18. Gestaltenwandlerin - Teil 1
Majikku
"Diese Tradition ist schon sehr alt.", begann die Heilerin, während sie die trübe Paste auf Nyoko's Gesicht schmierte, die sie auch schon auf dem Schlüsselbein verteilt hatte.
"Es gab eine Zeit, in der die Clans nicht nur dafür da waren, einander in Stücke zu hacken. Doch als die Verbrechen und daraus neue Verbrechen zunahmen, begannen die Clan-Mitglieder, Waffen herzustellen."
Izanami machte eine kurze Pause, während sie die passenden Worte zu suchen schien.
"Die Clans hatten damals vorsätzlich diejenigen zu Schmieden gemacht, die den Kampf verabscheuten."
"Die Clans? Soll das heißen, dass wir nicht als einzige diese Tradition haben?", fragte Elias ungläubig.
"Das ist wahr. Zu dieser Zeit existierte noch eine instabile Versammlung. Ihr Gedanke war, dass sie dem Frieden damit den Weg ebnen würden."
Letztendlich haben sie aber dennoch Waffen hergestellt., dachte ich, sprach es aber nicht aus.
"Damit wurde zum einen die Anzahl der Waffen geringgehalten. Zum anderen stellten die Schmiede folgende Bedingung an einen Waffenbesitzer: Die Waffe sollte ein Spiegelbild des Kämpfers darstellen."
Wortlos hob ich eine Braue.
Ich wollte sie nicht unterbrechen, konnte mir darunter jedoch nichts vorstellen.
Die Heilerin fuhr fort.
"Um das zu bewerkstelligen, sollte der Besitzer einen schwerwiegenden Grund nennen, aus dem er kämpft. Er oder sie sollte daraus ableiten, wie der Kampfstil und damit auch die Waffe aussehen müsste."
Ich fragte mich, ob die Gründe für den Kampf wirklich so schwerwiegend sein konnten, wenn scheinbar jeder mit einer Waffe herumlief.
"Da jeder sich seine Waffe beim Schmied oder der Schmiedin persönlich abholen musste, um Entschlossenheit zu symbolisieren, wurde der Grund auf unterschiedlichste Weise in die Waffe eingefügt. Sollte der Träger der Waffe sich so sehr ändern, dass dieser Grund nicht mehr passend war, wurde er eindringlich dazu angehalten, die Waffe und damit auch den Kampfstil zu ändern."
Nachdenklich starrte ich auf meine Hände.
"Auch wenn es auf den ersten Moment umständlich erscheinen mag, halte ich das für eine gute Tradition. Sie verhindert, dass allzu leichtfertig nach einer Waffe gegriffen wird. Außerdem dürfte mit dem Grund die Entschlossenheit nur schwer zu erschüttern sein.", meinte ich nach einer Weile.
"Wenn ich unsere Heilerin gerade richtig verstanden habe, gilt das allerdings auch für unsere Gegner.", murrte Elias.
"Das ist gut.", erwiderte ich leise, aber fest.
"Warum? Genießt du etwa die Vorstellung, wie wir uns gegenseitig zerfleischen?", schnappte der Krieger unüberhörbar feindselig.
Ich ignorierte sowohl den schneidenden Schmerz bei dieser bösartigen Bemerkung als auch Izanami, die offensichtlich wütend etwas entgegnen wollte.
"Nein. Ich bin nur froh, dass hier nicht aus Jux und Tollerei Feinde geschaffen, Familien entzweit, gemeinsame Geschichte vernichtet und Leben beendet werden."
Meine Stimme klang merkwürdig matt, als ich Nyoko ansah.
Was war wohl ihr Grund für den Kampf? War der Langbogen, den sie mir geschenkt hatte, ihre vorige Waffe gewesen? Und welchen ernsthaften Grund hätte ich, eine Waffe zum Töten eines Menschen einzusetzen?
"Was ist dein Grund? Warum kämpfst du?", fragte ich plötzlich Felicitas.
Ich konnte beinahe körperlich spüren, wie sie sich von mir distanzierte.
"Ich werde meinen Gefährten und die anderen Brüder meiner Art rächen. Selbst, wenn dir das gegen das Fell gehen sollte."
Ein unverwechselbarer Geruch stieg mir plötzlich wieder in die Nase – wie bereits damals, als sie Alrand's Mörderin wiedererkannt hatte.
Wut umgab die Raubkatze wie eine Gewitterwolke.
"Du weißt, dass ich dich nicht einfach gewähren lassen werde. Zumindest will ich wissen, warum sie das getan hat.", sagte ich leise.
"Braucht ein Monster einen Grund?", fragte sie bissig – die Verbitterung konnte ich zusammen mit der Trauer fast schmecken.
Sie wusste genau, dass es so war – schließlich hatten wir beide uns erst nach unseren Gründen zu leben und zu kämpfen akzeptieren können.
In ihren Gedanken sah ich die automatische Reaktion auf die meinen – gedanklich fuhr sie ihre Krallen unzufrieden und aufgewühlt ein und wieder aus.
"Dir ist doch bewusst, dass du meinen Körper kurzzeitig verlassen musst, oder?", fuhr ich fort.
Ein kehliges Knurren entschlüpfte mir, obwohl ich Felicitas daran zu hindern versuchte.
