Kapitel 27
Teil 4
Jedes Waisenkind wäre in meiner Situation glücklich hin und her gesprungen oder hätte vor Freude Tränen gelacht, nicht wahr? Die Antwort lautet Nein. Diejenigen unter uns "Waisen", die eigentlich noch Eltern haben, aber diese nicht für ihre Kinder sorgen können oder wollen, wären wütend geworden. Wütend auf ihre Eltern, weil die sie nicht zu Familienangehörigen sondern in ein Heim gegeben haben. Wütend auf die Leute, die angeblich ihre Familie waren und nie nach ihnen gesucht haben. Und erst wenn diese Wut verauchte, wären sie bereit mit ihrer Familie zu reden. Zumindest war das bei den Waisenkindern der Fall gewesen bei denen ich so ein Zinario life miterlebt hatte. Ich hatte immer Mitleid mit ihnen gehabt und sie sagten oft in der ersten Zeit zu mir, dass ich froh sein solle, so etwas nie selbt zu erleben. Jetzt jedoch rannte ich in meinem Zimmer auf und ab und versuchte das ganze irgendwie in meinen Kopf zu kriegen. Drei Wochen hatte ich immer wieder gehört, wie mich einige den Verräter-Sohn nannten. Das aber ausgerechnet dieser "Verräter" der Mann von Socrate's Tochter war, hatte dabei aber niemand erwähnt. Nicht einmal meine sogenannten Freunde, die es von vornherein gewusst hatten. Jeder von ihnen, außer Lilia aber mit der redete ich ja generell nicht so viel, wusste, dass ich nichts über meine Mutter wusste. Ich hatte es ihnen erzählt, hatte sie gefragt, ob sie etwas wüssten. Und sie haben mich eiskalt angelogen. Das schlimmste war aber, dass ich nun wirklich mit hundertprozentiger Sicherheit ein Vollwaise war, meine Mutter war bereits vier Jahre vor dem Tod meines Vaters gestorben. Aber ob es wirklich Arnaud war? Warum sollte er seine Schwester umbringen? Nur aus Eifersucht? Und warum sollte Socrate ihn dann decken? Zu viele Fragen und Gedanken kullerten geradezu durch meinen Kopf. Ohne es wirklich zu bemerken, griff meine Hand instinktiv nach meinem Handy und rief Nora an. Das Verbinden-Piepzeichen ertönte und mir wurde klar, dass ich mit ihr da unmöglich drüber reden konnte. Sie war zwar meine beste Freundin, aber sie wusste nicht, wie es ist keine Eltern zu haben. Sie kannte es nicht über die eigene Familie im Unwissen zu sein. In diesem Punkt verstand sie mich nicht. >Will?<, riss mich ihre Stimme aus meinen Gedanken. Nein, nicht mit ihr. Ich brauche ihn. Ohne etwas zu sagen legte ich auf und wählte die Nummer meines besten und ersten Freundes.
>Will? Wie komm ich denn zu der Ehre, dass du bei mir anrufst?<, fragte Kyle am anderen Ende der Leitung im Scherz.
>Kyle...<, erwiederte ich nur, da ich nicht wusste, wie ich weiter reden sollte. Für einen Moment wurde es in der Leitung still, dann hörte ich ein Bett quitschen, als sei er grad von seinem Bett aufgestanden. Die Tür klickte leise in ihr Schloss ein, Kyle musste sie grad zu gemacht haben. Wieder das Bettquitschen und dann sprach Kyle wieder.
>Was ist passiert?<, fragte er, der lustige Unterton von seiner Begrüßung war völlig verschwunden.
>Ich... ich...<, ich wusste nicht, wo uch anfangen sollte, wie ich beginnen sollte. Die Gedanken überschlugen sich einfach viel zu schnell.
