7. Gefangen in der Freiheit

Majikku

"Ihr!?"
Es ist schon erstaunlich, wie viel drei Buchstaben, ein Wort, aussagen können. In diesem Fall hörte man in dem Wort Unglaube, Fassungslosigkeit, Wut und Entsetzen. Gleichzeitig war das Wort eine Frage, eine Aussage und eine Feststellung.
"Was wollt Ihr? Wo bin ich? Habt Ihr mich hierher gebracht? Was ist mit meiner Mutter? W-
Bevor ich weiterreden konnte, unterbrach die Gestalt meinen Schwall an Fragen.
"Hör' mir zu und sage du zu mir, dann werde ich dir die Antworten auf deine Fragen nennen.", war alles was er sagte und trotzdem reichte es aus, um mich zum Verstummen zu bringen.
"Also... Was ich will? Nun ja, diese Frage werde ich als letztes beantworten, da die Antwort zwangsläufig umfangreicher ausfallen wird. Zu deiner zweiten Frage wo du bist... Wir sind in einem Wald, ungefähr zwei bis drei Stunden von unserem Ziel entfernt. Und ja, ich habe dich hierher gebracht."
Wie jetzt? Was meinte er mit ‚unserem Ziel'? Wer war er überhaupt? Schließlich schaffte ich es auch, meine Fragen zusammenhängend zu formulieren.
"Was meinst du mit ‚unserem Ziel'? Was ist unser Ziel und wie sollen wir da hinkommen? Und vor allem, wer bist du?"
Er zögerte einen Augenblick lang, dann seufzte er, deutete mit der Waffe auf den Boden und erklärte:
"Setz' dich. Das zu erklären, könnte etwas länger dauern.", sagte er, da ich mich mühsam halb kniend, halb stehend aufgerichtet hatte, der Oberkörper grade, da ich nicht völlig wehrlos am Boden liegen wollte.
Ich stand praktisch auf den Knien und nur meine, am Boden liegenden, Unterschenkel sorgten unter höchster Spannung dafür, dass ich nicht nach hinten umfiel.
Trotzig verharrte ich dieser, für normale Menschen, seltsamen Haltung.
"Warum sollte ich dir vertrauen? Das Erste, was ich mitkriege ist, dass ich mitten in der dunkelsten Stunden der Nacht in einem Wald befinde, in der einzigen Begleitung einer fremden, fragwürdigen Gestalt, die sich weigert mir Auskünfte zu geben, solange ich mich nicht setze und ihm dadurch wehrlos ergeben bin! Ich bin zwar schwach, behindert und wäre nicht in der Lage mich gegen dich zu wehren, aber ich bin nicht dumm!", erwiderte ich heftig.
Solche Sachen brachten mich immer wieder auf, seit ich halbwegs klar denken konnte. Klar, es gab auch tatsächlich geistig behinderte Menschen, aber den ersten körperlich behinderten als geistig behindert zu befinden, war echt fies. Dazu schienen sie fast immer zu denken, dass wir Nichts so wie sie empfinden konnten.
Der Standardspruch war immer:
"Das würdest du nicht verstehen."
Oder:
"Du weißt gar nicht, wie das ist."
Bei solchen Kommentaren brodelte es in mir immer innerlich. Natürlich konnte ich Trauer, Wut, Hass, Glück und Geborgenheit fühlen! Manchmal glaubte ich sogar, dass ich ihnen in Gefühlen um Längen voraus war. Eingebildet, aber manchmal fühlte ich wirklich mich so.
Inzwischen hatte die Gestalt ein Feuer angezündet sich jedoch wieder erhoben und an einen massiven, alten Baumstamm gelehnt.
"Na gut...", sagte er schließlich.
"Wenn du nicht willst, kann ich dich nicht dazu zwingen." 
Oh doch, dass könntest du., dachte ich mürrisch.
Wütend stemmte ich die Hände in die Hüften und wartete.
