Kap. 9 Gandalf
Percy pov
Die Versammlung wurde sehr schnell aufgelöst, nachdem Zeus keine Möglichkeit hatte, unserem Wunsch zu entkommen, denn es war nunmal ein Gesetz, derartige Wünsche zu erfüllen. Götter durften ihre Kinder nun besuchen und wir standen vor dem Tempel. Alleine zu zweit. Die anderen hatten sich einfach zurück ins Camp teleportiert, Nico hatte an Will gedacht, Thalia an Reyna, aber wir standen hier draußen und konnten unsere Kräfte nicht benutzen, da wir noch immer nicht all zu öffentlich damit auftreten wollten.
Annabeth hatte mehrere Minuten mit ihrer Mutter diskutiert, ein Gespräch, bei dem ich ganz sicher nicht zwischen den Fronten würde stehen wollen, und dabei war sie erstaunlich wütend für ihre sonst meist beherrschtere Art. Athene hatte ihr versucht klarzumachen, dass die Götter sie brauchen und zum Schluss, dass Annabeth ihr viel bedeutete. Bei ersterem hatte sie den Spieß einfach umgedreht und gefragt, wie die Göttin der Weisheit auf die Idee käme, dass wir anders herum die Götter brauchen würden. Tatsächlich hatte Athene dabei die richtige Entscheidung getroffen und geschwiegen. Sie wusste, dass jede Antwort darauf selbst von mir hätte ausgekontert werden könne.
Wirklich wütend war ihre Tochter aber erst beim zweiten Teil gewesen. Wort für Wort hatte ich mir ihren Ausruf ins Gedächtnis eingeprägt, denn es war etwas seltenes und noch obendrauf etwas, was ich schon unglaublich oft so oder so ähnlich hatte brüllen wollen. „Ach, jetzt bedeute ich dir was. Jetzt, wo ich Erfolg hatte. Wie sah es denn aus, als ich Percy gesucht habe, weil ihr ihn genommen habt und ich ihn vermisst habe? Habe ich dir da etwas bedeutet? Ich zitiere: ‚Töte alle Römer!', ja, ich spüre förmlich die Bindung, deine geliebte Tochter. Vielleicht werde ich noch länger leben, als du denkst, aber davon wirst du nie wieder irgendetwas mitbekommen, wenn du noch ein Mal versuchst, mich mit dieser Masche zu überzeugen."
Die Bestätigung zu ihren Worten fand sich darin, dass Athenes Reaktion nicht aus Trauer oder Verletztheit bestand, sondern sie meine Freundin böse anstarrte. Böse genug, um sich noch einen Nachschlag zu verdienen. „Keinem von euch Göttern bedeuten ihre Kinder etwas. Hestia hat keine, die einzigen Ausnahmen wären vielleicht Hades, der sich manchmal um Nico und ab und an um Hazel kümmert, Artemis mit ihren Jägerinnen und, ob du es hören möchtest oder nicht, Poseidon. Ein guter Vater ist er keineswegs, aber von allen Olympier ist er wortwörtlich der einzige, vielleicht mit Hades zusammen, der je mehr als einen Satz ohne Anlass mit seinem halbgöttlichen Kind gewechselt hat. Ich bin den ganzen Kram hier leid!"
Ich wusste, dass sich diese undenkbare Wut über Jahre, inzwischen vielleicht sogar ein volles Jahrzehnt anstaute und ich konnte sie nur zu gut verstehen. Es ging mir selbst nicht selten so.
Annabeth war nach diesem letzten Ausruf, den vermutlich nicht wenige auch in der Halle der Götter gehört hatten, herumgewirbelt und zu mir gekommen. „Komm, lass uns gehen", hatte sie im vorbeigehen gemurmelt und meine Hand dabei zielgerichtet ergriffen. Ich hatte die Augen ihrer Mutter aufglühen sehen, diese war wohl kurz davor gewesen, zu versuchen, diese Respektlosigkeit zu bestrafen, aber sie hatte sich glücklicherweise vorher besonnen, ehe sie gescheitert wäre. Vielleicht hatte sie ja doch ein bisschen zugehört und zumindest einige kleine Teile der Kritik aufgenommen. Es blieb zu hoffen.