"Damit du dich schön von mir unabhängig machen kannst."
"Auch. Vor allen Dingen brauche ich aber viele Körper – damit ich sowohl den Karasu als auch den Neko mal unerkannt bleiben könnte. Damit ich mich auch einmal ohne meine Stute bewegen kann, wenn du gerade unabkömmlich bist. Damit ich sowohl fliegen, schwimmen, rennen, jagen, fliehen und spionieren kann. Ich will die Hoffnungen der Neko nicht enttäuschen, will unabhängig und sozusagen eine Allzweckwaffe sein. Kannst du das verstehen?"
"Was ist denn los? Rebelliert das Kätzchen?", meinte Fredolin heiter und ersparte Felicitas so eine Antwort.
Trotzdem war ich froh, dass mir neben Verachtung für meine Schwäche auch schwach und verdreht Verstehen von ihr entgegenwehte.
Ich lächelte Fredolin schief an, während ich Izanami's forschenden Blick ignorierte.
"Rebellion würde anders aussehen. Ich musste lediglich meinen Standpunkt vertreten und sie den ihren."
"Wie diplomatisch ausgedrückt.", gackerte das Huhn.
"Also hattet ihr Streit.", argwöhnte Izanami.
Ich seufzte.
"Ja. Aber wie viele Streitende haben wir uns wieder vertragen."
Um mich zu ärgern, versuchte Felicitas, erneut zu knurren und mir damit zu widersprechen.
"Willst du wirklich eine so mächtige Frau als Glucke und Spitzel haben?", meinte ich halb belustigt, halb verärgert.
"Mächtig? Diese alte Schachtel?"
"Dabei bist du doch die mit den besseren Sinnen. Kannst du ihre Aura nicht spüren? Ich finde, sie strahlt Alter, Weisheit und Macht aus."
"Hm."
"Wo ist Ayita?", versuchte ich, Izanami's Misstrauen zu zerstreuen.
"Vor dem Zelt. Sie war so unruhig, ich konnte sie nicht weiter wegbringen.", erwiderte sie mit einem kleinen Lächeln.
Wie zur Bestätigung wieherte es draußen und die Verärgerung der Stute und der Raubkatze vereinten sich in mir.
Ich verzog das Gesicht, verkniff mir aber einen Kommentar.
"Kann ich sie sehen? Ich halte es nicht aus, nochmal so lange wieder von dir gepflegt zu werden.", fragte ich mit einem Augenzwinkern.
Sie ging jedoch nicht auf meinen Witz ein, sondern fragte barsch:
"Damit du dich gleich wieder in die nächste Gefahr stürzen kannst?"
Elias brummte zustimmend, doch ich ignorierte ihn und lächelte gequält.
"So würde ich das nicht sehen: Ich erfrische mich und treibe durch die leichte Bewegung auf Ayita's Rücken meinen Kreislauf und meine Gesundung an."
Als sie mich weiterhin nur missmutig ansah, setzte ich noch hinzu:
"Bitte! Ich bin doch nicht verletzt – im Gegensatz zu den Beiden hier. So kannst du dich besser um sie kümmern, wenn ich dich nicht mehr zusätzlich belaste – dann werden sie schneller gesund. Außerdem hast du gesehen, wie mich Ayita mich auf ihren Rücken lässt. Sollte ich wirklich wegen der Schwäche straucheln, würde sie sofort in die Knie gehen, meinen Sturz abmildern und Hilfe holen."
"Das ist doch absolut-", fing der Krieger hitzig an, doch Izanami würgte ihn mit einem barschen Satz ab – schließlich solle er nicht Nyoko wecken und sie sei die Heilerin.
Abschätzig musterte sie meinen Kopf, während ich versuchte, nicht vor Verlegenheit rot zu werden. Den Stoß von Aurelius auf meinen Kopf hatte ich ja fast vergessen. Hoffentlich wirkte sein Betäubungsmittel, welches Verwandlungen einschränkte, nicht mehr lange.
"Es wäre doch viel einfacher, meinen Körper zu benutzen, als dieses Zugpferd als Lasttier zu benutzen.", murrte Felicitas, die meinen Plan durchschaut hatte.
Ich ließ meine Verärgerung ob dieser Bezeichnung Ayita's durchklingen und sagte:
"Ich brauche meine Klamotten noch. Außerdem will ich nicht öfter als nötig als Raubkatze durch das Lager spazieren. Es könnte schließlich Spione geben."
Sie knurrte nur in meinem Kopf und zog sich zurück.
"Na schön.", sagte die Heilerin plötzlich.
"Aber keine Dummheiten, ja?"
Ich strahlte sie an – hoffentlich würde sie nie Spitzkriegen, was ich vorhatte.
Ich schwang die Beine aus dem Bett, bis Fredolin mit einem Mal empörte Laute ausstieß, weil ich ihn gestoßen hatte.
"Oh – entschuldige. Dich hatte ich schon ganz vergessen.", murmelte ich entschuldigend.
Izanami war fast sofort an meiner Seite und führte mich aus dem Zelt, wo schon eine ungeduldige Ayita wartete.
Ich lächelte und streichelte ihr mit einer Hand über die Nüstern, während ich mit der anderen weiter an Izanami Halt suchte.
