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Ich habe mich daran erinnert, dass ich dieses Schreiben ja eigentlich dafür nutzen wollte, ein bisschen über meinen Lebensweg und meine Entscheidungen nachzudenken. Reflektieren. Doch ich habe mich mit einem Teil meines Lebensweges seit Jahren nicht mehr beschäftigt, ihn einfach tief in meiner Seele verschlossen und den Schlüssel fort geschmissen. Doch der Schlüssel hat mit dem Schreiben den Weg zurück zu mir gefunden. Über diesen düsteren Tag, muss ich schreiben, auch wenn meine Hand jetzt schon zittert.
Meine Ausbildung in der Gestapo verlief soweit ruhig. Sie ging wie bei allen anderen auch ein Jahr. Ein Jahr, in dem ich neben meiner Arbeit regelmäßige Schulungen in Rassen und Volkskunde bekam.
Gewiss ich wusste, dass dieses Geschwafel völlig haltlos war, ich hatte schon erkannt, dass es der Propaganda diente. Doch ich wusste auch, dass ich mitspielen musste. Interesse heucheln musste. Immerhin wollte ich Karriere machen. Ich wollte nicht mehr als einfache Sekretärin verloren gehen.
Nein als Mitglied der Gestapo hatte ich eine gewisse Macht. Diese Macht war ein kleiner Nervenkitzel. Immerhin entschied ich zumindest ein bisschen auch über das Leben einiger Menschen. Diese Macht erfüllte mich zutiefst, sie war atemberaubend.
Dieses Jahr war eine lehrreiche Zeit, ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, dass ich eine Arbeit verrichtete, die meine Stärken förderte. Ich wurde für das, was ich gerne tat, so gar bezahlt. Jemand würdigte endlich meine Arbeit! Endlich war sie etwas Wert. Das war erstaunlich erfüllend.
Ich musste für meine Arbeit der Schutzstaffel beitreten. Mein Onkel erklärte mir, welche Ehre das doch sei. Er selbst war auch Mitglied der Schutzstaffel und darauf auch sichtlich Stolz.
Doch mein Onkel war trotz dessen noch Realist, er nahm mich vor dem Eintritt noch einmal zur Seite.
„Man wird von dir einen Loyalitätsbeweis irgendwann erwarten. Das musst du dir merken."
Ein Loyalitätsbeweis? In meinem Leichtsinn nickte ich das einfach ab, wie groß konnte dieser Beweis schon sein. Besser gesagt wie schwer? Ich war ja schließlich ich selbst, wer konnte das wenn nicht ich.
Die Zeit verging, das Jahr neigte sich dem Ende und von dem Loyalitätsbeweis fehlte immer noch jede Spur. Bis mich Tegel an einem Nachmittag in sein Büro zitierte. Er wies mich an, ich sollte ein Verhör mit anschließender Tötung führen.
Ich war nicht erschrocken. Immerhin waren wir die Gestapo, ich wusste schon, was meine Kollegen taten. Wir hatten ja seit neusten auch Zellen für Gefangene im Gebäude. Dass die Insassen selten dahin zurückkehrten, dass konnten nur Dumme nicht merken.
Ich weiß noch genau wie es war. Es war in dem Raum kalt, wirklich kalt, sodass ich mir meinen Mantel anziehen musste. Neben mir saß Kriminalsekretär Tietze an einem Tisch. Neben Titze waren auch zwei Anwärter der Waffen SS da. Tietze und ich würden uns die Hände nicht schmutzig machen.
Die Tür öffnete sich um Punkt 15 Uhr und man führte uns einen jungen Mann herein, der schon ziemlich mitgenommen aussah--- nicht irgendeinen Mann. Es war Theodor.
Ich weiß es noch bis heute, mein Herz hatte einen Schlag ausgesetzt. Das war also mein Loyalitätsbeweis.
Selbst während ich diese Zeilen schreibe, zittern mir die Finger. Jamme schade um das schöne Papier.
