[22] Freitag der 13. Teil IV
Die Waschküche erhellte sich. Aber es war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Zwei Wäscheständer, an denen zwei Handtücher und ein weißes T-Shirt hingen. Ein voller Wäschekorb, Waschmaschine und Trockner, die an der Wand standen, und daneben ein Regal mit Waschmittel und anderen Reinigungsmitteln. Ebenso befand sich in der Waschküche eine Holztür, die nach draußen in den Garten führte.
Sofort ging ich zu dieser Tür, um zu überprüfen, ob sie auch verschlossen war, und das war sie. Ich atmete erleichtert auf. Gerade als ich mich umdrehte, startete plötzlich die Waschmaschine ihr Programm. Das Geräusch des Wassereinlaufs und das leise Brummen des Motors durchbrachen die Stille des Kellers. Verwundert drehte ich mich um und ging vorsichtig auf die Waschmaschine zu. Die Waschtrommel war leer, kein einziges Kleidungsstück befand sich darin.
Ich schaltete die Maschine aus, in dem ich auf den Knopf drückte. Das Brummen verstummte sofort. Doch kaum hatte ich mich von ihr abgewendet, um zurück nach oben zu gehen, startete sie erneut das Programm. Der plötzliche Lärm ließ mich zusammenzucken. Mit klopfendem Herzen wandte ich mich wieder der Waschmaschine zu.
»Was zum...«, murmelte ich und schaltete sie wieder ab. Die Stille kehrte zurück, aber nur für einen Moment. Kaum hatte ich den Knopf losgelassen, startete die Maschine erneut. Diesmal sah ich, wie ich die Trommel langsam mit Wasser füllte. Doch das Wasser war nicht klar. Es war tiefschwarz, als ob Tinte oder Öl hineinfloss.
Ich trat einen Schritt zurück, mein Herzschlag beschleunigte sich. Das Wasser in der Trommel war undurchdringlich dunkel und wirkte bedrohlich, als ob es lebendig wäre. Ich spürte, wie eine eisige Kälte sich in meinem Magen ausbreitete, während ich das schaurige Schauspiel beobachtete. Das schwarze Wasser wirbelte und schäumte, und die Geräusche der Waschmaschine wurden lauter, fast ohrenbetäubend.
Verzweifelt drückte ich erneut den Ausschaltknopf, doch diesmal reagierte die Maschine nicht. Der Knopf schien blockiert zu sein. Panik breitete sich in mir aus, als das schwarze Wasser weiter anstieg und die Trommel füllte. Das Brummen der Waschmaschine wurde immer lauter, ein dröhnendes Geräusch, das die Luft erfüllte und mir das Gefühl gab, mein Kopf würde gleich platzen. Das Licht in der Waschküche begann zu flackern, was den Raum in ein unheimliches Spiel aus Licht und Schatten tauchte.
Ich ging einige Schritte zurück, mein Blick fest auf die Waschmaschine gerichtet, die nun wie ein unheilvolles Wesen wirkte. Plötzlich brach die Tür zur Waschmaschine mit einem lauten Knall auf und das schwarze Wasser schoss direkt auf mich zu. Der Aufprall war so stark, dass ich zu Boden stürzte. Das Wasser war jedoch nicht wie gewöhnliches Wasser. Es war zäh und klebrig, fast wie Teer, und es schien mich zu umschlingen.
Ich versuchte aufzustehen, doch meine Hände und Beine klebten fest am Boden. Das schwarze Wasser haftete an meiner Kleidung und Haut, und je mehr ich mich wehrte, desto stärker schien es mich festzuhalten.
Mühsam begann ich mich aus der Waschküche zu ziehen, meine Finger krallten sich in den kalten Fliesenboden, während ich Zentimeter um Zentimeter vorwärts kroch. Das klebrige Wasser zog sich wie zäher Schlamm hinter mir her, ließ mich aber nicht los. Plötzlich ertönte ein düsteres Lachen, als würde es über mich spotten. Ich biss die Zähne zusammen und kroch mit aller Macht aus der Waschküche heraus. Als ich die Treppe erreichte, stockte mir der Atem.
Dort stand mein dämonisches Ich, seine schwarzen Augen funkelten bedrohlich. Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht, und auch er war teilweise mit der schwarzen Flüssigkeit bedeckt.
