[8] Highway to Hell

Im stürmischen Regen, der die Straßen in glänzenden Flächen aus Wasser verwandelte, fuhr Edward Darling aus dem benachbarten Kronsgarten mit seinem Wagen nach Hause. Der 18-jährige, von sportlicher Schönheit geprägte junge Mann, der in wenigen Monaten sicher sein Abitur schaffen würde, war der stolze Sohn eines US-Soldaten und einer deutschen Mutter.

Die Nacht war pechschwarz, nur das Licht seiner Scheinwerfer durchdrang den Vorhang aus Wassertröpfchen, während im Radio AC/DC „Highway to Hell" sang. Was Edward nicht sah, war das Stoppschild vor ihm, das er auch nicht sehen konnte, weil es nicht mehr auf seinen Platz befand. Der junge Mann gab Gas, während ein selbstgefälliges Grinsen sein Gesicht verzierte. Zusammen mit AC/DC sang er das Lied, während er das Radio lauter aufdrehte. Sein Übermut rührte da her, da sein Testertonspiegel wie ein aktiver Vulkan brodelte. Da hatte selbst seine heimliche Affäre nicht Abhilfe schaffen können.

Plötzlich, wie aus dem Nichts, tauchte der Nachtgiger mitten auf der regennassen Straße auf. Als Edward das Monstrum erblickte, trat er hektisch auf die Bremse, doch der Wagen geriet ins Rutschen und der Versuch dem Nachtgiger auszuweichen, wurde zu einem Kampf gegen die Naturgewalten. Edward reagierte instinktiv, lenkte seinen Wagen in eine plötzliche Ausweichbewegung, um das Wesen zu vermeiden.

Die Kombination aus Regen, der rutschigen Straße und seiner schnellen Reaktion führte dazu, dass der Wagen außer Kontrolle geriet. Er schleuderte, kämpfte gegen den Asphalt, ehe er mit Wucht gegen einen Baum prallte. Ein dumpfer Knall durchdrang die Nacht, gefolgt von dem Geräusch von sich verformendem Metall, zersplittertes Glas und splitterndem Holz.

Dampf stieg aus dem geöffneten, zerbeulten Motorraum, als wäre der Wagen selbst außer Atem. Der Regen prasselte auf das deformierte Blech, das nun das Zeugnis eines schrecklichen Unfalls trug. Edwards Stirn war von Blutdurchtränkt, eine düstere Kontrastfarbe zum Regen, der sein Gesicht hinabströmte. Der Kopf lag auf dem Lenkrad, sodass die Hupe schrie, als wollte sie Hilfe holen. Die Augen waren weit aufgerissen, während Blut aus seinem Mund tropfte. Doch plötzlich traf sein kalter toter Blick auf etwas Unheimliches. Die Augen des Nachtgigers, die wie Kohle in der Dunkelheit leuchteten, spiegelten sich in den Augen des jungen Mannes wider. Sie wirkten wie ein Echo, dass die Stille und Dunkelheit miteinander vereinte und damit ein stummer Zeuge der verstörenden Verbindung zwischen Leben und Tod wurde. Die Regentropfen, die noch immer auf das Blech trommelten, wurden zu einem unheimlichen Lied, das die Geschichte dieses tragischen und zugleich schrecklichen Vorfalls zu erzählen schien.

***

Die Nacht lag schwer über meinem Schlafzimmer, als der Regen gegen die Fensterscheiben trommelte, als würden tausend winzige Finger ungeduldig klopfen. Doch selbst dieses monotone Rauschen konnte meine quälenden Gedanken nicht zum Schweigen bringen. Ich fühlte mich gefangen in einem Alptraum, der sich unaufhörlich in meinem Geist wiederholte.

Der Nachtgiger mit seinem grauenhaften Vogeltotenkopf und den pechschwarzen Federn tanzte vor meinem inneren Auge, immer wieder auftauchend und mich mit einer undefinierbaren Furcht erfüllend. Mein Herzschlag hallte wie der dumpfe Klang einer Trommel in meinem Kopf wider, als ob es jeden Moment aus meiner Brust herausbrechen würde. Jeder Atemzug war mühsam, als wäre meine Lunge von unsichtbaren Fesseln umklammert.

Eine unerklärliche Hitze durchdrang meinen Körper, als würden meine Organe in einem brodelnden Kessel schmoren. Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn und ich spürte, wie die feuchte Hitze meine Haut durchdrang, als wollte sie mich ertränken. Der Druck wurde unerträglich und ich konnte nicht anders, als die Decke mit einem heftigen Ruck zur Seite zu werfen.

Wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, sprang ich aus dem Bett und eilte zum Fenster, das ich einen Spalt öffnete. Der kalte und nasse Hauch der Nacht streifte mein Gesicht und für einen Moment fühlte es sich an, als könnte ich endlich wieder frei atmen. Von meinem Fenster aus konnte ich das Haus der Fassbinders sehen, das stolz neben unserem eigenen aufragte. Ich erinnerte mich an die vergangenen Zeiten, als Juliette und ich, bevor die Ära der Handys unseren Alltag eroberte, über unsere Fenster miteinander kommunizierten. Wir schrieben Nachrichten auf unsere Notizblöcke und drückten sie an die Fensterscheiben.

