Kap. 71 Eine gemeinsame Idee
Arya pov
Ich weiß nicht mehr, wann ich mich das letzte Mal so unsicher gefühlt habe. Seit über achtzig Jahren hatte ich einen eisernen Vorhang um meine Gedanken gezogen, den noch niemand hatte gegen meinen Willen brechen können, und es war gut möglich, dass die einzige Ausnahme Galbatorix persönlich wäre. Mit den vergehenden Jahren hatte ich Fäolin immer weitere Ausschnitte davon geöffnet. Damals war es aber leichter, weil wir schon sehr lange zusammen gereist waren. Außerdem hatte ich mit ihm, wenn auch zu großen Teilen, weil es keinen Anlass gab, nicht über diese Möglichkeit gesprochen, wegen der ich jetzt Eragon hergebeten hatte. Quasi die gesamte Zeit, die ich wartete, machte ich mir Gedanken, ob das wirklich eine gute Idee wäre. Ich wusste, dass ich nun nicht mehr wirklich einen Rückzieher machen und behaupten konnte, dass ich mich doch umentschieden hätte.
Zum einen war ich mir inzwischen schon so sicher, dass er diese Möglichkeit nicht ausnutzen würde, dass ich sie überhaupt erst in Betracht zog, was bei meinem durch meine Vergangenheit begründeten Argwohn durchaus aussagekräftig ist, aber zum anderen hatte ich auch enorm Angst, dass ich einen Fehler begehen würde. Schon als ich bei unserem letzten in dieser Art privaten Gespräch meinem ersten Impuls widerstanden hatte, bei meiner Gefühlsisolierung zu bleiben und rauszurennen, hatte ich diese Befürchtung gehabt, aber es war nicht so konkret gewesen.
Jetzt war es eine Chance, die man ergreifen oder abweisen konnte und ich wusste, dass die Vorteile zu groß waren, um sie einfach zu ignorieren. Ich wurde aus meinen Gedanken geschreckt, als ich ein leises Klopfen vernahm. Fragt nicht, warum mir ausgerechnet das auffiel, obwohl es im Vergleich zum allgegenwärtigen Hintergrundlärm des Lagers kaum hervorstach, Nennt sich Handlungsbegünstigung... Nein, wie kommst du denn darauf? Ich rieche eine leichte Form von Ironie. Beeindruckend, du hast eine gute Nase, fast einer aus Hunderttausend hätte es nicht bemerkt, so leicht war dieses Aroma. Jetzt verarscht du mich aber! Nein, sowas gibts doch nicht, dein Gespür dafür wird ja immer besser! aber auf jeden Fall war es so.
Vielleicht lag es an dem plötzlichen impulshaftem Laut, wohingegen das meiste andere eher an ein monotones Rauschen erinnerte, von dem man manchmal Fetzen verstand, oder daran, dass der Klang vergleichsweise sehr klar war und somit von sehr nahe zu kommen schien. Vielleicht spielte die allgegenwärtige Überwachung meiner Umgebung auf Gedankenebene, mit der jeder von den Elfen Ausgebildete sich vor Hinterhalten schützte, auch da mit hinein. Was es auch sein mochte, machte für mich letztlich keinen Unterschied. Ich rief die Person, von der ich sowieso wusste, dass es Eragon war, hinein. So viele verschiedene Leute gab es nicht, die mich zu dieser Stunde noch besuchen würden.
Um eine unangenehme Situation direkt am Anfang zu vermeiden, wies ich auf das Bett mir gegenüber und sagte: „Schön dass du gekommen bist. Setz dich." Ich selbst saß auf einem aus geflochtenen Ästen zu bestehen scheinenden Hocker. Eigentlich war er nur sehr filigran aus einem Baum gesungen und so verzaubert worden, dass man ihn fast
falten konnte. Alle Einrichtungsgegenstände in diesem Zelt waren grundlegend so hergestellt. Für die meisten hier war es ein großer Teil der täglichen Routine, ihre Sachen auf und wieder abzubauen, aber ich sah keinen Grund, diese Möglichkeit des Komforts durch Magie in den Wind zu schlagen. Wenn ich wirklich wollte, ließe sich der gesamte Inhalt dieses Zeltes in einen großen Rucksack stopfen.
