》15. Kapitel《

Heute ist Montag. Die Zeit, als Cameron da war, scheint schon wieder Monate her zu sein, auch wenn es erst vor ein paar Tage war. Umso besser, dass heute wieder Schule ist.

Ich bin bereits umgezogen in meinem Üblichen Schwarz und fertig zum Fahren. Meine Erkältung hat sich verflüchtigt und das Kopfweh, das mich gestern noch heimgesucht hat, ist verschwunden. Und so tragen meine Beine mich zielsicher in die Küche zu Loren und Sus, die noch frühstücken.

Als Susan mich entdeckt reicht sie mir ein Croissant und meinen Rucksack: "Geh schon mal zur Tür, ich komm gleich!"

"Na gut..." Heute ziehe ich meine Schwarz-violetten Sneakers an und spare mir eine Jacke, da es warm werden soll. Meinen Rucksack werfe ich mir über meine Schulter. Dann landet ein Bissen vom Croissant in meinem Mund und ich seufze. Doch ich werde von dem leckeren Genuss abgelenkt, als es an der Tür klingelt.

Sofort kommt Sus um die Ecke. "Mach auf!", beschwert sie sich und grinst. Was ist denn jetzt los?

Verwirrt sperre ich die Tür auf und öffne sie. Doch auf das, was ich dabei erblicke, bin ich keine Sekunde vorbereitet. Mein Mund klappt auf und ich vergewissere mich nochmal, ob ich auch nichts Falsches sehe. Aber es stimmt. Er steht vor mir. Schon wieder. Er scheint mir nicht mehr von der Seite zu weichen. Was ich nicht schlimm finde...

"Hey, Avi!", begrüßt mich Cameron und steckt die Hände in die Hosentasche.

"Was machst du denn hier? Solltest du nicht in der Schule sein?" Ich blicke über die Schulter zu Sus, die nur schmunzelt.

"Er fährt dich heute zur Schule!", erklärt sie und hat voll den Überblick.

"WAS?" Mein Kopf schnellt zu Cam und mein Croissant fällt mir aus der Hand und plumpst auf den Boden. "Du fährst mich?"

Er nickt.

Mein Herz fängt an schneller zu schlagen. "Bist du verrückt! Du bist den ganzen Weg hierhergefahren und musst jetzt auch noch zurück, Cam!!! Ist dir das bewusst???"

"Ich weiß. Komm, sonst kommen wir zu spät!", verlangt er seelenruhig und hebt mein Frühstück auf, nimmt meinen Rucksack und schlendert zum Auto.

"Sus!!!", schimpfe ich, auch wenn wenige Sekunden später mein Gesicht ein Lächeln ziert. Sie haben mich überrumpelt und insgeheim freue ich mich ja auch.

Als sie mich aus dem Haus treibt, kichere ich und flitze zum Auto. Gerade kann ich noch die Tür zuschmeißen, da startet Cam auch schon seinen Wagen.

"Also, ... Lust mit mir heute, deinen Tag zu verbringen?" Keine Sekunde weicht sein Blick von der Straße.

Ich schüttle ungläubig den Kopf. "Habt ihr beide das eingefädelt?"

"Klar, was denkst du denn?..." Seine Augen schielen zu mir herüber. "Also?"

"Natürlich, hab ich Lust!!!", schreie ich ihm in die Ohren.

Er grinst. "Gut, dann freu dich, mein altes Zuhause kennenzulernen. Heute ist der Geburtstag meiner Oma!"

Warte was, ..."Cam, ich hab doch da gar nichts zu suchen!"

"Doch, natürlich, ich hab schon alles abgeklärt. Du hast keine Chance mehr, abzusagen!"

"Aber, ... ich hab kein Geschenk!"

Er schüttelt den Kopf. "Brauchst du auch nicht!"

"Aber..."

"Jetzt hör auf, immer aber zu sagen! Es gibt sogar eine Überraschung!" Und so fährt er weiter die Straße entlang und mich geradewegs zur Schule. Mein eigener Schofför. Daran könnte ich mich echt gewöhnen. ... Scheiße!!! Ich sitze so was von in der Pampe...Und trotzdem erwärmt sich mein Herz!

