Das Unwetter

Beim Weg ins Tal zeichnete sich ab, dass sich am Himmel über den Tälern ein Unwetter zusammenbraute. Hier in den Bergen war man derartige Launen der Natur gewohnt. Das Wetter schlug schnell um- wo eben noch Sonne durch Wolken bracht, zogen tiefhängende Wolken nun dicht einher. Satt an Feuchtigkeit gingen kleinere Nieselregen nieder und verkündeten einen erwartbaren ragen. Doch die dunklen Wolken waren auch Vorboten von Blitz und Donner, einem himmlischen Zeichen von Ungemach vor dem man sich besser schützen sollte.

Unterhalb von Huppin geht das Huppiner Tal in die langgezogene Ebene vor Moorfeld über- doch bis in die Stadt würde man es nicht schaffen, dies war den drei Weggefährten schnell bewusst.

„Wir sollten uns schnell ein Dach über dem Kopf verschaffen. Es wird wohl sicher ungemütlich."

Walla sprach aus, was alle Drei dachten.

„Wir könnten in den Wald, doch sollten wir nicht zu nahe an die Felswände. Irgendwo wird es doch ein Obdach geben." Auch wenn Simon Hoffnung geben wollte, dies fiel ihm schwer- angesichts des Drohenden. „Noch ist es Niesel, doch Der wird stärker."

Das Heldenmoor lag schon nahe. Dieses Gebiet aus Moorgebiet, kleinen Seen und Erdhaufen war links der Straße, welche sich mehr und mehr von einem gangbaren Weg in einen schlammig anfühlenden Untergrund wandelte.

Ein Karren, der in der Gegenrichtung bergan wollte, hatte schon Probleme, so dass der Bauer das Pferd antrieb, an seitlichen Rändern zu gehen.

Sina sprang über ihren Schatten und sprach den Bauern an. Sich eine Decke über den Kopf haltend gegen den Regen erfragte sie freundlich, wo man sich hier Schutz suchen konnte.

„Gar nicht!", bekam sie kurz angebunden zur Antwort. „Entweder ihr geht zurück bis Huppin oder ihr rennt in die Stadt. Wenn ihr helft, könnt ihr bei mir im Stroh beim Vieh übernachten. Doch nass werden wir in jedem Fall alle werden."

„Wo müsst ihr hin?", mischte sich Simon ein. „Wenn es nicht zu weit ist, schaffen wir Uns alle ins Trockene zurück."

Der Bauer musste trotz des Regens und seiner wohl deshalb schlechten Laune lachen. „Eher nicht. Ich muss nach Huppin rauf. Ihr könntet euer Glück ja beim Fischer probieren. Zu seiner Hütte kommt ihr dort vorn links über einen schmalen Pfad. Vielleicht gibt er Euch ja ein Obdach, bis das vorbeigezogen ist. Doch ich muss mich weiterquälen. Gehabt euch wohl."

Ein Fischer? Dann wurde das Heldenmoor befischt? Und nicht weit war die Hütte?

Die Drei wollten es dort probieren. Das Obdach des Bauern war nett gemeint, aber nach Huppin wieder hinauf? Gut, dass der Mann Verständnis für die Drei zu haben schien, als sie ihn mit Handgruß guten Weg wünschten.

Straff peitschte der Regen in den Rücken der Drei. Das Wasser suchte seinen Weg und tränkte die Kleidung und alles, was man mit sich trug. Und es schien, als könnte sich niemand davor schützen. Das Donnergrollen nahm zu- Lichtblitze gingen dem gewaltigen, schauerlichen Donner voraus.

Walla wischte sich einige durchnässte Haarsträhnen aus dem Gesicht, die der heftige Wind ihr vor die Nase geschickt hatte. Die Haarsträhne klebte förmlich quer übers Gesicht und beeinträchtigte den Blick auf die Gefährten, den weg und auch das Umfeld.

„Das Unwetter wird immer stärker!", stellte Sina in überlauter Art fest.

„Diese verfluchte Fischerhütte muss doch hier schon bald einmal auftauchen.", ward Simon mit einem Hauch von Verzweiflung ebenso laut ein. „Wir hätten lieber dem Bauern folgen sollen. Das Gewitter ist ja schon fast über uns."

Auch Walla hätte sich zu gerne Simons Meinung angeschlossen, doch war sie gezwungen, mit der übergeworfenen Wolldecke im Gehen zu kämpfen. Die mit Nässe vollgesogene Decke wurde immer schwerer zu halten. Sie war schwer wie ein großer Holzeimer voll Flusskies und kaum mehr durch Walla mit beiden Händen auf dem Rücken zu halten.

Der abschüssige ausgefahrene Weg zum Moorsee hatte sich in zwei nebeneinander ablaufende kleine Rinnsale verwandelt.

