[34] Familiengeheimnisse

Lisa starrte ihre Großmutter mit großen, ungläubigen Augen an. Ihre Großmutter... eine Hexe? Und sie selbst? Die Worte hingen schwer in der Luft und fühlten sich an, als hätte jemand ihr Leben plötzlich auf den Kopf gestellt. »Eine... Hexe?«, flüsterte sie, ihre Stimme fast tonlos, und sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug.

Hulda nickte, ein sanftes Lächeln auf ihren Lippen, das von einem geheimnisvollen Funkeln in ihren Augen begleitet wurde. »Ja, mein Kind«, begann sie mit einer Stimme, die das Gewicht der vielen Jahre und Geheimnisse in sich trug. „Meine Familie, die Hölzel, hat eine alte, tief verwurzelte Linie von Hexen und Zauberern. Viele deiner Ahnen haben diese Gabe getragen und bewahrt."

Lisa schüttelte den Kopf, als wollte sie die Worte wieder abschütteln. »Das kann doch nicht sein... du meinst... richtige Magie?« Sie suchte verzweifelt nach einem Anzeichen, dass das alles nur ein merkwürdiger Scherz war, aber Huldas Gesicht blieb ernst.

»Echte Magie«, bestätigte Hulda und hielt einen Moment inne, um Lisa nicht zu überfordern. »Sie ist nicht so, wie du sie dir vielleicht vorstellst. Keine Zauberstäbe und Verwandlungen wie im Märchen. Nein, unsere Magie ist tief verwurzelt in der Natur, in den Energien, die uns umgeben, und im Wissen unserer Ahnen.«

Ein Zittern lief Lisa über den Rücken, und sie ließ ihre Tasse sinken, die sie immer noch wie ein Rettungsanker umklammerte. »Aber... wieso... wieso hast du das nie erzählt? Wieso erst jetzt?«

Hulda sah sie mit einem Hauch von Wehmut an. »Weil die Gabe bei manchen überspringt oder erst erwacht, wenn sie wirklich gebraucht wird. Bei dir hat sie sich mit diesem Alptraum angekündet.«

»Aber... ich...« Lisa stotterte, als die Wahrheit langsam in ihr sickerte und sie sich in einem völlig neuen Licht sah. »Wissen Onkel Rainer und Papa das auch?« Ihre Stimme zitterte leicht, während sie Hulda forschend ansah.

Hulda nickte und lächelte sanft. »Ja, sie wissen es. Schon immer. Allerdings sind beide ohne die Gabe geboren, vermutlich weil dein Opa ein „Normaler" war, kein Zauberer.« Sie seufzte, und ein nostalgisches Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, als sie fortfuhr. »Dein Opa wusste ebenso von meiner Herkunft. Es war manchmal, als hätten wir selbst wie in dieser einen alten Serie gelebt... ach, wie hieß sie noch gleich? Diese mit der Hexe, die einen ganz normalen Mann geheiratet hat...«

»Verliebt in eine Hexe?« half Lisa leise und immer noch erstaunt über das Bild, das sich ihr bot.

»Ja, genau!« Hulda lachte kurz auf. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft meine Mutter damals unsere Ehe missbilligt hat, weil sie ihn für „nicht würdig" hielt.« Sie setzte sich ein wenig gerader hin, und in ihren Augen blitzte ein Hauch jener Jugend auf, die sie einst besessen hatte. »Aber ich habe mich durchgesetzt. Denn wenn ich eines in meinem Leben immer verteidigt habe, dann das, was mir wichtig war - und das war dein Großvater und meine beiden Söhne.«

Lisa spürte ein kleines Lächeln auf ihren Lippen, während die Wärme, die von Hulda ausging, allmählich ihre Unruhe dämpfte. »Du und Opa... wie in der Serie.« Sie kicherte ein wenig, und das Gefühl der Vertrautheit mit dieser so plötzlich offenbarten Seite ihrer Großmutter ließ sie das Gespräch mehr und mehr annehmen.

