[45] Lass es brennen!
Das bleiche, groteske Gesicht vor uns wirkte wie eine albtraumhafte Verzerrung eines Menschen. Tiefe, eingesunkene Wangen gaben ihm ein skelettartiges Aussehen, und die leeren Augenhöhlen schienen dennoch voller bösartiger Intelligenz zu sein. Seine Haut, fleckig und dunkel, sah aus, als würde sie von innen heraus verbrennen, wie glühende Kohlen unter einer dünnen Schicht Asche. Das Lächeln, das seine spröden Lippen umspielte, war ein kaltes, bösartiges Grinsen, das mir einen Schauer über den Rücken jagte.
»Elscheid«, murmelte Corvin, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Ich wandte mich kurz zu ihm um und sah, wie das Blut aus seinem Gesicht gewichen war. Seine üblichen spöttischen Züge waren verschwunden, ersetzt durch eine Mischung aus Angst und Entsetzen.
»Eugen Elscheid?«, fragte ich, die Worte stolperten über meine Lippen. Der Mann, der vor Jahrzehnten vom Okkulten besessen war und verstorben war, und doch... stand er jetzt hier vor uns. Oder das, was von ihm übrig war.
Eugen lachte leise, ein trockenes, rasselndes Geräusch, das klang, als käme es tief aus seiner verdorrten Kehle. Wir standen wie erstarrt da, unfähig, die abscheuliche Realität vor uns zu begreifen. Seine leeren, glühenden Augen durchbohrten mich, und ich spürte, wie ein kalter Schauer meine Wirbelsäule hinunterlief.
»Ich sollte dir danken, Widergänger...« Seine verzerrte, tiefe Stimme hallte von den Wänden des Tempels wider, als würde sie von der Dunkelheit selbst getragen.»Jetzt sehen wir uns endlich von Angesicht zu Angesicht.«
Er machte eine theatralische Geste mit seinen knochigen Händen, als würde er ein Schauspiel eröffnen. Sein Blick wanderte dann langsam zu Corvin, und seine entstellten Lippen verzogen sich zu einem bösartigen Grinsen. »Überrascht, mich zu sehen, Halbdämon?«
Corvin blieb stumm, sein Gesicht war eine Mischung aus Angst, Wut und Fassungslosigkeit. Er schluckte schwer, und ich konnte sehen, wie er die Fäuste ballte, als wollte er sich zwingen, zu sprechen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken.
Ich fand meine Stimme zuerst wieder. »Wie kann das sein?«, fragte ich, meine Stimme zitterte leicht. »Du... du solltest tot sein.«
Eugens Grinsen wurde breiter, und er legte den Kopf leicht schief, als würde er die Frage genießen. »Tot? Das ist meine menschliche Hülle! Mein Geist jedoch ist lebendig wie eh und je.« Er hob eine seiner klauenartigen Hände und deutete auf sein entstelltes Gesicht. »Die Maske war ein Fluch, eine Fessel, die meine Stimme und meine Macht versiegelte. Aber auch ein Segen, denn sie hielt mich am Leben, nährte mich mit der Dunkelheit selbst.«
Er machte einen Schritt auf uns zu, und ich konnte nicht anders, als einen Schritt zurückzuweichen, auch wenn ich die brennende Hitze meines inneren Dämons spürte, die mich drängte, zu kämpfen. »Es ist ein Geschenk von Erebos, dem Gott der Finsternis«, fügte er mit einem spöttischen Unterton hinzu. »Er hat mir ein neues Leben gegeben, ein Leben jenseits von Tod und Sterblichkeit. Und nun bin ich hier, in seinem Dienst.«
Corvin trat einen Schritt vor, seine Augen funkelten vor Zorn und Entschlossenheit. »Das ist kein Geschenk! Das, was du einen Segen nennst, ist ein Fluch der Verdammten! Erebos hat dich nicht gerettet – er hat dich versklavt. Du bist nichts weiter als ein Werkzeug, eine Hülle für seine Dunkelheit.«
Eugen lachte leise, ein tiefes, spöttisches Geräusch, das in meinem Magen rumorte. »Ein Werkzeug? Sklave? Halbdämon, du sprichst wie jemand, der selbst Angst vor seiner eigenen Natur hat. Du bist der Verdammte, nicht ich. Du hast deines gleichen verraten, hast dich gegen das gestellt, was du bist. Du bist der wahre Verräter – ein armseliger Hund, der einem anderen Herrn dient.«