Schließlich fing der Mann an:
"Zuerst musst du wissen, dass ich dir gar nicht so fremd bin, wie du denkst."
Er machte eine Pause wartete auf meine Entgegnung und wahrscheinlich auf einen Wutausbruch, doch ich starrte ihn nur weiter an, ein kurzes Nicken von mir signalisierte ihm, dass ich mich sehr deutlich daran erinnern konnte.
Doch sonst verschloss ich meine Miene. Mehr würde ich nicht sagen, um möglicherweise irgendetwas zu erzählen, was ich später bereuen würde.
Also fuhr er fort:
"Ich habe dich mitgenommen um deine Schwindelanfälle zu behandeln, natürlich mit dem Einverständnis deiner Mutter."
Jetzt zuckte ich zusammen. 
Woher weiß er davon? Ich habe diese Anfälle doch erst seit heute. 
Doch da erinnerte ich mich an das ständige Gefühl seit Freitag, verfolgt zu werden.
Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Schaudern.
Wer war er bloß? Warum verfolgte er mich?
Plötzlich richtete die Gestalt eine Frage an mich:
"Wüsstest du vielleicht, woher die plötzlichen Schwindelanfälle kamen?"
Jetzt konnte ich meine immer weiter ansteigende Wut kaum noch unterdrücken.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust, um zu verbergen, wie sehr sie vor Wut bebten. 
Was bildet er sich eigentlich ein? Erst verschleppt er mich mitten in der Nacht in einen dunklen, unheimlichen Wald, wobei ich ihn noch nicht einmal kenne! Zweitens verlangt er auch noch, dass ich ihm meine Lebensgeschichte erzähle, ohne jedes wenn und aber und ihm, drittens, bedingungslos vertraue! Viertens scheint er auch noch zu denken, dass ich ihm zuliebe meine tausend Fragen runterschlucke! Da hat er sich aber geschnitten und zwar gewaltig! 
Trotzdem wog ich meine nächsten Worte sorgfältig ab, um zu verhindern, dass die Gestalt vor Wut über meine Dreistigkeit die Beherrschung verlor und mich abstach. Für die meisten mochte das unmöglich und unmenschlich sein, aber ich gab mich keinen falschen Illusionen hin. Er hatte sich mir gegenüber zwar noch nicht aggressiv gezeigt, aber dass konnte sich jederzeit ändern.
"Ich dachte, du würdest mir erst meine Fragen beantworten, bevor ich dir irgendetwas anvertraue, da unsere Unterhaltung an einem etwas fragwürdigem Ort und dazu noch zu sehr fragwürdiger Zeit stattfindet. Und ich bin nicht sehr geneigt, dass Gespräch auf Morgen zu verschieben, da mich deine Gegenwart auch nicht sehr beruhigt."
Ich kam mir etwas albern vor, da dass irgendwie schon etwas altmodisch klang, was ich mir bestimmt nur einbildete, aber wenn er sich so altmodisch kleidete, würde er wahrscheinlich auch nur die 'altmodische' Sprache verstehen. Außerdem drückte sich diese Sprache etwas freundlicher und auch schonender aus, als zum Beispiel: 
"Verpiss' dich und fick deine Mutter!"