~☆~

Die Schule ist aus. Wir beide sitzen erneut im Auto und düsen eine Landstraße entlang. Da das Fenster auf ist, strecke ich meine Hand hinaus und atme die Luft ein. Blätter rascheln im Wind. Ich sehe eine Katze im Feld hocken, Vögel fliegen, sie lassen sich im Wind treiben.

Als ich wieder nach drinnen sehe, spüre ich Cams Blick auf mir. Er lächelt und ich lächle automatisch zurück.

Die Natur hier ist atemberaubend und ich kann meine Augen nicht davon lassen, will alles einzusaugen. Auch, wenn sich langsam, aber sicher ein Druck in meiner Brust aufbaut. Ich bin nervös. Und wie! Ich werde seine Familie kennenlernen. Sein altes zuhause, in dem seine Oma und sein Opa immer noch leben.

Aber ich versuche so gut es geht, alles beiseitezuschieben. Ich betrachte nur die Natur, wie sie lebt und blüht. Dann erblicke ich Sonnenblumen am Rande der Straße und raste beinahe aus.

"Halt! Cam halt an!", schreie ich los und richte mich auf.

Cameron hat seine Augen weit aufgerissen, als der Wagen schlitternd zum Stehen kommt. "Was ist los?" Er sieht besorgt zu mir herüber.

"Sorry, alles ist gut. Aber ich muss schnell aussteigen." Damit bin ich schon draußen und gehe zu den Blumen. "Ich weiß jetzt, was ich deiner Oma zum Geburtstag schenken kann!"

Und damit fange ich an, die Sonnenblumen zu betrachten und die schönsten auszuwählen. Als ich mich entschieden habe, fange ich an, sie zu pflücken. Cam tritt grinsend neben mich und reicht mir ein Taschenmesser. "Danke."

"Du weißt, dass das nicht nötig ist, oder?"

"Ja, aber ich will es!" Und so mache ich weiter. Ich höre nicht auf, bis ich nicht genügend habe. Die Blumen werden im Kofferraum verstaut und ich schwinge mich wieder auf den Sitz.

"Kanns weitergehen?", erkundigt sich Cam und setzte seine Sonnenbrille auf.

Ich lächele. "Ja, das kann es."

Und so düsen wir weiter. Geradewegs in die Sonne hinein.

~☆~

Wir sind da! Trocken schlucke ich und atme durch.

Meine Brust ist zum Platzen angespannt. Wie ein Druck, ein Gefühl, das mich niederdrückt. Es hat den Namen: Ich kann das nicht! Als mir das bewusst wird, sehe ich hektisch zu Cam hinüber, der mich mustert.

"Du musst dir keine Gedanken machen, Avi! Alles wird gut, ich bin bei dir..."

"Ja, ..." Kurz atme ich durch. "... ich weiß." Da ich keine Memme sein will, steige ich aus und mustere den Bauernhof. Er ist riesig. Ackerflächen breiten sich an den Seiten aus. Ein großes Haus und Ställe voller Kühe sind zu sehen. Apfelbäume, ... Es ist einfach wunderschön.

Trotzdem wische ich unbemerkt meine Hände an der Hose ab und folge Cam. Bis ich abrupt stehen bleibe, als mir was einfällt.

"Warte, ich hab die Sonnenblumen vergessen!" Schnell kehre ich um und hole sie. Meine Hand schlängelt sich um ihre Stängel und ich schmeiß den Kofferraum wieder zu. Mit einem flauen Gefühl im Magen und dem Druck auf der Brust, der nicht verschwinden will, eile ich zurück zu Cam. "Gut, kann los gehen!"

Aber innerlich heißt es: Es kann nicht los gehen! Ich kann das nicht! Das ist es, was durch mein Gedächtnis pulsiert ...

