Kapitel 18

Von Innen sah alles ganz altmodisch aus mit Holzvertäfelung und ländlichen Mustern auf den Tapeten. Der Boden war größtenteils mit hellem Material gefliest, sodass das dunkle Holz der Möbel und der Decke nicht ganz so erdrückend wirkte. Hier und da standen Blumen auf den Kommoden oder Fensterbänken. Die Küche, die direkt neben der Eingangshalle lag, wies dunkle Türen mit Schnitzereien an den Schränken auf. Die Arbeitsplatten waren weiß, ebenso der kleine Tisch und die vier Stühle, die darum herum standen. Von der Decke hing eine große, grüne Schirmlampe und Obst stand neben dem Kühlschrank. Neben der Spüle befand sich ein Tischgedeck, welches dort zum Abtropfen hingestellt worden war. Lilia und ich blieben bei diesem Anblick beide stehen. 

Auf einige Menschen hätte dieser Anblick vertraulich, wenn nicht sogar heimisch gewirkt. Andere hätten nur den pragmatischen Teil im Auge gehabt, nämlich den, dass es hier wohl jemanden gab, der pflichtschuldig sein Geschirr direkt nach der Nutzung wieder säuberte. Auf mich wirkte es nur unfassbar einsam. Ein Teller, eine Tasse, ein Messer. Eine Person. Es musste furchtbar sein, jede Mahlzeit, jeden Morgen und jeden Abend alleine verbringen zu müssen. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie dieser Richard das nun schon Jahre lang aushielt. Obwohl... vermutlich werde ich bald genauso leben, wie ein Einsiedler. >Kommt ihr?< Reginald schreckte mich aus meinen Gedanken auf, als sein Kopf in der Tür erschien, die ins Esszimmer führte. Ohne seinen fragenden Blick zu erwidern, setzte ich mich in Bewegung und ging an ihm vorbei in das Zimmer. Schweigend kamen die zwei mir nach. 

Das Bild der Einsamkeit ging mir während der gesamten Hausführung nicht mehr aus dem Kopf, vor allem da dieser Eindruck von Zimmer zu Zimmer nur noch stärker wurde. Es wirkte alles so leer und leblos, dass es schwer vorstellbar war, dass hier noch vor zwölf Jahren eine ganze Familie gelebt hatte, Kinder durch die Flure getobt und gespielt hatten. Dass meine Familie hier gelebt hatte.

Schnell verscheuchte ich den Gedanken an eine verstorbene Familie, bevor er mich wieder hinunterziehen konnte und versuchte mich auf etwas anderes zu konzentrieren. Der Rundgang durch das Haus interessierte mich nicht wirklich, Reginald würde mir so oder so nicht die Plätze zeigen, die ich am meisten sehen wollte, wie beispielsweise das ehemalige Zimmer meiner Eltern, also ließ ich meine Gedanken wandern, während sich Lilia und Reginald so leise miteinander unterhielten, dass ich sie nicht einmal hätte verstehen können, wenn ich es gewollt hätte. Ich dachte an Nora, Kyle und die anderen im Waisenhaus. Ob sie sich wohl Sorgen um mich machten oder immer noch dachten, es wäre alles in Ordnung bei mir. Wer wusste schon, ob Nora ihnen erzählt hatte, dass ich für kurze Zeit bei ihr war, noch dazu in einer erbärmlichen Verfassung. Gut möglich, dass sie es für sich behalten hatte, um die anderen auf der einen Seite nicht unnötig zu beunruhigen und auf der anderen Seite bestimmt auch, damit sie nicht in Bedrängnis kommen könnten, wenn sie irgendwer nach meinen momentanen Aufenthaltsort ausfragen würde. Was mich gleich gedanklich zu Morgan und Lance kommen ließ. Ob die Beiden mittlerweile begriffen hatten, was für ein falsches Spiel Socrate spielte war wohl die größte Sorge, die ich hatte. Daran hing immerhin mein Leben. Ich war mir nämlich mehr als sicher, dass Socrates Position längst nicht so unangefochten war wie er es darstellen wollte. Lilias Abwesenheit, noch dazu mein demolierter Zustand an dem einen Tag in der Schule... Wenn alle Magier im Heim des Königs bedingungslos hinter Socrate stehen würden, wäre es einerseits nie zum Progress gekommen und andererseits wäre es unmöglich für Lilia gewesen, mich aus dem Verlies zu befreien. Irgendetwas stimmte im Heim des Königs nicht, so viel war selbst mir klar, obwohl ich nur so kurz dort gewesen war. Die ganze Situation stank zum Himmel. Das fing ja schon damit an, dass Arnaud als Mörder seiner Schwester und deren Kinder nur mithilfe seiner Beziehung zum Minister freigesprochen wurde, ohne jegliche Beweise. 