Mag Eltern einen Herzinfarkt bringen, unangenehm sein oder sonst was, aber bei uns ist das leider Alltag und Gewohnheit, was das aber eigentlich nicht entschuldigen sollte. Im Gegenteil. Na ja, dass ist auch einer der Vorteile der Behinderten. Man wird von Beleidigungen und Prügeleien ausgeschlossen und die Schüler, die sonst jeden verprügelten, halfen einem. Ich freute mich schon darüber und ich wusste, ich solle mich inbrünstig dafür bedanken, aber manchmal fragte ich mich wirklich, ob ich nicht doch Prügeleien und Beleidigungen besser ertragen konnte, als die tausenden Blicke, von denen die meisten mich ansahen, wie ein merkwürdiges, besonders ekeliges Insekt, dass sie auf ihrem Essen gefunden hatten. Als ob ich tatsächlich eine Missgeburt wäre! Ja klar, ich war nicht normal zur Welt gekommen, aber deswegen musste man mich nicht wie ein Stück Dreck unter ihrer Schuhsohle behandeln. Ich konnte doch nichts dafür, dass ich so war, wie ich war! Und ich war auch nur ein normaler Mensch, mit normalen Gefühlen, den es ziemlich verletzte, so angesehen zu werden. Ich war gerne bereit hinzunehmen, dass sie mich ignorierten, aber mich mit Ekel anzusehen war echt fies! Ich beantwortete auch gerne Fragen, warum meine Beine nicht so funktionierten wie ihre, aber dazu mussten sie mich fragen! Es ging ja wirklich nicht, dass ich tausenden Menschen meinen Hirndefekt erklärte, da das sowieso viel zu sehr aufdringlich gewesen wäre und wahrscheinlich über die Hälfte niemand etwas davon wissen wollte.
Der Mann lachte leise und sagte:
"Erstmal musst du nicht so mit mir reden."
Dann seufzte er und seine Stimme wurde ernst.
"Also gut. Ich will deine Schwindelanfälle kurieren, aber vor allem werde ich dir mehr über mich, die Organisation und die Gestalt verraten, die du am Freitag gesehen hast."
Meine Gedanken kreisten, aber bevor ich auch nur eine einzige Frage formulieren konnte, sprach er schon weiter:
"Mein Name ist Elias und ich gehöre der Organisation der Neko an. Wir kämpfen gegen die Karasu, die zweite Gestalt, vor der du mich gerettet hast, gehörte dazu." 
Kein: 
"Danke, du hast mir das Leben gerettet?" 
Naja, werd's auch überleben. Trotzdem wäre es freundlich gewesen, dachte ich mürrisch.
Das warf allerdings noch mehr Fragen auf.
Warum versuchte der einzelne Karasu nur Elias zu töten? Warum nannten sie sich Neko? Warum kämpften die Gruppen auf Leben und Tod gegeneinander? Warum hassten sie sich so? Wieso hatte noch niemand etwas von diesen Organisationen gehört? Und was hatte ausgerechnet ich damit zu tun? Warum wollte er meine Schwindelanfälle kurieren? Hatte das irgendetwas mit der Geschichte hier zu tun?
Doch bevor ich auch nur eine der vielen Fragen stellen konnte, die mir unter den Nägeln brannten, sprach er ungerührt weiter:
"Und wenn die Prophezeiung wahr ist, wirst du mitkommen und kämpfen. Unsere besten Männer werden dich unterrichten, besonders im Bogenschießen da du ja, wie in der Prophezeiung vorhergesagt, dass Mal der Schützin trägst."
Jetzt kam meine mühsam unterdrückte Wut wieder mit einem Schlag hoch.
Was war diese Prophezeiung? Egal, ob es eine Prophezeiung war oder nicht, hatte ich denn gar nicht über mein Leben zu entscheiden, ob ich kämpfen wollte oder nicht? Vielleicht hatten sie sich ja auch einfach geirrt!
Zu dieser Wut mischte sich nun auch Scham. Wo hatte er meinen Körper nach dem 'Mal' untersucht, als ich bewusstlos gewesen war? Doch unterbewusst glitt meine rechte Hand zu meinem linken Oberarm und schob den Ärmel hoch. Als ich einmal kräftig rubbelte, kamen die goldenen Linien wieder zum Vorschein. Er hatte also nur meinen Oberarm angesehen.
Meine Beruhigung verflog jedoch sofort, als mir wieder einfiel, wie mich alle behandelten. Wie einen Gegenstand ohne jeglichen eigenen Willen. Diese Wut vermischte sich mit der Scham, ihm wehrlos während meiner Bewusstlosigkeit ausgeliefert gewesen zu sein, der Wut, wie ein Stück Dreck von den meisten angesehen und auch so behandelt zu werden und der Trauer, Wut und Ungläubigkeit, dass ausgerechnet ich behindert sein musste.