Lustlos, durchnässt und auch frierend schleppten sich die Drei weiter dahin, wobei die Schritte länger wurden, damit man schneller vorankam. Alle Drei wollten nun nur noch eines: ein Dach über den Kopf und den Hauch von Sicherheit, den vielleicht ein trockenes Haus anbot.

„Da vorn! Am Ufer!"

Sina hatte die Hütte am Heldenmoor zuerst erblickt.

Die Hütte schien recht groß zu sein. Vielleicht waren es auch Anbauten für Vieh oder angebaute Unterstände am Haus, die diese Fischerhütte so groß erschienen lies.

Nun jedoch hatte man ein Ziel vor Augen- und die Hoffnung, dort Hilfe zu erhalten. Schnell kamen die drei Schutzsuchenden der Fischerhütte näher. Der Eingang war zum See hin nach Süden ausgerichtet.

Das Heldenmoor! Viele Geschichten rankten sich darum. Bislang jedoch hatte Walla es nur aus der Ferne gesehen- so nah war sie dem Unheil- verschrienen Ort noch nie gekommen, wie heute. Heftiger Regen peitschte über den Moorsee und ließ heute keine Sanftheit der Wasseroberfläche mehr erkennen, welche aufgewühlt und unruhig war.

Laut stampfend trat man sich unter dem Vordach den dicken, nassen Schlamm von den Füßen. Simon klopfte bereits – überaus heftig- mehrfach an die Tür der Hütte.

Die Tür ging nur einen Spalt auf. Ein älterer Mann mit grauem Vollbart, wind- und sonnengegerbter Haut zeigte sich hinter dem Türspalt, gewillt, das unfreundliche Wetter nicht ins Haus einzulassen.

Während Simon vom Angesicht des grimmigen und starken Mannes verunsichert wirkte, drängte sich Walla vor den Mann am Türspalt.

„Guter Mann? Dürfen wir bei Euch Schutz und Obdach finden? Das Gewitter hat uns böswillig überrascht und nun sind wir Drei vollkommen durchnässt. Lasst uns bitte hinein.", bat Walla, unterstützt von Sina, die sich ebenfalls zeigte- mit bettelndem Blick unter den zerzausten blonden Haaren.

„Habt ihr Hacksilber?", fragte der Mann aus der Hütte heraus. Warme Behaglichkeit strömte von Innen aus der Hütte.

Dann mischte sich eine weitere Stimme aus dem Inneren der Hütte hinzu. „Du meine Güte Aethello! Die armen Wanderer bitten Dich um Hilfe und Du fragst die Armen als allererstes danach, ob sie für ein Obdach bei diesem Wetter bezahlen können? Schäm Dich was!", schollt die Stimme einer Frau auf den vollbärtigen Mann aus dem Hintergrund der Hütte ein. Dann zeigte sich eine ältere Frau am Türspalt, gewillt sich vor den Bärtigen zu drängen. „Du siehst doch, wie es da draußen regnet und gewittert. Und die Armen werden sicher krank oder schlimmer- so unterkühlt und durchgenässt kannst Du Sie doch nicht wegschicken wollen."

Sowie die Frau einen Blick auf Walla, Sina und Simon gehabt hatte, zog die Frau- die Not der Drei erkennend- die Tür zur Hütte auf und forderte mit einer Geste zum Eintreten auf.

„Sieh nur, wie heftig das Unwetter vor sich geht- dort draußen. Kommt, kommt nur!", bat die Frau herein und entschuldigte sich für ihren Mann. „Manchmal ist mein Mann aber auch wirklich seltsam."

Sofort umfingen die Wärme der Hütte und ein deutlicher Geruch nach Fisch und angebratenen Zwiebeln die Besucher.

Die alte kleine Frau stellte sich vor. „Ich bin Martha und dies ist mein Mann Aethello. Kommt und legt ab. Ihr seid ja wirklich bis auf die Haut durchnässt. Natürlich könnt ihr bleiben, bis sich das Unwetter gelegt hat und weitergezogen ist."

Die Gesprächsführung zog die alte Frau an sich, die höflich wissen wollte, woher und wohin und was die Drei an Arbeit haben. Entlohnt wurde dann jedoch nicht der griesgrämige Fischer, sondern die drei durchnässten Schutzsuchenden mit guten Mehlfladen, die die nette alte Frau auswärmte und anbot.

Das Gewitter blieb jedoch über dem Tal, sodass es wieder zu einem kleinen Streit der Alten mit ihrem Mann kam. Erneut setzte sich die Fischersfrau gegen ihren Mann durch, sodass die Drei auch im Haus bleiben konnten zur Nacht.

