Kapitel 1

Kapitel 1 (der ehemalige Prolog)

Eine Windböe wehte den Sand der Straßen auf, als die Magier durch den Torbogen von Narune schritten. Durch die langanhaltende Dürreperiode im Sommer waren die Felder um das Dorf vertrocknet und die Menschen hatten große Probleme, ihre Familien zu ernähren.

Tiere wurden notgeschlachtet, weil sie nicht mehr gefüttert werden konnten und die Übriggebliebenen mussten irgendwie durch den Winter gebracht werden.

Sobald die Magier erkannt wurden, ließen die Menschen ihre Arbeiten fallen und sammelten sich auf dem kleinen Marktplatz in der Mitte des Dorfes. Sie wussten, was dieser Zug bedeutete. Die jährliche Auswahl stand an und die meisten Familien hofften, dass der magische Stein auf ihre achtzehnjährigen Kinder anschlug. Nur dann wurde man in der Akademie für Magie und magische Steine aufgenommen.

Eine große Ehre und Auszeichnung, aber auch eine Entlastung für manche, da sie weniger Familienmitglieder durchfüttern mussten. Trotzdem waren die Eltern immer sehr stolz, wenn ihre Kinder aufgenommen wurden.

Dieses Jahr waren vier Kinder achtzehn Jahre alt geworden und diese sollten geprüft werden.

Die drei Magier, die sich vor den Menschen aufstellten, nickten ihnen freundlich zu. Schon seit vielen Jahren durchzogen sie einmal pro Jahr die Dörfer und Städte der Welt, um neue Anwärter aufzunehmen.

Kinder und Erwachsene versammelten sich in einem Halbkreis auf dem Marktplatz und nicht wenige waren nervös. Jeder hoffte, dass sein Kind eines Tages die Akademie besuchen durfte. Das war eine große Ehre und brachte der Familie nicht nur Ansehen, sondern auch Wohlstand. Für viele die einzige Möglichkeit aus diesem Leben zu entfliehen.

Wie jedes Jahr begann der älteste Magier einige Worte zu sprechen und die Auswahl zu erklären. Was eigentlich überflüssig war, denn mittlerweile wusste jeder, wie sie ablief.

Sein leicht graues Haar zur Seite schiebend las er die vier Namen vor, die sie dieses Jahr prüfen wollten. Erst dann nickte er dem Magier auf seiner rechten Seite zu, der ihm daraufhin einen unscheinbaren Stein reichte. Er war etwa handgroß, grau und sah aus, als würden Wolken darin umherziehen.

„Freya Delacour!", rief der Magier laut und ein unscheinbares Mädchen mit weißem Haar trat hervor. Ihre Hände sittsam vor sich gefaltet und den Kopf gesenkt. Sie wollte nicht von ihrer Familie weg, da ihr Vater kürzlich krank geworden war und nun jede Hand gebraucht wurde.

Wie der Rest der Dorfbewohner war sie in einem Leinenkleid gekleidet, das schon bessere Tage gesehen hatte. Das Dorf kämpfte darum, den Winter zu überleben und neue Kleidung hatte keine Priorität. Was nur dafür sorgte, dass sie sich gegenüber den Magiern noch wertloser fühlte.

Ihre blauen Augen waren auf den Boden gerichtet, als sie sich vor den drei Magiern aufstellte und ihren Kopf hob. Der Magier in der Mitte, der sie aufgerufen hatte, hielt den Stein auf seiner Hand und nickte ihr freundlich zu. Im Allgemeinen kannte man die Magier als hilfsbereit, freundlich und zuvorkommend. Es gab sogar reisende Magier, die Dörfern in Not halfen. Doch ihr Dorf lag meist nicht auf dem Weg dieser Magier.

Nur zögerlich hob sie die Hand und zitterte leicht, als der Stein begann zu leuchten. So etwas war noch nie passiert und sie fragte sich, ob er nicht mehr funktionierte.

Doch als sie ihre Hand auf den kühlen Stein legte, veränderte er plötzlich die Farbe.

Überrascht wich sie etwas zurück und betrachtete ihre Hand, doch dort war nichts zu sehen.

"Bitte noch einmal", erklang die ruhige Stimme des Magiers.

Freya hob den Kopf und blickte ihn mit großen Augen an. Was war das gewesen?

Nur zögerlich streckte sie die Hand noch einmal nach dem Stein aus, der erneut reagierte.

Freya bemerkte, dass der Magier zufrieden nickte und ihren Namen dem Mann zu murmelte, der neben ihm stand.

Aus den Augenwinkeln versuchte Freya die Menschenmenge und vor allem ihre Eltern zu erkennen, denn sie wagte es nicht, zu ihnen zu sehen, solange sie vor den Magiern stand. Trotzdem gelang es ihr die bekannten Gesichter zu finden.

Sie konnte ihre Familie zwischen den anderen Dorfbewohnern ausmachen und hörte sie leise keuchen. Ihr war, als würde sie auch das Schluchzen ihre Mutter vernehmen. Ob vor Freude oder Trauer konnte Freya im Moment nicht sagen.

Ihre Beine fühlten sich an, als würden sie unter ihr nachgeben. Warum hatte der Stein angeschlagen? Sie konnte ihre Familie jetzt doch nicht allein lassen!

Ihre jüngeren Geschwister hielten sich an dem Rock ihrer Mutter fest und blickten mit großen Augen auf das Geschehen.

Das löste bei Freya nicht gerade Freude aus. Stattdessen wurden ihre Beine weich und sie begann zu zittern.