Hulda drückte Lisas Hand ein letztes Mal, bevor sie die Hände löste und mit einem nostalgischen Lächeln weitersprach. »Du ahnst nicht, wie oft es chaotisch wurde - dein Opa hatte viel Geduld, aber er hat sich nie beschwert. Doch weißt du«, sie schmunzelte und hob verschwörerisch eine Augenbraue, »was glaubst du, wie ich all die Weihnachtspullover und Wollsocken für die ganze Familie so schnell fertigbekommen habe?« Ein kleines Zwinkern begleitete ihre Worte.

Lisa musste lachen, obwohl das alles für sie immer noch so unglaublich klang.»Das klingt... immer noch so surreal«, sagte sie und spürte, wie ihre Finger ein wenig fester um die Tasse glitten. Ihre Augen klebten an ihrer Großmutter, die plötzlich in ihrer Tasche kramte und ihr Strickzeug hervorholte. Doch anstatt selbst mit dem Stricken zu beginnen, legte Hulda das Garn und die Nadeln in ihren Schoß und beobachtete lächelnd, wie die Nadeln sich selbstständig machten. Sie glitten wie von Geisterhand durch das Garn und erzeugten in präzisen Maschen eine weitere Wollsocke.

Lisa starrte auf das Spektakel und blinzelte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und sie sah ihre Großmutter erneut an, sprachlos und mit offenem Mund. »Ist das... wirklich echt?«, flüsterte sie. Doch Hulda nickte nur und strahlte ihre Enkelin an.

»Cornelia ist übrigens auch eine Hexe.« Hulda legte den Kopf leicht zur Seite, und Lisa konnte den schelmischen Ausdruck in den Augen ihrer Großmutter sehen. »Tante Nele? Onkel Rainers Frau?«

Hulda nickte.

Lisa versuchte, all diese neuen Informationen zu verarbeiten. »Also... das heißt, dass Carolyn auch... eine Hexe sein könnte?«, fragte sie leise und fühlte, wie die Vorstellung, dass ihre kleine Schwester magische Fähigkeiten entwickeln könnte, ein eigenartiges Kribbeln in ihrem Bauch auslöste.

Hulda hob die Schultern und neigte den Kopf. »Möglich. Doch es ist nicht sicher. Dein Vater und deine Mutter sind beide ohne die Gabe geboren, was die Wahrscheinlichkeit senkt. Aber wissen kann man es nie, manchmal bleibt die Magie ein paar Generationen verborgen und dann - zack! - taucht sie wieder auf.«

Lisa schüttelte den Kopf und trank einen kleinen Schluck von ihrem Kakao, um die warme Süße auf sich wirken zu lassen und sich zu beruhigen. Sie fühlte sich, als würde ihr gesamtes Leben in einem neuen Licht erscheinen.

Das Mädchen lehnte sich überrascht zurück, die Tasse inzwischen lauwarmen Schokolade noch immer fest in ihren Händen. »Also... Geister? Sind die auch real?«,fragte sie zögernd und schaute ihre Großmutter abwartend an.

Hulda nickte ernst. »Ja, Geister sind ebenso real, und ich verstehe nicht, warum heutzutage so viele junge Leute leichtfertig Geisterbeschwörungen betreiben. Sie denken, das wäre nur ein Spaß - doch wer einmal einen Geist bei sich zu Hause heraufbeschwört, der wird ihn nicht so leicht wieder los.« Sie schüttelte dabei langsam den Kopf und seufzte. »Ich musste schon mehr als einmal aushelfen, um ungebetene Gäste loszuwerden, die gerufen, aber dann nicht mehr verabschiedet wurden.«

Lisa spürte ein Kribbeln entlang ihrer Wirbelsäule und sah ihre Großmutter mit aufgerissenen Augen an. Die Vorstellung, dass Geister plötzlich real sein könnten, dass sie hier und dort herumschweben und vielleicht heimlich zuschauen könnten, jagte ihr eine Gänsehaut über die Arme. »Und... was ist mit Vampiren und Werwölfen?«, flüsterte sie schließlich. »Sind die etwa auch real?«

Wieder nickte ihre Großmutter, dieses Mal mit einem Lächeln, das eine Spur Belustigung verriet. »Oh, ja, auch die gibt es. Meine Großtante Agatha etwa - sie war viele Jahre mit einem Werwolf zusammen. Das war, wie du dir vorstellen kannst, wortwörtlich eine wilde Ehe! Aber die beiden haben sich geliebt, wenn auch auf... nun ja, recht turbulente Weise.« Sie schmunzelte bei der Erinnerung und wirkte plötzlich sehr in Gedanken versunken.

