》26. Kapitel《
„Meli?" Hektisch lasse ich meinen Blick umherschweifen. "Meli! Komm schon, wo bist du?" Ich fange an den Spielplatz abzugehen. Als ich sie nirgends finde, laufe ich schneller umher. Sie ist nicht bei den Schaukeln, nicht im Sandkasten. Ist sie bei der Rutsche?
Stürmisch laufe ich voran. Aber auch dort ist sie nicht. "Meli? Wo bist du?", schreie ich weiter und würde mir am liebsten die Haare raufen. Wenn ihr irgendetwas geschieht, dann ... da ist sie! Hinter einem Busch.
„Oh mein Gott, Meli!" Sie liegt am Boden, um sie herum die anderen Kinder, mit denen sie gespielt hat. Ihr Knie ist aufgerissen, Tränen laufen ihr übers Gesicht. Und die andern, die andern lachen. Sie lachen sie aus.
Sofort zwänge ich mich durch die Reihen und gehe vor ihr auf die Knie. "Meli, alles gut? Was ist passiert?"
Sie klammert sich an meinem Arm fest. Ich versuche sie etwas abzuschirmen, damit die anderen sie nicht mehr sehen. "Hört auf!", schreie ich. Einen Moment machen sie große Augen, fangen dann aber wieder an. Ich kann es nicht mitansehen.
„Komm, der Prinzessinnen-Express ist da." Ich nehme sie sanft auf meine Arme.
Meli stößt ein Schluchzen aus und vergräbt ihren Kopf an meiner Schulter. „Ich-Ich war beim Kreisel, Und-und dann bin ich hinausgefallen, auf m-m-meine Knie", schluchzt sie mir unter Lufthollern zu. "Ich hab sie mir auf-aufgerissen."
Ich quetsche mich aus der Kinderschar heraus und sammele den Rucksack, den ich mitgenommen habe, auf. "Nicht hinsehen", gebe ich Mellory den Befehl, als die Kinder uns immer noch begaffen und nicht damit aufhören.
„Warum tun sie das?" Meli wischt sich über ihre Augen. "Wa-Warum?" Ich kann den Schmerz in ihrer Stimme hören und hätte am liebsten alles rückgängig gemacht. Das kann ich aber nicht.
Genau so wenig kann ich ihr auf ihre Frage eine Antwort geben. Das weiß ich nicht. Ich verstehe es nicht. Das wissen nur die Kinder selbst. Aus welchen Gründen sie so handeln, wie sie es getan haben. Denn lustig ist es keinesfalls gewesen.
Ich hasse es Meli, wie mich damals, in der Opferrolle zu sehen. Ich reiße mich aber zusammen, es sind nur Kinder. Sie wissen noch nicht was man damit anstellen kann. Wir alle waren mal klein, verstanden die große Welt noch nicht. Also konzentriere ich mich nur darauf, Mellory nachhause zu bringen.
Angekommen sperre ich die Haustür auf. Loren und Susan sind in der Arbeit und so hebe ich die kleine Maus auf die Küchentheke und hole Verbandszeug.
„Avi?" Ich drehe mich um. "Ich hab Puffy vergessen und Misses Sonnenbrille..." Sie schluchzt. "Sie hätten sie erkannt!" Ich komme zu ihr und schüttle den Kopf.
„Weißt du Meli, manches im Leben ist nicht fair. Aber da können dich auch deine Sonnenbrille oder dein Einhorn nicht retten. "Ich greife nach ihrer Hand. "Es, gibt schlechte Momente, die blöd sind, die passieren einfach. Manchmal verlierst du dich in ihnen und fragst dich, wie du dort eigentlich reingeraten bist. Aber ..." Ich schlucke und drücke ihre Hand. "Aber, das muss nicht heißen, dass es nur solche Momente gibt. Die Welt ist schön Meli, auch du wirst das sehen. Sie ist so groß. Du wirst noch so viel erleben. Lass dich nicht von solchen Ärschen unterkriegen!" Ich atme durch. Dann fange ich an ihr Knie zu reinigen.
„Achtung, warne ich sie vor. Sie scheint aber ganz wo anders zu sein. Dann fange ich an.
„Du, du hast gerade Ärsche gesagt?" Sie kichert.