Was Walla- und sicherlich auch Sina und Simon- auffallen musste, war der Augenschein darüber, dass es in der Hütte sehr gut eingerichtet war und auch ordentlich Vorräte vorhanden waren. So waren wichtige Lebensmittel gut am Lager und auch die Einrichtung- vom Kessel über dem Feuer, den Bekleidungen und sogar kleinen Pokalen- die Fischersleute mehr als reich gesegnet. Das Dach der geräumigen Hütte war recht neu und auch gegen den Regen dicht eingedeckt und hinter dem Durchgang zum Stall gackerten Hühner und es standen zwei Schweine und eine Kuh darin, die auch nicht mager wirkten. Dies zeugte von einem gewissen Maß an Wohlstand, den die Fischersleute hatten. Dies irritierte Walla, denn daheim gab es nicht so viele neu aussehenden und guten Möbel- vom Vorrat in der eigenen Waldhütte ganz zu schweigen. Doch gebot es die Höflichkeit, die Zunge hierüber im Zaum zu halten.

Der Fischer Aethello wirkte verschlossen und abweisend, wohingegen seine Frau Martha ein Quell der Güte und Freundlichkeit war und offen über viele Dinge sprach.

Walla, wie sich in gewisser Weise geübt darin sah, Leute in ihrem Verhalten zu beobachten, wurde aus dem griesgrämigen Fischer Aethello nicht so recht schlau. Es schien, dass ihm der schutzsuchende Besuch in seinem Hause in Gänze missfiel. Hellhörig wurde er nur, als Simon berichtete, dass er im Sporntal ein bekannter Heiler für Vieh sei, der dem Vater nachgefolgt ist. Dies brachte den Fischer sogar dazu interessiert zu fragen, welches Vieh er behandele und ob diese Gabe aus magischen Kräften erwachsen sei. Nachdem Simon dies bejahte, zog der alte Fischer sich jedoch wieder in sich zurück und sein Interesse erlosch am Gespräch fast. Erst als seine Frau Martha ihrerseits spontan daraufhin eingestand, dass auch der Fischer einer magischen Blutlinie entstammte und ihm diese Gabe beim Fischfang half, forderte er seine Frau deutlich auf, darüber nicht zu viel zu reden, da es die Fremden nichts anginge.

Freundlichkeit ist ein Geschenk, welches bei dem Empfänger den Wunsch auslöst, es in ebengleicher freundlicher Art zurückzugeben.

So war es auch hier. Die freundliche Fischersfrau erhielt tatkräftige Unterstützung durch die Schutzsuchenden, wo es geboten schien.

Zuletzt wurde den Dreien sogar mit deren Hilfe ein Mattenlager errichtet. Simon schlief so auf einer Strohmatte nahe dem Herdfeuer, Sina und Walla erhielten eine breitere und dicker aufgefüllte Strohmatte als Lagerstelle, nahe dem Vorratsregal. Das Bett des Fischer- Paares indessen lag abgetrennt durch einen dicken Vorhang nahe dem Bereich, der den Wohnraum gab.

„So schlaft denn gut, ihr jungen Leute.", tuschelte die Alte zuletzt in den Raum, ihren bereits schnarchenden Mann an ihrer Seite liegend. „Ich bin so froh, dass ihr den Weg zu uns gefunden habt. Da musste ich wenigstens einmal keine Garne drehen oder Netzte flicken."

„Ja, Gute Nacht- für Euch und euren Mann.", flüsterte Walla in eine ziellose Richtung des großen Raumes, in der Gewissheit, dass die Alte es noch hören konnte.

Dann blieb es eine Weile ruhig im Raum.

Simon begann jedoch, noch einige Dinge ansprechen zu wollen und flüsterte zu den Mädchen herüber.

„Und Morgen? Was wird morgen? Wollen wir vielleicht fragen, ob Aethello uns sein Boot für einen Tag überlässt? Immer vorausgesetzt, dass sich das Wetter über den Bergen ändert."

„Das wäre schon gut.", antwortete Sina leise zurück und strich sich den Schlaf in den Augen breit.

Walla hatte eine eigene Auffassung dazu. Daher flüsterte auch sie.

„Alles schön und gut, aber daraus wird sicherlich nichts. Ihr habt ja gesehen, dass er uns keinen Schritt vertraut. Und sicherlich wird es ihm wieder um Silber gehen."

„Ja. Leider denke ich das auch.", antwortete Simon am Boden vor dem Herd sich wälzend.

Trunken vor dem aufstrebenden Schlaf gab Sina das Schlusswort des Tages. „Wir werden wohl nie an ein Paar von diesen Kristallen aus dem See kommen. Der Mann würde nicht verstehen, dass wir die Kristalle für eine gute Sache benötigen. Und das Boot würde er nur solange geben, wie es ihm nutzt und Silber einbringt. Doch so viel haben wir ja gar nicht. Daher wird es wohl nichts werden- also? Kristalle? Auf wiedersehen!"

Was jedoch die drei müden Gesellen übersahen- ein Paar Ohren war im Raum, welches nicht schlief und genau zuhörte.

Es waren die Ohren der alten Martha, die die jungen Leute im Haus mit ihren alten Ohren dennoch gut verstehen konnte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top