Während ich über den Transport meiner Inneneinrichtung nachgedacht hatte, hatte Eragon sich auf dem ihm zugewiesenen Platz niedergelassen und saß in einer Haltung dort, von der ich ablesen konnte, dass er zumindest angespannt war, gleichzeitig jedoch versuchte, diese Anspannung zu verstecken. Niedlich. Bei einem Menschen hätte das vielleicht klappen können, doch eigentlich müsste er wissen, dass er es nie schafft, irgendeine Form von negativ beeinflussten Emotionen lange zu verstecken. Ich konnte ihm da keinen Vorwurf machen, um die undurchdringliche Maske zu erlangen, auf die jeder bei mir stieß, hatte ich Jahre benötigt, in denen das Verstecken von Gefühlen meine nahezu einzige Aufgabe war.
Auch wenn ich dazu eigentlich die letzten Stunden Zeit gehabt haben sollte, brauchte ich erneut einen Moment, um mich zu sammeln. Es herrschte Stille, die zu durchbrechen er scheinbar nicht wagte und ich noch überlegte, wie ich es am besten anstellen sollte. Schließlich sagte ich leise: „Der Grund, aus dem ich erst jetzt und unter vier Augen mit dir reden wollte, ist recht simpel. Achtung, plot twist, es geht nicht um Magie sondern sie erzählt ihm jetzt, dass sie schwanger ist. W... was zum Percy, ich weiß ja, dass ich manchmal komische Gedanken habe, aber wie zum auf-wen-auch-immer-ich -fluchen-soll bist du auf DIESE Idee gekommen? Das ist auf mehr Ebenen absurd als ich bisher wusste, dass es überhaupt Ebenen gibt. Es geht um Wissen, das selbst im schönen Volk nur spärlich gesät und noch kärger angewandt wird. Ich habe es einmal von einem Gespräch meiner Mutter, bei dem ich nicht hätte zuhören sollen, aufgeschnappt und danach Rhunön solange mit Fragen bedrängt, bis es sie so sehr von ihrer Arbeit abgelenkt hat, dass sie es mir lieber erzählte, um danach ihre Ruhe zu haben."
Ich musste leicht schmunzeln, als ich an das mürrische Gesicht der Alten zurückdachte, nachdem ich ihr zu verstehen gegeben hatte, ich würde sie nicht in Ruhe arbeiten lassen, solange ich das Gehörte nicht verstand. Als er immernoch schwieg, fuhr ich fort: „Es geht um eine Möglichkeit, eine geistige Hintertür einzurichten. Diese ermöglicht es einem anderen Menschen, deinen Geist zu betreten, ohne dass du ihm Zugang gewähren musst. Dabei wird deine Abwehr für andere nicht leichter zu überwinden. Dieser geheime Eingang ist auf keine Weise von jemand anders weiter verbreitbar. Er lässt sich vergleichen mit der unterschwelligen Präsenz zwischen dir und Saphira, wenn ihr euch von einander für den Kampf abschirmt, nur dass es sich nicht auf diese wenigen Informationen beschränkt sondern bis hin zu lesen und sogar steuern der Gedanken alles möglich macht. Der Zauber ist immer beidseitig und er lässt sich vermutlich nicht von einem Wesen mit weniger Macht, als es beispielsweise Annabeth hat, auflösen. Bist du so weit mitgekommen?"
Sein Gesichtsausdruck hätte eigentlich für sich sprechen und mir ein klares ‚nein' übermitteln können, aber nach einem weiteren stillen Moment sagte er langsam: „Soweit denke ich schon. Aber ich habe erstmal noch zwei Fragen. Zum einen, wie oft ist es in der Geschichte schon vorgekommen, dass dieser Zauber angewandt wird? Zum anderen, wenn jeder Zugang zum Geist des anderen hat, ist dann nicht auch jeder in der Lage, den jeweils anderen augenblicklich zu töten?" Ich musste schmunzeln. Er hatte direkt die zwei entscheidenden Punkte, die ich noch nicht genannt hatte, erraten.
„Ein einziges Mal wurde diese Magie angewandt. Es ist über tausend Jahre her und endete in einem riesigen Desaster. Die beiden Elfen, die diesen Zauber zu Testzwecken erforschten, zwangen damals über ihre Gedanken den jeweils anderen mehrfach zu Untaten, mit denen sie sich selbst bereicherten. Beide Seiten bestritten ihre Verantwortung und am Ende brachten sich beide gegenseitig um. Auch wenn es in jeder Generation viele von uns gab, die der Meinung waren, dass dieses Ereignis nicht am Zauber sondern an den Charakteren der ausführenden Magier gelegen hat, waren die wenigen, die über jenen Zauber informiert waren, seitdem nie wieder versucht, ihn anzuwenden. Ein sicherlich relevanter Aspekt bei dieser Entscheidung ist allerdings auch, dass es seitdem nur die Schlachten auf Vroengard und in Ilirea gegen Galbatorix gegeben hat, in denen es hilfreich gewesen wäre.