Während wir mit dem Fahrstuhl zurück ins Foyer des Empire State Buildings fuhren, fragte mich Annabeth, ob wir nicht die Gelegenheit ergreifen und bei meiner Mom vorbei schauen wollten. In dem Moment gefiel mir die Idee noch ausgezeichnet und wir machten uns auf den Weg zu ihrer Wohnung.
Als wir dann jedoch vor der Tür standen und ich den Schlüssel aus meiner Tasche zog, wenn ihr wissen wollt, wo der herkommt, fragt nicht mich, fragt Chaos, überkamen mich jedoch Zweifel. Das letzte Mal, dass ich mich gemeldet hatte, war aus einem Postamt in Kanada gewesen. Das war allerdings schon Monate her und davor... es waren mehr als acht Monate ohne ein Lebenszeichen gewesen. Ich hatte nichts mehr von ihr gehört, seit Hera mich entführt hatte. Der Schlüssel schwebte Zentimeter vor dem Schloss. Was wäre, wenn sie deshalb enttäuscht von mir wäre? Ein guter Sohn wäre schließlich nicht einfach so verschwunden.
Wenn ich im Nachhinein über diese Situation nachdachte, wusste ich natürlich sofort, dass es weder meine Entscheidung gewesen war, noch dass Mom jemals von mir enttäuscht sein würde. Trotzdem waren Zweifel meistens stärker. Es gab jedoch etwas, dass noch stärker als Zweifel war. Und dieses etwas blickte meine verwirrte und unsichere Gestalt gerade aus mitfühlenden, sturmgrauen Augen an und während sie mich umarmte, fielen mir einige ihrer goldenen Locken ins Gesicht. „Percy, sie wird sich freuen, dich zu sehen. Du weißt wie sie ist. Und wenn es anders seien sollte, dann muss sie erstens mich davon überzeugen, dass das vernünftig ist, was absolut unmöglich ist, und anschließend gehen wir auf den Olymp und klären ein paar Sachen mit einer gewissen Göttin der Ehe, nach denen sie sich vermutlich die nächsten fünfhundert Jahre nicht mehr auf die Erde wagen wird. Abgemacht?"
Ich nickte in ihren Arm und spürte, wie sie lächelte. Obwohl sie Hera noch mehr hasste, als ich das tat, war ich mir sicher, dass sie diesen Vorschlag nicht der Rache an Hera sondern meinetwegen gemacht hatte. „Egal was passiert, ich bleibe bei dir", ergänzte sie noch.
Mit diesem bisschen Zuversicht brachte ich schließlich doch den Mut auf, den Schlüssel ins Schloss zu schieben und die Tür vorsichtig zu öffnen. Ich blickte in den alten Flur, durch den ich seit wir in der neuen Wohnung wohnten, jeden Tag gelaufen war. Zuhause. Ich hörte Schritte, offensichtlich war das öffnen der Tür trotzdem noch so laut gewesen, dass man es gehört hatte.
Und dann sah ich sie. Braune Haare, blaue Augen und das freundlichste Gesicht, was ich in meinem Leben sehen würde. Als sie mich auch sah, blieb sie zuerst wie angewurzelt stehen. „Percy?", rief sie. Ich nickte. „Mom!"
Im nächsten Moment musste ein unsterblicher nach Luft ringen. Sie drückte mich an sich und ich hörte dabei, wie sie verschiedene Dinge halb aussprach, die vermutlich eigentlich nicht ausgesprochen werden sollten. Ich verstand nicht alles, aber immer wieder Fetzen. „...Wieder da... Chirons Brief... alles gut... nicht geglaubt..."
Zwei Dinge lösten diese Worte in mir aus, abgesehen von dem ringen nach Luft, die ich eigentlich nicht brauchte. Zum einen Glück. Glück wieder zuhause zu sein und Glück, noch immer willkommen geheißen zu werden. Zum anderen jedoch Wut. Kochende Wut auf Hera, die mir all das genommen hatte, ohne mir überhaupt die Möglichkeit zu geben, mich zu verabschieden oder zu widersprechen.