Doch heute Nacht lag das Haus der Fassbinders in Dunkelheit gehüllt und ich konnte einen unruhigen Schauer nicht unterdrücken, als mein Blick über die finsteren Konturen des Gebäudes glitt. Ein flüchtiger Moment der Verwirrung überkam mich, als ich glaubte, eine Bewegung hinter dem Fenster zu Juliette zu erkennen.

Ob sie vielleicht auch nicht schlafen konnte und zu mir schaut?

Die Straßenlaternen, die normalerweise im Dunkel der Nacht verborgen blieben, wirkten wie leuchtende Wächter, die tapfer gegen die undurchdringliche Finsternis kämpften. Ihr Licht durchdrang die dichten Regenschleier, die die Luft erfüllten und tauchte die Straße in einen schwachen Glanz, der den Regen in funkelnde Perlen verwandelte. Doch trotz dieser sanften Beleuchtung lag eine Schwere in der Luft, die den ständigen Strom des Regens verstärkte und eine düstere Atmosphäre schuf.

Ich atmete erneut die kalte Nachtluft ein. Doch meine Gedanken waren weit entfernt von der beruhigenden Kulisse der nächtlichen Szene. Meine Finger fanden automatisch den Weg zu meiner Kette, die ich zwischen ihnen hin und her gleiten ließ und mich von meiner Unruhe ablenkte.

Ein kurzer Blick auf den Wecker auf meinem Nachttisch verriet mir die unerbittliche Realität: In weniger als drei Stunden würde ich wieder aufstehen müssen, um den Tag zu begrüßen, der bereits jetzt wie eine unüberwindbare Hürde vor mir lag. Der Gedanke daran, erschöpft und übermüdet in der Schule zu sitzen, verstärkte das Gefühl der Beklemmung in meiner Brust und eine tiefe Sehnsucht nach Ruhe und Entspannung machte sich in mir breit. Ich legte mich wieder ins Bett, doch die Gedanken wirbelten unkontrolliert weiter in meinem Kopf. Die Bilder von Corvin und seinem Greifen Amos tanzten nun vor meinem inneren Auge. Erneut wälzte ich mich in meinem Bett, verzweifelt danach in den Schlaf zu sinken.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich zwischen Wachsein und Schlaflosigkeit gefangen war, begann ich endlich in einen unruhigen Schlaf zu sinken. Doch dann, in dem Moment, als sich meine Gedanken zu beruhigen schienen, durchdrang ein leises Knistern die Stille. Ein eisiger Hauch strich über meine Haut.

Plötzlich durchzuckte ein lautes „Buuh!" die Stille und ich fuhr erschrocken hoch, mein Herz raste in meiner Brust. In diesem Moment klingelte auch schon mein Wecker, und der schrille Ton durchschnitt die Luft wie ein Messer. Das kalte Licht des Morgens drang langsam in mein Zimmer, während ich tief durchatmete.

»Es war nur ein Traum...«, murmelte ich und rieb mir dabei das Gesicht.

Als ich die Haustür öffnete, begrüßte mich der kalte Windhauch wie eine Umarmung, während düstere Wolken den Himmel über mir beherrschten. Dennoch ließ ich mich davon nicht abschrecken und schwang mich auf mein Fahrrad, bereit für die Fahrt zur Schule. Ein frostiger Wind peitschte mir ins Gesicht, während ich die nassen Straßen entlang fuhr. Die karge Landschaft schien sich vor Nässe und Kälte zu krümmen, als hätte der bevorstehende Winter sie bereits fest im Griff.

Schließlich erreichte ich das vertraute Gelände des örtlichen Gymnasiums. Der Anblick des grauen Betonbaus mit seinen roten Fensterrahmen wirkte in der tristen Morgenstimmung noch trostloser. Doch das hektische Treiben der Schüler, das bereits begonnen hatte, brachte Leben in die Szenerie. Einige Mädchen begrüßten sich mit enthusiastischen Umarmungen, als wären sie jahrelang voneinander getrennt gewesen, während sich Pärchen in einer anderen Ecke eng aneinanderschmiegten, als ob sie die Kälte gemeinsam vertreiben könnten. Andere wiederum drängten sich um die Heizkörper im Flur, in der Hoffnung, etwas Wärme zu erhaschen, die der eisige Morgen ihnen verweigerte.

Ich schlängelte mich durch die Menge von Schülern, die sich bereits in den Fluren versammelt hatten, und warf einen flüchtigen Blick auf den Vertretungsplan, der an der Wand hing. Ein Seufzen entwich meinen Lippen, als ich feststellte, dass bei mir heute nichts ausfallen würde. Doch keine Zeit für Trübsal, ich hatte andere Dinge im Kopf, die herumgeisterten. Ich machte mich auf den Weg zu meinem Schließfach, das zwischen den anderen hölzernen Türen in der Reihe versteckt war. Der Klang meiner Schritte hallte gedämpft durch die Flure, während ich mich dem vertrauten Ort näherte, der meine Bücher und Habseligkeiten bewahrte.