Da ich immer noch auf den Knien stand, ging ich Elias mit dem Hals bis zum Bauch.
Warum das so wichtig war?
Na ja, im nächsten Moment kamen alle diese Gefühle hoch und ich schrie Elias an:
"Ich komme ganz bestimmt NICHT mit!!!"
Bei dem Wort 'NICHT' bewegte ich meinen linken Arm, um das Wort zu unterstreichen, von meinem rechten bis zu meinem linken Schlüsselbein.
In mir löste sich etwas, dann wurde mir schlecht und schwindelig. Dadurch konnte ich nicht verhindern, dass ich nach hinten umkippte. Als die Übelkeit etwas nachließ, drehte ich mich auf den Bauch und kroch in den Schutz der Bäume. Dann kam die Übelkeit mit einem Schlag zurück und ich erbrach mich in das nächstbeste Gebüsch. Angewidert wischte ich mir den Mund mit dem Handrücken ab, dann wandte ich mich wieder der Lichtung zu, natürlich sorgfältig im Schatten der Bäume verborgen.
Was ich sah, war schockierend.
In den Bäumen neben Elias waren, auf seiner Bauchhöhe, tiefe, grade Risse und auch Elias hielt sich den Bauch. Ich sah Blut in Strömen unter seinen Fingern herauslaufen und ich bemitleidete ihn um die starke Verletzung.
Dann jedoch fragte ich mich die Fragen, die im nächsten Moment auf mich einstürmten:
Woher kam diese Verletzung? Warum half ich ihm nicht, sondern sah gefühllos zu, wie er verblutete? Warum war mir auf einmal so schlecht? Warum verschwand ich nicht längst, damit er mich nicht wiederfand? Ich wollte mich gerade umdrehen, mich weiter von Elias entfernen und verschwinden, bevor mein Unterbewusstsein mich doch noch dazu zwang ihm zu helfen und so aus meinem Versteck zu kriechen, als ich bemerkte, wie er seinen Mantel öffnete, etwas daraus holte und dann den Mantel von seinen Schultern rutschen ließ.
Das ließ mich innehalten.
In der Hand hielt Elias eine kleine, weiße Tube. Noch mehr richtete sich meine Aufmerksamkeit jedoch auf seinen Oberkörper, der von einem schwarzen T-Shirt bedeckt wurde. Sein Oberkörper war breit und muskulös, wurde jedoch von einer langen, tiefen Verletzung an seinem flachen, durchtrainierten Bauch entstellt, aus der unaufhörlich Blut strömte.
Plötzlich sackte Elias zusammen und fiel auf die Knie. Mit zitterigen, blutüberströmten Händen schraubte er die Tube auf, die darauf rote Linien bekam. Er drückte den kompletten, leicht grünen, Inhalt auf seine rechte Hand und hielt diese an seinen Bauch, wobei er die Salbe unter gequältem, lautem Stöhnen verrieb. Die Blutung hörte, wie durch ein Wunder, auf.
Er nahm die Hand von der Wunde und seufzte erleichtert.
Unter meinem verwunderten Blick floss die Verletzung zusammen, als wäre nie etwas gewesen und die grünliche Salbe verschwand.
Schnell richtete sich Elias wieder auf und bevor ich auch nur einen Blick auf sein Gesicht werfen konnte, hatte er den Mantel schon wieder angezogen. Innerlich verfluchte ich mich dafür, nicht früher in sein Gesicht gesehen zu haben, aber ich war einfach so schockiert von der Wunde und einfach fasziniert von der Salbe, dass ich Elias' Gesicht vergessen hatte.
Da rief er:
"Majikku? Majikku, wo bist du? Majikku?"
Das brachte das Fass zum Überlaufen. Woher kannte er meinen Namen?
Entschlossen, als er in die entgegengesetzte Richtung ging, um nach mir zu suchen, packte ich den Baum neben mir und zog mich daran hoch.