Diese Wut schwoll im folgenden weiter zu hoch loderndem Zorn an, als sie, nachdem sie mich losgelassen hatte, bat: „Ihr beiden habt mir einiges zu erklären, kommt ins Wohnzimmer, nicht dass Estelle noch wach wird." Ich blieb wie angewurzelt auf der Stelle stehen. „Estelle?" Und dann sprach sie die Worte, nach denen Hera für mich unwiderruflich gestorben war. „Estelle, deine kleine Halbschwester. Sie schläft gerade in deinem alten Zimmer. Der kleine Engel ist seit vier Monaten unser dritter Mitbewohner."
Eine Wasserleitung weiter unten im Haus barst und ich hörte den Wasserhahn in der Küche brodeln. Vier Monate! Hera musste das gewusst haben. Sie musste gewusst haben, dass während unserem Auftrag meine kleine Schwester geboren würde und ich derweil auf einer Mission war, die ich vielleicht nicht überleben würde. „Percy, nicht hier, nicht jetzt! Wir werden uns darum kümmern, aber jetzt ist der falsche Zeitpunkt und die falsche Gesellschaft. Hier gefährdest du damit vor allem die, die du am wenigsten gefährden willst", versuchte Annabeth mich zu beruhigen und zu unserer aller Glück funktionierte es halbwegs. Ausschlaggebend war vor allem die zweite Hälfte. Es war ein Glück, dass meine um sich greifenden Kräfte mit etwas so vergleichsweise harmlosen angefangen hatte. Die Leitung war binnen einem Sekundenbruchteil wieder repariert und auch in der Küche kehrte wieder stille ein.
„Können... können wir sie sehen?", fragte ich hoffnungsvoll. Mom nickte, „Natürlich!", guckte mich dann aber streng an. „Aber nicht hier und jetzt, jetzt schläft sie, also sollte man sie nicht stören. Und wie schon gesagt, ihr habt mir einiges zu erklären." Und mit diesen Worten drehte sie sich um, bedeutete uns, ihr zu folgen, und lief ins Wohnzimmer.
Wir taten beide, wie uns geheißen, und setzten uns ihr gegenüber auf ein Sofa. Diese neue Wohnung war wirklich um Längen besser als der Saustall, in dem wir damals wegen Gabe gewohnt hatten. „Und jetzt erzählt mir mal, was sich seit deinem letzten Besuch, Annabeth, alles getan hat." - „Letzten Besuch?", fragte ich verwirrt. Dafür erntete ich ein Lächeln und einen leicht unbehaglichen Blick. „Du wirst es kaum glauben, nachdem du verschwunden warst, hat es kaum eine Woche gedauert, bis Annabeth hier vor der Tür stand. Alles weitere", sie zog verschwörerisch die Augenbrauen hoch, „kann sie dir irgendwann erklären, wenn sie möchte."
Ich entschloss, dabei vorerst nicht weiter nachzufragen. Stattdessen begannen wir beide uns immer abwechselnd unsere Erlebnisse zu schildern. Wir mussten nur einen Blick wechseln, um uns einig zu sein, dass wir in der Zeit zwischen Rom und Epirus beide einfach vergleichsweise wenig Anteil an den Geschehnissen gehabt hatten. Es war besser so. Auch alles, was nach Gaias Vernichtung geschehen war, ließen wir vorerst aus. Dieses Fass konnten wir auch später genauso gut aufmachen. Ganz kamen wir damit jedoch auch nicht durch. Irgendetwas musste sie ahnen, denn sie fragte am Ende ganz trocken: „Sonst noch etwas?" Das war keine rhetorische Frage gewesen.
Es war nicht nicht so gewesen, dass sie die ganze Zeit keine Emotionen gezeigt hätte, aber ich hatte weit schlimmeres befürchtet. Vielleicht war es in unserer beschönigten Fassung die Art Geschichte, die nach den vier Jahren davor und der enormen Zeit, die wir weg gewesen waren, zu erwarten gewesen war.
Ich wollte auf ihre Frage nicht ehrlich antworten, aber ich schaffte es nicht, sie direkt anzusehen, während ich antwortete: „Nein, das war alles." Ich war mir sicher, dass meine Stimme dabei ziemlich unsicher klang, konnte das aber nicht selbst überprüfen.
