[35] Damian

Endlich war der Tag des Nikolausschwimmwettkampfs da, und die Schwimmhalle war in festlicher Erwartung gefüllt. Überall waren Banner und Flaggen angebracht, die die beiden rivalisierenden Teams repräsentierten: Neptuns Garde und Aegirs Aquanauten. Die Farben Marineblau und Gold dominierten den Bereich unserer Mannschaft, die tapfer unser römisches, schildförmiges Wappen präsentierte – ein starker Dreizack in der Mitte, das Kraft und Entschlossenheit ausstrahlten. Auf der anderen Seite prangte das kreisförmige Wappen der Aquanauten in tiefem Blau mit silbernen Akzenten und dem mächtigen Kopf des Aegir, dem nordischen Meeresgott.

Leo stand neben mir am Beckenrand, in seinem Pullover gehüllt, mit einem Schal fest um den Hals geschlungen. Seine Brille rutschte ein wenig über die Nase, als er die Arme verschränkte. Er seufzte und schüttelte den Kopf.

»Es war ja klar, dass ich ausgerechnet zum Nikolausschwimmen erkältet sein muss«, murmelte er frustriert. Seine Stimme klang nasal, und er hustete ein wenig, zog den Schal noch enger und schaute mit einem betrübten Ausdruck zu mir.

Ich legte ihm eine Hand auf die Schulter und versuchte, ihn aufzumuntern. »Kopf hoch. Du bist immer noch als Teammitglied dabei, und das zählt. Deine Unterstützung ist uns heute mindestens genauso wichtig. Das nächste Turnier im Frühjahr kommt schneller, als du denkst.«

Er nickte, wenn auch zögerlich, und versuchte ein schwaches Lächeln. »Ja... ich weiß, aber das ist einfach so frustrierend. Man trainiert die ganze Zeit, dann so eine blöde Erkältung.«

Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch er klopfte mir schließlich anerkennend auf den Arm.

Leo richtete seine Brille, musterte mich durch das klare Glas und legte den Kopf leicht schief. »Und, wie fühlst du dich? Bist du nervös?«, fragte er mit einem leisen Schmunzeln.

Ich zog den Reißverschluss meines marineblauen Trainingsanzugs ein Stück hoch und zuckte leicht mit den Schultern. Der Anzug lag fest an und vermittelte mir ein gutes Gefühl. »Ein bisschen aufgeregt bin ich schon«, gestand ich, »aber hält sich in Grenzen. Und mit dir am Beckenrand... kann ja eigentlich nichts schiefgehen, oder?«

Leo lachte und schüttelte den Kopf, während seine Augen hinter den Gläsern schelmisch blitzten. »Glaub ja nicht, dass ich heute dein persönlicher Cheerleader bin«, neckte er mich, seine Stimme war ein wenig kratzig vom Husten, aber sein Blick wirkte erfrischend lebhaft.

Ich zog eine theatralische Grimasse und tat so, als wäre ich tief enttäuscht. »Das ist aber schade«, erwiderte ich, ließ meine Stimme absichtlich schwer und gespielt verletzt klingen.

Leo hob die Augenbrauen und lachte, ein warmes, echtes Lachen, das seine Wangen ein wenig rosa färbte. »Na gut«, sagte er und boxte mir spielerisch gegen den Arm. »Vielleicht feuere ich dich ein bisschen an, aber wenn du verlierst... tja, dann hast du das nächste Mal einen Cheerleader weniger.«

Ich grinste und erwiderte seinen Blick, spürte dabei ein Kribbeln, das sich wie kleine Funken in mir ausbreitete. Sein schiefes Lächeln und die neckende Art hatten etwas an sich, das mich kurz aus dem Gleichgewicht brachte. Ich räusperte mich und zwang mich, wieder an den Wettkampf zu denken, doch das Lächeln auf meinen Lippen blieb, und das Kribbeln schien sich einfach nicht vertreiben zu lassen.