Corvin schwieg, und ich konnte sehen, wie schwer ihm Eugens Worte zusetzten. Sein Blick flackerte für einen Moment, doch er schluckte den Zweifel hinunter, ließ sich nicht unterkriegen. »Weil ich verstanden habe, welche Seite das Wahre ist – etwas, das du nie verstanden hast.«
Eugen richtete seinen teuflischen Blick wieder auf mich, sein Grinsen wurde breiter, und seine leeren, glühenden Augen schienen mich zu durchbohren. »Und du... spannend, nicht wahr? Ein Nachkomme der Adrians, der sich den Dämonen angeschlossen hat. Eine Ironie des Schicksals, wenn man bedenkt, wie sehr deine Familie das Licht verehrt hat.«
Zorn flammte in mir auf, und ich spürte, wie meine Pranken sich anspannten, bereit, ihn zu zerreißen. »Ich bin kein Dämon! Wegen dir bin ich ein Widergänger geworden, weil du mich töten wolltest!«, schrie ich, meine Stimme bebte vor Wut.
Eugen lachte erneut, ein grausames, resonantes Geräusch. »Oh, Junge... du solltest mir dankbar sein. Es ist eine Art Geschenk der Finsternis, das ich dir gemacht habe. Du bist stärker, schneller, mächtiger. Und wenn du klug bist, solltest du dich der Finsternis anschließen. Das Schattenreich hat Platz für jemanden wie dich.«
Sein Gesicht näherte sich meinem, und ich konnte den fauligen Gestank seines Atems riechen. »Ich rieche es in dir... du bist zu etwas Mächtigem bestimmt. Dein innerer Dämon weiß es, fühlt es. Lass ihn frei. Schließ dich uns an.«
In mir begann ein Kampf zu toben, nicht nur gegen Eugen, sondern gegen mich selbst. Ich spürte, wie mein innerer Dämon sich geschmeichelt fühlte, fast wie ein leises, zufriedenes Schnurren in meiner Seele. Er genoss die Worte Eugens, als wären sie ein köstlicher Wein.
»hör nicht auf ihn!«, rief Corvin, seine Stimme scharf wie ein Messer. »Er will das du nachgibst!«
Doch Eugens Lächeln blieb unerschütterlich. »Denk darüber nach, Junge. Die Dunkelheit hat mehr zu bieten, als du dir je vorstellen kannst.«
Ich spürte die Verlockung, das leise Flüstern meines Dämons, das mich ermutigte, seine Worte in Erwägung zu ziehen. Ich spürte, wie mein innerer Dämon in mir tobte, versuchte, die Kontrolle zu übernehmen. Die Verlockung war überwältigend – eine Welle aus roher Macht und dunklem Verlangen, die meinen Geist zu ertränken drohte.
Mein Blick glitt zum Heiligen Feuer in dem Käfig. Das Flackern des Lichts schien wie eine Erinnerung an alles zu sein, wofür ich kämpfte – meine Familie, Leo, Juliette, das Mädchen meiner Träume. Bilder von ihr, wie sie lachte, wie sie mich ansah, blitzten vor meinen Augen auf. Das Licht in ihrer Gegenwart, das mich immer wieder an den Glauben an etwas Größeres erinnert hatte.
»Niemals«, stieß ich hervor, meine Stimme zitterte, aber sie war fest. Ich ballte meine Fäuste, zwang die Dunkelheit in mir zurück und ignorierte das wütende Brüllen meines Dämons, der tobte, weil ich ihm widerstand.
Eugen neigte seinen Kopf leicht zur Seite, fast wie in Anerkennung. Doch sein dämonisches Grinsen verschwand nicht. »Wie ehrenhaft«, sagte er, seine tiefe, verzerrte Stimme voller Spott. »Aber Ehre ist ein schwaches Band. Vielleicht muss ich dich überzeugen.«
Mit einem Schlag seiner knochigen Klaue durch die Luft erwachten die schwarzen Wurzeln im Raum zum Leben. Sie zischten und wanden sich wie Schlangen, schnell und tödlich. Eine schoss in meine Richtung, und ich sprang zur Seite, während die eisige Kälte wie ein Atemzug des Todes an mir vorbeizog.