»Glaubst du wirklich, dass du vor mir fliehen kannst?«, fragte er spöttisch, während ich ihn anstarrte. »Du wirst mir nicht entkommen, dann ich bin du und du bist ich.«
Ich kämpfte gegen die Angst an, die in mir aufstieg, und erwiderte trotzig: »Ich werde bestimmt nicht wie du sein.«
Mein dämonisches Ich neigte seinen Kopf leicht zur Seite, als würde er meine Worte abwägen. Dann sprach er, seine Stimme triefte vor Spott und Selbstsicherheit: »Du kannst nicht gegen das kämpfen, was du bist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis du dich selbst erkennst.«
Ich fühlte, wie der klebrige Schlamm an meinen Gliedmaßen zog und versuchte, mich zurück in die Dunkelheit zu ziehen.
»Ich bin nicht du!«
Mein dämonisches Ich lachte erneut, ein schauriges, tiefes Lachen. Plötzlich, so schnell, dass ich es kaum sehen konnte, stand er direkt vor mir. Seine kalten, starken Hände packten meinen Kragen und hoben mich mühelos hoch.
Ich strampelte und wehrte mich, doch es war, als würde ich gegen Stahl kämpfen. Der Raum um uns verschwamm, und plötzlich standen wir vor einem großen Spiegel. Mein dämonisches Ich stand direkt hinter mir, seine kalten Hände packten fest meine Arme, wie Fesseln, und er legte seinen Kopf auf meine Schulter. Sein Atem strich kühl über meinem Hals, und seine Stimme war ruhig, beinahe sanft.
»Sieh dich an«, sagte er, und als ich genauer in den Spiegel sah, erschrak ich zutiefst. Mein Gesicht war noch blasser als sonst, von schwarzen Äderchen durchzogen, die wie ein Netz unter meiner Haut hervortraten. Mein linkes Auge leuchtete unnatürlich eisblau, ein Schimmer, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Du kannst dir selbst nicht entkommen... niemals«, entgegnete mein dämonisches Ich und seine Stimme tropfte vor Hohn. »Wir beide könnten so viel erreichen, wenn du es zulässt«, fügte er hinzu, während ich erstarrt über mein eigenes Spiegelbild war.
»Nein... ich... ich bin kein Dämon... ich«, stammelte ich, meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, während ich mich verzweifelt aus seinem Griff zu lösen versuchte.
»Ich bin nicht du!«, schrie ich, aber meine Worte klangen hohl.
Entsetzt riss ich die Augen auf und fand mich plötzlich aufrecht auf dem Sofa sitzend, Schweißperlen standen auf meiner Stirn. Mein Atem ging stoßweise, und mein Herz pochte heftig in meiner Brust. Es dauerte einen Moment, bis ich realisierte, dass es nur ein Alptraum gewesen war.
Im Hintergrund lief der Fernseher, und eine Werbung für ein Waschmittel flimmerte über den Bildschirm. Die fröhlichen Stimmen und die strahlend weißen Kleidungsstücke, die angepriesen wurden, bildeten einen krassen Gegensatz zu dem Schrecken, den ich gerade durchlebt hatte.
Ich fasste in mein Gesicht, spürte den kalten Schweiß auf meiner Haut, und sprang plötzlich auf. Ich stürzte in den Flur, wo ich mich im Spiegel begutachtete. Mein Herzschlag verlangsamte sich ein wenig, als ich sah, dass keine schwarzen Adern zu sehen waren, kein leuchtendes Auge oder andere unheimliche Merkmale. Nur ich, schweißgebadet, mit dunklen Augenringen und so blass wie Schnee im Gesicht.
Ich atmete tief durch und fuhr mit zitternden Händen durch mein Haar. Für einen kurzen Moment herrschte Stille, und ich versuchte, mich zu beruhigen, meinen rasenden Puls unter Kontrolle zu bringen. Doch plötzlich bemerkte ich einen Schatten, der am Fenster vorbeihuschte. Meine Angst kehrte zurück, und Adrenalin schoss durch meinen Körper.
Mit einem nervösen Blick zur Tür lief ich in die Küche und schnappte mir eine Pfanne, die schwer und beruhigend in meiner Hand lag. Ich hielt sie fest, bereit, mich gegen jeden Eindringling oder Dämon zu verteidigen, der es wagen könnte, mir zu nahe zu kommen.
Langsam, mit klopfendem Herzen und wachsamem Blick, näherte ich mich der Haustür. Mein Atem ging flach und leise, während das Rascheln vor der Haustür lauter wurde und somit bedrohlich klang. Jeder Faser meines Körpers war angespannt, bereit zum Kampf. Ich umklammerte den Türgriff mit zitternden Fingern und riss die Tür auf, die Pfanne erhoben, bereit für den Kampf.