"Ich weiß: Ich habe dich auch vermisst.", sagte ich sanft und leise.
"Vor allen Dingen habe ich mir Sorgen gemacht – du wärst schließlich fast entführt worden.", schnaubte sie besorgt zurück.
Ich lächelte sie an, während sie in die Knie ging und ich aufstieg, immer noch etwas unbeholfen.
Die Stute hatte sich schon halb abgewandt, als ich der Heilerin zuwinkte, bevor sie es sich anders überlegte.
Sobald wir aus ihrer Sichtweite waren, legte ich seufzend mein Gesicht an ihren Hals.
"Ich habe dich wirklich erstaunlich vermisst. Unsere Bindung ist mir wahrlich Gold wert. Ich musste dir weder meinen Plan noch den Ort nennen: Du wusstest sofort, was ich will. Und fast immer akzeptierst du das auch. Und doch muss ich mich nicht vor dir in Acht nehmen: Sollte ich bei Felicitas jemals vergessen, dass wir zwei Persönlichkeiten sind, werde ich mein Selbst verlieren."
Ayita schwieg lange, bevor sie meinte:
"Ich brauche deinen Körper zum Überleben nicht – deswegen können sich unsere Persönlichkeiten mit Gedanken und Gefühlen bedenkenlos trennen. Diese Distanz ermöglicht uns ein eigenständigeres Leben, während die Raubkatze fürchten muss, dass du sie nie wieder in deinen Körper lässt."
"Ich würde nie -", fuhr ich auf, doch sie unterbrach mich sofort.
"Das weiß ich doch – trotzdem belastet es eure Beziehung. Du hast doch selbst gemerkt, dass dir ein Stein vom Herzen gefallen ist, als du wieder alleine in deinem Körper warst."
Sie sagte das ohne jede Bösartigkeit, weshalb ich ernsthaft über ihre Worte nachzudenken begann.
War das wirklich so? Belastete mich das? Hatte Felicitas wirklich immer noch Angst, von mir verstoßen zu werden?
Eine Weile ritten wir schweigend weiter, bis die Stute ernst sagte:
"Willst du wirklich mit noch mehr Tieren deine Persönlichkeit teilen?"
Ich nickte entschlossen.
"Ja. Ich brauche diese Unabhängigkeit und Stärken. Außerdem will ich niemals in die Situation geraten, dass Aurelius mir Felicitas nimmt und ich völlig wehrlos bin.", sagte ich und teilte die Erinnerung der versuchten Entführung mit ihr.
Sie schnaubte und sowohl Verständnis für meine Entscheidung als auch Wut ging von ihr aus.
"Krähen.", sagte sie nur und ich hakte nicht weiter nach – wenn sie mir nicht erzählen wollte, warum sie die Karasu wütend machten, war das ihre Sache.
"Ich nehme an, du willst tiefer in den Wald.", wechselte die Stute das Thema.
"Ja. Da bemerkt uns niemand, du kannst mich im Auge behalten und fressen, während ich den Tieren alles erkläre."
Schweigend führte sie mich durch den dichten Wald, weg vom Wasserfall und den Stimmen, bis ich schon fürchtete, wir würden zwischen den einzelnen Stämmen steckenbleiben.
Plötzlich wichen die Kiefern jedoch und gaben ein kleines Fleckchen Unterholz frei.
Nicht gerade die bequemste Stelle, aber ich wollte hier ja schließlich nicht schlafen.
"Danke.", sagte ich zu Ayita und begann, mich auszuziehen, während sie in die Knie ging.
Der restlichen Kleider entledigte ich mich beim Abstieg und legte sie auf den Rücken der Schimmelstute.
"Ich bin bald zurück.", sagte ich leise.
Ayita schnaubte, während ich leise fluchend durch das manchmal scharfkantige Unterholz ein Stück von ihr wegkrabbelte.
Während dem Ritt hatte ich mir Gedanken machen können, welches Tier es nach Felicitas werden sollte. Seltsamerweise hatte gerade sie mich auf meine neue Wahl gebracht:
Den Windhund.
Er konnte Fährten verfolgen, sowohl schnell jemanden jagen als auch schnell fliehen. Wobei es sein konnte, dass das auf Ebenen lebende Tier erstmal mit dem Wald umgehen lernen musste.
Außerdem hatte ich mich bereits einmal in einen Windhund verwandelt. Ich hatte dessen Sinne kennengelernt und konnte deshalb mir zeitgleich eine zweite Verwandlung sparen.
Ich stellte mir einen schnellen Sprint durch die Bäume, das aufgeregte Hecheln, den aufgerichteten Schwanz und ein schlanken, grauen Körper mit einer langen Schnauze vor.
Innerlich verzog ich das Gesicht, als sich meine Knochenstruktur zu verändern begann.
Das stetige Hecheln, was schnell aufhörte, sich unnormal anzufühlen, bestätigte mir letztendlich, was die Verwandlung geglückt war.
Was für eine Freude! Endlich wieder herumtollen! Doch wohin ist die vertraute Weidelandschaft verschwunden?