„Schau mich an, wenn du mich anlügst!", befahl sie, jedoch eher belustigt als streng klingend. Ich zog eine Grimasse. Natürlich durchschaute sie mich. Trotzdem zögerte ich mit einer Antwort, abwägend, welchen der beiden ausgelassenen Teile ich eher erzählen würde und ob er reichen würde, um ihre Nachfragen abzuschließen. Die Entscheidung wurde mir durch äußere Einflüsse abgenommen. Will heißen, ein gewisser Erschaffer des Universums entschied, dass der Nebel um meine Flügel jetzt lange genug da gewesen wäre und lichtete ihn.
Meter große Schwingen füllten den Raum aus. Meine waren so groß, dass man Annabeths dahinter garnicht wirklich sah. Sie waren dunkler, von weniger magischem Leuchten erhellt, und wirkten dadurch fast wie Schatten von meinen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie dieser Umstand irgendwann so sehr stören würde, dass sie allein deshalb das Aussehen von ihren überarbeiten würde.
In dem kurzen Augenblick, den Mom völlig überrascht noch unsere Schwingen anstarrte, lieferte ich mir einen geistigen Streit mit Chaos, in dem ich mich beschwerte, dass man es ihr zumindest hätte schonend beibringen können. Dieser jedoch behauptete, ich könne gefälligst froh sein, dass meine Aura versteckt geblieben war. Man hört vermutlich, wie konstruktiv und zielführend dieses Gespräch war.
Gerade als ich resigniert abbrechen wollte, erwähnte Chaos noch ganz beiläufig, „Ach, bevor ich es vergesse, komm doch bitte in fünf Tagen nach Orbis Terarum Chaos, ein Prinz hat auch offiziell gekrönt zu werden." Und dann war er verschwunden, ehe ich noch etwas ergänzen konnte. Großartig. Krönungen, tolle Aussicht. Und dann war meine Aufmerksamkeit wieder in der Gegenwart, die eigentlich vor mir lag.
Mom atmete einmal tief durch, bevor sie fragte: „Hängt das, was hier mein Wohnzimmer blockiert, zufällig mit den Geräuschen zusammen, die vorhin aus der Küche gekommen sind?" Ich wechselte einen Blick mit Annabeth und wir wussten beide, dass damit jede Chance, irgendetwas schonender oder so, dass sie sich weniger Sorgen machen würde, zu Asche zerfallen war. Ich bekam aber auch einen fragenden Blick zurück und als ich nickte, nahm mir Annabeth die Einleitung ab. Einer von uns beiden kann schließlich besser mit Worten umgehen als ich.
„Das hängt nicht miteinander zusammen, aber man könnte vielleicht sagen, dass eine davon damit zusammenhängt, dass dein Sohn deine Weisheiten fürs Leben ignoriert hat und doch ein Geschenk von einem Fremden angenommen hat..." - „Einem Fremden?", kam sofort die Nachfrage. Ich seufzte, „Chaos...", und erntete dafür einen weiteren verwirrten Blick. Zugegebenermaßen war diese Erklärung so kurz und uneindeutig, dass man eigentlich nicht erwarten sollte, damit verstanden zu werden.
Ein weiteres Mal half meine Freundin meiner grauenvollen Rhetorik aus und erklärte, mal wieder in ihrem typisch kommentierten Stil: „Dieses Algenhirn hier hat es tatsächlich geschafft, über die letzten Kriege hinweg die Aufmerksamkeit von - ich hätte nicht gedacht, dass sowas nach Gaia überhaupt noch möglich wäre - Chaos, Erschaffer dieses Universums, im positiven Sinne zu sichern..." Sie übernahm einfach die restliche Berichterstattung. Zum Ende blickte Mom einfach ins scheinbar Leere.