Corvin reagierte sofort. Ein Feuerball schoss aus seiner Hand, traf eine der Wurzeln und zerschmetterte sie. Die Glut des Feuers brannte kurz auf, ließ einen schwelenden schwarzen Rest zurück, aber die Wurzeln kamen wieder, als hätten sie nie aufgehört zu existieren.
»Magnus, pass auf!«, rief Corvin, seine Stimme voller Alarm. Er hatte sich in eine Verteidigungsstellung gebracht, bereit, die Wurzeln abzuwehren, die immer schneller und zahlreicher aus dem Brunnen hervorschnellten.
Eugen stand da, wie ein Marionettenspieler, der die Fäden seiner schrecklichen Schöpfung zog. »Kämpft, wenn ihr wollt«, sagte er leise, beinahe gelangweilt. »Aber es wird nichts ändern. Ihr werdet eure Knie vor mir beugen, bevor diese Nacht endet.«
Ich wich einer Wurzel aus, die mit brutaler Wucht an mir vorbeizischte und eine Säule in meiner Nähe zertrümmerte. Steinsplitter flogen durch die Luft, während das Heilige Feuer wild flackerte, als würde es selbst die Bedrohung spüren. Die Wurzeln schienen eine unerschöpfliche Armee von Eugen zu sein, die uns immer weiter in die Enge trieb.
Ich riss den Käfig des Heiligen Feuers an mich, während Eugen mit einem weiteren Schwung seiner Klauen die Wurzeln auf uns losließ. Die dunklen Tentakel zischten durch die Luft, lebendig wie Schlangen, die ihr nächstes Opfer suchten. Ich sprang zur Seite, rollte mich über den Boden und schlug mit dem Käfig nach einer der Wurzeln, die sich mir gefährlich näherte. Das Licht des Feuers verbrannte sie mit einem zischenden Geräusch, und sie zog sich kreischend zurück.
Corvin kämpfte auf der anderen Seite des Raums, seine Hände glühten von der Magie, die er immer wieder entfesselte. Er schleuderte einen Feuerball nach dem anderen, die Wurzeln zerschmetternd und den Raum mit grellen Lichtblitzen erhellend. Doch Eugen war unerbittlich. Er bewegte sich durch das Chaos wie ein Jäger, seine Augen glühten vor düsterem Vergnügen, während er uns immer weiter in die Enge trieb.
»Ihr seid wie Fliegen im Netz, unfähig, euch zu befreien!«, höhnte er, während eine seiner Wurzeln sich um Corvins Bein wickelte und ihn zu Boden riss. Corvin schrie auf, seine Feuerbälle erloschen, als er verzweifelt versuchte, sich zu befreien.
»Corvin!«, rief ich, stürzte vor und schlug erneut mit dem Käfig zu. Das Heilige Feuer verbrannte die Wurzel, die Corvin festhielt, und sie zog sich zurück. Doch in diesem Moment griff Eugen selbst an.
Seine Klaue fuhr wie ein Blitz auf mich zu, und ich konnte gerade noch rechtzeitig den Käfig heben, um den Schlag abzufangen. Die Wucht schleuderte mich nach hinten, und ich landete hart auf dem Boden, der Atem wurde mir aus den Lungen gepresst. Der Käfig entglitt meinen Händen und rollte einige Meter weg.
Eugen lachte, ein raues, unheilvolles Geräusch, das in den Wänden widerhallte. »Ohne das Feuer seid ihr nichts!«, sagte er, seine Stimme triefte vor Spott.
Doch Corvin war schneller, als Eugen dachte. Der Halbdämon sprang auf, sein Gesicht voller Entschlossenheit, und schoss eine Flammenlanze direkt auf Eugen. Die Magie traf ihn in die Seite und ließ ihn kurz taumeln, doch er richtete sich sofort wieder auf, als wäre nichts geschehen.