Lisa schüttelte den Kopf und starrte auf ihre Großmutter, während die Realität um sie herum zu verschwimmen schien. »Das heißt, all diese Geschichten... diese Filme, wie Twilight oder diese Geisterjägerdokumentationen - da steckt also doch was Wahres dahinter?«

Hulda zuckte mit den Schultern und lächelte sanft. »Hollywood übertreibt natürlich gern, aber der Kern der Geschichten... den gibt es tatsächlich. Die meisten Legenden und Mythen basieren auf wahren Begebenheiten oder Wesen. Nur sind diese Realitäten oft gut versteckt, für diejenigen, die nicht über den sechsten Sinn verfügen.«

Lisa nippte an ihrer Schokolade und spürte, wie sich ihre Gedanken überschlugen. Ihre Welt hatte sich gerade in alle Richtungen geweitet, und sie wusste nicht, ob sie sich über diese neuen Erkenntnisse freuen oder fürchten sollte.

***

Matthias Adrian zog sich die Ärmel seines Pullovers hoch und kletterte vorsichtig die schmale Holzleiter zum Dachboden hinauf. Oben angekommen, atmete er den vertrauten, leicht staubigen Geruch ein, der die alten Holzbalken und die angestaubten Erinnerungen umhüllte. Der Dachboden lag in einem Halbdunkel; nur das Licht der nackten Glühbirne durchdrang die Dunkelheit. Die Aufmerksamkeit von Matthias fiel auf die Stapel von Kartons, die sich dort wie kleine Hügel erhoben.Kartons mit Weihnachtsdekorationen und anderem Krimskrams, der über die Jahre vergessen worden war, türmten sich links und rechts, und ein leises Knistern und Knarren der Holzdielen begleitete jeden Schritt, den er auf dem Boden machte.

Sein Ziel war der alte Reisekoffer, der sich, wenn er seinen Erinnerungen trauen konnte, ganz hinten auf dem Dachboden versteckte.

Matthias duckte sich und schob sich vorsichtig durch den schmalen Gang, den die Kartons und alten Möbel zwischen den Holzbalken des Dachbodens bildeten. Im schwachen Licht der Glühbirne wirkten die alten Gegenstände wie vergessene Erinnerungen, die stumm nebeneinander ruhten - das alte Puppenhaus von Maja, ein altes Radio und Stapel von alten Büchern, die niemand mehr zu lesen wagte.

Sein Ziel, der Koffer, schimmerte schließlich im letzten Winkel des Dachbodens auf, als hätte das Licht ihn ganz besonders hervorgehoben. Der Koffer war so elegant wie er in seiner Erinnerung geblieben war, doch das Leder war an einigen Stellen verblasst, kleine Risse zogen sich entlang der Ecken, und die Kanten waren abgenutzt und verrieten seine weite Reise durch die Zeit. Die Oberfläche war hier und da mit Kratzern übersät, als hätte der Koffer so einiges mitgemacht, und der Verschluss aus Messing wirkte leicht angelaufen. Trotz all dieser Gebrauchsspuren strahlte der Koffer eine unverkennbare Eleganz aus, die ihm eine Aura des Geheimnisvollen verlieh.

Matthias musterte ihn genauer und hob ihn vorsichtig an, fühlte das Gewicht und den kühlen Griff des Leders in seiner Handfläche.

Den könnte ich vermutlich für eine ordentliche Summe an einen Antiquitätenhändler verkaufen - dachte er, doch ein anderer Gedanke drängte sich sogleich in den Vordergrund: Wann war der Koffer eigentlich zuletzt geöffnet worden?

Er dachte an seinen Vater, der vor wenigen Jahren verstorben war, und überlegte, ob der Koffer seit dessen Tod überhaupt noch angerührt worden war.