Das plötzliche und doch natürliche Einsetzen dieser Gedanken war wie ein Schlag ins Gesicht. Jetzt, wo ich mir bewusst war, was geschah – anders als bei meiner zweiten Verwandlung in Felicitas – zerriss es mich förmlich.
Ich wusste immer noch, wer ich war, doch diese zweite Persönlichkeit schmiegte sich perfekt an die meine und wollte unbewusst beginnen, die meine zu überlagern. Es wäre so einfach gewesen, sich diesem Windhund hinzugeben – so einfach, sich selbst zu vergessen – denn an dem Hund war nichts Verstörendes.
Erschrocken über diesen Gedankengang sagte ich schärfer als beabsichtigt:
"Hör mir zu, Hund!"
Sichtlich erschrocken drehte sich der Windhund einmal im Kreis.
Von wo kam diese Stimme? Hat da wirklich jemand gesprochen? Aber ich rieche niemanden.
Spürte dieser Hund denn gar nicht meine Anwesenheit in seinem Körper?
"Momentan befinde ich mich in deinem Körper. Genauer gesagt habe ich dir meinen Körper geliehen, damit deine Seele den meinen verändern konnte. Ich brauche deine Unterstützung."
Schmeicheln konnte nicht schaden.
Der Windhund hatte sich überrascht auf sein Hinterteil gesetzt und hechelte jetzt stärker, während er mit seinem Schwanzwedeln das Unterholz aufwühlte.
"Wer auch immer da ist; ich würde gerne wissen wer du bist."
"Ich bin Majikku. Ich möchte mir deinen Körper leihen, um einer Organisation behilflich zu sein."
Vielleicht werde ich auch für sie kämpfen., dachte ich im Stillen.
"Wenn du kämpfen willst, dann ohne mich. Ich genieße mein Leben und setze es nicht für jemand Wildfremden aufs Spiel."
Der Windhund klang nicht wütend, höchstens entschieden.
"Ich überlege noch, ob ich überhaupt kämpfen werde. Und wenn du willst, kämpfe ich nicht mit dir.", sagte ich schnell.
Fast hätte ich vergessen, dass der Windhund auch meine Gedanken lesen konnte.
"Ich mag es nicht, nur 'der Windhund' zu sein. Mein Name ist Hektor."
"In Ordnung."
"Wofür kämpfst du denn?", fragte der Windhund so neugierig und unschuldig, dass ich fast ein schlechtes Gewissen bekam.
"Nun...", begann ich zögernd.
"Die Partei, die mich hierhergebracht hat, musste feststellen, dass ich eine Magierin bin. Und deshalb wollen sie mich als Verteidigung auf ihrer Seite haben, weil sie beschuldigt werden, ein Kind gestohlen zu haben."
"Was für eine Gemeinheit! Welpen zu stehlen ist eine schreckliche Beschuldigung!", bellte Hektor aufgebracht.
Und was ist, wenn die Gegenseite Recht hat? Wenn die Neko wirklich Entführer sind? Dann könnte ich noch weniger als bisher zur Waffe greifen.
"Ich finde, du solltest ihnen vertrauen. Schließlich sind Rudel klar strukturiert: Es ist komplizierter, neue Mitglieder einzufügen, als du denkst."
Wie naiv. Schließlich könnte meine Magie ja bereits Grund genug sein, mich aufzunehmen. Das gilt für beide Seiten.
"Mag sein, dass ich naiv bin. Na und? Es ist jedenfalls einfacher als immer misstrauisch zu sein. Und ich bin nicht der Hund für schwierige Abwägungen und Skepsis.", meinte der Windhund schwanzwedelnd.
"Folgendes:", begann ich erneut.
"In meiner Zeit hier werde ich einen guten Verfolger als auch einen Körper brauchen, mit dem ich mit in Lebensgefahr zurückziehen könnte. Und da habe ich an deinen Körper gedacht."
"Ich glaube nicht, dass ich das machen will. Das klingt mir zu gefährlich."
Der Windhund klang eher verträumt als feindselig.
Ich begann bereits zu resignieren.
"Wenn du magst, schicke ich dich auch wieder dahin, von wo ich dich geholt habe. Mir geht es hauptsächlich um deinen Körper."
"Gerne! Komme ich dann in meine geliebte Weidenlandschaft zurück?"
Ich seufzte.
Hatte Hektor denn gar nichts begriffen?
"Du warst bereits tot, als ich deinen Körper und damit ausversehen deine Seele zurückgeholt habe."
Das Nackenfell des Hundes sträubte sich.
"Tot?! Nein, ich will noch nicht sterben!"
Ich seufzte erneut.
"Das habe ich mir gedacht. Aber da ich dir meine Seele als zweites Leben angeboten habe, musst du dich an meine Bedingungen halten. Ich brauche mein eigenes Leben und du musst dir meine Seele noch mit anderen Tieren teilen."
Hektor japste überrascht, dann sagte er hastig:
"In Ordnung. Was muss ich tun?"
Wenn der Windhund nicht meine Muskeln kontrollieren würde, hätte ich überrascht meine Braue gehoben.
Das ging ja schnell.
Andere hätten bei diesen Gedanken listig gefeilscht, doch Hektor wackelte nur eifrig mit seinem Kopf.
"Das ist ja schließlich nur fair. Also, wann muss ich eine Fährte aufspüren?"