>Red einfach, Will. Einfach in der Reihenfolge, wie es dir grad ins Gedächtnis kommt< Und genau das tat ich auch. Ich erzählte ihm davon, dass Leana Sleight meine Mutter war, dass ich einen Jungen hier fast totgeprügelt hatte, davon wie Arnaud und Socrate mich verprügelt hatten, dass meine neuen Freunde mich in der Sache meiner Mutter von vorne bis hinten verarscht hatten. Ich erzählte von Lilia und was man ihr antat, dass sie nur eine Puppe war, die dem König später gefallen sollte. Ich erzählte von Reginald, meinem Onkel, der mich einfach hier zurückgelassen hatte. Und ich erzählte ihm von der Erinnerung, die in mir hochgekommen war, meinen letzten Tag mit meinem Vater. Ich redete bestimmt zwei bis drei Stunden, ohne von Kyle unterbrochen zu werden. Aber ich wusste, er hörte zu und setzte die Ereignisse aneinander bis er irgendwann den ganzen Ablauf kannte. Das tat er immer. >Also, ich will ja hier nichts schlecht reden, aber dieses Heim des Königs ist ein ganz schöner Haufen Scheiße<, war sein Fazit und ich musste zugeben, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
>Was soll ich jetzt tun, Kyle?<, fragte ich leise.
>Das kann ich dir nicht sagen. Es ist dein Leben, Will. Ich bin nicht Nora, die dir sagt, was du tun und lassen sollst. Ich kann dir nur sagen, was du tun könntest<, war die Antwort.
>Ich will nach Hause<
>Dann mach das doch. Ich meine, du bist dort hingegangen um deine Fähigkeiten kontrollieren zu lernen und dabei zu helfen den König zu finden, oder? Du kannst deine Kräfte kontrollieren und du kannst wiederkommen wenn diese König-Finden-Scheiße anläuft. Socrate hasst dich, der wird dich bestimmt nicht länger da behalten als unbedingt nötig. Die Frage ist nur: Bist du bereit alles, was du dort hast, wieder zu verlieren?<
>Ich weiß es nicht<, murmelte ich niedergeschlagen, ich hatte keine Kraft mehr um zuversichtlich zu sein.
>Hör mal, denk einfach noch etwas darüber nach. Schau doch mal in den Raum deines Vaters, vielleicht erfährst du dann, was damals wirklich passiert ist, ich weiß, dass es dich beschäftigt. Komm zurück, wann du willst, aber sei dir dann sicher, dass du nicht mehr zurückwillst, Socarte wird es dir dann wahrscheinlich nicht mehr erlauben. Ich versuche bis dahin mal herauszufinden, ob ich die Stadt finden kann, wo dein Vater gestorben ist. Wenn es wirklich Mord war, dann wollten sie dich nicht vermitteln aus Angst der Mörder könnte dich finden und als möglichen Zeugen auch noch umbringen. Sie haben dich hundertpro weiter weggeschafft. Wie heißt deine Mom nochmal? Wenn es wirklich ihr Grab war, dann finde ich es. Und diese Tante, die dein Vater erwähnt hatte<
>Leana Sleight, aber es hieß ja, dass sie mit meinem Vater verheiratet war. Vielleicht also auch Niels oder der Mädchenname ihrer Mutter, Rachin<
>Okay, ist notiert. Du sagtest dort wäre Schnee gewesen? Und der Name deiner Tante?<
>Ja, es hat geschneit. Diese Tante war wohl die Cusine von meinem Vater, Mira hieß sie, und sie hat zwei Kinder in meinem Alter<
>Alles klar. Ich versuche diese Stadt zu finden, Will. Ach, was heißt hier versuchen? Ich werde sie finden<, versprach Kyle.
>Danke, Kyle. Du bist der beste<
>Weiß ich doch<, erwiederte er großspurig. >Seh du mal zu, dass du ein paar deiner Fragen beantworten kannst und wenn dir noch mehr einfällt, du kennst meine Nummer. Allerdings werde ich jetzt wohl erst Nora beruhigen müssen, nachdem du einfach wieder aufgelegt hast<
>Tut mir leid<
>Ach, schon gut. Wäre ja nicht das erste Mal, dass sie mir eins überbrät. Ich meld mich, okay?<
>Okay. Und nochmal Danke<
>Kein Ding, Will. Bis dann und benimm dich< Danach legte Kyle auf und ich blieb alleine zurück, doch es mir schon besser. Kyle hatte recht, ich musste in das Zimmer meines Vaters. Entschlossen ging ich auf den Flur, zögerte dann vor der Tür dennoch. Ich hatte Angst, was mich dahinter erwarten würde. Angst davor, was ich erfahren könnte. Aber ich brauchte Antworten. Ich atmete noch einmal tief durch bevor ich entschlossen die Tür öffnete.
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