Der Koffer war ein Überbleibsel seiner Großmutter, die ihn damals aus Danzig mitgebracht hatte, als sie fliehen musste. Die Erinnerung ließ ein warmes, bittersüßes Gefühl in Matthias aufkommen, ein Hauch von Nostalgie und Respekt für seine Großmutter.

Er stellte den Koffer vorsichtig auf den staubigen Holzboden und betrachtete das antike Zahlenschloss, das sein Vater daran angebracht haben musste. Die Zahlen standen still und abgenutzt, als ob sie die Geheimnisse jahrzehntelang verschlossen gehalten hätten. Nach kurzem Überlegen griff er nach dem Schloss und drehte die Ziffern. Sechs Zahlen - der Geburtstag seiner Mutter. Er lächelte bei dem Gedanken, wie sein Vater diesen Code ausgewählt hatte, und lachte leise in sich hinein.

Wer behauptete, Männer könnten sich nicht die Geburtstage ihrer Frauen merken?

Ein leises Klicken signalisierte, dass das Schloss sich gelöst hatte. Vorsichtig hob Matthias den Deckel an, und ein vertrauter, leicht metallischer Geruch stieg ihm in die Nase - eine Mischung aus kaltem Stahl, altem Leder und ein Hauch von Kräutern, die über die Jahre ihren Duft kaum verloren hatten. Der Koffer enthüllte eine Sammlung von Utensilien, die ihm nur zu bekannt waren, obwohl er jahrelang versucht hatte, diesen Teil seiner Familiengeschichte zu vergessen.

Zuoberst lag ein silbernes Amulett in der Form eines Kreuzes, das an einem abgewetzten Lederband hing. Das Silber war matt, aber die filigranen Gravuren darauf schimmerten, als hätten sie sich nie vom Glanz des Neuen verabschiedet. Es war das gleiche Amulett, das er als Kind oft an seiner Großmutter hatte hängen sehen, ein Schutzsymbol gegen das Böse, das sie niemals abgelegt hatte. Matthias ließ seine Finger leicht über die kalte Oberfläche gleiten und schloss kurz die Augen, fast als könnte er die warme und zarte Stimme seiner Großmutter wieder hören.

Darunter lag ein Ledergurt mit einer Reihe an Messern - Dolche, umwickelt mit schwarzem Leder, perfekt ausbalanciert und scharf wie der erste Winterfrost.

Daneben lagen kleine Fläschchen, teils aus dickem, grünem Glas, ihre Inhalte konserviert und ungeöffnet seit Jahrzehnten. Ein zähflüssiges Öl schimmerte golden in einem der Fläschchen und war für den Moment der letzte Schutz gegen Wesen, die sonst nur in Albträumen existieren. Matthias erinnerte sich nur zu gut an die Erzählungen, dass dieses Öl vor einem Exorzismus auf die Klinge des Dolches geträufelt werden musste - eine letzte Barriere, die das Unreine abhalten sollte.

Etwas weiter im Koffer entdeckte er eine kleine Glocke aus reinem Silber, an deren Henkel ein kleiner Zettel befestigt war. Die Glocke war in seiner Familie nur als „der Rufer" bekannt und wurde laut seiner Großmutter immer dann geläutet, wenn etwas von der anderen Seite Kontakt suchte und gezähmt werden musste. Die zierliche Glocke, kaum größer als eine Teetasse, strahlte eine seltsame, beklemmende Präsenz aus, und Matthias erinnerte sich unwillkürlich daran, wie sehr er sich als Kind gefürchtet hatte, wenn seine Großmutter diese in den Händen hielt.

Ein unscheinbares Bündel von getrocknetem Salbei lag direkt daneben, sorgfältig in Leinen gebunden und bereit für eine rituelle Reinigung.

Jedes dieser Gegenstände erzählte eine Geschichte, eine Geschichte, die ihm als Kind wie ein Märchen erschienen war. Gleichzeitig spürte er eine Mischung aus Melancholie und Abwehr in sich aufsteigen.