Ein paar Augenblicke war ich nicht fähig gewesen, mich zu rühren. Das konnte man doch wirklich nicht erwarten. Theodors Blick schien meinen genau zu suchen. Ich erinnere mich an die Mischung aus Schockirrung und Hoffnung in seinem Gesicht.
Meine Fassung gewann ich erst zurück, als Tietze mir leicht an die Schulter fasste.
Dieser Zwiespalt war wahrlich grausam. Theodor war immer gut zu mir gewesen, doch ich konnte hier nicht mein Gesicht so einfach fallen lassen. Immerhin hatte ich jetzt ein Jahr darauf hingearbeitet, die Perfektion aufzubauen. Immerhin hatte ich einen Ruf zu verlieren.
Das Verhör war mein erstes, was ich selbst führen musste. Sonst hatte ich immer nur Tietze beobachtet , während er verhörte. Tietze war mein Vorbild für diese Tätigkeit.
Mit einer Handbewegung signalisierte ich den Anwärtern, sich hinter Theodor zu platzieren.
Theodor hatte sich Landesverrat zu Schulde kommen lassen. Da wir als Gestapo auch dafür da waren, die letzten Ausläufe des Marxismus auszurotten, saß Theodor hier. Man warf ihm Verbrüderung mit dem Feind vor.
Es waren wenige Fragen, doch Theodor war stur. Er hielt es für eine schlaue Idee, das dritte Reich im Verhör zu kritisieren. Etwas, was, wenn ich mein Gesicht wahren wollte, nicht zugelassen werden konnte. Theodors Schreie werde ich nicht vergessen, sie haben sich tief in mein Gedächtnis gebrannt.
Es fühlte sich so an, als würde in diesem Verhör etwas von mir sterben. Wenn ich an diesen Abend denke, fühle ich mich stets, als würde ich neben mir stehen.
Nach einer Weile, einer Weile, die viel zu lang war, gestand er, was man ihm vorwarf. Gestand alles. Doch der schwerste Teil, der lag jetzt vor mir.
Ich kannte Tegels Anweisungen zu gut. Es waren nicht die Anwärter, die Theodors Leben beenden sollten, auch nicht Tietze, nein ich musste es sein, die es tat.
Man reichte mir eine Waffe, ich weiß noch, ich habe mich sehr langsam bewegt. Es fühlte sich alles an wie als bliebe die Zeit kurz stehen. Ich erinnere mich noch genau daran, dass mein Herz aussetze.
Es war nicht der erste Schuss, den ich absetzte, doch es war der erste auf einen Menschen. Ich hatte ja schon gemordet, doch jetzt war es anders. Theodore war gut zu mir gewesen, er hatte das hier nicht verdient. Ich klammerte mich wie ein Ertrinkender an die Waffe.
Theodors lebloser Körper auf den Boden, meine zittrige Hand, daran erinnere ich mich noch sehr gut. Ich wusste noch, dass ich die Waffe in meiner Hand schnell loswerden wollte. Ich wollte sie Tietze geben, doch er schüttelte nur den Kopf und deutete auf Tegel, der den Raum betreten hatte.
„Fräulein von Steifenreif sie werden doch ihre neue Dienstwaffe nicht direkt wieder abgeben wollen."
Ich verstand zuerst nicht. Tegel hatte doch immer gemeint, ich bräuchte keine Dienstwaffe. Ich erinnere mich noch daran, dass ich sie mechanisch in der Hand hielt.
„Sehr gute Arbeit Fräulein. Ich darf ihnen gratulieren Henriette, sie dürfen sich nun als Kriminalsekretären bezeichnen."
Bereue ich, was ich getan habe? Ich weiß es nicht, ich versuche die Ereignisse dieses Tages in der Regel zu verdrängen. Sich damit auseinander zu setzen, das ist für mich unerträglich. Es ist qualvoll. Ich glaube, das ist dieses schlechte Gewissen----
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