Mein Gesicht erhellt sich. "Ja, hab ich. Das heißt nicht, dass man das sagen sollte, aber ... manchmal tut es einfach gut. Und dann ist es auch Ok." Als ich fertig bin, drücke ich ihr ein Pflaster drauf und hebe sie herunter.
„So, die Prinzessinnen-Maniküre ist fertig. Gut gemacht!" Lobe ich sie „Und jetzt schauen wir uns einen Film an. Nur für dich." Wir tappen ins Wohnzimmer und ich suche einen Kinderfilm heraus, schalte ihn an und sage Sus Bescheid, was passiert ist, dass aber mittlerweile wieder alles ok ist und sie sich keine Sorgen machen braucht.
„Du, Avi?"
„Ja, Meli?"
Sie mustert mich aufmerksam dann grinst sie wissend. "Puffy bringt gar nichts, oder?" Ich ziehe die Augenbrauen hoch. "Du weißt schon, mit dem Bösen sehen ...„
Ich nicke. "Nein, Süße", gestehe ich.
„Und die Sonnenbrille?"
„Die auch nicht ..."
Sie klatscht in die Hände. "Hab ich mir schon gedacht", nuschelt sie.
Ich lache unsicher. "Bist du jetzt traurig?"
„Nein ...„ Sie kuschelt sich an mich. "Sie sind trotzdem die Besten. Dann muss ich sie eben beschützen. Nicht sie mich!"
Ich nicke. "Das ist eine gute Idee." Meine Hand streicht ihr über die Wange. "Dann schauen wir mal den Film an."
Später bekomme ich eine Nachricht von Sus, die besorgt ist. Aber nachdem ich ihr Meli ans Telefon geholt habe, sie sich wieder. Und ehe wir uns versehen, sind wir auf der Couch eingeschlafen. Seite an Seite.
~☆~
Es ist Mittwoch.
Der Tag an dem der Brief kam. Denn er ist da. Ich halte ihn in meiner Hand, starre ihn an. Als ich begreife, dass Cam mir wirklich zurückgeschrieben hat, muss ich grinsen.
Und nicht nur das. Er hat mir auch noch ganze sechs Muffins mitgeschickt. Was es damit auf sich hat, werde ich hoffentlich noch erfahren. Also öffne ich den Brief und fange an zu lesen, wie ein Verhungernder die rettende Nahrung. Nur, dass es bei mir ein paar Worte sind. Aber die brauche ich ganz fest. Und zwar jetzt.
Ja, Avi, hier bin ich. Nicht vor dir, aber in diesem Brief. Du hast mir gesagt, dass ich alles aufschreiben soll und genau das mache ich hiermit. Ich schreibe dir. Ich erzähle dir Dinge, die ich nicht ausspreche.
Dein Brief hat mich umgehauen. Ich war mir nicht sicher, ob du mir schreiben würdest, aber das hast du. Und ich schreibe zurück. Auch wenn es etwas gedauert hat. Ich schreibe diesen Brief, um dir zu berichten, wie es mir in den letzten Tagen ergangen ist. Und damit fange ich auch gleich mal an.
(2 Juni)
Tja, du wirst nicht erfreut sein. Ich war im Zimmer. Und wieder im Zimmer. Und dann war ich duschen. (Aber auch nur, weil mich Kelly dazu gezwungen hat, obwohl ich genau gesehen hab, wie schlecht es ihr selbst geht. Weißt du, sie versucht, stark für uns zu sein. Nur das klappt nicht jeden Tag) Dann hab ich Essen hinuntergezwängt, geschlafen. Doch das war nicht alles. Ich habe geweint, geschluchzt, alles vollgerotzt. Ich war erbärmlich, schwach.
Ist es das, was du hören willst? Ich glaube kaum und doch ist es die Wahrheit. Da wir nun mal ehrlich zueinander sind, schreibe ich das hier auf, auch wenn ich das nie vorhatte.
Ich tue das für dich. Weil du mir was bedeutest. Und dann tue ich das noch für mich. Für mich selbst. Weil ich hoffe, weil ich träume, weil es mir besser geht, wenn ich schreibe.
Und dann ist wieder alles vorbei. Ich bin im Bett und komme tagelang nicht mehr heraus.
