Kapitel 3

Kapitel 3

„Natürlich", stimmte Freya zu und setzte sich gemütlich im Schneidesitz hin. Über Melodys Auswahl musste sie unwillkürlich schmunzeln. Ein Löwe, ein Fuchs und ein Pferd befanden sich unter den Tieren. Dabei dachte sie automatisch an das regenbogenfarbene Einhorn, dass Elias Rosalie geschenkt hatte. „Was für Abenteuer möchtest du erleben? Wohin soll die Reise gehen?", fragte sie neugierig.

"Ins Süßigkeitenland", sagte sie aufgeregt und nahm damit Bezug auf eine Geschichte, die Damian ihr einmal vorgelesen hatte.

Ihre niedliche Art brachte Freya erneut zum Lächeln.

Gemeinsam spielten sie mit den Kuscheltieren, die in Melodys Süßigkeitenland eine Menge Abenteuer erlebten. Angefangen von Flüssen, die aus Milch und Schokolade bestanden, in denen sie schwammen, bis hin zu einem Knusperhaus war alles dabei. Melody hatte eine blühende Fantasie. Was auch zum Teil an der Geschichte lag, von der sie sich wohl inspiriert fühlte.

Irgendwann jedoch hörte sie auf und blickte Freya mit großen Augen an. "Ich hab Hunger", verkündete sie. Was bei der Geschichte durchaus abzusehen war.

„Wir gehen gleich etwas zu essen suchen", versprach Freya lächelnd und zog ihre Tochter in die Arme, bevor sie Melody auf ihren Schoß setzte. „Ich möchte etwas mit dir besprechen", sagte sie und schluckte schwer. Es war besser, das unangenehme Thema hinter sich zu bringen, bevor Melody es von anderen erfuhr. Jetzt, nachdem ihre Tochter gespielt und aufgeblüht hatte, war ein guter Zeitpunkt. Hoffte Freya zumindest.

Melody blickte zu ihrer Mutter. "Was ist los?", fragte sie besorgt. Sie war schon immer gut darin, die Emotionen ihrer Mutter zu erraten.

Traurig spielte sie an den Zöpfen ihrer Tochter und sah sie an. „Weißt du noch, was ich dir damals von Onkel Gabriel und Abel erzählt habe?", fragte sie vorsichtig. Immer wieder hatte sie das Grab der beiden mit Melody besucht und ihr erzählt, dass die beiden im Himmel waren und auf alle aufpasste. Sie waren wie Engel, die unsichtbar waren. Immer bei ihnen und sie hatten dort oben Freunde, mit denen sie Spaß hatten.

"Ja, sie sind Engel und schauen zu uns herab", sagte Melody nachdenklich und blickte zu ihrer Mutter nach oben. Fragend, aber auch vorsichtig. Als ahnte sie, dass irgendetwas Schreckliches passiert war.

„Weißt du ... Gabriel und Abel haben sich entschieden, dass sie ganz einsam dort oben sind. Auch wenn sie Freunde haben", begann Freya traurig und richtete das Kleidchen ihrer Tochter. Es fiel ihr schwer, ihr in die Augen zu sehen. Vor allem, da ihre Tränen schon wieder fast die Überhand nahmen. Aber sie zwang sich dazu. „Sie haben sich so sehr nach Oma, Opa und den anderen gesehnt, dass sie diese zu sich nach oben geholt haben. Jetzt sind sie dort wieder vereint." Jetzt war es heraus. Die schreckliche Wahrheit, die Freya alles unter den Füßen weggezogen hatte.

Melody wirkte überrascht. "Aber wenn sie dort oben sind, dann können sie doch gar nicht hier unten sein", sagte sie, schien aber noch nicht ganz zu verstehen.

Niedergeschlagen sah sie Melody in ihre blauen Augen. „Genau", sagte Freya traurig und streichelte Melodys Wange. Sie brauchte einige Sekunden, um geeignete Worte zu finden. „Sie sind dort oben und sehen nun auf uns herab. Beschützen uns und passen auf uns auf. Genauso, wie Onkel Gabriel und Abel es tun."

Melody griff ihren Arm. "Aber ... Ich konnte mich doch gar nicht verabschieden", sagte sie empört und Tränen füllten ihre Augen.

Die junge Frau nickte. „Ich mich auch nicht", flüsterte Freya und zog ihre Tochter in eine enge Umarmung. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ihre Familie wiederzusehen. Ein Wunschdenken, das niemals in Erfüllung gehen würde.

Jetzt, nachdem Melody ebenfalls Tränen in den Augen hatte, brauchte sie ihre auch nicht mehr zurückhalten.

Melody schniefte. "Das ist unfair", beschwerte sie sich quengelnd. "Können wir sie nicht noch einmal sehen?"

Langsam schüttelte ihre Mutter den Kopf. „Ich ... denke nicht. Dafür ist es zu spät, aber ich verspreche dir, dass wir ihnen ein wunderschönes Grab herrichten werden. Mit ganz vielen Blumen und deinen Kränzen darauf. Damit sie wissen, dass wir sie nicht vergessen", schlug sie vor und musste sich zusammenreißen. „Ich bin mir sicher, sie werden sich freuen."

Melody nickte gegen ihre Brust. "Warum haben sie sich nicht verabschiedet?", fragte sie mit belegter Stimme.

Beruhigend streichelte Freya das kleine Mädchen und unterdrückte die aufsteigenden Tränen. „Gabriel und Abel waren so einsam, dass sie es uns nicht noch schwerer machen wollten, indem wir uns verabschieden", flüsterte sie niedergeschlagen. „Wir hätten sie bestimmt nicht gehen lassen, nicht wahr?"

