Kap. 81 Abwägung
Hazel pov
Angelas Zelt war, wenn man es suchen musste und nicht wusste, wo es stand, nicht gerade leicht zu finden. Wie auch in unserer Welt waren Halbgötter zwar im Kampf absolute Aufmerksamkeitsmagneten, aber versuchten sonst eigentlich, nicht auffälliger als nötig zu sein. Sie war vielleicht die mächtigste Halbgöttin Alagaësias, wenn auch nicht so, wie man das auf unserer Erde sehen würde, denn ihre Art der Fähigkeiten sah etwas anderes aus, aber sie lebte in einem einfachen Zelt, was man einzig und allein an der größeren Dichte Werkatzen, die in der Nähe herumlungerten, und einem Schild, „Hütet euch vor Ohrläusen", erkannte.
Was es mit ihren diesbezüglichen Warnungen auf sich hatte, wusste ich tatsächlich nicht. Die einzige halbwegs plausible Erklärung war für mich, dass das Codenamen für jemanden oder etwas waren. Es wäre ja möglich, dass sie irgendwann mal ein Versprechen abgegeben hatte, dass sie eine bestimmte Art von Information nicht preisgeben durfte und sie tat es auf diese Weise durch die Blume. Leider war das, wenn die Vermutung überhaupt korrekt war, eine sehr unspezifische Annahme. Es konnte vor der Warnung vor irgendwelchen sehr kleinen Wesen oder etwas ähnlichem über bestimmte Menschen, deren Namen sie dann zum Beispiel mit ‚wilde Kaninchen' ersetzte, bis hin zu gewissen Verhaltensmustern alles bedeuten. Wilde Kaninchen könnte zum Beispiel auch eine Anspielung auf hektisches und ängstliches Verhalten sein. Es war mir wirklich ein Rätsel, aber in ihre Gedanken eindringen, nur um diese Sachen zu verstehen, erschien mir zum einen unangemessen und zum anderen fehlte irgendwie der Reiz. Ich hatte nicht das Gefühl, aus ihren Gedanken alleine eine Antwort zu finden, die mir Befriedigung verschaffen würde, ganz davon abgesehen, dass Angelas Denkmuster ja durchaus auch sehr speziell waren, was das nachvollziehen häufig erschwerte. Ich hatte nicht oft in ihre Gedanken gesehen, aber die wenigen Blicke, die ich hatte erhaschen können, waren mehr als nur aussagekräftig gewesen. Ich fand Angela nett, aber die Art, wie sie dachte, war eindeutig nur für sie selbst bestimmt.
Ich klopfte an die Zeltluke. Eigentlich ist das natürlich nicht möglich, da es sich um Stoff handelt, aber ich erzeugte mit Magie die Illusion des Geräusches und bremste meine Faust so ab, als wäre sie gegen ein massives Objekt gestoßen. Von drinnen ertönte eine Stimme, die uns herein rief und mit ziemlicher Sicherheit zu Angela gehörte. Dieser Aufforderung kam ich gerne nach und schlüpfte hinein. Elfe und Reiter folgten mir und so standen wir nun zu viert im Zelt. Ziemlich voll. Sie bedeutete uns dennoch, uns zu setzen, indem sie auf den freien Boden deutete, während sie selbst sich auf ihr Feldbett setzte.
Angela war vermutlich das einzige Wesen hier im Lager, was sich trauen würde, in der Gesellschaft einer Elfe und eines Reiters den einzigen bequemen Sitzplatz für sich zu beanspruchen. Na gut, vielleicht nicht das einzige, König Orrin, und manchmal Nasuada oder Orik taten das auch, aber denen war das in unterschiedlichem Maße von ihrem Stand her zulässig. Nun gut, technisch gesehen war es keinem von ihnen auch nur gestattet aufzuschauen, ohne dass ich es ihnen gestattet hätte, aber das war etwas, was ich sehr gerne außen vor ließ. Göttliches recht mochte praktisch sein, wenn man gerade mit unerwünschten Leuten zu tun hatte, aber in den meisten Fällen war ich froh, kein Gebrauch davon machen zu müssen.
Ich erschuf drei hölzerne Schemel aus dem Nichts, die eigentlich nicht da, sondern nur materielle Illusionen waren. Zugegebenermaßen war der Unterschied zwischen dieser Art Illusion und der Realität verschwindend gering, aber es gab ihn. Diese Illusionen existierten einzig und allein, weil ich das wollte. Andere Dinge existierten, weil ich nicht explizit wollte, dass sie das nicht tun. Wenn mir ihre Existenz egal wäre, würden die Stühle verschwinden, aber der Rest bestehen bleiben.