Ich stand ziemlich unsicher, aber dass musste reichen. Da die Bäume sehr nah aneinander standen, wie bei einem Kiefernwald üblich, konnte ich, von meinem jetzigen Standpunkt aus, zum nächsten Baum greifen, den anderen Arm zu dem ersten Arm dazulegen und die wenigen, unsicheren Schritte dort hingehen, wobei ich darauf vertraute, dass mich eher meine Arme halten würden, als meine Beine. Irgendwann schaffte ich es, zwei Bäume neben mir mit jeweils einem Arm zu packen und so weiter zu laufen, wodurch ich um einiges schneller vorankam. Ich 'lief' immer weiter weg von dem Lagerfeuer und seinem Licht, immer in ungefähr eine Richtung gehend, doch ich wusste, dass ich durch die Unregelmäßigkeit der Bäume nicht geradeaus laufen konnte.
Irgendwann war ich so erschöpft und konnte auch fast nichts mehr sehen, sodass ich einmal daneben griff und stürzte.
Ich hatte weder die Kraft, noch die Motivation, wieder aufzustehen und weiterzulaufen. Ich war wirklich mit meinen Kräften am Ende. Als ich dann irgendwann Schritte und Stimmen hörte und das näherkommende Licht sah, konnte ich mich nicht, auch nur einen Fingerbreit, rühren. Dann sah ich schwarze Stiefel und das grelle Licht über meinem Kopf.
Ich hörte noch ein:
"Unglaulich! Das ist sie!", dann flammte Schmerz in meinem Hinterkopf auf und es war endgültig um mein Bewusstsein geschehen.


Durch einen heftigen Schlag ins Gesicht kam ich wieder zu mir.
Flatternd öffnete ich die Augen.
Vor mir stand eine Gestalt mit dem Mantel eines Karasu und glühend weißen Augen.
Ich zuckte zusammen.
Da ich dadurch merkte, dass ich mich nicht richtig bewegen konnte und drehte ich den Kopf nach rechts, was mir einen pulsierenden Schmerz am Hinterkopf eintrug.
Ich keuchte auf.
Ich war mit schweren, metallenen Ringen fest an eine harte, nasse, steinerne Wand gekettet. Also hatten die Karasu mich tatsächlich gefangen genommen.
Was mich jedoch aufkeuchen ließ, war, dass statt meinem Unterarm in dem Ring... ein schneeweißer Flügel war!
Rasch sah ich an mir herunter. Auch an meinen Unterschenkeln waren solche eisernen Ringe, so fest, dass sie mich in der Luft hielten, da ich ja trotz meiner 'Größe' auf der Augenhöhe des Karasu sein musste. An den Knien waren ebenfalls solche Ringe, wahrscheinlich, damit die Knie nicht unter meinem Gewicht nachgaben. Das was ich sah, bestätigte mir, dass ich eine weiße Taube war!
Da hörte ich ein böses Lachen.
Blitzschnell schoss mein Kopf zu dem Karasu vor mir zurück.
"Na? Wie findest du das Tier, in das wir dich gesperrt haben?", fragte die Stimme, die männlich klang.
Wieder lachte er böse.
Plötzlich umhüllte ihn weißes Licht und als das Licht verschwand... war er einfach weg!
Doch dann hörte ich ein Flügelschlagen und im nächsten Moment sah ich eine große, schwarze Krähe vor mir!
Sie flog unter Krächzen auf mich zu und hielt erst vor kurz vor mir inne. 
"Was - sagst - du - zu - meiner - Gestalt -? Ist - sie - nicht - passend -? Ich - hoffe - dir - gefällt - die - Art - der - Aufmerksamkeit -, die - ich - dir - schenke -!", sagte er höhnisch.