Doch es gibt kein Halten mehr. Jeden Schritt, den ich tue, schlägt mein Herz schneller. Mir wird heiß und ich versuche meinen Atem ruhig zu halten. Aber ich bin so aufgeregt. Alles beginnt mich zu erdrücken, wird mir zu viel... Doch da packt mich Cameron an der Hand und dreht mich zu sich.

"Ist alles gut?" Seine Hand fährt über meinen Handrücken.

Und ich beschließe nicht zu lügen. Bei Cam würde es sowieso nichts bringen. "Ich .... bin nervös, aufgeregt und ich will nicht, dass sie schlecht über mich denken, Und alles ist zu viel..." Hastig atme ich durch und stocke.

Er starrt mir in die Augen, bis hin zu meiner Seele. "Avi, ... ich kann dich verstehen, ich wäre auch mega aufgeregt. Aber du brauchst keine Angst zu haben. Ok? Alles ist gut!!" Er drückt mich an seine Brust und ich atme seinen Duft ein, beruhige meinen Atem. Ich versuche mich einzukriegen und schiebe alles weg.

Als wir uns wieder trennen, nicke ich. "Danke!"

Er nickt zurück.

Einen Moment bleiben wir noch stehen, dann bringen wir die letzten Meter zur Veranda hinter uns und erklimmen diese. Cam betätigt die Klingel und ich festige meinen Griff um die Sonnenblumen.

Es herrscht Stille. Mein Herzschlag pulsiert und steigt mir bis zu den Ohren. Meine Augen fixieren die Tür, als wäre sie ein Feind. Sie wird geöffnet und ein großgewachsener, alter Mann mit grauen Haaren und einem sanften Lächeln schaut uns entgegen. Ich weiß sofort, das muss Cams Opa sein.

"Hey, Grandpa." Cameron umarmt ihn herzlich und stellt mich vor. "Das ist Avery, ich hab euch ja erzählt, dass ich sie mitbringe!"

Die Blicke der beiden sind auf mich gerichtet und so strecke ich lächelnd meine Hand aus. "Schön Sie kennenzulernen!"

Wir schütteln uns die Hand und ich hoffe, dass er über meine schwitzigen Hände hinwegsehen wird. "Ebenfalls! Ich bin Ralph!" Sein Blick schweift zu Cameron. "Ich hab schon viel von dir gehört!"

Augenblicklich werde ich rot. Bevor ich etwas erwidern kann, werde ich nach drinnen gezogen. Cam scheint der Situation entgehen zu wollen. "Ich stell sie den anderen vor", erklärt er seinem Opa noch, als wir nach drinnen gehen. durch den Flur und schließlich wieder nach draußen in den Graten treten.

Ich habe keine Zeit, alles zu registrieren, da steht schon eine weitere Person vor mir. Es ist seine Oma. Cam gratulierte ihr, mit einem Kuss auf die Wange. Lächelnd fällt ihr Blick auf mich. "Hallo Schätzchen!"

"Hallo, alles Gute zum Geburtstag." Ich will ihr die Hand schütteln, da zieht sie mich auch schon in eine Umarmung und ich muss die Blumen retten, damit sie nicht zerquetscht werden. Als wir uns wieder lösen, weicht die Anspannung ein bisschen und ich strecke ihr die Blumen hin. "Die sind für sie."

"Das ist aber lieb, danke! Und nenn mich ruhig Debby!"

Ich nicke und schaue zu Cam, der mich grinsend beobachtet. Dann zieht er mich weiter und ich lerne die Onkel, Tanten, Cousins und so weiter kennen. Doch als ich vor einer gewissen Kelly stehe, stockt mein Atem. Er hat mir von ihr erzählt. Sie wurde fast von Alec vergewaltigt. Bei dieser Erinnerung schaudert mir.

Und doch steht sie vor mir, breit lächelnd. Wie das pure Leben. Rosa Wangen, ein Sommerkleid, hochgesteckte braune Haare, sie ist total süß, zierlich und klein ... und in meinem Alter...

"Das ist also die berüchtigte Avery! Endlich lern ich dich mal kennen!" Sie stupst mich an der Schulter an und ich erwidere ihr Lächeln.