»Weißt du eigentlich, wen die Aquanauten als neuen Kapitän haben? Seit Edward Darling... na ja, du weißt schon.« Er hielt kurt inne, schließlich war seit seinem Unfalltod ein Monat vergangen.

»Hmm... hab ich mich auch gefragt, aber kein Plan«, antwortete ich, während mein Blick zur anderen Seite der Schwimmhalle glitt, wo einige Aegirs Aquanauten sich gerade aufwärmten.

Aegirs Aquanauten waren die größten Rivalen von Neptuns Garde. Die letzten Jahre hatten sie die Schwimmturniere jedes Mal dominiert, und wir waren stets nur knapp hinter ihnen auf Platz zwei oder drei gelandet. Heute verspürte ich jedoch den Wunsch, diesen Spieß endlich umzudrehen. »Na ja«, meinte Leo schließlich, seine Stimme jetzt leicht herausfordernd, »wenn du dir deinen Platz als Kapitän richtig verdienst, dann setzt du ein Statement. Dann weiß der neue Typ da drüben auch gleich, dass Neptuns Garde ihn dieses Mal richtig nass macht und er besser dran ist, wenn er schon mal den zweiten Platz für sich reserviert«, beendete Leo mit einem grinsenden Funkeln in den Augen.

»Das hoffe ich!«, erwiderte ich entschlossen, während mein Blick wieder zu Leo zurückwanderte.

Er nickte, und ein aufmunterndes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, das wie ein unausgesprochenes Versprechen wirkte.

***

Leo setzte sich auf der Zuschauertribüne nieder und spürte die harten Stufen unter sich, während der Trubel um ihn herum immer lauter wurde. Schüler und Schülerinnen, Lehrer und Lehrerinnen, und sogar einige Eltern waren gekommen, um dem Nikolausschwimmwettkampf beizuwohnen. Das sonst so ruhige Schwimmbad verwandelte sich in ein vibrierendes Meer aus Stimmen, ein Gemurmel und Lachen, das sich an den Wänden brach und zurückgeworfen wurde. Leo ließ seinen Blick durch die Reihen gleiten, auf der Suche nach bekannten Gesichtern.

Er lehnte sich leicht zurück und ließ seine Augen über die Menge schweifen. Er fragte sich, ob Juliette ebenfalls kommen würde, um Magnus anzufeuern. Seit Magnus ihr mutig seine Gefühle gestanden hatte, spielte sich in Leo eine Mischung aus Spannung und Neugier ab, und er fragte sich, ob sie wohl auch für ihn gekommen war. Ob sie wohl mit einem lächelnden Blick Magnus Start beobachtete oder gespannt darauf wartete, wer dieses Mal den Sieg erringen würde.

Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als er eine vertraute Stimme hörte. »Na, wenn das nicht mein Lieblingscousin ist.« Überrascht drehte Leo sich um und entdeckte seine Cousine Helena, die direkt hinter ihm saß. Ein vertrautes, verschmitztes Lächeln lag auf ihren Lippen, und ihre himmelblauen Augen – fast identisch mit seinen eigenen – funkelten ihm amüsiert entgegen. Sie hatte ihre dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bei jeder ihrer Bewegungen leicht schwungvoll mitging. In ihrem rosafarbenen Pullover mit Kragen, der ihr Gesicht noch zarter wirken ließ, sah sie aus wie die personifizierte Fröhlichkeit an diesem sonst grauen Dezembertag.

»Helena! Was machst du denn hier?« Leo hob die Augenbrauen und musste unwillkürlich lächeln, hielt jedoch instinktiv seine Hand abwehrend hoch. »Aber umarmen solltest du mich lieber nicht, ich bin erkältet«, warnte er.

Doch bevor Helena etwas erwidern konnte, tauchte neben ihr plötzlich eine junge Brünette auf, die sich mit einem breiten Grinsen in das Gespräch einschaltete:»Wir sind hier, um Helenas Schatz anzufeuern!«

Helena fuhr herum, und ihre Wangen liefen augenblicklich rot an. »Antonia! Damian ist nicht mein Schatz!«, verteidigte sie sich und funkelte ihre beste Freundin an, die sich über das eindeutige Erröten ihrer Freundin nur noch mehr amüsierte.Antonia verschränkte die Arme und zog Helena spielerisch auf.