Bei jedem, gekrächztem, merkwürdig hallendem, Wort beugte sich die Krähe vor und riss mir ein großes Bündel weißer Federn heraus oder hackte so heftig auf mich ein, dass ich mich nur mit Mühe davon abhalten konnte, der Krähe Blut ins Gesicht zu spucken und ihr so zu zeigen, wie verletzlich ich war.
Aber trotzdem schrie ich.
Und die Krähe erzählte weiter: 
"Der - Sensei - hat - befohlen - dich - in - diese - Gestalt - zu - sperren -." 
Vor lauter Schmerz und Schreien konnte mein Gehirn nicht mal Fragen in seinem Kopf stellen, geschweige denn, aussprechen.
Plötzlich bemerkte ich ein weißes Licht links von mir, dann rückte eine weitere Krähe in mein Blickfeld.
Entsetzen durchflutete meinen Körper, so sehr, dass ich mir tatsächlich eine Frage stellen konnte:
Wollte diese Krähe mich ebenfalls foltern? So viel Schmerz konnte ich unmöglich ertragen! "Weißt - du -, eigentlich - kann - jeder - mit - genug - Vertrauen - in - sich - selbst - und - dem - richtigen - Maß - an - Glauben - sich - in - ein - beliebiges - Tier - verwandeln -. Allerdings - kann - man - sich - nur - für - eines - entscheiden - und - das - kann - man - dann - nicht - mehr - ändern -. Nur - die - Magier - sollen - so - etwas - können -!" 
Da riss die erste Krähe ein so großes Loch in der Mitte meines Bauches, dass ich glaubte, meinen Fuß dort in die kahle Stelle legen zu können. Noch ein Schrei verließ meine, inzwischen wunde, Kehle.
Völlig unerwartet flog die zweite Krähe zwischen mich und meinen Peiniger und drängte die Krähe zurück. 
"Das reicht Taurus. Du solltest aufhören, Informationen preis zugeben, die den Neko von Nutzen sein könnten." 
Während der Tonfall von Taurus höhnisch war, war der der zweiten Krähe vollkommen emotionslos. Trotzdem war ich froh, dass die zweite Krähe dazwischen geflogen war. Das ersparte mir einige Augenblicke die Höllenqualen.
Doch Taurus schien der Auftritt seines Kumpanen nicht ansatzweise zu beeindrucken, denn er lachte boshaft. 
"Wirst du etwa schon weich, Aurelius? Ich wusste schon immer, dass dein Herz zu schwach ist, um zu den Karasu zu gehören! Willst du jetzt gleich zu dem Mädchen überlaufen oder erst vor den Augen des Sensei's? Vor den Augen des Sensei's wäre es ja amüsanter, aber wenn du meinst..." 
Wieder lachte Taurus boshaft.
 Die Karasu hatten in ihren Stimmen ein Krächzen, da sie ja Krähen waren und ich musste zugeben, dass mir das auf Dauer, zusammen mit dem pulsierenden Schmerz im Hinterkopf, ziemliche Kopfschmerzen bereitete.
 Aurelius antwortete genauso emotionslos wie vorher: 
"Nein Taurus. Ich habe nur gesagt, dass es fatal wäre, wichtige Informationen preis zugeben, wenn wir sie ja gleich freilassen. Es besteht zwar keine Möglichkeit, dass sie sich aus dem Tier befreit, aber man kann nie vorsichtig genug sein."
"Jetzt bist du derjenige, der hier die Informationen preisgibt, Aurelius.", zischte Taurus, überraschender Weise mit unverhohlener Wut in der Stimme.
Dieser zuckte gleichgültig mit den Flügeln. 
"Das hätte sie früher oder später sowieso herausgefunden." 
"Warum wählt der Sensei immer dich für riskante Aufgaben und mich bloß für langweilige Patrouillen?", sagte Taurus hasserfüllt. 
"Ich gebe ja zu, dass du mehr Muskelmasse als ich hast und stärker bist, aber für riskante Aufträge braucht man auch Köpfchen, nicht nur Muskeln." 