»Lächerlich!«, brüllte Eugen und schleuderte seine Wurzeln in alle Richtungen. Eine erwischte mich an der Schulter, und der Schmerz brannte wie Eis und Feuer zugleich. Ich biss die Zähne zusammen, rappelte mich auf und rannte zu dem Käfig des Heiligen Feuers.
Mit einem schnellen Griff packte ich ihn wieder und drehte mich zu Eugen um. »Vielleicht magst du mächtig sein, aber du bist nicht unbesiegbar!«, schrie ich und hielt das Licht des Feuers direkt in seine Richtung. Eugen zischte, sein Gesicht verzog sich vor Schmerz, als das Licht ihn traf.
Doch er war nicht bereit, aufzugeben. Mit einem wütenden Brüllen griff er an, und diesmal kämpften wir direkt. Meine Schläge mit dem Käfig prallten auf seine Klauen, während er versuchte, mich zu überwältigen. Corvin nutzte jede Gelegenheit, um Feuerbälle auf Eugen zu werfen, die ihn immer wieder zurückdrängten.
Doch es war ein ungleicher Kampf. Eugen schien unerschöpflich, während unsere Kräfte langsam nachließen. Die Wurzeln wuchsen nach, schneller als wir sie zerstören konnten, und der Raum schien sich gegen uns zu wenden.
Eugen lachte spöttisch, auch wenn sein Gesicht vor Schmerz verzerrt war. Die schwarzen Wurzeln um ihn zischten und peitschten durch die Luft, als würde die Dunkelheit selbst versuchen, seine Vernichtung aufzuhalten.
»Magnus!«, rief Corvin mit einer Mischung aus Panik und Entschlossenheit. »Die Fackeln! Wir müssen ihn verbrennen und in den Brunnen treiben!«
Ich nickte, mein Blick blieb fest auf Eugen gerichtet, dessen Augen wie glühende Kohlen leuchteten. Mit einem schnellen Wurf schleuderte ich den Käfig mit dem Heiligen Feuer zu Corvin. Er fing ihn mit einer flinken Bewegung, öffnete ihn hastig und zündete eine der vorbereiteten Fackeln an. Die Flamme brannte heller und heißer, als ich es erwartet hatte, und er hielt sie in die Höhe wie ein Banner des Lichts.
»Bring ihn zum Brunnen!«, schrie Corvin über den Lärm der peitschenden Wurzeln hinweg.
Ich stürzte mich mit meinen dämonischen Pranken auf Eugen. Seine Klauen schlugen auf mich ein, doch ich ignorierte den Schmerz, der wie ein brennender Blitz durch meinen Körper jagte. Jeder Schritt, den ich ihn näher zum Brunnen trieb, fühlte sich wie ein Sieg an, auch wenn ich wusste, dass er nicht kampflos aufgeben würde.
Eugen brüllte, seine Stimme dröhnte wie Donner. »Ihr könnt mich nicht bezwingen! Ich bin das Dunkle, das niemals stirbt!«
Doch ich ließ mich nicht beirren. »Das werden wir ja sehen!«, knurrte ich, während ich weiterkämpfte. Corvin bewegte sich geschickt durch den Raum, die brennende Fackel in der Hand, und feuerte gelegentlich Feuerbälle auf die Wurzeln, die sich uns in den Weg stellten.
Mit einem letzten, wuchtigen Schlag meiner Pranken gelang es mir, Eugen an den Rand des Brunnens zu drängen. Der Brunnen, aus dem die wuchernden Wurzeln schlugen, schien wie ein gieriger Schlund darauf zu warten, ihn zu verschlingen.
»Fang!«, rief Corvin und warf mir die brennende Fackel zu. Ich fing sie mit einer flinken Bewegung, das heiße Holz in meiner Hand zitterte unter der Macht der Flamme.
Ich starrte Eugen an, dessen Gesicht vor Zorn und Angst verzerrt war. »Nimm das, du Mistgeburt der Nacht!«, brüllte ich und rammte die Fackel mit voller Wucht in seinen Mantel. Die Flammen breiteten sich rasend schnell aus, leckten an seinem Umhang, seinen Armen und schließlich seinem Gesicht.
