Kapitel 5


Kapitel 5

„Ich verstehe", meinte sie nachdenklich. Also war ihr Unterschied nicht sehr groß. Vielleicht war das auch ein Vorteil für die beiden und ein Grund, dass sie sich so gut verstanden.

"Bist du noch fit genug, um ein bisschen über das Schulgelände zu wandern? Ich möchte dir gern etwas zeigen", sagte er und blickte sie fragend an.

„Sehr gern. Durch das lange sitzen fühle ich mich etwas steif", gestand Freya, die ihre Tasse zwischen die Beine nahm und sich streckte, nachdem sie sich von ihm gelöst hatte.

Damian lächelte leicht. "Zieh aber deinen Mantel an, es ist an manchen Stellen doch sehr kalt."

„Dann gib mir bitte einen Moment und ich ziehe gleich etwas Wärmeres an", erwiderte die junge Frau und stand auf. Noch einmal streckte sie sich ausgiebig und zuckte kurz zusammen, da ihre Haut am Bauch trotz Damians Heilung spannte und ein bisschen weh tat.

Auch Damian erhob sich und streckte sich. "Die Schuluniform sollte dich warmhalten."

„Werde ich anziehen", lachte sie. Das war eigentlich die wärmste Kleidung, die sie besaß. Ihren Mantel, den ihre Mutter vor längerer Zeit hergestellt hatte, hatte sie ihrer Familie dagelassen.

Doch zuerst wusch sie ihre Tasse aus und stellte sie auf den Tisch, bevor sie im Zimmer verschwand und nach einigen Minuten umgezogen zurück kam.

Auch Damian hatte sich den Mantel übergezogen und hielt ihr nun den Arm hin, damit sie gehen konnten.

Mit einem Lächeln nahm sie diesen an. „Wenigstens einmal keine Angst haben müssen, dass Ardelia mich erstechen will", murmelte Freya, als sie die Stufen hinunter gingen.

Damian lachte. "Ja, darum ist es gut, wenn wir heute die Zeit nutzen."

Die Brücken, welche die Türme mit dem Hauptgebäude verbanden, leuchteten hell im Dunkeln. Das brachte den Schnee, der sich auf den Dächern gesammelt hatte, zum Glitzern. Eisblumen zierten die unsichtbaren Wände der Brücke, sodass man sich vorkam, als wäre man in einem Eispalast.

„Was möchtest du mir zeigen?", fragte sie beiläufig, während sie ihre Augen staunend umherschweifen ließ.

"Das wirst du schon noch sehen", meinte Damian geheimnisvoll und führte sie weiter.

Das brachte Freya zum Lachen. „Auch noch geheimnisvoll?", neckte sie den hochgewachsenen Jungen mit der weißen Haarsträhne.

"Die Schule hat sehr viele Dinge zu bieten", meinte er schmunzelnd und führte sie auf den Turm zu, in dem sich die Bibliothek befand.

Das machte sie noch neugieriger. „Hast du etwa schon herausgefunden, welche Bücher wir dieses Jahr brauchen?", fragte sie erheitert. Über Damians Verhalten konnte sie sich gerade amüsieren. Dass er auf sie am Toreingang erwartet hatte, war das Schönste gewesen und hatte all die Traurigkeit, die Freya am Morgen noch verspürt hatte, weggeblasen.

Damian lachte. "Nein, damit würde ich dich nicht heute behelligen", meinte er und führte sie nicht in die Bibliothek hinein, sondern die Treppen nach oben.

„Hast du dieses Semester überhaupt Zeit, mit mir zu lernen?", fragte sie vorsichtig. Ohne seine Hilfe würde sie es sicherlich nicht schaffen können. Damian war ein sehr geduldiger und guter Lehrer.

"Wie kommst du darauf, dass ich keine Zeit haben würde?", fragte er und öffnete eine schwere Tür am Ende der Stufen. Sie wirkte, als würde sie nicht oft benutzt werden und generell war hier oben viel Staub.

Das ließ Freya husten, als sie einmal tief einatmete. „Ich weiß nicht. Du musst doch viel für deine Ausbildung lernen, wenn du Lehrer werden willst", begann sie zögerlich und meinte, dass es nicht selbstverständlich sei, die gesamte Freizeit mit ihr zu verbringen, nur weil sie nicht mitkam.

"Ich lerne mit dir mehr, als es allein möglich wäre", meinte er abwinkend und öffnete quietschend die Tür.

Dahinter kam ein Raum zum Vorschein, der aussah, als wäre er Ewigkeiten nicht mehr genutzt wurden. Staub und Spinnenweben waren überall zu sehen. Wahrscheinlich ein alter Speicher.

Im Türrahmen blieb sie stehen und staunte. Hier war es dunkel und nur die Lichter von draußen ließen erahnen, wie schmutzig der Raum war und wie oft er benutzt wurde. Wie es möglich war, dass der Staub etwas glitzerte, konnte sie nicht beantworten, aber es sah irgendwie schön aus.

Auf seinen Kommentar ging sie nicht ein, sondern fragte ihn, was das war und woher er wusste, dass es hier so einen Raum gab.

"Komm rein", meinte er und stand im Licht des Mondes mitten im Raum. Dabei deutete er nach oben und als Freya hinaufblickte, wurde ihr klar, dass sie ganz oben im Turm waren.

Das Mondlicht fiel durch Glas in den Raum und die Decke war ein Kunstwerk. In der Mitte war es normales Glas, doch wie die Kuppel war es gebogen und lief in Mustern aus verschiedenfarbigen Glas nach unten.