Jedes dieser Objekte schien ihn anzusehen, als würde es daran erinnern, dass er einst für all das bestimmt gewesen war - und sich trotzdem entschieden hatte, diesem Erbe zu entfliehen. Schon als Kind hatte er die alten Geschichten gehört, die ihm und seinem älteren Bruder Martin stolz erzählt wurden, wie die Adrians im alten Preußen angesehen waren. Sie galten als unerschrockene Verteidiger, als Jäger der Finsternis, eine Familie, die in geheimen Zirkeln geachtet wurde und deren Name bei Wesen, die in der Dunkelheit lauerten, gefürchtet war.

Doch all diese Ehrfurcht und Verantwortung, die auf ihm lastete, fühlte sich für Matthias wie ein Gewicht an, das er nicht tragen wollte. Für ihn war die Entscheidung, zum Studium in eine fremde Stadt zu gehen, mehr als nur der nächste Schritt nach der Schule - es war eine Flucht. Sein Studium und seine spätere Berufswahl als Journalist waren eine klare Ansage an seine Familie und an sich selbst: Er wollte ein normales Leben führen, frei von den Lasten der Vergangenheit, ohne die Schatten der Adrians.

Und während er sich in der neuen Stadt und seiner neuen Karriere einrichtete, wurde der Bruch mit seinem Vater, Max Adrian, immer deutlicher. Max war fest davon überzeugt, dass die Tradition der Dämonenjäger nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Pflicht war. Für ihn war der Name Adrian mit Mut und Stärke verbunden, und es war unvorstellbar, dass sein Sohn diesen Weg verließ. Die Gespräche zwischen ihnen wurden zunehmend hitziger und emotionale, bis sie oft in einem regelrechten Streit endeten.

»Du verschenkst dein Potenzial!«, hatte sein Vater in einer der Auseinandersetzungen gefaucht, die Wut in seinen Augen blitzte wie ein gezogener Dolch. »Du bist ein Adrian, du solltest stolz darauf sein, was wir sind!«

Doch Matthias hatte sich nicht einschüchtern lassen. »Was ist der Preis dieses Stolzes, Vater? Menschenleben? Angst? Ich will das nicht! Ich habe andere Träume!«

»Onkel Matt!? Ich bin wieder zuhause!«, riss in dem Moment die Stimme seines Neffen ihn aus seinen Erinnerungen. Hastig schloss Matthias den Koffer und verbarg ihn hinter einem der Kartons

»Ich bin auf dem Dachboden!«, rief Matthias zurück und spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Die Gedanken an die Dämonenjägerutensilien und die Erinnerungen an seine Familie schwirrten ihm im Kopf, während er die Leiter hörte, die Magnus hinaufstieg. Matthias fühlte sich für einen Moment wie ein Kind, das beim Spielen erwischt wurde, und schob den Koffer noch weiter hinter den Karton, während er sich bemühte, ruhig zu wirken.

»Was machst du hier?« fragte Magnus, als er in den Dachboden hineinspähte, sein Blick schien Matthias kurz zu mustern. Matthias versuchte, seinen Gesichtsausdruck neutral zu halten, während er die Hektik in seinem Inneren beruhigte. »Ich suche nach einem alten Buch, das hier auf dem Dachboden sein sollte... für einen Artikel, Recherche...«, log Matthias hastig, in der Hoffnung, dass Magnus nicht hinterfragte.

Magnus nickte, seine Neugier schien vorübergehend gestillt zu sein. »Okay, cool! Dann störe ich nicht weiter«, sagte er und begann, die Leiter wieder hinunterzuklettern. Matthias atmete erleichtert auf, als der Klang von Magnus Schritten auf der Leiter verklang.

In diesem Moment fühlte sich Matthias wie auf einem Drahtseil. Auf der einen Seite waren da die Verantwortung, sein Neffe und seine Nichte von dem Erbe der Familie fernzuhalten. Auf der anderen Seite nagte die Frage an ihm, ob es nicht an der Zeit sei, sie in die Wahrheit einzuweihen. Sollte er sie über die Hintergründe ihrer Familie aufklären?

Mit einem Seufzer schüttelte er den Gedanken ab. Vielleicht war es besser, dass sie noch nichts wussten. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, und er wollte sie nicht mit den Schatten der Vergangenheit belasten. Er schloss kurz die Augen und lehnte sich gegen einen Balken des Dachbodens, während der Geruch von altem Holz und Staub um ihn herum schwebte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top