"Eine weitaus wichtigere Frage: Wie oft musst du fressen?", fragte ich mit Unbehagen.
Hektor schnüffelte neugierig und nachdenklich in der Luft, als spüre er Beute nach.
"Ungefähr jeden zweiten Tag; vielleicht auch weniger, wenn ich meinen Körper selten benutze."
"Wäre es für dich in Ordnung, bereits erlegte Beute zu fressen? Dann könntest du in Anschluss an meine erste Begleiterin fressen und ich müsste nicht zu unterschiedlichen Zeiten jagen."
Der Windhund wuffte zustimmend.
"Erlegte Beute frei Haus? Warum nicht? Und wenn es dir das Leben erleichtert, kann ich nicht nein sagen.", sagte Hektor gutmütig.
"Aber keine lebensbedrohlichen Situationen für mich, ja? Wenn's gefährlich wird, bin ich weg. Dann brauchst du jemand anderen. Ich glaube nämlich, dass ich bei einem Kampf gestorben sein könnte."
Der graue Windhund klang nachdenklich und ich beschloss erleichtert, diese Einschränkung zu akzeptieren.
"Am besten, ich rekrutiere jetzt noch einen Begleiter: Die nächste Jagd findet bereits heute Abend statt. Und mal sehen was ich machen kann: Vielleicht jagen wir dieses Mal auf Weideland.", versuchte ich, Hektor den Abschied von seinem zweiten Leben in mir leichter zu machen.
Es funktionierte.
Der Windhund hechelte aufgeregt, nickte und zog sich zurück.
In einem plötzlichen Energieschub stieß ich die Faust in die Luft.
"Ja, verdammt!", grinste ich in das vorher so feindselig erschienene Unterholz.
Vielleicht würde es doch nicht so selbstzerstörerisch und kraftaufwendig werden, neue Kämpfer zu gewinnen. Vielleicht war Felicitas ja einfach von der störrischen Sorte und ich hatte noch vor der Jagd ein Dutzend neuer Gefährten und Helfer an meiner Seite.
Erst jetzt, nach diesem Freudenausbruch, wurde mir bewusst, wie bedrückt ich gewesen war. Ich war immer mehr unter der Last der Verantwortung, einem ungesunden Pflicht- und Schuldgefühl zusammengeschrumpft und hatte mir jede Freude und jeden Übermut untersagt.
Diese Situation war wie Wasser für eine vertrocknende Blume, die jetzt wieder aufblühen konnte.
Mit neuem Mut und neuer Zuversicht forstete ich in meinen Gedanken nach einem neuen Gefährten.
Ich brauchte definitiv noch Flügel. Doch die Taube konnte ich nicht nehmen – zum einen, weil mich mindestens Aurelius und Taurus schon darin gesehen hatten. Zum anderen brauchte ich einen größeren Raubvogel, der auch mit Krähen-Spionen fertig wurde.
Doch egal, wie lange ich grübelte, mir wollte kein Greifvogel beim Namen einfallen. Mir war nur klar, dass ich besser nicht noch mehr Tiere aus ihrem natürlichen Lebensraum hierher entführte – so wie ich es mit dem Puma getan hatte. Sie hatte darüber zwar nie ein Wort verloren, doch ihre Verunsicherung war eindeutig. Außerdem sollte mein tierischer Körper kein Aufsehen erregen und das ging nur, wenn er einheimisch war.
"Lass mich nachdenken. Ich bin schließlich hier aufgewachsen. Meistens habe ich es jedoch vermieden, diese überlegenen Jäger zu mustern.", sagte Ayita plötzlich.
Als jedoch auch die Stute volle drei Minuten schwieg, schnaubte sie ungeduldig:
"In meinen Gedanken an Rache an diesen vermaledeiten Krähen muss doch auch schonmal der Gedanke gewesen sein, wie es wäre, anstelle eines Vogels durch die Lüfte zu segeln und diese Viecher zu jagen."
Ich musste ein Schmunzeln unterdrücken, als ich fragte:
"Darf ich mitsuchen?"
"Es wäre mir lieber, wenn du das nicht tust. Ich schicke dir ein Bild von dem Vogel, wenn ich ihn gefunden habe."
Mehr verletzt, als ich wohl sein sollte, erwiderte ich:
"Meinetwegen."
Nachdenklich starrte ich den Kiefernwald an, der so gut das Licht dämpfte, aber eher stark als bedrohlich wirkte. Dann wanderte mein Blick zu mir – zu meinem Körper, wie ich unbekleidet auf allen Vieren stand – wie Hektor mich zurückgelassen hatte.
Es war lange her, dass ich den Mut und die Muße aufgebracht hatte, mich selbst bewusst zu betrachten.
Weil mir vom rauen Untergrund bereits Füße, Handflächen und Knie schmerzten, versuchte ich mich seitlich auf meine Hüfte zu setzen - ich scheiterte, weil meine Rumpfmuskeln und mein Gleichgewicht noch nicht ausreichten und fiel ungelenk auf eine Seite. Leise fluchend stellte ich mich doch wieder auf alle Viere – neben stehen würde das wohl auf absehbare Zeit die einzige Methode bleiben, mich in Ruhe anzusehen.