Jetzt erst verstand sie, dass der Staub wegen des Mondlichts und der Farben glitzerte. „Oh", flüsterte sie langgezogen und trat neben Damian, um nach oben zu sehen. Das Strahlen ihrer Augen verriet, wie sehr ihr das gefiel. Mondlicht fiel auf Damians und ihre Kleidung und brachten hübsche Muster darauf zustande.

„Das ist so schön ...", brachte sie leise hervor. Freya hatte das Gefühl, dass jeder laute Ton die Schönheit zerstören würde.

"Ja", sagte er und schien, genau wie sie, zu genießen.

Minutenlang sah die junge Frau mit ihren blauen Augen hinauf zur Kuppel. In der Zeit schwieg sie und Träume entstanden in ihrem Kopf, die niemals in Erfüllung gehen würden. Das Naturschauspiel gepaart mit der Raffinesse der Magier, diese Art von Dächern zu benutzen, faszinierte sie.

Es entführte sie in eine Welt, die bisher nur in ihren Träumen gewesen war und in der sie drohte sich im Moment zu verlieren.

Sobald der Mond nur ein kleines Stück wanderte, veränderten sich die Muster, die sich auf dem staubigen Boden und auf den zwei Gestalten abzeichneten. Es war noch nicht ganz Vollmond, aber Freya fand es wunderschön. „Was bedeuten die Muster?", fragte sie leise.

"Sie symbolisieren die Elemente", meinte Damian und zeigte auf Etwas, das aussah wie ein Feuer und auch in rot schimmerte.

„So viele?", kam die erstaunte Frage über ihre Lippen. „Kann man die nur hier sehen, oder gibt es die auch in den anderen Türmen?"

Es fiel ihr schwer, ihren Blick von den Bildern zu nehmen. Jedes Mal, wenn der Mond wanderte, änderte sich der Blickwinkel und die Elemente erstrahlten mehr oder weniger.

"Weiß ich gar nicht, ich war bisher nur hier", gestand Damian. "Aber es wäre möglich. Ich frage mich nur, warum hier niemand mehr ist."

„Woher wusstest du überhaupt von diesem Ort?" Freyas Frage war so leise, dass sie fast nicht zu verstehen war. Sie hörte Damian genau zu, konnte aber nicht verhindern, dass sie in eine Traumwelt gezogen wurde. Wie schön es wäre, wenn Melody das sehen könnte! Vielleicht sollte sie mit ihrer Tochter eines Tages hierher kommen, wenn sie auf die Grundschule ging.

"Ich habe die Schule erkundet und das hier zufällig gefunden", meinte er. "Mich hat interessiert, was oben in den Türmen ist."

Erstaunt sah sie Damian kurz von der Seite an und bemerkte, wie seine Haut in dem Schein der Elemente strahlte. Richtig hübsch sah das aus und gab ihm sogar etwas sehr mystisches. „Darfst du denn einfach so überall hin?", fragte sie. Dass jeder einfach so die Schule erkunden konnte, war merkwürdig. Schließlich konnte etwas passieren und niemand wusste, wo derjenige war.

Damian zuckte die Schultern. "Ich habe kein Schild gelesen", sagte er. "Solange nicht dransteht, dass ich es nicht betreten darf, sehe ich da kein Problem", behauptete er belustigt.

Ein kurzes Schnalzen erklang und missbilligend sah sie ihn an. „Was, wenn dir etwas passiert wäre?", fragte sie mit einer Stimme, in der Besorgnis mitschwang.

"Ich denke nicht, dass es hier Räume gibt, die gefährlich sind", winkte er ab. "Das ist nur ein alter Speicher."

Erneut hob sie ihren Kopf und lächelte, als der Mond seinen Weg ging und die Schönheit der Elemente hervorhob. „Und trotzdem weißt du nicht, warum er nicht mehr benutzt wurde", widersprach Freya. Das konnte einen guten Grund haben oder auch nicht.

Er zuckte die Schultern. "Ich habe den Raum vorher angesehen. Es gibt hier nur alte Bücher", versicherte er.

Ihre Hand suchte nach seiner und sanft nahm sie diese. Freya drückte sie und auf ihren Lippen erschien ein Lächeln. „Das ist sehr lieb, dass du mir das gezeigt hast. Ich glaube, dass hier wird einer meiner Lieblingsorte", gestand die weißblonde Frau. „Es ist ... romantisch hier, auch wenn es staubig ist."

"Ich glaube, es ist der magischste Ort, an der ganzen Schule", behauptete Damian, der ihre Hand sanft hielt.

Wie viele diese den wohl kannten? Dem dicken Staubbelag zu urteilen war schon lange keiner mehr hier oben gewesen.

Freya führte seine Hand an ihre warme, etwas erhitzte Wange und Damian konnte spüren, wie sie lächelte. „Danke, Damian. Du hast mir diesen wunderschönen Ort gezeigt", hauchte sie gerührt, wagte es aber nicht, ihn anzusehen.

"Es ist hier bestimmt noch schöner, wenn man die Sterne sehen kann", sagte er leise und lächelte.

„Dort ist einer", sagte sie und zeigte mit ihrem Finger nach oben durch die Kuppel. Dort waren tatsächlich einige Sterne zu sehen, die jedoch nicht einfach zu erkennen waren, denn das bunte Glas der Elemente verdeckten sie etwas. Wenn man genauer hinsah, konnte man sie sehen.

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