Eugen schrie höllisch, seine Stimme erfüllte den Raum mit einem Laut, der Mark und Bein durchdrang. Doch ich war nicht fertig. »Das ist für die Jugendlichen und Kinder, die du auf dem Gewissen hast!«, rief ich und stieß die Fackel ein weiteres Mal in ihn, tiefer und entschlossener. »Und das ist, weil du mich töten wolltest!«
Die Flammen verschlangen ihn, tanzten um seinen Körper, während er verzweifelt versuchte, nach mir zu greifen. Doch ich wich zurück, gerade rechtzeitig, bevor er einen Schritt zurück stolperte – direkt in die gierigen Wurzeln, die aus dem Brunnen schossen.
Corvin reagierte sofort, sein Gesicht voller Entschlossenheit. Mit einer schnellen Bewegung warf er den heiligen Feuerball auf die pulsierenden, von Eugen durchdrungenen Wurzeln. Das Feuer prallte auf die schwarzen Tentakel, und sie entzündeten sich sofort. Ein infernalisches Leuchten breitete sich aus, während die Flammen die Dunkelheit fraßen.
»Lass es brennen!«, schrie ich, meine Stimme überschlug sich vor Adrenalin, während Eugen weiter in den Brunnen gezogen wurde. Die Flammen züngelten an seinem Körper empor, fraßen sich durch die düstere Energie, die ihn zusammenhielt. Seine Schreie, schrill und unmenschlich, hallten durch die Mine, vermischten sich mit dem Zischen der lodernden Wurzeln.
Die wütenden Wurzeln schlugen wild um sich, wie lebendige Peitschen, die alles um sich zerstören wollten. Doch eine nach der anderen brannte ab, glühte auf und wurde schließlich in die Dunkelheit des Brunnens zurückgezogen. Eugen, vollständig von den Flammen umgeben, verschwand mit einem letzten, gellenden Schrei in der Tiefe.
Der Raum erzitterte unter der Gewalt des Kampfes. Staub rieselte von den Decken, und kleine Trümmerstücke fielen klirrend zu Boden. Doch es war noch nicht vorbei. Der Brunnen, aus dem die Wurzeln geschlagen hatten, begann, eine eigenartige, bösartige Energie auszusenden – ein letztes Aufbäumen der dunklen Macht.
»Magnus, hilf mir!«, rief Corvin, während er beide Hände hob und zu zaubern begann. Seine Augen glühten wie geschmolzenes Gold auf, und ich konnte spüren, wie die Magie in der Luft vibrierte. Die Trümmerstücke des Raumes begannen zu zittern und sich von selbst zu bewegen. Unter Corvins Kontrolle schwebten sie langsam auf den Brunnen zu.
Ich nickte, schob einige größere Brocken mit bloßer Kraft auf den Rand des Brunnens und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Die Hitze des Heiligen Feuers und die Dunkelheit der Mine kämpften gegeneinander, ein unaufhörlicher Tanz von Licht und Schatten.
»Schneller, bevor sich wieder etwas aus dem Brunnen erheben kann!«, drängte Corvin, während er größere Säulenstücke und Gesteinsbrocken schweben ließ und sie gezielt in den Brunnen fallen ließ.
Mit einem donnernden Krachen landeten die ersten Trümmerstücke, blockierten die Öffnung teilweise. Doch der Brunnen schien zu kämpfen, schoss schwarze Rauchschwaden und dunkle Energie in die Luft, als wollte er sich verteidigen. Ich trat zurück und rammte ein Säulenfragment mit all meiner dämonischen Stärke gegen den Rand. Sie kippte um und krachte direkt in die Mitte des Brunnens. Corvin nickte, erschöpft, aber entschlossen. Er hob beide Hände und formte eine letzte magische Barriere, die sich wie ein schimmernder, blauer Schild über den Brunnen legte. Die verbleibende dunkle Energie prallte daran ab, bis sie sich schließlich zurückzog.
Ein letztes Mal erzitterte der Raum. Die Flammen des Heiligen Feuers verblassten, und eine unheimliche Stille legte sich über den Raum. Die Dunkelheit kehrte zurück, doch sie war nicht mehr dieselbe – sie war leer, ihrer bösartigen Präsenz beraubt.