»Ach nein? Dann hatte ich das wohl missverstanden, als du von seinen tollen Schwimmzügen geschwärmt hast.« Sie warf Leo einen Blick zu, als würde sie ihn mit einweihen wollen. »Er wurde zum neuen Kapitän von Aegirs Aquanauten gewählt. Keine schlechte Wahl, muss ich zugeben.«

Leo schnaubte leise und warf einen Blick auf das Becken, wo die Schwimmer sich langsam aufwärmten. Sein Gesicht nahm einen grüblerischen Ausdruck an.

Hm – den ersten Platz holen wir heute also gegen ihn – dachte Leo im inneren nach.

Helena hob sofort die Hände und machte eine abwehrende Geste. »Oh, bitte« Sie lachte nervös und schüttelte den Kopf. »Ich habe nur gesagt, dass er eine gute Technik hat! Es ist ja wohl kaum verboten, das zu bemerken. Das nennt man... sportliche Anerkennung, mehr nicht!«

Sie wandte sich demonstrativ ab, strich sich eine Strähne ihres Pferdeschwanzes hinter das Ohr und fügte hinzu: »Außerdem, bin ich hier, weil Leo auch schwimmen sollte und ich meinen Cousin anfeuern wollte.« Sie wandte sich zu Leo, um das Thema abzulenken.

***

Ich stand am Beckenrand, die Arme vor der Brust verschränkt, und ließ den Blick aufmerksam über das gegnerische Team schweifen. Mein Atem ging ruhig, doch mein Puls pochte ein wenig schneller – eine Mischung aus Anspannung und Aufregung. Mein Blick blieb an einem Jungen hängen, der inmitten des Aegirs-Aquanauten-Teamsstand. Schwarzes Haar, das leicht über die Stirn fiel, wasserblaue Augen, die wie ein ruhiger, aber unergründlicher See wirkten, und ein athletischer Körperbau, der das Ergebnis harter Arbeit und unzähliger Trainingsstunden zu sein schien.

Dieser Junge wirkte, als hätte er das Sagen – kein Zweifel, er musste der neue Kapitän sein.

Der Junge sprach leise mit einem Schwimmer, der sich für den Wettkampf bereit machte. Ein aufmunterndes Nicken, dann ein kräftiges Klopfen auf die Schulter des Teamkameraden. Es war, als wollte er ihm im letzten Moment Mut zusprechen. Ich beobachtete die Szene genau und fragte sich, wer dieser Junge war und wie er das Team von Aegirs Aquanauten führen würde.

In diesem Moment begannen die Lautsprecher in der Halle zu rauschen. Eine Ansage, dass der Wettkampf in wenigen Minuten beginnen würde, hallte durch die Schwimmhalle. Da wanderte der Blick des fremden Kapitäns von seinem Team ab und traf direkt auf mich. Ein kurzer Moment, doch intensiv. Wir sahen uns in die Augen – und für einen Herzschlag schien es, als würde eine unausgesprochene Herausforderung zwischen uns in der Luft hängen.

Ich ließ sich nicht anmerken, dass der Blick mich überrascht hatte. Ich erwiderte ihn ruhig, beinahe herausfordernd, als wollte ich dem fremden Kapitän sagen, dass Neptuns Garde heute alles geben würde.

Ich spürte plötzlich ein intensives Glühen in mir aufsteigen, wie eine warme Welle, die tief in meiner Brust begann und sich dann wie ein Feuer durch meine Adern zog. Mein Herzschlag beschleunigte sich, und ich spürte das Rauschen von Adrenalin in meinen Ohren, wie das unaufhörliche Dröhnen von Wellen gegen eine felsige Küste.

