wohl den meisten Grund von Uns allen, Ryth und Torgyff zu verachten und bestrafen zu wollen."

„Das sehe ich auch so.", positionierte sich Sina auch zu Bowiens Geständnis. „Die Frau und das Kind verloren, das eigene Obdach als Grab seiner Lieben ansehen müssen und die Foltern dieses Torgyff? Du kannst sagen, was du willst- Bowien sollte seine Rache bekommen nach meiner Meinung."

Simon verhielt sich ruhig, während die Drei sich besprachen. Er kannte weder den großen noch den Kleinen Mann. Doch er vertraute Sinas und Wallas Urteil.

Simon hatte sich um den Verletzten gekümmert. Auch für Densell lag ein weites Leinenhemd bereit, würde er sich durch den Schlaf erholt und gestärkt zeigen. Sie Salben mit Kräutern, welche Simon auf die frischen Wunden aufgetragen hatte, sollten bis zum morgigen Tag eine gewisse Wirkung entfalten und die Wunden schließen.

Was an seelischen Wunden bei allen Entflohenen in seinem Haus vorhanden waren, würde wohl niemals vergehen.

Doch gute Worte allein machen nur schwerlich satt. Daher wollte Simon am Morgen zu einem nahen Bauerngehöft aufbrechen, um etwas Nahrung zu erbitten. Daher hoffte Simon, Urien würde nicht genauso an ihm zweifeln, wenn er seine Besucher allein in der Hütte lassen würde.

Bowien kam zurück in die matt erleuchtete Hütte. Er winkte Urien zu, sich einem Bad zu stellen.

Doch Urien zögerte, da Bowien eine nicht uninteressante Frage in den Raum stellte. „Und? Wie soll es jetzt weitergehen?"

Mit Schweigen sah man sich an. Im Raum waren jedoch zwei, die ihre Pläne hatten. Sina war eine davon.

„Walla und ich sollten entweder nach Haus zu Vater gehen- jetzt, da die Flucht erfolgreich war- oder den Bibliothekar Chisto aufsuchen. Er ist ein kluger Kopf und könnte uns Rat geben."

Für Bowien lag sein Ziel deutlich vor Augen. „Ich will nur meine Rache haben, um meinen Seelenfrieden für meine Familie zu machen. Das bin ich ihnen schuldig. Doch wenn ihr entscheidet, ein bedeutendes Zeichen gegen Torgyff und Ryth zu setzen, so würde ich mich Euch gern anschließen. Ich bin zwar magisch nicht begabt und von keiner Blutlinie mit Magie abstammend, aber einen Kämpfer könnt ihr sicher gebrauchen. Was nach der Rache wird? Keine Ahnung, aber für kräftige Arme wird es sicher irgendwo Arbeit geben- vielleicht auch außerhalb der Grafschaft, wenn es sein muss."

Walla blickte zum verletzten Densell, dann zu Simon. Sie überlegte ebenfalls, doch wollte ihr keine Lösung einfallen, die allen gerecht werden konnte. Würde man, wie Sina vorschlug, zum Vater Gunther zurückgehen, so lief man Gefahr auch den eigenen Vater irgendwie in diese Ränkespiele der Grafschaft zu bringen, was auch den Vater mit Sorgen oder gar Haft beschweren würde. Wer weiß, wie lange man unerkannt leben könnte- nach all dem Gewesenen und der Flucht. Densell? Der war sicherlich bei seinen Gefährten um die Geistbewahrerin Ranka gut aufgehoben- doch wie lange konnte deren Leben und Kampf gut ausgehen? Auch dies stand in den Sternen. Bowien wollte Torgyffs Kopf. Und sicherlich würde er einen Konflikt mit Torgyff suchen, um sich seinem Peiniger stellen zu wollen. Und Urien? Seine Absichten waren nicht so ganz zu durchschauen. Vielleicht würde er Kameraden aufsuchen, welche ihm noch zur Seite stehen? Vielleicht zog es ihn aus der Grafschaft fort? Doch sicherlich, wenn er sich zu Kämpfen durchringt, wäre er ein nicht zu unterschätzender Kämpfer- so kräftig, wie er war. Und Sina? Sie galt es zu schützen. Ihr durfte- egal, wie es nun weiterging- nichts geschehen. Ebenso Simon. Auch Simon könnte das Wenige, was ihm wichtig war, verlieren. Ebenso Chisto und Marietta, wobei diese Zwei sicherlich stetig in Gefahr lebten, so lange sie dem Magister Ryth ein Dorn im Fell waren. Und Walla, Sina und Simon konnten nur froh sein, dass sie den Oberen der Grafschaft bislang nicht groß aufgefallen sind.