Es dauerte einen Moment, bis sie schließlich die Sprache wiederfand, aber dann fragte sie: „Das bedeutet, ich stehe hier in einer Wohnung mit meinem Sohn, seiner Freundin und zwei der mächtigsten Wesen der Schöpfung zur gleichen Zeit, aber es sind in Wirklichkeit nur drei Leute hier?" Wir nickten. „Und du hättest dem Schöpfer der Welt ins Gesicht gesagt, dass du dieses Geschenk nicht willst, wenn du Annabeth nicht hättest in diese Gabe mitnehmen können?" Ich biss die Zähne zusammen, nickte dann aber wieder. So klang es natürlich irgendwie bescheuert, aber es war nunmal inhaltlich richtig.
„Nun, ich hoffe, dass du immernoch weißt, dass hier eine Wohnung ist, in der nicht mit tödlichen Waffen herumgefuchtelt wird und das gleiche auch für göttliche Kräfte gilt. Erst recht für meinen tollpatschigen Sohn. Sonst liegt am Ende die Vase oder doch das ganze Haus in Schutt und Asche." Auch wenn sie dabei noch so ernst guckte, ich musste vor Glück schmunzeln. Natürlich passte das zu ihr, aber es nochmal so zu hören, war logischerweise noch besser. Sie interessierte es nicht, ob ich unsterblich war oder nicht, für sie war ich Percy und ich blieb Percy. Und ich wollte Percy bleiben.
Ganz so kalt hatte es sie jedoch nicht gelassen, denn im Anschluss hatte sie doch vergessen, dass wir ihr eigentlich noch etwas anderes erklären mussten. Stattdessen formte sich ein normales Gespräch, in dem wir ein paar Dinge über die Geschehnisse hier vor Ort erfuhren und das mir einfach das Gefühl gab, in einem sicheren Zuhause zu sein.
Das ging so lange gut, bis eine gewisse Stimme, die nichts mit meinem Gewissen zu tun hat, denn das funktioniert grundsätzlich erst nach der Tat oder im entscheidenden Moment, sich in meinen Kopf zurückmeldete. „Ihr bekommt gleich Besuch. Ich war so frei, ein paar Stellschrauben so zu verdrehen, dass ihr euch zeitlich genau abpasst", erklärt er und verschwand dann mal wieder, bevor ich etwas sagen oder fragen konnte.
Chaos Definition von gleich war definitiv etwas Gewöhnungsbedürftig. Sie bedeute nämlich genau im Gegenteil zu mir, bei mir ist gleich häufig das selbe wie ‚nie' so etwas ähnliches wie ‚sofort'. Es klopft an der Tür. Annabeth war die erste, die aufsprang und zur Tür lief. Ich hörte, wie die Tür geöffnet wurde und dann rief ihre Stimme in einer Lautstärke, die zwar lauter war, damit auch Mom sie verstand, aber nicht so laut, dass sie ein schlafendes Kleinkind wecken könnte, „Sally, warum steht hier Gandalf vor deiner Tür?" Warum kennt Annabeth Herr der Ringe? Plot Convenience nennt sich das.
Zuerst blickten wir beide verständnislos in ihre Richtung, doch dann schien Mom ein Licht aufzugehen. „Das wüsste ich auch gerne, aber wenn ich richtig liege, heißt der Mann Albus und kann gerne herein kommen."
Und dementsprechend stand Gandalf einen Moment später in unserem Wohnzimmer. Ich musterte ihn argwöhnisch. Jemand, der äußerlich nach Gandalf aussah, war eindeutige auffällig und es war bemerkenswert, wie groß der Anteil auffälliger Leute war, die sich am Ende als Monster entpuppten oder auf andere Art versuchten, mir das Leben zu nehmen. Selbst wenn Mom ihn kannte, blieb ich vorsichtig. Lieber einmal zu oft, als ein Mal zu selten. Ohne nachzufragen, nahm der Neuankömmling auf einem Sessel Platz und blickte interessiert durch den Raum.
„Gehören die beiden jetzt zu dir?", wollte er von meiner Mutter wissen. Sie hob eine Augenbraue. „Über zwanzig Jahre und das ist deine erste Frage? Wunderlich wie eh und je. Und nein, rechtlich ist der eine verschwunden und die andere gehört nicht zu mir. Praktisch sind diese Aussagen aber ähnlich zutreffend, nämlich garnicht. Was machen sie in Amerika, Professor?" - „Ich bitte dich, du bist keine Schülerin mehr, also auch keine Lehrernamen mehr. Warum ich hier bin, ist etwas komplizierter. Wissen sie davon?", seine Augen huschten abwechselnd zu mir und Annabeth.