„Was führt euch her und noch dazu, was veranlasst euch, mit einem vorgegaukelten Klopfen eure Zeit zu verschwenden?", fragte sie nun. „Bevor hier jemand auf die Idee kommt, lang auszuholen und detailliert zu erklären, mache ich es wohl schnell in deinem pragmatischen Stil. Es liegt eine große Eidechse auf der Mauer zu der Stadt, die uns im Weg liegt. Wir müssen da rein und da besagte Eidechse im Weg liegt, können wir nicht einfach durch das Haupttor. Theoretisch könnten wir schon, aber das würde anstrengend werden. Es gibt jedoch klare Hinweise, fast Beweise, dass ein unterirdischer Weg in die Stadt führt und dazu hätten wir dich gerne dabei. War das kurz genug, um dir nicht langweilig zu werden?" Die letzte Frage entlockte ihr ein amüsiertes Kichern. „War es, keine Sorge. Außerdem stimme ich zu, zu groß geratene Eidechsen können ein wenig anstrengend werden, wenn man sich an gewisse Regeln in Sachen Einmische halten muss." - „Einmische?", wollte Eragon wissen.
Ich zog eine Grimasse. „Es gibt für uns leider einige Regeln, die uns in unserer Handlungsfreiheit einschränken. Rein theoretisch müssen wir uns zwar nicht daran halten, denn wir würden keine Strafen für deren Bruch bekommen, aber es hätte weitreichende Probleme für die Zukunft zur Folge. So wäre es vermutlich den meisten von uns mit moderatem Aufwand möglich, Dorn von den Mauern zu fegen und die gesamte Stadt dem Erdboden gleich zu machen, aber wenn wir das tun würden, wäre das eine Welt, die von unseren Vorstellungen diktiert wird und wenn das wiederum der Fall ist, würde Frage naheliegen, warum es überhaupt noch selbstständig denkende Wesen geben sollte, wenn ihr Handeln sowieso egal ist, da ja eben alles von uns entschieden wird. Wenn man an diesem Punkt ist, fragt man sich, warum es überhaupt noch irgendwas reales geben sollte, wenn wir auch alles in unserem Kopf kreieren können. Ich glaube, das Problem wird deutlich. Mit einer sehr geringen Anzahl von Ausnahmen dürfen wir nicht alleine eine Entscheidung durchsetzen, wenn wir eine freie Welt wollen.
Nichtsdestotrotz dürfen wir Favoriten haben. Wir dürfen denen helfen, denen wir wollen, und wir dürfen auch im Kampf mitwirken, aber ihn eben nicht allein entscheiden. Das mag vielleicht recht verwirrend klingen, aber irgendwann entwickelt man ein Gespür dafür." Man brauchte keine Gedanken lesen, um zu wissen, was die drei dachten. Niemand hatte schon wirklich verstanden, was ich erklärt hatte, aber es schienen alle daran zu arbeiten und es bisher nicht vollkommen abwegig zu finden. Es ist eigentlich schade, dass auch Angela es noch verstehen musste, schließlich war sie ein Kind der Götter, aber da Götter dazu tendieren, vor allem ihre eigene Bequemlichkeit als Grundlage der Entscheidungen zu setzen und um ihrer eigenen Willen niemals jemandem dieses hochkomplexe System verraten, war es leider nichts besonderes, dass selbst ein Kind der Göttin der Weisheit es noch nicht so gehört hatte.
„Okay, darüber denke ich später nach. Ich bin jedenfalls dabei. Wann soll es von wo aus losgehen?", fragte die Hexe. „Tja, ich bin einfach mal so frei, die Entscheidung zu treffen, dass wir uns morgen Abend im Schutze der Dunkelheit auf den Weg zu diesen Tunneln machen. Wenn jemand etwas dagegen haben sollte", ich lächelte zuckersüß und setzte eine ganz eindeutig und mit Absicht geschauspielert unschuldige Miene auf, „dann möge er sich bitte bei mir melden. Ich freue mich auf ein Gespräch. Außer natürlich es ist ein Prioritäten verfehlender Monarch, dann freue ich mich nicht darauf."