So ist das nun mal. So ist das Leben.
Tag für Tag. Stunde für Stunde. Minute für Minute.
Gut, Böse und viele unterschiedliche Grauschattierungen.
Es ist alles möglich.
Gestern (3. Juni)
Das Gleiche wie am zweiten Juni. Mit der Ausnahme, dass ich mir einen Film angeschaut habe. Aber das war kein Riesenerfolg. Ein kleiner Junge ist im Film vorgekommen, er hat mich an Max erinnert. Danach habe ich noch mehr geweint.
Heute.(4 Juni)
Ich hab Muffins gegessen, sie hinuntergezwängt. Danach wäre mir fast übel.
Ich sehe jeden Tag meine Mom und Debby am Herd stehen. Sie kochen und backen. Ganz besonders diese Marmor-Bananen-Muffins hier. Und immer, wenn sie mit ihrer Ablenkung aufhören müssen, weil sie fertig sind, kehrt dieser Schmerz in ihre Augen zurück. Man sieht, dass sie am liebsten wieder von Neuen anfangen würden, nur um was zu tun zu haben, nur um ihre Gedanken, alles zu vertreiben, nur um Ruhe zu haben. Aber das geht nicht.
Wir platzen vor Gebäck, das die beiden jeden Tag aufs Neue zaubern. Und das ist auch er Grund, warum ich dir diese Muffins mitgeschickt habe. Lass sie dir bitte schmecken, denn ich kann es nicht mehr. Wenn ich auch nur noch einen davon unter die Nase kriege, muss ich mich übergeben.
Morgen (5 Juni)
Keine Ahnung, wer weiß das schon. Wer weiß schon, was morgen ist. Was auf mich warten wird.
Mir geht es schlecht, ich trauere, weine, verkrieche mich. Und es wird nicht besser. Ich kann dir nicht sagen, wie ich ihn vermisse. Alles an ihm. Und ich kann ihn nicht zurückholen. Das ist das Schlimmste. Er ist einfach so gegangen. Ich habe mich nicht verabschieden können, war nicht bei ihm. Obwohl doch genau er Unterstützung gebraucht hätte.
Die Schrift ist verwisch. Es scheint als wäre eine Träne darauf gefallen, die weggewischt wurde.
Aber nun; Themawechsel. Du siehst wie es bei mir aussieht, deswegen möchte ich, dass du mir jeden Tag schreibst, was du gemacht hast, was du erlebt hast. So als wäre ich bei dir, damit ich nicht alles versäume. Ok? Das ist meine Bitte, Avery. Wenn du es tust, werde ich das Gleiche tun.
Und jetzt, hör auf mich zu bemitleide und fang an, die Muffins zu essen. Los!
Over and Out!
In liebe dein Cam. Nur deiner :)
Danach weine ich, lache ich und weine noch mehr.
Als ich fertig bin, stehe ich auf, greife nach einem Muffin und beiße hinein. Und ich sagte, JA! Nur Ja! Verdammt nochmal Ja! Ich werde alles tun, für mich, für ihn, für uns beide. Ich werde schreiben. Und das immer.
~☆~
Es ist Donnerstag in der Schule.
In der Bibliothek? - Das wäre zumindest mein normaler Ort. Aber nein, ich bin draußen im Pausenhof. Ich lasse mich von der Sonne anscheinen und das seit viel zu kurzer Zeit.
Ich bin nicht drinnen. Ich habe mich gesträubt, heute alles so wie immer zu machen. Habe mich nach draußen geflüchtet. Ich strebe nach Veränderung. Und das hier ist der erste Schritt.
Ich gehe raus, beobachte die anderen, und verkrieche mich nicht mehr hinter meinem Buch. Ich mustere sie. Offen! Interessiert! Ich nehme sie auf. Alles und jeden.
Ich sehe nicht mehr zu Boden. Nein!
Ich sehe hoch.
Nehme nun alles wahr. Jedes Staubkorn. Und ich ziehe mich nicht mehr zurück.
Ich bin Avery. Avi. Und das werde ich auch immer sein.
Die Alte. Aber auch die Neue.
Und das ist mein erster Schritt dafür.
Veränderung: Zum Besseren.
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