„Nein, sie wissen nichts davon. Niemand weiß etwas darüber", kam es zurück. „Dann würde ich das gerne nur mit dir klären, wäre das möglich?" Bei dieser Rückfrage schrillten in meinem Kopf ausnahmslos alle Alarmsirenen. Laut genug, um mich dazu zu bewegen, zumindest ein bisschen was über mein gegenüber herausfinden zu wollen. Das einfachste war seine Aura. Und gleichzeitig das komplizierteste, denn ich konnte sie absolut nicht zuordnen. Sie schien etwas zwischen Menschen und Halbblut zu sein, aber auch nichts richtig. Sie war wirklich stark, fast so wie die eines etwas überdurchschnittlichen Kind eines der stärkeren Olympier im Camp Halb-Blood, aber das war er ganz eindeutig nicht. Na gut, doch nicht so einfach, aber er war definitiv kein Monster. Alles weitere konnte er uns ja jetzt erklären.
„Nein, ich denke was auch immer es ist, können sie auch schön im Detail für uns mit erklären", schaltete ich mich also ein. Dafür erntete ich ein breites Lächeln von Mom. „Da hast du die Antwort, Albus, wenn es so wichtig ist, dass du deshalb in die Vereinigten Staaten reist, dann musst du wohl auch weiter auf Geheimhaltung verzichten. Die beiden hier sind selbst keine, aber du kannst mir glauben, dass sie es trotzdem locker aufnehmen werden, ohne eure Sicherheit zu gefährden. Also, was sagst du?"
Er seufzte, offenkundig nicht zufrieden mit dem Weg, den das Gespräch eingeschlagen hatte, gab dann aber schließlich nach und begann uns eine kurze Geschichte über Zauberer zu erzählen. Von Stockgefuchtel, Pseudolatein und einem Mann ohne Nase. Die Geschichte kennen vermutlich die meisten, verhältnismäßig viel zu viele, hier. Ich sage nicht, dass Harry Potter schlecht ist, aber ich bin bereit mit jedem mehrere Stunden zu diskutieren, dass Percy Jackson in jeder Hinsicht eine bessere Geschichte ist.
An dem Punkt setzte dann auch meine Allwissenheit ein und versorgte mich weiter mit Informationen. Das war tatsächlich der schwierigste Teil daran. Wenn man nicht wusste, wonach man fragen musste, bekam man auch kein Wissen. Auf diesem Gebiet war Annabeth, wie wohl kaum einen überraschen wird, weitaus besser als ich.
„Kurzum, der Krieg ist vorbei, aber es sind bei weitem nicht alle Anhänger des dunklen Lords von der Bildfläche verschwunden. Ich wünsche mir Schutz für meine Schüler und möchte dabei auf Hilfe zurückgreifen, von denen ich weiß, dass ich auf sie vertrauen kann." In diesem Moment genoss ich es tatsächlich, dass ich mal nicht der einzige war, der das ganze nicht so ernst nahm. „Und woher weißt du, dass du mir vertrauen kannst? Ich könnte mich in den letzten Jahren mit Grindelwald angefreundet haben", stellte Mom fest.
„Grindelwald ist tot", bemerkte Gandalf trocken. „Und ich erkenne bis zu einem gewissen Grad, wer aus welchen Motiven handelt, ein Vorteil des Alters. Du bist nicht die Art Mensch, die sich für die Philosophie des größeren Wohls begeistern lässt." Der letzte Teil traf den Nagel auf jeden Fall auf den Kopf. Sofern sie nicht gerade eine Schrotflinte auf eine Gruppe Dracaene abfeuerte, war sie viel zu gutherzig dafür.
„Gut, das mag sein. Ich kann leider trotzdem nicht mitkommen. Ich habe hier eine kleine Tochter, um die ich mich kümmern werde, und da werde ich ganz bestimmt keine potentiell mit Gewalt verbundenen Unternehmungen starten. Dafür ist mir die Kindererziehung eine zu große Verantwortung. Percy hatte schon nur einen Elternteil, das werde ich keinem zweiten Kind antun, tut mir leid, Albus." Er nickte, sein Gesicht verzog sich jedoch in traurige und sorgenvolle Falten. Er hatte genug Respekt, um ihre Entscheidung zu respektieren, aber man sah ihm an, dass er sich auch Sorgen machte.