Für Walla war alles sehr verwirrend. Und es schien auch alles so unglaublich verteilt zu sein in der Grafschaft. Die Kristalle vergraben im Tal bei Gillberg im Südwesten, Ranka stand im Osten, Bleckenburg mit dem hilfreichen Bibliothekar und seiner Tochter in Bleckenburg im Süden. Sie selbst waren im Sporntal im Westen, das Zuhause lag im Nordwesten der Grafschaft und der letzte zu erreichende Kraftort direkt in der Mitte- unter einer befestigten und bewachten Burg.

Wie sollte man nun vorgehen? Was sollte man zuerst tun?

Walla hatte das Empfinden, sich auf allen Seiten von hohen Mauern umgeben zu fühlen, was ihrem Drang nach Freiheit begrenzte und einschränkte. Es waren einfach zu viele Möglichkeiten, die jedoch zusammengenommen keine Lösung im Großen und Ganzen aufzeigten.

Simon meldete sich- als würde er um Wallas Sorgen wissen. „Ich bin der Meinung, dass ihr- oder wir, wenn ihr es so wollt- gerade jetzt nichts überstürzen solltet. Solange Densell noch verletzt ist, solltet ihr selbst auch wieder Kraft schöpfen. Ihr könntet hierbleiben, solltet Euch jedoch nicht groß im Freien sehen lassen. Ich kann mich umhören in den Höfen von Spornklamm. Und falls ihr das Gefühl habt, hier nicht mehr sicher zu sein, so würde ich euch raten, in einer der vielen kleinen Höhlen oberhalb der Rodaer Klamm abzutauchen. Dort würden sie niemals suchen. Ich werde mich erst einmal um Nahrung kümmern. Mir schulden noch einige Leute einen Gefallen. Beratet euch. Ich werde mich aufmachen zu den Bauern im Tal und bin heute Abend zurück."

Simon hatte sich einen Beutel über die Schultern geworfen. Mit kurzem Lächeln zwinkerte er Walla zu, bevor er seine Hütte ins Freie verließ.

„Die Frage ist, ob sie noch nach uns suchen?", stellte Urien in den Raum. „Wir sind – und mir fällt es schwer, das zuzugeben- nicht gerade ein unauffälliger Haufen. Wenn ihr versteht, was ich damit sagen will."

Jeder verstand es.

„Ich habe Euch magisch Begabten immer ein wenig Misstrauen entgegengebracht. Doch kann ich nicht in Worte fassen, was die Ursache dafür ist. Doch wenn wir eine Lösung suchen, so wird es nicht ohne Euch gehen. Auch wenn ihr Zwei uns nicht alles über eure Reise und die Notwendigkeit dafür gesagt habt, so erkenne ich dahinter einen gewichtigen Grund für Euch- ja vielleicht sogar für uns alle. Ich schlage daher vor, dass wir Euch helfen und unterstützen, diese Unternehmungen zu den Kraftorten zu gelangen, abzuschließen.", schlug Bowien vor.

Sina wusste so recht nicht, was sie beitragen konnte. Doch schätzte sie die Meinung Wallas, sie selbst schützen zu wollen.

Walla rieb sich die Stirn. All diese Überlegungen mussten doch zu irgendeiner Lösung führen können.