Allerdings war da kein erwartetes Ungeheuer oder Dämon vor der Haustür. Stattdessen stand da mein komplett niedergeschlagener Leo. Ich senkte die Pfanne und atmete erleichtert aus. »Leo? Du hast mich aber echt erschreckt.«
Aber mein bester Freund schwieg, seine Augen waren rot. Bevor ich etwas weiter sagen konnte, fiel er mir um den Hals, seine Schultern zitterten.
»Hey... was ist passiert?«, fragte ich ihn, meine Stimme voller Sorge. Aber keine Worte kamen über seine Lippen. Er klammerte sich nur noch fester an mich, als ob meine Nähe das Einzige wäre, was ihn jetzt noch halten könnte.
In der Küche nahm Leo am Küchentisch Platz, noch immer komplett aufgewühlt. Seine Hände zitterten, und er sah blass aus, als ob er jeden Moment in Tränen ausbrechen könnte. Ich reichte ihm ein Glas Wasser, doch er schien es kaum zu bemerken, starrte nur ins Leere.
»Ist was Schlimmes passiert?«, fragte ich besorgt.
Leo schluckte schwer und hob den Blick nur kurz zu mir, bevor er wieder auf den Tisch starrte. Er sah aus wie ein Häufchen Elend, und der Anblick brach mir das Herz.
»Chantal ist nicht zum Date erschienen«, begann er leise, seine Stimme zitternd vor Unterdrückung seiner Emotionen. »Sie hat weder abgesagt noch sich gemeldet. Ich komme mir gerade wie der größte Idiot auf Erden vor. Ich frage mich, was ich falsch gemacht habe... das alles stand schon unter keinem guten Zeichen, ich hätte es wissen müssen...«
Seine Stimme brach, und er vergrub sein Gesicht in den Händen. Die Verzweiflung in seinen Worten war deutlich zu hören, und es war offensichtlich, wie sehr ihn die Situation verletzte. Er kämpfte mit seiner Fassung.
Ich setzte mich neben meinem besten Freund und legte meinen Arm um seine Schulter.
»Du hast nichts falsch gemacht«, sagte ich sanft und versuchte ihm Trost zu spenden. »Manchmal passieren solche Dinge... es liegt nicht also nicht an dir.«
Leo schüttelte den Kopf, unfähig zu sprechen. Ich konnte die Last seines Schmerzes fast körperlich spüren. Ich drückte ihn fester an mich, wollte ihm zeigen, dass er nicht alleine war.
»Wenn dich Chantal versetzt hat... dann scheiß auf sie. Sie ist es nicht wert, dass du dich deshalb fertig machst und die Schuld bei dir suchst. Diese blöde Schlampe hat dich dann nicht verdient«, fügte ich hinzu, während ich den Zorn spürte, der in mir gegenüber dem falschen Goldglöckchen aufstieg. Leo schmiegte sich noch enger an mich und nippte an seinem Wasserglas. Allmählich schien er sich wieder zu beruhigen.
»Wolltest du gerade mir eine Pfanne über den Kopf hauen?«, fragte er plötzlich, seine Stimme immer noch etwas zittrig, aber mit einem Anflug von Humor. Ich winkte ab und leichte leicht.
»Vielleicht. Ich hatte gerade einen Alptraum, der meine Nerven etwas strapaziert hat«, entgegnete ich und versuchte, es als Scherz abzutun.
Leo schmunzelte. »Gut zu wissen, dass mich mein bester Freund als einen Einbrecher sieht.«
Ich stupste ihn mit meinem Ellbogen an. »Hey, das ist das beste Sicherheitssystem, das ich mir leisten kann – eine Pfanne und mein untrügliches Urteilsvermögen!«
Leo lachte und verdrehte dabei die Augen. »Na super, ich fühle mich gleich viel sicherer«, sagte er, während er sich langsam entspannte. Sein Lachen wirkte für mich wie Balsam für meine Seele. Es war schön zu sehen, dass er sich trotz allem ein wenig besser fühlte und ich musste gestehen, dass ich froh war, nicht allein zu sein.