Meine Hände waren durch die starke Beanspruchung beim Laufen so schwielig, als würde ich ein Handwerk verrichten, meine Arme und Schultern hatten durch die unnatürliche Verteilung meines Gewichts beim Laufen muskulös – die Unterschenkel der Beine hingegen wegen der deutlich geringeren Belastung als üblich dünn und beinahe ohne Muskeln. Die Oberschenkel stellten einen kleinen Gegensatz dazu dar – durch die schwache Wadenmuskulatur waren meine Knie immer etwas gebeugt, was der Oberschenkel mit permanenter Anspannung ausgleichen musste. Durch das häufige Sitzen, zu wenig Sport und einer nicht immer gesunden Ernährung war mein Rumpf breiter und schwächer, als es mir lieb war. Immerhin meine kleinen, durch die wenige Belastung zierlichen Füße und meine große Oberweite stellten mein ohnehin selbstkritisches Wesen zufrieden.
Und letztendlich war natürlich alles übersät mit Operationsnarben. Manche klein und wegen dem hellen Gewebe kaum auszumachen, andere groß und leuchtend rot wie Brandnarben. Tief in meinem Innern war mir immer bewusst, dass sie alle notwendig gewesen waren und besonders zur Erhaltung meines Körpers beitrugen, sie jedoch alle so versammelt zu sehen, erfüllte mich mit unerwarteter Abscheu.
Bevor ich jedoch tiefer in diesen plötzlichen Sumpf aus Selbsthass sinken konnte, blitzte das Bild eines Greifvogels durch meinen Kopf.
Ich erkannte ihn sofort – mein Vater und ich hatten ihn bereits mehrere Male über Felder fliegen sehen. Im Nachhinein fragte ich mich, warum er mir nicht selbst eingefallen war.
"Ein Rotmilan! Aber natürlich! Du bist ein Genie, Ayita!", rief ich aus.
Die Stute erwiderte nichts, es ging bloß ein dunkler Sturm an Gefühlen von ihr aus.
Ich schickte meinen Strom an Gefühlen zu ihr – Dank, Zuneigung und Vertrautheit – hoffte, dass sie das etwas beruhigte. Mehr konnte ich aber nicht tun, wenn ich ihre Privatsphäre respektieren wollte.
Der Sturm wurde tatsächlich etwas lichter, also vertiefte ich mich in die Empfindungen, die ich mit den Erfahrungen als Taube verglich.
Flügel wie Paddel und den Schwanz wie ein Ruder im Luftstrom nutzend. Der pfeifende Wind bei einem kontrollierten Beutesturz in die Tiefe. Das Erhaschen eines Herzschlags mit den empfindlichen Ohren. Das schrille Kreischen gegenüber eines Nahrungskonkurrenten.
Flügelflatternd versuchte ich, auf den ungewohnten Beinen das Gleichgewicht zu halten und gleichzeitig ununterbrochen daran zu denken, mich sofort nach Beendigung der Verwandlung zurück zu wandeln – schließlich wollte ich nicht wieder das schleichend anbahnend das Leben eines Rotmilans führen und dabei mich selbst vergessen. Zwar erschien bei der ersten Verwandlung zwar keine eigene Persönlichkeit, aber deren Instinkte übernahmen meine. Je intelligenter das Tier, desto schneller.
Also verwandelte ich mich rasch zurück und dann gespannt erneut.
Wie kooperativ würde wohl der Greifvogel sein?
Bevor ich es kontrollieren konnte, hatte ich die Flügel ausgebreitet und flog über die Baumkronen hinweg.
Mal sehen, welches Vögelein wir heute finden.
Gezielt begann ich, nach verlassenen Nestern mit Küken darin ausschauzuhalten.
Entsetzt von diesem Gedanken stockte der gleichmäßige Flug für einen Moment – dann besann ich mich und rührte die Muskeln des Rotmilans nicht mehr an. Sonst würden wir vermutlich noch abstürzen.
"Verzeihung, aber könnten wir zum Boden zurückkehren? Ich muss dir etwas sagen und das wäre mir in der Luft zu unsicher.", bat ich, etwas eingeschüchtert durch die vorangegangenen Gedanken des Greifvogels.
"Wer belästigt mich da?", fragte das Tier mit wild herumschnellendem Kopf feindselig.
"Mein Name ist Majikku und ich würde es gerne vermeiden, dich zu belästigen. Es gibt jedoch ein paar Dinge, über die ich mit dir reden möchte."
"Du belästigst mich aber! Verschwinde aus mir, denn ich will nicht mit dir reden!", sagte der Greifvogel ausgesprochen widerborstig.
Doch die Tatsache, dass er bereits begriffen hatte, wo ich mich befand, machte mir erneut bewusst, wie unterschiedlich die Persönlichkeiten der Tiere waren und dass ich sie mehr als Individuen als Gefäße betrachten musste.
"Hör zu, genaugenommen steckst du in einem Körper und ich brauche dich. Deshalb-"
"Pah! Selbst, wenn das stimmen sollte: Verschwinde aus diesem Körper! Ich bin nicht bereit, ihn mit einem naiven Schwächling wie dir zu teilen."