Jetzt sah ich ein verräterisches Blitzen in Taurus' schwarzen Augen und wusste, von den Prügeleien an der Schule und aus reinem Instinkt, das Aurelius jetzt um sein Leben fürchten musste.
Doch dieser schien nichts von der Gefahr zu ahnen. 
"Flieg' weg!", rief ich, mit einem seltsamen Gurren in der Stimme, doch da war es schon zu spät.
Keine Ahnung, warum ich ihn hatte warnen wollen. Wahrscheinlich, weil er zwischen Taurus und mich geflogen war.
Taurus krachte in Aurelius und schrie krächzend: 
"Verräter!" 
Doch bevor er Aurelius ernsthaft verletzen konnte, wich dieser geschickt nach oben aus.
Erst jetzt konnte ich richtig sehen, wo ich mich befand.
Der Raum war kahl, nur eine einzelne Fackel beleuchtete ihn und war ohne jegliche Persönlichkeit. Knapp drei Meter hoch und ungefähr acht Meter im Durchmesser. Der Raum war rund und hatte nur eine hölzerne Tür mit einem kleinen, verriegelten Guckloch darin, wahrscheinlich zum Überreichen von Mahlzeiten. Nur ein kleines, vergittertes Fenster verriet, dass es mitten in der Nacht war. Das hieß, das die Karasu mich also erst seit ein paar Minuten hatten oder schon seit vierundzwanzig Stunden. Laut meinem knurrenden Magen, wohl eher letzteres. In der Mitte stand ein kleiner Brunnen mit bis zur Oberfläche angefülltem, klarem Wasser.
Während Aurelius nach oben flog, sagte er, weiterhin vollkommen emotionslos: 
"Wenn hier einer ein Verräter ist, - 
Jetzt war Aurelius an der Decke angekommen. Taurus flog krächzend auf ihn zu. Erst in der letzten Sekunde ließ sich Aurelius sich fallen und wich mit einer geschickten Drehung Taurus und seinen tödlichen Krallen aus.
Überrascht und wütend folgte Taurus ihm. 
"dann bist - 
Wieder stoppte Aurelius mitten im Satz, da er sich fast über dem Brunnen befand. Mit vor Wut glühenden Augen und blitzenden Krallen stürzte Taurus auf seinen Kumpanen zu. Wieder im letzten Moment wich Aurelius zur Seite aus und Taurus fiel geradewegs in den Brunnen, wobei er Aurelius seitlich am Flügel erwischte. Doch dieser verzog nicht die geringste Miene, falls Krähen das überhaupt konnten und gab auch keinen Laut von sich. Wasser schwappte über den Rand und färbte den Boden noch dunkler, als er ohnehin schon war.
Einen winzigen Moment glaubte ich, Blut statt Wasser, gesehen zu haben. Entsetzen durchflutete mich. 
Was mag das heißen? Heißt das, dass Taurus so viel Blut bringen wird? Vielleicht sind auch die Krähen allgemein gemeint? Oder ist es etwas ganz anderes? 
Im nächsten Moment war das Wasser wieder klar und durchsichtig und ich schob die 'Farbveränderung' auf meine blank liegenden Nerven. 
"wohl eher du das.", vollendete Aurelius seinen Satz und unterbrach so meinen düsteren Gedankengang.
Er krallte sich in Taurus' Rücken, bevor dieser aus dem Brunnen auftauchen konnte. 
"Und ich hatte gedacht, du würdest dazulernen. Das hätte das Ganze unterhaltsamer gemacht. Aber so bist du nun mal. Schwörst du, das Mädchen freizulassen, mich nicht mehr anzugreifen und deine Beleidigungen mir gegenüber zurückzunehmen?", fragte er Taurus.
Er hob den einen Fuß kurz an, um Taurus Gelegenheit zum Atem holen und sprechen zu geben, doch als dieser nur derbe Beleidigungen aussprach, tauchte er ihn wieder unter. 
"Er hat noch zu viel Energie und Luft, dieser junge Heißsporn.", erklärte er auf meinen entsetzten Blick leichthin. 