Unwillkürlich senkte ich den Blick auf meine rechte Hand. Für einen flüchtigen Moment meinte ich, dort etwas zu sehen, das mich aus dem Konzept brachte: eine Ader, tiefschwarz, die in rhythmischen Pulsen unter meiner Haut schlug, als wäre sie lebendig, als würde sie auf etwas Dunkles und Machtvolles reagieren. Sofort dachte ich an meinen inneren Dämon und ein Schauer lief mir über den Rücken.

Ich blinzelte und schüttelte den Kopf, die Halle und die aufgeregten Rufe der Zuschauer holten mich zurück ins Hier und Jetzt. Das merkwürdige Glühen und das schwarze Pochen meiner Ader verschwanden so schnell, wie es gekommen war, und zurück blieb nur mein kräftig schlagendes Herz. Mit einem tiefen Atemzug verdrängte ich das Gefühl und richtete den Blick wieder entschlossen auf das Becken.

Die ersten Schwimmer stellten sich mit fokussierten Gesichtern an den Startblock, jeder von ihnen eine konzentrierte Verkörperung von Spannung und Kraft. Sie schoben die Schwimmbrillen auf ihre Augen, zogen die Bänder fest und griffen die Kanten des Startblocks mit weiß knöchelnden Fingern. Die Muskeln in ihren Armen und Beinen waren angespannt, bereit, sich in die Luft und dann ins Wasser zu katapultieren. Ein leises Raunen ging durch das Publikum, das fast schon den Atem anhielt. Sekunden vor dem Startpfiff herrschte absolute Stille – nur das leise Ticken der Uhr und das leise Plätschern des Wassers waren zu hören.

Plötzlich durchbrach der scharfe Ton einer Pfeife die Stille und hallte durch die Schwimmhalle. In einer fließenden Bewegung sprangen die Schwimmer vom Startblock ab, ihre Körper gestreckt und zielgerichtet, als sie in die Luft stiegen und sich mit einem perfekten Eintauchen ins Wasser schoben. Ein kräftiges Aufspritzen folgte, und dann herrschte für einen Moment wieder nur das rhythmische Plätschern der schnellen Armzüge. Die ersten aus dem Publikum begannen laut zu jubeln. Einige Schüler auf den Rängen hielten handgemalte Schilder hoch, auf denen in kräftigen Farben Botschaften wie "Go, Neptuns Garde!" und "I LOVE Aquanauten!"prangten.

***

Der Wettkampf war in vollem Gange, und die Spannung in der Schwimmhalle war beinahe greifbar. Runde um Runde lieferten sich die Schwimmer beider Teams ein erbittertes Kopf-an-Kopf-Rennen. Immer wieder lagen sie nur um Haaresbreite auseinander, jede Wendung und jeder Schlag schien den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage auszumachen. Die ersten Schwimmer hatten ihre Runden bereits verloren, aber auf der Tribüne hielt es niemanden mehr ruhig. Fans riefen die Namen ihrer Favoriten, während die letzten Schwimmer auf den Start warteten und ihr Team anfeuerten. Neptuns Garde und Aegirs Aquanauten schenkten sich nichts – es war ein echter Kampf um die Ehre im Wasser.

Leo saß dicht gedrängt neben Maja und Clarissa, die ebenfalls voller Vorfreude auf das nächste Rennen gespannt waren. Seine Augen wanderten unruhig durch die Zuschauermenge, immer wieder schielte er in Richtung der Eingangstür, bis er schließlich Juliette entdeckte. Er winkte ihr zu, und ein breites Lächeln huschte über sein Gesicht, als sie ihn bemerkte und sich entschlossen durch die Menge schob.

Bevor Leo noch seine warnende Hand heben konnte, um sie wegen seiner Erkältung vor einer Umarmung zu bewahren, hatte Juliette ihre Arme bereits um ihn geschlungen. »Hey! Tut mir leid, dass ich erst dazu komme«, entschuldigte sie sich leise und rückte näher an ihn heran. Leo spürte einen kurzen, freudigen Rausch, als er sie losließ, doch er verbarg es hinter einem Lächeln und schüttelte den Kopf.