Ich wusste, dass das letzte eigentlich Majestätsbeleidigung oder etwas ähnliches war, für dass normal Sterbliche bestimmt eine saftige Strafe bekommen hätten, aber ich hatte den Luxus auf meiner Seite, mich nicht um Strafen oder Ähnliches von einem Menschen scheren zu müssen. Dies kam mir grundsätzlich sehr gelegen, da ich es wertschätzte, frei sagen zu können, was ich dachte, weil es keine ungünstigen Konsequenzen für mich haben würde. „Wir sehen uns morgen am Rand des Lagers. Möchte einer von euch Nasuada über unseren Entschluss in Kenntnis setzen oder soll ich das machen?", wollte ich wissen.
„Weißt du", eröffnete Arya, „ich glaube, das würde ich gerne machen. Ich habe gerade irgendwie Lust, etwas zu verkünden, was eigentlich nicht hätte entschieden werden dürfen, und dafür ganz einfach zur Abwechslung mal die Verantwortung vollständig auf jemand anders schieben zu können. Wenn Orrin dabei ist, um so besser, dann wird entweder Nasuada oder letztendlich du, Hazel, ihn und seine Wut und Frustration wegen der Ignoranz gegenüber der Befehlsfolge in die Schranken weisen. Ich muss ja mit vielen Menschen auskommen, aber Orrin ist der einzige von Relevanz, der sich für so unglaublich wichtig hält, dass er vor diesen versammelten Anwesenden glaubt, sein Wort hätte das größte Gewicht. So anstrengend ist nichtmal der Adel meines Volkes."
Ich grinste und erklärte: „Ein großes Zugeständnis, aber ja. Es gibt immer solche Menschen. Für mich hat es sich als die effektivste Art des Umgangs herausgestellt, sie nicht wirklich ernst zu nehmen. Du hast ja gemerkt, wie ich mit unserem lieben Monarchen spreche. Solange er nichts in der Hand hat, was als Druckmittel gegen mich wirken könnte, kann ich sagen und machen was ich will. Ich möchte euch nicht raten, ihn so oft und offen zu beleidigen, wie ich es tue, aber ab und an kann es helfen, mit ihm ohne große Frustration umzugehen." Ein schelmisches Lächeln, was für Elfen wirklich eine wahrhafte Seltenheit ist, umspielte Aryas Mund, als sie in einem ganz offensichtlich mit Absicht nach falscher Unschuld klingenden Ton behauptete: „Ich würde doch niemals unfreundlich sein."
Auch wenn sie standesgemäß sehr fest in Sitten und Formalien drin steckte oder sie zumindest widerspruchslos befolgte, was vielleicht auch an der strengen und disziplinierten Erziehung lag, die im schönen Volk Gang und Gebe war, war klar, dass diese Elfe, vielleicht auch teilweise durch ihre Gesellschaft und Position verschuldet, durchaus bereit war, in vielen Punkten ein wenig mehr abzuweichen, um ein bisschen Lebensqualität über vollständigen Frieden auf den äußeren Ebenen setzte. Ich konnte mir ehrlich gesagt überhaupt nicht vorstellen, wie irgendein Wesen in der Lage sein sollte, durch das ganze Leben zu gehen und jedem Menschen ins Gesicht zu lügen, man würde mit ihm auskommen. Ich vermute, an einem einzigen Tag hätte ich in Ellesméra mehr Elfen beleidigt, als die meisten von ihnen in ihrem ganzen Leben. Ist das etwas, worauf man stolz sein sollte? Vermutlich nicht. War ich es trotzdem? Vielleicht.
Roran pov
Frank verwandelte sich nicht in eine Fackel, was ich zugegebenermaßen schade fand, da ich es gerne gesehen hätte, aber er ließ von seinen Fingern zwei Funken springen, die sich an zwei Ecken an die Fässer hefteten und sich... scheinbar von außen durch das Holz fraßen. Ich konnte es nicht genau sehen, es war als würde man in die Glut eines Lagerfeuers gucken, aber für mich hatte es den Anschein, als würde es sich dabei um zwei Käfer handeln. Wie können Käfer glühen und dabei überleben?
„Also an deiner Stelle würde ich die Fässer jetzt ins Rollen bringen, es sei denn, du willst uns und nicht die Grafenfamilie ausräuchern", merkte Frank neben mir leicht sarkastisch an. Ich sah zwar noch kein Feuer, aber ich hatte das Gefühl, dass mein neu entwickelter Codex eigentlich eine gute Idee war. Ich sollte garnicht erst versuchen zu verstehen, was er mir erklären will, ich sollte es schlicht und ergreifend als feststehende Wahrheit behandeln.