Ich spürte, dass er kurz davor war, sich zu verabschieden, und da kam mir eine Idee. „Professor, vielleicht könnten wir Ihnen ein wenig helfen." Sein Gesicht zeigte eindeutig, dass er nicht damit gerechnet hatte, doch noch Hilfe zu bekommen. Erst recht nicht aus unserer Richtung. „Sagtet ihr nicht, ihr wüsstet nichts von Magie?"
Wir mussten beide lachen. „Nicht ganz. Von Zauberei haben wir nicht all zu viel Ahnung. Es hat jedoch niemand gesagt, dass wir von keiner Form der übernatürlichen Kräfte wissen." Und damit saßen wir auf einmal am längeren Hebel. „Inwiefern Magie?", wollte Gandalf - Einen wirklichen Namen, mit dem wir ihn ansprechen konnten, kannten wir noch immer nicht - nun wissen. Statt einer Antwort ließ ich aus der Küche ein wenig Wasser zu uns fließen, komplexe Strukturen bilden und zum Schluss Annabeth als Zeichen meiner Zuneigung ins Gesicht spritzen.
„Jeder von uns ist prinzipiell auf ein Gebiet spezialisiert, aber in den meisten Fällen ist es oft das, was in Ihrer Welt als Elementarmagie bekannt wäre." Er schien zu überlegen. Etwas verlegen meldete er sich dann aber doch wieder zu Wort. „Ich bin sicher, das könnte uns auch helfen. Dies soll sie beide nicht beleidigen, aber ich möchte sie darauf aufmerksam machen, dass es im Verlauf des Schutzes der Schule schon vielfach zu offenen Kämpfen mit schweren Verletzungen und sogar Toten gekommen ist. Ohne ihnen zu nahe treten zu wollen, aber haben sie Erfahrung mit dieser Form von Arbeit? Mit Kämpfen und Kriegen?"
Wir blickten uns untereinander kurz an, in dem Versuch, nicht laut zu lachen. Als ich jedoch sah, wie Mom und Annabeth genauso wie ich die Zähne zusammenbissen, konnte ich nicht mehr an mich halten und prustete laut los. Damit löste ich eine Kettenreaktion aus und so wurden wir unserer Reaktion wegen alle drei verwirrt von einem alten Mann mit weißem Bart gemustert, der nicht verstehen konnte, was daran so lustig gewesen war.
Noch immer unter gelegentlichem Kichern bemerkte ich vorsichtig: „Ich weiß ja echt nicht, was bei ihnen so ab ging, ... aber ich glaube, wir können gutes Gewissens behaupten, ... dass wir durchaus ein ... wenig Erfahrung mit größeren und kleineren Auseinandersetzungen haben."
Immer noch verwirrt guckend nickte der Zauberer, dessen Name für uns, wie ich meinen endlosen Wissensschatz jetzt erst fragte, Professor Dumbledore lauten würde, und erklärte: „Dann bedanke ich mich im Namen unserer Schulgemeinde jetzt schon für eure Hilfe. Der Zug zu unserer Schule, Hogwarts, fährt am ersten September vom Bahnhof King's Cross in London. Nehmen sie mit, was sie brauchen, alle anderen wichtigen Informationen stehen auf den Fahrkarten." Und mit diesen Worten zog er davon eine hervor, tippte mit einem merkwürdigen Stock, den er aus seinem Mantel zog, darauf und sie verdoppelte sich. Er reichte uns je eine davon und wir nahmen sie.
„Professor Dumbledore", ich verfluchte mich, dass ich seinen Namen verwendete, bevor er sich als dieser vorgestellt hatte, „Könnten wir vielleicht noch ein paar weitere Freunde mitnehmen? Ich bin sicher, ein paar helfende Hände mehr schaden nicht." Er winkte sofort ab. „Natürlich, lasst mir einfach eine Eule zukommen, in der ihr mir mitteilt, wieviele es werden sollen. Bitte mit Namen, damit wir ihnen auch die Schulsachen und ihre eigenen Tickets zukommen lassen können." Er bekam zwei Nicken, zum Zeichen, dass wir verstanden hatten, und in meinem Kopf entstand bereits eine Liste an Leuten, die wir gerne dabei haben wollten.