»Keine Sorge, du bist rechtzeitig«, beruhigte er sie, während er leicht räusperte. »Das Rennen der beiden Kapitäne steht noch aus.« Juliette atmete erleichtert auf und ließ ihren Blick über das Schwimmbecken schweifen, wo gerade die letzten Schwimmer den Wettkampf beendete.

»Dann bin ich beruhigt«, sagte sie mit einem aufgeregten Glitzern in den Augen. »Das wollte ich auf keinen Fall verpassen!«

***

Die Stimmung in der Schwimmhalle schien sich zu verdichten, als die letzten Vorbereitungen für das Rennen der beiden Kapitäne getroffen wurden. Ich nahm einen tiefen Atemzug, um die Aufregung unter Kontrolle zu bringen, und sah zu Damian Richtenstein herüber. Der Name war mir neu, doch er war in aller Munde: unser größter Konkurrent und der neue Kapitän der Aegirs Aquanauten. Seine Haltung war fokussiert, seine Muskeln entspannt, aber bereit. Sein Blick begegnete meinem, und für einen Moment herrschte eine seltsame Stille, als ob wir beide das gleiche Kribbeln spürten, die Anspannung vor dem Rennen.

Dann kam er auf mich zu, sein Gang selbstbewusst, und blieb direkt vor mir stehen. Er streckte mir die Hand entgegen, ein leichtes Lächeln auf den Lippen. »Möge der bessere gewinnen«, sagte er ruhig. Seine Stimme war fest, ohne Arroganz, und seine wasserblauen Augen funkelten.

Ich erwiderte seinen Händedruck, spürte die Kraft in seinem Griff und bemerkte kurz die Zahnspange, die ihm einen unerwartet jungen Ausdruck verlieh – als ob wir für einen Moment zwei Seiten derselben Münze wären, Rivalen und doch noch irgendwie Jungs, die sich bewähren wollten.

Der Druck in meiner Hand ließ das Glühen wieder aufflammen, ein flüchtiges, hitziges Pochen, das mich beinahe aus dem Konzept brachte. Doch ich hielt seinen Blick ruhig und nickte. Wir wurden zur Startlinie gerufen, und das Signal zum Bereitmachen hallte durch die Halle.

Noch einmal schaute ich nach oben zur Tribüne. Meine Augen fanden Leo, der mir zugenickt hatte, und daneben Maja, meine Schwester, die mir die Daumen drückte. Doch dann bemerkte ich Juliette. Sie saß ebenfalls da, neben Leo, und als sich unsere Blicke trafen, huschte ein warmes Lächeln über ihr Gesicht. Ein Aufschwung durchzog mich, mein Herz schlug kräftiger, und das Kribbeln schien sich mit dem Adrenalin zu einem energischen Pulsieren zu vermischen. Ich nickte leicht, zog meine Schwimmbrille über die Augen und trat entschlossen auf den Startblock.

Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Ich stellte mich fest auf den Startblock, atmete tief ein und versuchte, meine Gedanken zu sammeln. Das Pochen in meinem Herzen war fast unerträglich, wie das Echo einer längst vergessenen Drum. Ich konzentrierte mich auf meinen Atem, auf die Bewegungen meines Körpers, während ich die Position einnahm. Meine Muskeln waren angespannt, der Fokus lag nur noch auf dem bevorstehenden Wettkampf. Doch plötzlich durchbrach ein dunkles Kichern die Stille in meinem Kopf. Es war nicht real, wusste ich. Doch das Gefühl war unheimlich, wie ein kalter Hauch, der mir über den Nacken strich und mir eine Gänsehaut jagte.

Dieser Dämon

Ich schüttelte den Kopf, versuchte, den Gedanken zu vertreiben.

Nicht jetzt.