»Du siehst ja schrecklich aus«, riss mich Leo's unerwartete Erscheinung neben mir aus meinen Gedanken. Sein spitzer Kommentar ließ mich mit einem ironischen Grinsen reagieren, während ich mein Schließfach zuschloss und meinen Rucksack über die Schulter hing.

»Wie charmant von dir«, erwiderte ich trocken, während ich versuchte, die Müdigkeit aus meinen Augen zu reiben. Leo ließ seinen Blick über mein zerknautschtes Äußeres gleiten und zog eine Augenbraue hoch.

»Ein kleiner Fahrradunfall gestern... nichts Ernsthaftes«, murmelte ich, während ich meine Schultern zuckte und versuchte, das Gähnen zu unterdrücken, das sich hartnäckig bemerkbar machte. Leo's Blick wurde kritisch, während er mich mit seinen himmelsblauen Augen durchdringend betrachtete, seine Brille mit dem Zeigefinger korrigierend. Ein stummer Dialog schien zwischen uns zu spielen, während wir den Flur entlang gingen, auf dem Weg zu unserem Klassenzimmer.

Bevor ich die Stille zwischen uns nicht mehr ertragen konnte, brach ich sie schließlich mit einem vorsichtigen Vorstoß.

»Kann ich dich etwas fragen?«, flüsterte ich, als ob ich ein Geheimnis entwirren würde. Leo nickte und sah mich skeptisch an. Es schien, als ob er spürte, dass es mehr gab, als ich zugab, dass hinter meinem zerknitterten Aussehen und meiner scheinbar lockeren Erklärung mehr verborgen war. Dennoch schien er bereit zu sein, meine Neugier zu befriedigen.

»Du kennst dich doch mit dem ganzen Übernatürlichen Kram aus...«, begann ich vorsichtig, die Worte mit Bedacht wählend.

»Du meinst wohl Religion und Glauben?«, unterbrach mich Leo mit einem leichten Lächeln.

»Nun ja, ja... aber speziell... Dämonen...«, stammelte ich, die Worte vorsichtig abwägend. Leos Schritte wurden langsamer, bis er schließlich abrupt stehen blieb und mich mit einem Ausdruck misstrauischer Verwunderung ansah.

»Wieso fragst du?«, seine Stimme klang etwas besorgt.

»Ich lese gerade ein Fantasybuch... und da kommt ein Dämon vor...«, reimte ich mir etwas zusammen, in der Hoffnung, dass mein bester Freund die Lüge abkaufen würde.

»Magnus Gabriel Adrian, seit wann liest du ein Buch?« Die Ironie in seiner Stimme war unüberhörbar, und ich fühlte mich unbehaglich unter seinem prüfenden Blick.

»Na ja, manchmal versucht man eben etwas Neues, wenn einem langweilig ist«, log ich mit einem gezwungenen Lächeln, während mich Leo skeptisch musterte.

»Also, was weißt du so über Dämonen?«

»Laut der Bibel sind Dämonen gefallene Engel, die sich einst Lucifer, dem gefallenen Engel, anschlossen, als er sich gegen Gott auflehnte«, antwortete Leo, seine Worte mit einer gewissen Autorität aussprechend. Ich nickte, fasziniert von seinem Wissen.

»Und... Halbdämonen?«, wagte ich eine weitere Frage, die mir auf der Seele brannte.

Eine Augenbraue hob sich bei Leo, seine Stirn in Falten gelegt, als er meine Frage in Betracht zog. Er räusperte sich leicht, bevor er antwortete: »Es gibt Vermutungen... Legenden... über Halbdämonen. Nephilim werden in der Bibel erwähnt...«

»Nephilim?«, wiederholte ich, meine Neugierde wachsend. Leo nickte, seine Brille etwas verrutschend.

»Nephilim sind die Nachkommen von Engeln und Menschen. In der Bibel werden sie oft als Riesen beschrieben.«

Ein Gedanke schien mir plötzlich zu kommen und ich runzelte die Stirn. »War Herkules dann auch ein Nephilim?«

Leo zögerte einen Moment, seine Unterlippe zwischen die Zähne beißend, bevor er antwortete: »Herkules war ein Halbgott der griechischen Mythologie... aber... da bin ich überfragt.«

Ich bedankte mich bei Leo für seine Informationen, während mein Geist mit den neuen Erkenntnissen jonglierte. Wenn ich die Informationen von Leo und Corvins Aussagen glauben sollte, dann mussten unter uns auch Nephilim und Riesen wandeln. Die Vorstellung von Dämonen, Engeln, Halbgöttern und anderen übernatürlichen Wesen, die in unserer Welt existierten, erschien mir nach wie vor surreal und beängstigend zugleich.




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