Bevor ich etwas erwidern konnte, legte der Greifvogel die Flügel an und begab sich in einen – für mein Empfinden lebensgefährlichen – Beutesturz. Der Rotmilan hatte ein Nest erspäht und war fest entschlossen, die darin befindlichen Küken zu seinem Snack zu erklären. Dabei konnte ich ganz deutlich spüren, dass den Greifvogel kein Hunger plagte, lediglich Appetit und Gier nach Blut, Gewalt und der Angst seiner Opfer.
"Halt!", schrie ich, doch der Rotmilan ignorierte mich und in seinem Geist blitzte die Imitation eines verschlagenen Grinsens auf – fast so, als wüsste er, dass er mich damit beinahe aus mir vertrieben hätte.
Und vermutlich wusste er das tatsächlich.
Die Krallen bohrten sich in den weichen Flaum der Nestlinge und sie stießen ein jammervolles, mitleiderregendes Piepsen und Quieken aus, während der weitaus größere Vogel sie gnadenlos auseinander hackte und einzelne Fleischstücke ruckartig hinunterwürgte.
Ich währenddessen, versuchte nicht zu kotzen und meinen immer stärker werdenden Abscheu zu unterdrücken.
Das war schließlich der Lauf der Natur, oder?
"Ich brauche deine Flügel, deine Augen und deine Ohren um Krähen auszuspionieren.", versuchte ich es merkwürdig abgehackt erneut, weil ein flaumiges Stück Fleisch gerade in meiner Kehle steckte.
Normalerweise hätte ich bis zum Runterschlucken gewartet, doch der Vogel schlang sich so schnell voll, dass ich keine Pause zum Reden erhielt.
"Krähen?", horchte der Rotmilan auf.
Vorsichtig begann sich Hoffnung in mir zu regen.
Zwar sah ich Gedanken an Zwischenmahlzeiten dabei in seinem Kopf, doch mir sollte das Recht sein, sobald er mir half.
"Wie heißt du?", fragte ich betont lässig, um den Greifvogel von seinen gewalttätigen Gedanken abzubringen.
Nun sprang mir der bereits vermutete Name Faruk aus seinen Gedanken förmlich entgegen, doch ich erhielt keine Antwort.
Ein passender Name für einen Raubvogel, wie ich fand.
Das Tier hatte sich inzwischen dem letzten Küken zugewandt und öffnete gerade den Schnabel, als es plötzlich sagte:
"Den Teufel werde ich tun und dir beim Kriegszug von ausgerechnet Katzen gegen Krähen zu helfen. Dafür stocherst du mir entschieden zu viel in meinen Gedanken herum."
Die Ironie dieser Aussage war Faruk offenbar nicht bewusst.
"Außerdem lebe ich für mich. Und nur für mich allein. Schließlich überleben nur die Starken und die Schwachen sterben."
Dann gehörst du also zu den Schwachen?, dachte ich, bevor ich mich zurückhalten konnte.
Mit einem wütenden Kreischen machte sich der Rotmilan daran, die Flügelstummel des armen, fiepsenden Wesens vor ihm Stück für Stück abzutrennen.
"Du bist bereits gestorben!", rief ich ihm über den Lärm hinweg zu, beschwichtigte Faruk damit jedoch kein Bisschen.
"Mit der Verwandlung in eine Tiergestalt bekomme ich eine verstorbene Tierseele zugeordnet, die so eine zweite Chance zu leben erhält. Gerade jetzt teilst du dir meine Seele – ich denke zumindest, dass es sich dabei darum handelt – mit mir, Felicitas und Hektor.", versuchte ich es mit der vernünftigen Erklärung.
Der Räuber ignorierte mich jedoch komplett und begann gerade, dem noch lebenden Nestling die noch geschlossenen Augen auszuhacken.
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Selbst, wenn ich das Tier irgendwann irgendwie überreden könnte – und im Moment sah es nicht so aus – könnte ich so eine grundlose Grausamkeit im Alltag von Faruk's Leben nicht ertragen.
Dieser Abschaum hatte seinen Tod verdient. Nur, wie konnte ich ihn vertreiben?
Faruk hielt erneut inne.
"Wag es ja nicht.", sagte er und bohrte in der inzwischen leeren Augenhöhle herum.
Doch diese weitere Grausamkeit bestärkte mich nur noch. Der Raubvogel musste erneut sterben.
Da erinnerte ich mich an den Moment, als Felicitas mich beinahe übernommen hätte und Nyoko mich gerettet hatte.
Sie hatte mein ganzes Wesen wie Wasser das Erdreich durchdrungen und jeden Aspekt meines Seins gesehen, analysiert und vermutlich auch verstanden. Diese Dinge hatte sie dann wie Wassertropfen aus mir extrahiert – denn meine Erinnerungen waren zu diesem Zeitpunkt überall verstreut, verdreht und falsch verknüpft, sodass ich nicht in der Lage war, das selbst zu tun – zu einem massiven Wasserball zusammengefügt und mit aller Macht auf Felicitas' Bewusstsein geschmettert. Entgegen der Physik, war der Wasserball nicht wieder in abertausende Wassertropfen zerstoben, sondern hatte sich wie eine Hülle um das Bewusstsein der Raubkatze geschlossen. Das war der Moment, indem ich wieder wusste, wer ich war und mich wieder selbst kontrollieren konnte – nur hatte ich da beim letzten Mal das Bewusstsein verloren. Und schlussendlich hatte Felicitas ja auch so lange von innen gegen die Hülle geschlagen wie ein Vogel gegen seine Eierschale und war dem Schutz entkommen.