»Hast du Lust, die Nacht hier zu bleiben? Maja ist heute bei Philipp und Onkel Matt hat Spätschicht in der Redaktion. Wir könnten uns Pizza von Marcellos liefern lassen und dabei einen Film schauen oder ein paar Runden Mario Kart auf der Wii zocken. Hab da ja noch eine offene Rechnung wegen das letzte Mal.«
Leo nickte langsam, ein kleines Lächeln auf den Lippen. »Das klingt gut... aber ich hab meine Zahnbürste nicht dabei und auch keine Schlafsachen.«
»Wir haben genug Ersatzzahnbürsten für solche Fälle im Haus und ich kann dir gern ein T-Shirt und Shorts von mir leihen, also daran wird es wohl nicht scheitern.«
»Okay, dann schreib ich kurz meiner Mutter eine SMS und gebe ihr Bescheid.«
Ich stand auf und streckte mich. »Ich hole dir Mal meine Sachen, damit du in was Bequemeres schlüpfen kannst. Solange kannst du dir Gedanken machen, auf welche Pizza du Lust hast.«
***
Angela war immer noch über das Verhalten ihrer Freundin bestürzt. Es gab ihr an diesem Freitagabend keine Ruhe und so beschloss sie im Schatten Grill vorbeizuschauen, um Leo Bescheid zu geben, falls Chantal ihm nicht abgesagt hatte, was sie stark bezweifelte.
Mit schnellen Schritten eilte das kleine Mädchen durch die kühle Nacht. Das sanfte Glühen der Laternen warf ein warmes Licht auf den Asphalt, während vereinzelte Passanten, in dicke Mäntel gehüllt, ihre Wege gingen. Schließlich erreichte sie das volle Schatten Grill und betrat es, während ihr Herz vor Aufregung raste. Sie hielt Ausschau nach Leo, konnte ihn jedoch im Lokal nirgendwo finden.
Sie erblickte Clarissa, die gerade ein paar Gläser hinter der Theke polierte und wandte sich ihr zu.
»Entschuldigung Sie, haben Sie zufällig einen Jungen mit Brille und blonden Haaren gesehen?«, fragte Angela, ihre Stimme zitterte leicht vor Anspannung. Clarissa sah sie mit ihren braunen Augen an und legte das Glas ab, das sie gerade poliert hatte. »Bist du das Mädel, das Leonard versetzt hat?«, fragte sie herablassend, während sie Angela von oben bis unten musterte. »Er ist bereits vor einer halben Stunde gegangen. Du solltest dich schämen.«
Angela schluckte schwer und konnte es nicht fassen, dass Chantal wirklich so gehandelt hatte. Sie hatte dem armen Jungen falsche Hoffnungen gemacht. Eine Mischung aus Wut und Enttäuschung brodelte in ihr hoch. Sie konnte nicht begreifen, wie ihre Freundin so rücksichtslos sein konnte.
»Wie konnte sie nur?«, murmelte Angela vor sich hin, während sie sich von der Theke abwandte. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, als sie sich vorstellte, wie verletzt Leo gewesen sein musste, als er vergebens auf Chantal hier gewartet hatte. Das Mädchen atmete tief durch und kämpfte gegen ihre Schuldgefühle, dass sie nicht früher da war, um den Jungen zu warnen.
Mit schweren Schritten verließ sie das Restaurant, doch als sie auf die Straße trat, wurde sie Zeugin von etwas Seltsamen. Am Himmel bemerkte sie einen unheimlichen Schwarm von Krähen, der in dichten Formationen über den nächtlichen Himmel von Schattenhain zog. Die Vögel schienen sich in einer Art unheimlichen Tanz zu bewegen, ihre silhouettenhaften Formen zeichneten sich gespenstisch gegen den dunklen Himmel ab. Doch das wirklich Verstörende waren die leuchtend roten Augen der Vögel, die im Dunklen glühten und einen gespenstischen Kontrast zu ihrer sonst so dunklen Erscheinung bildeten.
Auch andere Passanten hatten das ungewöhnliche Schauspiel bemerkt und blieben stehen, um den Schwarm von Krähen zu beobachten. Einige murmelten besorgt, während andere sich bekreuzigten, als Zeichen ihres Unbehagens. Angela spürte eine Gänsehaut auf ihren Armen, während sie den unheimlichen Anblick beobachtete.
***
Lukas Waizenegger, der Bad Boy der Schule, lenkte seinen Wagen, ein grauer Audi TT, geschickt durch die nächtlichen Straßen von Schattenhain. Neben ihm saß Chantal, deren Herz vor Aufregung schneller schlug. Sie konnte kaum glauben, dass sie wirklich ein Date mit Lukas hatte, dem begehrtesten Jungen der Oberstufe. Die Vorstellung, dass er sie vielleicht küssen würde, ließ sie vor Aufregung kribbeln. Allein die Gedanken an seinen athletischen Körper, den sie unter seinem T-Shirt erahnen konnte, ließen ihr Herz schneller schlagen.