„Ich sehe nur drei Wege aus unserer Situation. Die erste ist dumm und ziemlich plump. Wir ziehen zur Burg Moorfeld, stellen uns dort und erklären die Missverständnisse dort. Oder wir drei magisch Begabten versuchen dort Einlass zum Kraftort zu bekommen- einfach so, ohne Trubel und ohne Gewalt. Die zweite Möglichkeit könnte so aussehen, dass wir die Kräfte bündeln, die eine Veränderung in der Grafschaft suchen. Wir drei Magier folgen Sinas Vorschlag und suchen Chisto und Marietta auf, lassen uns dort schulen und beraten. Doch bis wir bereit sind, wird es Zeit brauchen. Densell, wenn genesen, geht zu Ranka und ihren Leuten. Sie haben Erfahrung in Magie und Kampf. Bowien versucht, noch einige Krieger für unsere Sache zu gewinnen, Urien ebenfalls. Jeder von Uns muss mit Leuten sprechen, denen es wie uns ergangen ist. Wir ziehen verdeckt aus allen Richtungen unsere Kräfte zusammen und bringen dann unser Anliegen an der Burg vor- notfalls mit List und Nachdruck. Oder wir schlagen der Schlange mit Gewalt den Kopf ab, so wie es Bowien vorhat. Da sehe ich den Hofmagister Ryth und diesen Folterer Torgyff als diejenigen, auf die sich der Zorn entladen muss. Das wäre mein dritter Weg, den jedoch nicht alle mitgehen sollten. Nur dann könnten wir etwas verändern, auch wenn es nicht viel ist und uns erneut in Gefahr bringen wird. Auf dem vierten Pfad, sich einfach untätig zu verhalten und zu hoffen, dass sich alle Probleme und Schwierigkeiten in Luft auflösen, können wir uns nicht verlassen. Dafür sind unsere Gegner und Feinde zu mächtig im Land. Wir wären nicht sicher und auch unsere Familien und Freunde nicht. Angst und Vorsicht wären unsere ständigen Begleiter."

Bowien stand von seinem Hocker auf. „Mädchen, wenn ihr allein an die Burg geht, dann legt ihr eure Hälse in die Schlinge des Galgenstrickes. Glaubt mir. Viel könnte viel bewirken. Meine Rache kann warten, bis wir stark genug sind. Und ich wüsste schon ein paar Männer, die uns helfen könnten. So lasst uns den starken Weg gehen."

Auch Urien schien von diesem Vorschlag angetan und mitgerissen. „Dann diesen Weg. Den gemeinsamen Weg! Doch benötigen wir dennoch gute Waffen- nur für den Fall. Gute Pläne haben oft den bitteren Beigeschmack, dass etwas geschieht, was alles gefährden und verändern kann. Und unsere Gegner sind gerissen und mächtig."

Bowien überlegte. „Wenn wir uns sammeln, so sollte es ein guter Ort sein, der leicht verteidigt werden kann. Wälder, weitläufige Täler- so etwas bietet sich an. Es sollte jedoch nahe an Moorfeld sein."

Walla und Sina überlegten.

„Die Huppiner Wälder? Oberhalb des Grabhügels? Sie ziehen sich breit durch die Täler bis hinauf zu den Almen, bieten Schutz und eine Fluchtmöglichkeit. Oder die Wälder östlich Moorfeld- hinter dem Heldenmoor im Tal. Da könnten wir in die östlichen Lande fliehen, sollte es zum Äußersten kommen.", schlug Walla vor

„Dann der Huppiner Wald. Man kann sehen, wer sich aus dem Tal nähert und in welcher Mannstärke." Bowien hatte Erfahrung im Kampf. Wenn er diesen Ort für gut befand und ebenfalls vorschlug, dann konnte- dann musste- man ihm vertrauen, auch wenn man sich selbst nicht sicher war.

Auch Urien nickte zustimmend. Er kannte die örtlichen Gegebenheiten wohl ebenfalls. Binnen eines Tages konnte man bis Moorfeld ziehen und notfalls auch einem Gefecht gegen überlegene Gegnerzahl ausweichen. Man kämpfte bergab- ein weiterer Vorteil, sollte man überrascht werden. „Ja. Dann Huppin. Der große Nordwald soll uns schützen und verbergen."

Bowien ballte die Faust der rechten Hand und hielt sie in die Mitte der Verschwörer. „Wir werden ein Zeichen setzen, dass Moorfeld braucht. Die Menschen brauchen es. So kann es nicht weitergehen. Wir überlegen uns eine gute List. Möge das Glück auf unserer Seite sein."

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