Wenn sie das alles gerade richtig verstand, dann war sie ausgewählt. Oder nicht?

Sie konzentrierte sich nun wieder auf die Magier und erwartete, dass sie gehen durfte, wie es die letzten Jahre bei jedem Kind der Fall gewesen war. Allerdings bat der jüngere Mann, der ihren Namen in eine Liste eingetragen hatte, sie, mit ihm zur Seite zu kommen. Dort würde er ihr alles erklären, während man die anderen Kinder testete.

Nervös darüber, ob etwas nicht stimmte, nestelte sie an ihrem Leinenkleid herum und war versucht, sich umzudrehen und zu ihrer Familie zurückzukehren. Damit würde sie den Magiern jedoch Respektlosigkeit entgegenbringen und das wollte sie nicht.

Die Stimmen der Dorfbewohner drangen nicht zu ihr vor, als sie dem jüngeren Mann folgte.

Dieser führte sie nur ein kleines Stückchen, bevor er leise seine Stimme erhob.

"Freya. Du bist seit einigen Generationen eines der Kinder, welche die Magie in sich trägt", sagte er, wobei seine Worte feierlich klangen. Sein, für einen Magier typisch langer, Umhang, wehte im starken Wind und das schwarze Haar fiel ihn in die Augen, so dass er es immer wieder aus dem Gesicht wischen musste.

Freya konnte das nur aus dem Augenwinkel sehen, weil sie sich nicht traute, ihm direkt in die Augen zu blicken.

"Durch diese Gabe wirst du dieses Jahr auf der magischen Akademie angenommen", verkündete er ihr und reichte ihr eine Schriftrolle. Ohne ihre Reaktion abzuwarten, sprach er weiter, so dass Freya die Worte herunterschlucken musste, die sie eigentlich sagen wollte. Es war unhöflich jemanden zu unterbrechen. Auch in ihrem Vorhaben die Schriftrolle zu greifen, hielt sie inne, damit er sprechen konnte. "Dieses Schreiben mit deinem Namen wird dir Zugang zur Akademie gewähren. In den nächsten Tagen kommt jemand, der dich abholen wird", erklärte er ihr.

Mit zitternden Händen nahm sie die Schriftrolle entgegengenommen und noch immer brachte sie ihre Worte nicht über die Lippen.

In den nächsten Tagen ... das waren so ziemlich die einzigen Worte, die sie verstand, denn das hieß, dass sie schon sehr bald von ihrer Familie fort musste. Das wollte sie aber nicht!

Konnte sie nicht einfach hierbleiben? Freya hatte nichts zum Mitnehmen und konnte auch nichts bezahlen.

Nervös nestelte sie an der Schriftrolle herum. Ihre trocken gewordenen Lippen befeuchtete sie mehrmals, als sie zum Sprechen ansetzen wollte. Und doch kamen die Worte einfach nicht aus ihrem Mund.

"Ich weiß, dass es beunruhigend für dich ist", sagte der Magier und Freya linste nach oben zu seinem Gesicht, wo sie ein beruhigendes Lächeln erblickte. Er legte ihr sogar eine Hand auf die Schulter, was sie zusammenzucken ließ. "Sprich mit deinen Eltern, sie werden dir erklären, was los ist", versicherte er ihr ruhig und nicht, als würde er sich durch sie irgendwie gedrängt fühlen. Freya beruhigte das jedoch kaum.

Der Magier verstand nicht, dass es Probleme gab, die sich nicht lösen würden, wenn sie ging und ihre Familie im Stich ließ. Gerade wegen ihrem Vater machte sie sich Sorgen, denn niemand wusste, wie lange er noch leben würde.

Der Gedanke daran, ihren Vater nur noch so krank zu erleben und ihn eventuell danach nie wiederzusehen, treiben ihr Tränen in die Augen.

Dennoch nickte sie gehorsam. Sie würde ihre Eltern fragen, doch sicher, ob sie ihre Fragen beantworten konnten, war sie sich nicht.

„Muss ... ich wirklich auf die Akademie?", fragte sie mit leicht zitternder Stimme.

"Natürlich", sagte er überrascht. "Du besitzt Magie. Jeder, der Magie besitzt, muss auf die Akademie", sagte er nun doch streng und Freya spürte seinen Blick auf sich, was sie schlucken ließ. "Damit wirst du deinen Eltern etwas Gutes tun", versicherte er ihr. "Sie erhalten die Unterstützung der Akademie, solange du dort bist."

Diese Worte beruhigten Freya und erleichtert seufzte sie auf. Dann würden sie hoffentlich genug zu Essen haben und ihr Vater würde wieder gesund werden.

Freya nickte mit Erleichterung in den Augen, obwohl es unheimlich war, dass sie plötzlich aus ihrem Leben gerissen werden würde. Ihr gut behütetes, wenn auch arbeitsreiches Leben mit den Menschen die sie kannte, würde nicht mehr existieren. Auf der Akademie würde sie niemanden kennen. Und doch keimte eine Hoffnung in ihr auf, dass sie eines Tages hierher zurückkehren würde und dann als ausgelernte Magierin den Menschen helfen konnte.

Damit würde sie die Familie finanziell unterstützen können und nicht nur ein Klotz am Bein sein.

Vielleicht sollte sie das Ganze etwas positiver sehen und sich darauf konzentrieren, in der Akademie ihr Bestes zu geben. Es schien, als hätte sie gar keine andere Wahl.

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