Lukas war an seinem 18. Geburtstag der strahlende Mittelpunkt gewesen, als er den Führerschein bestanden hatte und als Geschenk von seinem Vater den Wagen erhielt. Zuvor hatte seine Mutter ihm die Führerscheinprüfung finanziert. Seit der Scheidung seiner Eltern schienen beide Elternteile zu versuchen, Lukas' Liebe und Aufmerksamkeit zu erkaufen, was der junge Mann in vollen Zügen genoss.
»Gefällt dir die Fahrt?«, fragte Lukas lässig, während er den Wagen in Richtung der Aussichtsplattform lenkte.
»Ja, sehr«, antwortete Chantal, ihre Stimme überschlug sich fast vor Aufregung. Lukas lächelte selbstgefällig, zufrieden mit der Wirkung, die er auf sie hatte. Er steuerte den Wagen von der asphaltierten Straße auf einen unbefestigten Weg, der durch den Wald führte. Die Dunkelheit schien dichter zu werden, je weiter sie fuhren, nur die Scheinwerfer des Autos erleuchteten den Weg spärlich. Die Bäume wirkten wie Schattenriesen, die über den Wagen hinweg griffen.
»Wir sind gleich da«, sagte Lukas, während er eine Hand von Lenkrad löste und sie beruhigend auf Chantals Knie legte. Das Kribbeln in ihr verstärkte sich, und sie musste tief durchatmen, um ruhig zu bleiben.
Von Aussichtsplattform hatte man bei Tageslicht einen herrlichen Ausblick auf den Arkanasee und die Wälder. Man konnte auch das nicht zu weit entfernte verlassene Falkenrath Anwesen am anderen Ende des Sees sehen.
Im Radio spielte leise Musik, die die Spannung in der Luft noch verstärkte. Der Wagen wurde durch die Unebenheiten des Weges leicht durchgeschüttelt, aber das schien die beiden nicht zu stören. Als sie an ihrem Ziel ankamen, stellte Lukas den Motor ab. Die Dunkelheit um die Aussichtsplattform war nahezu undurchdringlich, nur von den spärlichen Scheinwerfern des Autos erleuchtet. Eine Stille breitete sich aus, unterbrochen nur vom leisen Rauschen des Sees.
»Da wären wir«, sagte Lukas, sein schelmisches Grinsen noch immer auf den Lippen, als er sich zu Chantal drehte. Sie lächelte ihn verlegen an, ihre Hand strich nervös eine Locke hinter ihr Ohr.
Lukas beugte sich langsam vor. Ihre Lippen trafen sich sanft, und der Kuss intensivierte sich schnell. Die süße Schärfe der Salsa, die Lukas vorhin mit Nachos im Kino gegessen hatte, war auf seinen Lippen noch spürbar. Chantal erwiderte den Kuss voller Hingabe, während Lukas' freie Hand sanft unter ihr Kleid glitt.
Plötzlich wurde die Stille durch einen dumpfen Schlag auf das Autodach durchbrochen. Chantal fuhr erschrocken zurück und sah sich um. »Was war das?«, fragte sie ängstlich, ihr Herzschlag beschleunigte sich. Auch Lukas, der gerade dabei war, sich weiter an sie zu schmiegen, wurde hellhörig.
Eine Krähe, deren dunkle Silhouette sich gegen den schwach beleuchteten Himmel abhob, hatte sich auf dem Heck des Wagens niedergelassen. Lukas verdrehte genervt die Augen. »Blödes Vieh«, murmelte er und betätigte die Hupe, in der Hoffnung, das Federvieh zu vertreiben. Die schrille Lautstärke der Hupe schreckte die Krähe auf, und sie flatterte davon, die Nachtluft aufpeitschend.
Kurz kehrte eine Stille ein und die beide setzten ihren Kuss fort. Doch dann ertönten erneut Geräusche vom Autodach, als würde etwas darüber laufen. Lukas' Stirn runzelte sich vor Verwunderung. »Ich schau mal nach«, sagte er, als er die Fahrertür öffnete und ausstieg. Der kalte Novemberwind fuhr ihm ins Gesicht.