Seufzend schüttelte ich den Kopf, als mir bewusst wurde, dass ich mal wieder mit meinen Gedanken bei meiner Mutter und meiner Geschwister angekommen war. Es schien als würden sie momentan einen Knotenpunkt in meinen Kopf und jeden meiner Gedankengänge spielen, was es mir schwer machte, mich zu konzentrieren. Und das gefiel mir überhaupt nicht. 

>So, und da wären wir. Der erste Stock< Reginalds Stimme, die so plötzlich neben mir ertönte, erschreckte mich mehr, als ich jemals zugeben würde. Ich war kurz davor vor Schreck einen Satz zu machen, wenn nicht sogar aus reinem Instinkt davon zu laufen. Reginald warf mir nur einen irritierten Blick zu, bevor er zu der dritten Tür zu meiner Linken ging. Was ist nur los mit mir? Ich war doch noch nie so schreckhaft. >Die hauseigene Bibliothek<, mit diesen Worten stieß Reginald die Tür auf und ließ Lilia und mir den Vortritt. Der Raum war groß und lichtdurchflutet. An jeder freien Wand waren Regalbretter angebracht, die vollgestellt mit Büchern waren. Bücherregale dominierten den Platz des Raumes, erschlugen einen aber nicht direkt mit ihrer großen Anzahl, formten viel mehr einzelne Blöcke anstatt der kategorischen Reihen. Hier und da waren gemütlich aussehende Sessel und kleine Beistelltische, Kissen lagen vor einzelnen Regalen und in der Mitte des Raumes war eine große Fläche mit einem weinroten, runden Teppich ausgelegt. Auf diesem lagen haufenweise Zettel und Bücher, einige sogar noch aufgeschlagen. 

>Liest dieser Richard gerne?<, fragte ich leise, doch als mir die plötzliche Stille hinter mir bewusst wurde, drehte ich mich zu Reginald um, der mich irgendwie mitleidig, wenn nicht sogar wehmütig ansah. 

>Nein, er hat seit Jahren kein einziges Buch in diesem Raum aufgeschlagen< Ich wusste, was er mir damit sagen wollte. Ich wusste es und es traf mich mehr, als ich je für möglich gehalten hätte. Es fühlte sich an, als hätte man mir Steine in den Magen gelegt, so schwer und komisch fühlte er sich an. Lilia, die nicht zu verstehen schien, was das bedeutete, sah Reginald verwirrt an.

>Wie? Wer hat denn dann dieses Chaos hinterlassen?<, wollte sie wissen. Reginald lächelte sie leicht an. Es wirkte unendlich traurig.

>Lucas. Er hat bis zu dem Tag, an dem er starb, hier gearbeitet und recherchiert. Richard... Richard hat sich geweigert, Lucas' unbeendete Arbeit aufzuräumen. Er wollte nicht, dass Lucas' ganze Arbeit umsonst war, was der Fall gewesen wäre, wenn er aus Versehen etwas durcheinander bringen würde. Das, was du da siehst, Lilia, ist die letzte Forschung, die Wills Vater vor seinem Tod betrieben hat. Er hat sie nie zu Ende bringen können< 



Hey, Leute. Sorry, dass hier momentan nicht mehr so viele Updates kommen. Ich weiß nicht mal wirklich, woran es liegt, aber irgendwie waren die letzten zwei/drei Kapitel (inklusive dem hier) echt schwer für mich zu schreiben. Ich hoffe, dass mir die nächsten wieder leichter fallen und ihr nicht allzu böse seid, dass die Updates in letzter Zeit nachgelassen haben. Ich bemühe mich, wieder öfter zu updaten.

LG SP1999

PS. Ich hoffe, ihr seid alle gut ins neue Jahr gekommen :)

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