"Ja, mich freut es auch! Ich wusste gar nicht, dass Cam so viel von mir erzählt hat ..!"

"Oh doch und wie!" Damit hackt sie sich bei mir ein und ich werde an einen Tisch geschleift. "Du hast bestimmt Durst, was darfs denn sein?"

Bevor ich antworten kann, hat sich Ralph eingemischt. "Was für eine Frage, natürlich die Limonade. Oder, Avery? Die musst du unbedingt probieren!"

"Okay ich probier sie mal", stimme ich zu, da ich fast nicht nein sagen kann. Aber ich bereue es nicht. Die Limonade ist köstlich und ich werde, nachdem ich mich an den Tisch gesetzt habe, auch sofort in ein Gespräch darüber verwickelt.

Kelly und Cams Opa fragen mich aus und ich lasse alles über mich ergehen. Gedanken kann ich mir dabei erst gar keine machen und so verflüchtigt sich auch die Anspannung. Der Druck auf die Brust weicht und ich kann wieder frei atmen.

Nach einer Weile gibt es Essen und Cam, der von seinen kleinen Cousins in Beschlag genommen wurde, kommt wieder zurück. Lächelnd lässt er sich neben mir nieder. "Und, alles gut?", flüstert er, damit niemand anderes es mitbekommt.

Ich nicke. Alle sind wirklich nett und man kann nicht anders als sich wohlzufühlen. Ich bin schon lange nicht mehr unter so vielen bzw. überhaupt unter Fremden gewesen. Aber ich fühle mich angenommen und pudelwohl. Also entspannen sich meine Schultern und ich kann durchatmen.

Teller werden nun mit Essen gefüllt und ich angele mir reichlich vom Büffet. Das Geburtstags-"Kind" mischte sich unter die Menge. Leute reden wild durcheinander, es wird gelacht und gefeiert.

Es herrscht so ein Durcheinander, dass ich erst nach dem Essen, als alle Teller beiseite geräumt wurden, den Strauß Sonnenblumen mitten auf dem Tisch stehen sehe. Und ich weiß mit einem Lächeln, dass sich alles gelohnt hat.

Also unterhalte ich mich mit Kelly, über alles und nichts. Bis es Abend wird und langsam, aber sicher die Sonne verschwindet. Dann kommt der Moment der Überraschung und ich stehe in Vorfreude auf.

Alle haben so einen Trubel darum gemacht und scheinen sich schon zu freuen. Ich bin die einzige, die nicht Bescheid weiß. Cam kommt wieder an meine Seite und nimmt meine Hand in seine. "Es wird dir bestimmt gefallen!"

"Da bin ich mir sicher!" Lächelnd drehe ich mich um. Doch was ich sehe gefällt mir nicht. Die freudige Erwartung verpufft. Stattdessen keimt Furcht in mir auf. Mein Körper spannt sich an, als er in Schockstarre verfällt.

Hektisch rasselt mein Atem. Ich kann den Geruch wahrnehmen, die Wärme sogar aus dieser Entfernung spüren. Es knisterte, es ist heiß, gewaltig ... Ein Lagerfeuer.

In meiner Brust breitet sich ein klaffendes Loch aus. Als meine Sicht verschwimmt und meine Beine wackelig werden, weiche ich zurück und wäre beinahe gestürzt.

In meinen Augen spiegelt sich das Bild vom Feuer wider. Am Rande bekomme ich mit, wie Cam mich verblüfft stützt. "Avi, was ist los?"

Doch ich kann nicht antworten, nur zittern. Stille Tränen benetzen mein Gesicht.

Ich fühle mich zurückversetzt in meine Vergangenheit. Wie das Feuer meine Haut auffrisst, wie es sich in mich hineingräbt, hindurchschlängelt und alles mitnimmt, alles schmilzt und verbrennt. Wie es sich wie Lava durch meine Venen wälzt, sie anzündet und in einem Feuerwerk endet. Wie ich brenne und schrei.

Dann klappen meine Beine zusammen und ich stürze zu Boden.

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