Der Blick zu Damian riss mich wieder aus meinen düsteren Überlegungen. Er war ebenfalls bereit, seine Augen fest auf den Startblock gerichtet. Dann trafen sich unsere Blicke – kurz und flüchtig. Ein stiller Austausch, der keinen Raum für Worte ließ. Der Pfiff ertönte scharf und plötzlich – ohne Vorwarnung – sprang ich. Das kalte Wasser verschluckte mich sofort, und ein Schauer zog durch meinen Körper. Ich tauchte tief ein, und während ich durch die Kühle des Wassers pflügte, konnte ich erneut die Stimme des Dämons hören.

»Du kannst deiner Natur nicht entkommen.«

Der Satz war wie ein Hieb. Ein Stich in mein Herz, so scharf, dass er fast meine Atmung stoppte. Aber ich verdrängte den Schmerz, konzentrierte mich auf die Bewegungen meines Körpers. Ich musste schwimmen, ich musste gewinnen – für mich selbst, für Neptuns Garde, für alles, was ich sein wollte. Die Dunkelheit, die der Dämon mir zuflüsterte, durfte mich nicht aufhalten.

Das Wasser um mich herum war kalt, erfrischend, und dennoch schien es gegen mich zu arbeiten. Aber ich kämpfte weiter, zog kräftige Züge, der Widerstand wurde zu einer Herausforderung, die ich nicht verlieren wollte. Ich fühlte mich wie in einem inneren Sturm gefangen. Während mein Körper weiter in präzisen Bewegungen das Wasser durchbrach, tobte es in mir. Zwei Welten prallten aufeinander – die physische Anstrengung des Wettkampfes und die innere Zerrissenheit durch das, was in mir schlummerte.

Ich wollte gewinnen.

Während ich mich durch das kalte Wasser kämpfte, flackerte der Gedanke an „mein Licht" auf, und plötzlich war alles um mich herum verschwommen, als würde sich die Welt für einen Moment verlangsamen. In meinem Geist erschien das Bild von Juliette, wie ein zarter, klarer Moment aus einer anderen Welt. Ich sah ihre haselnussbraunen Augen, die mich aus der Menge heraus ansahen, und ihr Lächeln, dieses warme, beruhigende Lächeln, das mich immer wieder aufrichtete. Ihre Wangen, leicht gerötet, ihre Haare, die im Sonnenlicht wie ein sanfter, goldener Schleier fielen. Alles in mir spürte plötzlich ein Ziehen, ein Wunsch, ihr etwas zu beweisen.

Ich wusste, dass ich diesen Wettkampf nicht nur für mich kämpfte. Ich kämpfte für sie. Für das, was sie mir bedeutete. Der Gedanke daran, sie stolz zu machen, ließ mich die Schmerzen und das Brennen in meinen Muskeln fast vergessen. Alles, was ich wollte, war, diesen Sieg zu holen – für sie.

Für Juliette.

Der Dämon spottete in meiner Seele, zog an mir, flüsterte von Zweifeln und dunklen Wahrheiten. Doch ich ignorierte es. Ich stieß mich von der Wand des Beckens ab, so kräftig wie möglich, drückte den Schmerz in meinen Beinen zur Seite und kraulte mit allem, was ich hatte. Das Wasser um mich herum spritzte und schäumte, die Bewegungen waren jetzt eine einzige, fließende Kraft. Mein Herz hämmerte, und doch schien der Lärm aus der Welt zu verschwinden.

Die Rufe hallten durch die Halle, ein massives Raunen, das mich antrieb, weiterzumachen. Die Begeisterung der Menge schien mich zu beflügeln, als ich mich auf den letzten Metern dem Ende näherte.

»Für sie«, flüsterte ich in meinem Kopf, meine Zähne zusammengebissen. Der Schmerz, der sich in meinem Körper ausbreitete, ließ mich fast zögern, doch ich kämpfte weiter, trat gegen die Hitze und gegen das pochende, wilde Hämmern meines Herzens an. Mein ganzer Körper brannte, doch der Dämon in mir wollte mich wieder zurückziehen, wollte mich in den Abgrund zerren. Ich spürte die dunklen, kalten Hände in meinem Geist, wie sie sich um meine Seele schlossen, versuchten, mich in den Sog ihrer Dunkelheit zu ziehen.