Ich spürte, wie meine Beine nachgaben, meine Knie hart auf den kalten Steinboden aufschlugen. Die Erschöpfung überrollte mich wie eine Welle, ließ meine Glieder schwer und träge werden. Mein Atem ging stoßweise, jedes Einatmen schmerzte in meiner Brust wie ein glühender Dolch. Mein Körper fühlte sich an, als hätte man ihn auseinandergerissen und notdürftig wieder zusammengesetzt.
Ein tiefes, brodelndes Gefühl breitete sich in meinem Inneren aus. Es war nicht nur der Schmerz, sondern auch die Nachwirkungen des Dämons, der immer noch in mir lauerte. Ich spürte, wie die Energie, die mir eben noch übermenschliche Kraft verliehen hatte, sich zurückzog. Meine Hände, eben noch schreckliche Pranken mit schwarzen Krallen, zitterten unkontrolliert, als ich sie auf den Boden stützte.
Mit einem tiefen, heiseren Stöhnen verkrallte ich mich in den rauen Steinboden. Meine Finger gruben sich in die Risse, als suchte ich Halt in einer Welt, die sich immer noch um mich zu drehen schien. Dann spürte ich es – das Brennen, das Ziehen, wie eine unsichtbare Macht, die meinen Körper in die Enge zwang. Mein Rücken krümmte sich, und ich schrie auf, während sich meine Muskeln zusammenzogen, als würde etwas mich von innen heraus zerreißen.
Die schwarzen Adern, die sich zuvor über meine Arme und Brust gezogen hatten, begannen zu verblassen. Die dämonischen Krallen an meinen Fingern zogen sich zurück, wurden wieder zu normalen Händen, die jedoch mit Schnitten und Kratzern übersät waren. Mein Atem wurde immer schneller, als die Verwandlung sich vollzog, mein Körper sich selbst zurückeroberte.
Ich spürte, wie sich meine Gesichtszüge glätteten, die animalische Schärfe in meinem Blick verlosch, und das brodelnde Feuer tief in meinem Inneren langsam erlosch.
Mit einem letzten, keuchenden Atemzug sank ich auf den Boden, meine Stirn berührte den kalten Stein. Meine Muskeln fühlten sich wie Brei an, jeder Atemzug war ein Kraftakt.
»Magnus!«, hörte ich Corvins Stimme, gedämpft und besorgt. Ich spürte, wie er neben mir in die Hocke ging, seine Hände auf meine Schulter legte.
»Es... geht«, stieß ich hervor, meine Stimme brüchig. Ich hob mühsam den Kopf und sah ihn an. Sein Gesicht war blass, erschöpft, doch seine Katzenaugen funkelten vor Erleichterung.
»Du hast es geschafft«, sagte er leise, beinahe ehrfürchtig. »Wir haben es geschafft«, brachte ich mit brüchiger Stimme hervor, meine Worte kaum mehr als ein Hauch. Corvin nickte und half mir auf die Beine, seine Hände fest an meinen Schultern, um mich zu stützen. Meine Knie zitterten, als wäre die gesamte Kraft aus ihnen gewichen, doch mit seiner Hilfe schaffte ich es, mich aufrecht zu halten.
»Wo ist Onkel Matt? Geht es ihm gut?« Meine Stimme war schwach, doch die Sorge in meinem Ton war deutlich.
»Er ist in Sicherheit«, sagte er sanft, mit einer Zuversicht, die mich durchdrang. Ich atmete erleichtert aus, ein Gewicht fiel von meinen Schultern, auch wenn mein Körper sich noch immer anfühlte, als hätte er den Kampf seines Lebens geführt – was er im Grunde genommen hatte.
Langsam setzten wir uns in Bewegung. Corvin stützte mich, während wir den Raum verließen, dessen einst so bedrückende Dunkelheit nun nur noch eine Hülle war, leer und leblos. Die kalte Luft schien weniger drückend, und das Echo unserer Schritte hallte durch den zerfallenden Raum.
Mit jedem Schritt fühlte ich ein wenig mehr von der Realität zurückkehren, auch wenn die Nachwirkungen der Begegnung mit dem Nachtiger alias Eugen Elscheid und das Grauen, das ich erlebt hatte, wie ein Schatten in meinem Geist verweilte.
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