Plötzlich schrie Lukas auf. Eine Horde Krähen mit leuchtend roten Augen hatte sich auf ihn gestürzt. Ihre scharfen Krallen kratzen an seiner Haut, und ihre Schnäbel hackten auf ihn ein. Lukas stolperte zurück und fiel rückwärts zu Boden, sein Schreien hallte durch die Nacht.
»Lukas!«, schrie Chantal aus dem Wagen, ihr Herz klopfte vor Angst.
Sie schnallte sich hektisch ab und versuchte verzweifelt, die Autotür zu öffnen. Sie rüttelte an dem Türgriff, der sich zunächst hartnäckig weigerte, nachzugeben, doch schließlich gab die Tür nach und sie fiel aus dem Auto. Ihre Füße berührten den Schotter, während Lukas aus der Dunkelheit zurückgelaufen kam, seine Bewegungen hastig und chaotisch.
»Wir müssen hier weg!«, schrie Lukas, als er stolperte und das Geräusch von krächzenden Krähen sich näherte. Seine Stimme war von Panik und Schmerz verzerrt. Chantal wollte ihm helfen, doch in dem Moment schwebte ein großes, furchteinflößendes Wesen aus den Schatten. Es besaß ein Federkleid, das sich in der Dunkelheit fast unsichtbar machte, und einen langen, knochenartigen Schnabel. Seine glühend roten Augen starrten Chantal aus der Dunkelheit entgegen.
Das Mädchen erstarrte vor Angst, ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Lukas versuchte verzweifelt, aufzustehen, doch das monströse Wesen griff ihn mit seinen riesigen, kräftigen Klauen am Fuß und zog ihn in den Wald zurück. Seine Schreie hallten durch die Nacht, als er sich krampfhaft in den Boden vergrub, seine Finger gruben sich in das feuchte Erdreich, wobei er sich ein Nagel brach.
Während der Nachtgiger Lukas in den Wald zog, hetzte es seine Krähen auf Chantal. Die Vögel stürzten sich mit lautem Geschrei auf sie, ihre roten Augen glühten bedrohlich. Chantal, die sich der Situation nicht mehr gewachsen fühlte, rannte um ihr Leben. Ihre Schreie vermischten sich mit den verzweifelten Hilferufen von Lukas, die aus dem dunklen Wald drangen.
Chantal rannte, ihre Atemzüge hastig und flach, während die Schreie von Lukas aus dem dunklen Wald drangen. Der kalte Wind peitschte ihr ins Gesicht und vermischte sich mit den Tränen, die über ihre Wangen liefen. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, und sie spürte, wie die Dunkelheit sie umhüllte, während die dämonenartigen Krähen, ihre glühenden Augen durch die Nacht schimmernd, sie unerbittlich verfolgten.
Ihre Schritte wurden unsicherer, als sie durch das unwegsame Gelände stolperte. Im Moment der Unachtsamkeit trat sie auf eine dicke Wurzel, die sich aus dem Boden schälte. Ihr Fuß verhakte sich, und sie stürzte nach vorne. Ihr Knie prallte hart auf den Boden. Ein stechender Schmerz durchzog ihr Bein, und ein Schrei entfuhr ihr, während der Stoff ihrer Strumpfhose gerissen war und die blutige Haut darunter zeigte.
Sie lag keuchend auf dem Boden, als der kalte Schweiß von ihrer Stirn perlte. Ihre Beine fühlten sich wie aus Blei an, und die Krähen, die sich immer näher heransaugten, machten es nur noch schlimmer. Plötzlich spürte sie eine fremde Hand auf ihrem Arm. Ein Junge mit einem schwarzen Umhang und goldenen Katzenaugen stand vor ihr, sein Blick war durchdringend und seine Stimme klang rau.
»Verschwinde von hier!«, rief er, während er sie fest am Arm packte. Seine Augen leuchteten im Dunkeln und Chantal konnte den ernsthaften Ausdruck in ihnen sehen. Der Griff des Fremden war beängstigend, und die feuchte und warme Substanz, die zwischen ihren Beinen entlang lief, ließ sie frösteln.
Mit einem letzten Blick auf den Jungen, der von der Dunkelheit verschluckt wurde, rannte Chantal weiter. Ihr Herz pochte wild in ihrer Brust, während sie die Straße anstrebte. Der Asphalt erschien ihr wie eine verheißungsvolle Rettung.
»Hilfe!«, krächzte sie unter Tränen und Schmerzen, ihre Stimme war brüchig, als sie zwei Lichtkegel eines Autos sah, das ihr näher kam, während sie ihm entgegen humpelte.
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