Ich stemmte mich mit dem Rücken gegen das vordere der beiden Fässer und winkte den Anderen, mit dem zweiten das selbe zu tun. Ich erreichte den Punkt, ab dem es nach unten ging, und sobald ich den Druck in meinem Rücken schwinden spürte, ging ich zur Seite um denen hinter mir freie Bahn zu lassen. Ich sah meinem Fass hinterher und konnte mit allen Sinnen gleichzeitig wahrnehmen was unten vor sich ging. Ich konnte die Hitze spüren, als sie in Flammen aufgingen. Ich spürte nach wenigen Sekunden einen widerlichen Geschmack auf der Zunge, das Krachen war wohl kaum zu überhören, der Gestank war so beißend, dass riechen schon eine recht beschönigende Bezeichnung für das ist, was meine Nase da gerade veranstaltete und die Stichflamme war ohne weiteres zu sehen. Nun rollte auch das zweite Fass hinterher und die Tür unten war zerstört, aber dennoch so frei, dass dort jemand vorbei kommen würde, der um Gnade bitten und sich ergeben wollte.
„Schließt die Tür!", befahl ich denen, die dieser am nächsten standen. Sie taten wie geheißen und so blieb unser Korridor weitestgehend rauchfrei. An den Ritzen quoll noch ein wenig schwarz-grauer Dampf heraus, aber wenig genug um für die Zeit, die wir warten würden, keine Bedrohung für unser Leben darzustellen. Zumindest für langer als für die, die im Weinkeller vermutlich am Boden klebten, um möglichst lange noch halbwegs normale Luft atmen zu können. Lange würde das jedoch nicht funktionieren.
Gefühlte Zeit war, wenn man unter der Erde war und gerade wartete, etwas sehr ungenaues, aber nach meinem Gefühl verstrich etwa eine Minute, bis das erste mal ein Klopfen ertönte. Der nächststehende Soldat blickte mich fragend an und ich nickte ihm zu. Er öffnete die Tür und ein hustender, mit Staub und Spinnenweben bedeckter Mann, der sich einen Teil seines Gewandes vors Gesicht hielt, kam zum Vorschein. Nachdem ich einen Blick in den Gang geworfen hatte, konnte ich sehen, dass der Rauch noch etwa einen Meter über dem Boden war, der eben eingelassene, aber bisher der einzige war, der das baldige Grab verlassen zu wollen schien.
Ich symbolisierte dem an der Tür Stehenden, dass er selbige wieder schließen sollte und er tat es ohne weitere Fragen. Der Neuankömmling keuchte mehrfach und brach dann zusammen. Wenn er jetzt schon so weit war, wie mochte es dann erst den Anderen ergehen? „Keine Sorge, der hat nur zu viel Rauch eingeatmet. Ich könnte dir erklären, wie genau das funktioniert, aber ich glaube, dass würde auch nicht weiterhelfen. Sagen wir einfach, er muss ein bisschen atmen, damit wieder frische Luft in seine Lungen kommt", kam es von der selben Person, von der nahezu alle derartigen, sachdienlichen Hinweise in dieser Zeit kamen, seit wir den Platz, auf dem Carn gestorben war, verlassen hatten. Er sollte natürlich recht behalten, der nun am Boden Liegende keuchte und atmete sehr flach, aber immer weiter wurde seine Atmung wieder normal, bis er es schafft, sich flach auf den Rücken zu drehen und so tief ein und auszuatmen.
Sobald ich klar sehen konnte, dass er wieder normal wahrnehmungsfähig war, deutete ich in die Ecke, welche weiter von der Tür entfernt war und sagte: „Herzlichen Glückwunsch, du hast dich für das Leben entschieden. Sei so freundlich und warte dort in der Ecke ohne weitere Versuche des Widerstandes, bis es neue Anweisungen gibt. Da du bereits Gegenwehr geleistet hast, indem du ebenfalls an der Verbarrikadierung dieses Kellers beteiligt warst, können wir dich nicht vollkommen ungeschoren davonkommen lassen." An diesem Punkt legte ich eine kleine Pause ein um zu sehen, ob er in irgendeiner Weise reagieren würde. Tat er nicht wirklich. Er nickte ergeben und trottete in die besagte Ecke.