Ich stieß mich erneut ab. Die Hälfte der Runden war geschafft, doch die andere Hälfte lag noch vor mir, und ich wusste, dass ich nicht aufgeben durfte.

Die Schmerzen in meinen Händen wurden stärker, wie bei einem plötzlich auftauchenden Krampf. Mein Griff um das Wasser wurde schwächer, aber dann spürte ich die kalte, scharfe Klinge der Verkrampfung in meiner rechten Hand – sie war wie ein Stromschlag, der durch meinen gesamten Körper fuhr. Es fühlte sich an, als würde mir jemand die Haut abziehen. Ein brennender Schmerz zog sich durch meine Finger, bis zu meinem Arm, als wäre ich in der Lage, alles zu zerreißen.

»Er ist nicht real!«, schrie ich in meinem Inneren, und der Gedanke an „mein Licht" brannte wieder auf, stärker als der Schmerz, stärker als der Dämon, der an mir zerrte.

»Ich bin real!«, hörte ich sein dunkles Raunen.

Mit all der Kraft, die mir noch blieb, tauchte ich unter, zog die Wasseroberfläche hinter mir durch, fühlte, wie das kalte Nass mich durchströmte, während der Dämon versuchte, mich zu zwingen, aufzugeben. Doch ich kämpfte weiter.

»Denk an das Licht!« schrie mein Geist, mein Körper gehorchte, als ich mich wieder abstieß und auf die letzte Strecke zupackte.

Das Rauschen des Wassers füllte meine Ohren, während ich mich mit einem letzten, alles entscheidenden Schwung abdrückte. Und so tauchte ich wieder ins Wasser ein, schneller, härter, der Dämon konnte mich nicht aufhalten. Ich war fast am Ziel. Der Beckenrand war nur noch ein paar Meter entfernt, der Wettkampf fast vorbei. Der Sieg war greifbar. Doch dann, wie aus dem Nichts, überkam mich wieder dieses Gefühl. Der Dämon zerfraß mein Inneres. Ein unerträglicher Schmerz zog sich durch meine Brust, und es war, als würde etwas in mir zerreißen. Meine Muskeln, die sich im Rhythmus des Schwimmens bewegt hatten, verkrampften plötzlich.

»Glaubst du wirklich, dass du dich von mir lösen kannst«,

flüsterte seine Stimme in meinem Kopf, dröhnend und böse, wie ein Schatten, der mich immer weiter ergriff. Der Schmerz, der so plötzlich und scharf durch meinen Körper zog, ließ mich taumeln, meine Bewegungen verlangsamten sich.

Die Rufe aus der Menge verstummten zu einem dumpfen Hintergrundgeräusch, als sich der Dämon mit einer Wucht in meine Gedanken presste. »Du kannst nicht entkommen«, hörte ich ihn wieder, und der Schmerz wurde stärker, als hätte er meinen gesamten Körper in seinen eisigen Griff genommen. Mit letzter Mühe erreichte ich den Beckenrand und schien das Gefühl die Kontrolle über meinen Körper zu verlieren.

In einem verzweifelten Versuch, dem Drang zu entkommen, sprang ich fast aus dem Wasser. Der Beckenrand kam viel zu schnell, ich landete mit einem Ruck, meine Füße verloren für einen Moment den Halt. Ohne nachzudenken, ohne mich noch einmal umzusehen, rannte ich, schneller als ich wollte, in Richtung der Duschräume. Die Menge um mich herum verstummte nicht – sie murmelte, tuschelte, wurde lauter.

»Was ist passiert?«, hörte ich jemanden rufen. Doch ich hörte nicht hin. Die Stimmen der Zuschauer vermischten sich zu einem entfernten Echo. Ich konnte nur noch die kalte, brennende Präsenz des Dämons spüren, der sich wieder fest in meinem Inneren verankerte. Ein schmerzhaftes Ziehen, das mich weiter vorantrieb, als ich auf die Duschräume zuschoss. 

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