"Nein", schniefte Melody. "Aber ... Gabriel und Abel brauchen sie. Wir haben Damian. Sie hatten niemanden", sagte sie, wobei sie versuchte ernst zu klingen.

Leicht drückte Freya das Mädchen an sich und vergrub ihren Kopf an ihrem Hals. „Sie hatten niemanden", bestätigte sie Melody. „Jetzt sind sie dort oben wieder vereint und sind glücklich. Eines Tages werden auch wir dort oben sein. Dann sind wir alle wieder zusammen", versprach sie Melody und gab ihr einen Kuss auf die Wange, bevor sie ihr in die Augen sah. Auch ihre wirkten verweint. „Und du hast Recht: Wir haben Damian." Melody war erstaunlich vernünftig und verstand sehr viel. Daher war Freya froh, dass sie die Hiobsbotschaft einigermaßen gut verkraftete. Besser als sie selbst.

"Wo ist Damian?", fragte sie irgendwann und sah sich um.

Freya erklärte, dass er mit seinen Eltern sprach. „Wenn du möchtest, gehen wir nach etwas Essbarem und ihm suchen", schlug sie vor und wischte sich die Tränen von den Wangen. Diese hatten sich einfach darauf verirrt, obwohl sie es gar nicht gewollt hatte.

Melody nickte ernst. Es schien, als wolle sie Freya auf andere Gedanken bringen.

Bevor sie jedoch aufstanden, zog sie ihre Tochter erneut in eine Umarmung. „Wir haben uns. Und wir werden füreinander da sein", flüsterte sie Melody zu und streichelte ihre Wange. Erst dann stand sie langsam auf und musste innehalten, als ihr schwarz vor Augen wurde. In Gedanken schimpfte sie mit sich selbst, weil sie plötzlich so schwach war. Es war schlecht, sich so gehen zu lassen.

"Mama?", fragte Melody besorgt und leicht verweint, hielt ihre Mutter aber fest.

„Alles in Ordnung", versicherte Freya sofort und versuchte zu lächeln. Dann nahm sie Melody vorsichtig nach oben und kuschelte kurz an ihre Wange. „Lass uns gehen", sagte sie und öffnete die Tür, damit sie hinaustreten konnten. Es würde nicht einfach werden, sich hier zurechtzufinden. Wohin mussten sie nur? Sollten sie sich umsehen? Oder erst einmal nur dem Geruch nach, der sie wohl zur Küche bringen würde?

"Kann ich Ihnen behilflich sein?", fragte eine junge Frau, die gerade Bettwäsche in den Armen hielt und scheinbar auf den Weg in irgendein Zimmer war.

Ihr junges Gesicht strahlte und sie schien gerne hier zu arbeiten.

Freya nickte und erklärte, dass ihre Tochter Hunger hatte und sie auf der Suche nach Damian waren. Ihr war bewusst, dass sie beide verweint und traurig aussahen, aber das konnte sie jetzt nicht ändern.

"Er ist gerade im Arbeitszimmer seiner Mutter", sagte sie unschlüssig, während sie sich umsah. "Es gibt gleich Abendessen. Möchtet Ihr noch so lange warten? Dann wird Damian Euch sicher abholen."

„Was meinst du, Melody? Kannst du noch solange warten?", fragte Freya das Mädchen auf ihrem Arm. Sie würde sich nach ihr richten, weil sie absolut keinen Hunger hatte.

Melody verzog etwas den Mund. "Ich möchte zu Damian", sagte sie, wobei sie so höflich war und seinen Namen verwendete. Das tat sie nicht oft.

„In Ordnung", stimmte Freya lächelnd zu und bat die junge Frau, ihr den Weg zu zeigen. Sie ging davon aus, dass Melody sich in seine Arme kuscheln wollte. Das tat sie gerne, auch, wenn sie traurig war.

Die Dienerin nickte. "Bitte hier entlang", sagte sie und führte Freya durch die Gänge, bis sie zu einer Art Wintergarten kamen. Dort saßen Selene und Damian. Sie tranken Tee, wirkten aber angespannt in ihrer Unterhaltung.

Sobald Melody Damian erblickte, wollte sie von Freyas Arm hinunter. Vorsichtig setzte sie das Mädchen ab und ließ sie laufen. Sie selbst bedankte sich bei der Dienerin und näherte sich nur langsam den beiden mit gesenktem Blick.

Damian stellte den Tee zurück, nachdem er Melody gesehen hatte, bevor er die Arme öffnete, um sie aufzufangen, als sie auf seinen Schoß kletterte. "Hast du gut geschlafen?", fragte er, klang aber unsicher. Wahrscheinlich, weil er die Tränen auf ihrem Gesicht bemerkte.

Das Mädchen nickte ernst. „Ich habe gut geschlafen. Es hat nach Rosa gerochen", begann sie zu erzählen und schenkte Selene ein Lächeln.

In der Zeit kam auch Freya an den Tisch und nickte Selene zu, als sie sich hinter Damian stellte und seinen Nacken kraulte.

Damian hielt Melody fest im Arm. Freya war sich sicher, dass er sah, dass sie traurig war. Das war immerhin unschwer zu erkennen. "Habt ihr mit den Puppen gespielt?", fragte er und schien Melody ablenken zu wollen.

Selene in der Zeit bot Freya einen Tee an, sagte aber kein Wort. An ihrem Blick konnte Freya jedoch erkennen, dass sie eingeweiht war.

Daher nickte sie auch und hielt ihren Blick konzentriert auf Damians Haar, das sie liebevoll streichelte. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Es fiel ihr sowieso schwer, sich normal zu benehmen. 


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Wie würdet ihr euch in so einer Situation fühlen?

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