„Das bedeutet", hängte ich an, „dass wir dich vorerst, bis vermutlich zum Ende des Krieges, nicht frei rumlaufen lassen können. Genaueres ist noch nicht festgelegt, aber es läuft vermutlich auf Aufenthalt in bestimmten, festgelegten Bereichen mit einer geringeren Menge an Gesellschaft hinaus. Es ist in Ordnung, dass du dich nicht gegen deine Aufgabe aufgelehnt hast, aber es zeigt, dass du nicht entschieden auf unserer Seite stehst, ein Umstand, den wir beachten müssen."
Das Gesicht des Mannes hellte sich sichtbar auf. Womit genau er gerechnet hatte, wusste ich nicht, aber scheinbar war es schlechter als das, was ich ihm versprochen hatte. Neben mir beugte sich Frank in meine Richtung und flüsterte so leise, dass es niemand anderes und ich auch nur mit Mühen verstehen konnte, „Gib ihm die Aufgabe, jedem weiteren, der sich an seiner Entscheidung ein Beispiel nimmt, diese Informationen weiterzugeben. Das wird bewirken, dass er selbst mehr von der Richtigkeit deines Planes überzeugt wird. So funktionieren alle Lebewesen. Wenn sie jemanden etwas erklären, suchen sie automatisch nach Gründen dafür und festigen damit die Ansicht, die sie erklären, auch wenn es zu dem Zeitpunkt noch nicht die ihre ist." Was es für Zufälle gibt. Man öffnet ein Buch, weil man sich für die entsprechenden Fantasy-Geschichten interessiert und auf einmal lernt man etwas über reale Psychologie. Verrückt, oder?
Tatsächlich klang diese Behauptung in meinen Ohren sogar plausibel. Ich wusste aus eigener Erfahrung, dass ich mich bei einem Konflikt automatisch gegen jedes Argument von jemand anders wehrte. Entwickelte ich das Argument jedoch selbst, musste ich schließlich darüber nachdenken, warum die andere Seite so dachte, wie sie dachte und das wiederum würde sie vermutlich für mich nachvollziehbar machen. „Hey, du, wie heißt du?", wollte ich nun von der Leibwache wissen, die nun in der Ecke stand. „Harald, Herr", antwortete er unsicher.
„Harald, du bekommst für die nächsten Minuten eine Aufgabe von mir. Wenn sich noch jemand so vernünftig entscheidet wie du, wirst du ihm erklären, was ich dir eben über dein kurzfristiges Schicksal erklärt habe." Ich wollte noch nach seiner Bestätigung fragen, doch ich wurde von erneutem Klopfen unterbrochen.
Erneut gab ich dem der Tür Nächststehenden die entsprechende Geste zum Öffnen und dahinter standen zwei Männer, die sich ebenfalls ihre Gewänder vor den Mund hielten. Sie jedoch kamen nicht dazu, wirklich in den Gang zu treten. Beim ersten Schritt brachen sie zusammen, schneller noch als ihr Vorgänger. Auch sie röchelten und es dauerte auch bei ihnen eine Zeit, bis sie wieder wirklich zu sich kamen. Ich blickte hinab zum Treppenabsatz. Der Rauch war nicht mehr viel mehr als ein Fuß über dem Boden. Gerade genug um auf dem Bauch liegend noch nicht vollständig darin zu sein. Wer jedoch nicht in den nächsten 10 Sekunden seine Entscheidung treffen würde, wäre vermutlich auf alle Zeit verloren.
Nun kamen mir wieder die Rufe in Erinnerung, die ich rein vom Gefühl her der Tochter des Grafen zugeordnet hatte. Sie hatte so geklungen, als sei es ihr Vater, nicht ihr Widerstandswillen, der sie dort unten hielt und ich meine das nicht wie ein Familiendrama, wo sie ihren Vater nicht allein lassen will, sondern der Vater sie nicht gehen lässt. Ich konnte mich natürlich irren, aber das Szenario gefiel mir nicht.
Und es gab noch jemanden, dem dies nicht zu gefallen schien. Frank schrumpfte neben mir auf Hüfthöhe und landete auf allen Vieren. Sein Gesicht lief spitzer zu, bis es wie eine Schnauze aussah, und seine Kleidung wurde binnen eines Augenblicks zu schwarzen Haaren, ohne das man es während des Prozesses von einem Moment auf den nächsten hätte merken können, so fließend war der Übergang. Der schwarze Hund sprang die Treppe hinab und verschwand im Rauch. Auch wenn mich das in meiner Vermutung von zuvor, dass er sich verwandeln konnte, bestätigte, war mein Kopf jetzt voll mit Fragen, Sorgen und Unverständnis. Was hatte er vor? Sich selbst ersticken?
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3058 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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