Mehrere Minuten wiederholte Aurelius diese Prozedur, bis Taurus beim großen Sensei schwor, was Aurelius verlangte, auch wenn er nicht verstehen konnte, 'wieso man einen Schlüssel wie mich nicht einfach zerstörte, wenn er nicht ins richtige Schloss passte.'.
Aurelius antworte schulterzuckend:
"Was Befehl ist, ist Befehl."
Beide setzten sich auf den Brunnenrand, Taurus warf Aurelius unaufhörlich feindselige Blicke zu, dann umhüllte gleißend weißes Licht sie und sie hockten als Menschen auf dem Rand des Brunnens, ihre Mäntel um ihre Körper gelegt, während ich mich fragte, wie Taurus ein einfaches Versprechen davon abhalten konnte, dass zu tun, was er geschworen hatte, nicht zu tun. Ungelenk sprangen sie herunter und stellten sich vor mich, Taurus immer noch klatschnass, was das Einzige war, woran ich die Beiden unterscheiden konnte.
Auf ein Nicken von Aurelius hin, entfernte Taurus zähneknirschend meine Fesseln und öffnete, durch eine Druckplatte in der Wand, das vergitterte Fenster.
Kraftlos fiel ich zu Boden, da ich mich nur einen Moment hatte halten können.
"Jetzt geh' schon bevor ich es mir doch noch anders überlege.", sagte er barsch.
Von Entsetzen und Adrenalin durchflutet, schaffte ich es, wankend und unkontrolliert hochzufliegen. Kein Wunder. Selbst wenn ich mehr Kraft gehabt hätte, hätte es nicht besser geklappt. Ich machte das eben zum ersten Mal.
Bevor ich aus dem Fenster fliegen konnte, schnappte sich Taurus die Fackel und zündete mein Gefieder an.
Schmerz, Hitze, der Geruch von verbranntem Fleisch und die schwarze Luft überfluteten meine Reize, zusammen mit einigen anderen, unwichtigeren Dingen, wie zum Beispiel, dass ich einen Fluch hörte, ohne die Person dazu zu sehen.
Hektisch kreischend flog ich aus dem Fenster.
"Und dass du ja nie wieder kommst!", schrie Taurus.
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen.
Nie, nie wieder würde ich an diesen grauenhaften Ort zurück kommen! Ein kleiner Teil in mir schalt' mich, dass ich mir das Gebäude nicht weiter ansah und mir merkte wo es stand, doch der Rest erfüllte der Gedanke daran so mit Grauen, dass ich einfach nur weg von hier wollte. Ich hörte noch Aurelius' Flüche und Taurus hämische Entgegnung:
"Du hast mir nicht verboten, sie zu quälen!"
"Wenn du sie tötest, bekommst du den Ärger, Taurus!"
Ich flog so hoch, dass ich gegen keinen Baum fliegen würde, schloss die Augen und konzentrierte meine ganze Kraft auf meine Flügel, die das Einzige waren, was mich forttrug und dazu bewog, weiterzufliegen. Mal abgesehen von den höllischen Schmerzen des Rupfens und der Verbrennung.
Das erinnerte mich an einen Spruch, der mir jetzt umso deutlicher vor Augen stand. 
Hoffnung sind unsere Flügel, Schmerzen unsere Sporen.
Oh ja, wie sehr das stimmte. Wegen der Hoffnung, hier wegzukommen, flog ich weiter, überwand meine Grenzen aber das, was mich immer und immer weiter trieb, waren die Schmerzen. Also flog ich immer weiter, egal wohin, Hauptsache weg.

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Yeah, es geht jetzt richtig los! :) Ich weiß, die Sache mit Elias und der Verletzung war heftig, aber ich wollte Euch zeigen, dass das alles andere als ein kleiner Kratzer war und Euch die ganze Kraft der Salbe demonstrieren. Was haltet Ihr sonst davon? Kommentar?

Eure janine0010


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