Dumbledore verabschiedete sich daraufhin und verließ die Wohnung dieses Mal nicht durch die Tür, sondern in irgendeinem komischen Farbwirbel, von dem ich herausfand, dass er entstand, wenn ein Zauberer apparierte. Eine sehr denkwürdige Begegnung, die, hätten wir nicht die Tickets als Gegenbeweis in der Hand, durchaus auch nur geträumt oder das Ergebnis eines Drogenrausches hätte sein können.
Wir saßen eine Weile schweigend da, bis wir uns schließlich von Mom erzählen ließen, woher sie diesen Mann kannte. Sie erzählte uns, dass sie als Kind auch an diese Schule gegangen war, jedoch kurz nach Ende ihrer Schulzeit zurück nach Amerika reiste, um sich um ihren kranken Onkel zu kümmern. Die Erfahrung, ihn selbst mit Zauberei nicht retten zu können, hatte unter anderem dazu geführt, dass Magie für sie kaum als Problemlöser galt. Zusammen mit ihrem Zusammentreffen mit meinem Vater hatte es sie dazu gebracht, sich von der Welt der Zauberer abzuwenden und das Leben zu wählen, was sie nun gelebt hatte.
Ich wollte sie gerade nach persönlichen Eindrücken von dieser anderen Welt fragen, da erklang ein lautes, hohes Schreien und unterbrach dieses Thema. Es war nicht schwer zu erraten, was dieses Geräusch bedeutete. Wir alle sprangen auf und liefen in mein altes Zimmer, um meine kleine Schwester zu sehen, nun da sie wach war.
Und tatsächlich. Da lag sie. Um sich schlagend und Lärm machend, der jede Zyklopenbande neidisch gemacht hätte. Und trotzdem war sie niedlich und ich wusste sofort, dass ich für sie alleine bereit wäre, die gesamten Vereinigten Staaten in Schutt und Asche zu legen.
Mom lief zu der kleinen hin und hob sie behutsam hoch. „Willst du sie auch mal halten?", wollte sie an mich gewandt wissen. Zuerst hatte ich Zweifel. Zu groß war meine Angst, wieder mal etwas kaputt zu machen und zu groß war das Gefühl von Schmutz und leid an meinen Fingern. Aber Annabeth lächelte mir zuversichtlich zu und ich hörte ihre stimmte in meinem Kopf sagen: „Los komm, nimm sie. Nach so langer Zeit hast du es dir verdient, auch diese Seite des Lebens kennenzulernen. Es wird alles gut gehen, versprochen." Und ich habe ja schon erzählt, dass Annabeth stärker als die meisten Stimmen in mir war.
Ich trat einen Schritt näher und während ich die kleine Estelle behutsam Auf den Arm nahm, schob Mom meine Arme an die richtige Stelle, damit ich sie wirklich sicher hielt, selbst wenn sie immernoch mit Armen und Beinen herumfuchtelte und aus Leibeskräften schrie. Und ich konnte nicht mehr anders als einfach nur glücklich und liebevoll zu lächeln. Je älter ich wurde und je mehr die Moiren ihren scheinbar sehr ausgeprägten Hass auf mich auslebten, desto mehr verstand ich, wie wertvoll dieses Geschenk war. Hilflosen helfen, statt mit dem Schwert auf Gefahren einzuschlagen.
Sie drehte ihren verhältnismäßig riesigen Kopf zu mir und blickte mich aus strahlenden, großen blauen Augen an. Sie hörte auf zu schreien. Und zu treten. Sie wurde ganz ruhig und starrte mich einfach nur an. Mein Lächeln wurde breiter und auch ihr zahnloser Mund verformte sich zu einem Grinsen. Absolut unabhängig davon, was in der Zukunft noch geschehen würde, diesen Moment würde ich niemals vergessen. Niemals!
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4418 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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