Doch vorerst würde das genügen müssen.
"Wenn du das wirklich tust, werde ich uns beide töten.", meinte der Rotmilan.
Natürlich wusste der Vogel, was mir am meisten Angst machte. Verflucht aber auch. Konnte ich diese Fähigkeit irgendwie gegen ihn verwenden?
Egal, jetzt musste ich ihn erst einmal unterdrücken. Wie ich ihn töten würde, war eine andere Frage. Vielleicht konnte mir ja Nyoko aushelfen. Schließlich hatte sie mir bereits einmal gesagt, dass sie Felicitas nicht töten würde. Das allerdings bedeutete ja, dass sie dazu in der Lage war. Und obwohl ich sie manchmal für zu gefühllos hielt, konnte diese Eigenschaft jetzt durchaus von Nutzen sein.
"Du wirst mich niemals töten können.", versuchte es Faruk erneut, doch ich ignorierte ihn.
Stattdessen begann ich, ein Lied zu summen, dass mich durch den Großteil meiner Kindheit begleitet hatte, um mich ganz in meine Persönlichkeit zu vertiefen und auch, um ihn zu ignorieren. Gleichzeitig versuchte ich, mein Leben als eine Art Zeitstrahl aufzubauen, mit den wichtigsten Erinnerungen als Zentrum der Kette. Zwar nahm ich Faruk's Gezeter wie am Rande war, schenkte ihm jedoch keine weitere Beachtung. Er würde sich nicht selbst opfern, dazu war er viel zu selbstsüchtig. Und durch meine Konzentration konnte ich sogar die halsbrecherischen Sturzflüge und die Grausamkeiten an kleinen Nagern ignorieren - eine Tatsache, die mir neu war, die ich aber begrüßte.
Für meinen Geschmack viel zu langsam, rückte Faruk nach und nach in den Hintergrund meines Bewusstseins und meiner Persönlichkeit.
Leider hatte das einen unangenehmen Nebeneffekt:
Da ich ja Faruk's Gestalt verlor, verlor ich somit auch seine Flügel und stürzte ab.
Schreiend vor Entsetzen und instinktiv mit den Armen rudernd, nahm die Schwerkraft ihren Lauf und ich näherte mich viel zu schnell dem Boden.
"Felicitas! Ich brauche dich, schnell!"
Glücklicherweise stellte das Pumaweibchen keine Fragen, sondern eilte mir zu Hilfe - soweit hatte ich mir ihr Vertrauen inzwischen verdient. Hoffentlich würde ich das nicht gleich wieder verlieren.
"Wie hast du denn diese Situation wieder geschafft, Mensch?!", fauchte sie entsetzt.
"Siehst du den Baum unter uns?", fragte ich schnell, bevor sie sich wieder aus mir zurückziehen konnte.
"Ja! Und für meinen Geschmack ist der viel zu weit unter uns!", knurrte Felicitas.
"Im Gegensatz zu mir, kannst du uns das Leben retten und dich darin festkrallen."
"Und wer garantiert mir, dass ich das überlebe?!"
"Keiner. Aber ich werde dich danach sofort verlassen, sodass du keine Schmerzen mehr spüren brauchst. Sobald ich die letzte Gestalt für heute aufgesucht habe, werde ich sofort mit dir zu Izanami gehen und dich heilen."
"Du verstehst es, verlockende Angebote zu machen. Was mache ich, wenn du dein Versprechen nicht einhältst und mich einfach sterben lässt wie eine armselige Beute?", meinte sie misstrauisch und bissig.
"Bitte, Felicitas. Wenn ich dich hätte sterben lassen wollen, hätte ich dich auch einfach im Fluss ertrinken lassen können. Ich dachte, wir wären bereits an dem Punkt angelangt, an dem wir uns vertrauen.", sagte ich leise, jedoch mit einer aus der Aussicht auf den Tod geborenen Lethargie.
Die Raubkatze schwieg, doch sie hatte bereits automatisch ihre Krallen ausgefahren und vielleicht blieb ihr auch gar keine Zeit, mir zu antworten, bevor wir auch schon krachend in den Baum einschlugen.
Ich stöhnte und zischte, Felicitas fauchte und jaulte, während wir beide Knochen brechen und Gelenke auskugeln spürten. Durch den heftigen Ruck biss sich die Raubkatze auf die Zunge und ich schmeckte gemeinsam mit ihr Blut.
Beim Aufprall auf dem Boden sah ich Sterne und konnte nicht richtig atmen – so sehr brannten meine Rippen.
"Ich hoffe für dich, dass du dein Wort hältst, Mensch.", keuchte die Raubkatze.
"Das werde ich.", antwortete ich mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen, doch Felicitas hatte sich bereits aus mir zurückgezogen und hörte meine Worte vermutlich nicht mehr.
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Teil 2 folgt, das Kapitel wäre sonst zu lang geworden - und so kommt ihr in den früheren Genuss eines weiteren Kapitels. ;-)
Nuoli
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