Auch wenn die Anwendung nie weiter fortgeführt wurde, wurde weiterhin daran geforscht und wie zu erwarten, ist der Kampf von Magiern als Team gegen andere Magier der einzige Ort, an dem eine solche Praktik einen Mehrwert hat. Ansonsten, du hast sehr gut erkannt, beide Seiten wären in der Lage, die jeweils Andere von einem Augenblick auf den anderen tot umfallen zu lassen. Es wäre aus verschiedensten Gründen nicht klug, darunter der, dass man als Täter sehr leicht zu identifizieren wäre, aber rein hypothetisch besteht diese Möglichkeit."
„Und du hast mich her gebeten, weil..." Ich seufzte und versuchte mir selbst einzureden, dass das mein letzter Ausweg war. Leider wusste ich genau, dass dem nicht so war. Egal was ich anderes täte, es würde sehr komisch wirken. „Weil ich in den letzten Tagen so oft darüber nachgedacht habe, ob das Risiko wirklich so hoch ist und was für Vorteile es bieten würde. Es hat lange gedauert, da ich jedes Mal schon nahezu alle Energie in den Tag investiere, aber irgendwann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das Risiko wirklich ausschließlich in den Teilnehmenden liegt."
Ich legte eine Pause ein. Weniger um Spannung aufzubauen, eher weil ich meine Gedanken ordnen wollte, bevor ich noch etwas sagen würde, was ich später bereuen müsste. „Für elfische Verhältnisse kenne ich dich noch nicht lange, aber ich habe an verschiedensten Stellen deinen Geist und deine Handlungen für dich sprechen sehen. Kurz gesagt glaube ich, dir so weit vertrauen zu können, um diesen Schritt zu gehen, und würde in Anbetracht der monumentalen Vorteile diese Bindung zwischen uns in Betracht ziehen, wenn es dir genauso geht. Bedenke deine Entscheidung gut, denn im Falle einer Zustimmung gibt es kein zurück mehr."
Zu meiner Erleichterung kam keine hastige Antwort. Das beruhigte mich in dem Aspekt, dass er es nicht auf die leichte Schulter zu nehmen schien. Hätte er das, hätte ich vielleicht meine Entscheidung nochmals revidieren müssen. Nach mehreren Minuten des Schweigens sagte er schließlich: „Ich habe schon länger auf eine solche Möglichkeit gewartet, aber jetzt, wo sie da ist... Ich weiß nicht mehr, ob ich mir das selbst zutraue. Ich... Ich habe Angst vor so viel Einfluss, glaube ich." Resigniert senkte er den Kopf.
Ich wirkte dem entgegen, indem ich eine Hand unter sein Kinn legte und ihn dazu brachte, mich wieder anzuschauen. „Ach Eragon, es geht hier nicht um Kontrolle. Selbst wenn es so wäre, hast du doch bereits jetzt die Möglichkeit, bei fast jedem nicht Elf auf diese Weise einzugreifen, aber das ist hier erstmal nicht gefragt. Ich schlage das als ein Zeichen des Vertrauens und parallel eine Möglichkeit zur Abstimmung im Kampf vor. Das einzige, was du falsch machen kannst, wäre mutwillig in Gefilde meiner Gedanken vorzudringen, in denen du nichts zu suchen hast, und diese Lektion wäre selbst dann selbstverständlich, wenn du sie nicht schon vor langer Zeit gelernt hättest. Wenn du dich an diese Regel hältst, ist deine Eigenverantwortung in dieser Frage erledigt und du musst dir nur darüber im Klaren sein, ob du bereit bist, zumindest einen unvermeidlichen Einblick für mich in Gedanken deinerseits zuzulassen. Diese Entscheidung hängt an dir und du kannst frei wählen, in beiden Fällen ist es in Ordnung."
Aufbauend zu jemandem zu sprechen, war nie meine Stärke gewesen, insbesondere auf Persönlichkeitsebene, aber dafür fand ich, dass es mir recht gut gelungen war. Das machte ich sowohl an dem gefühlten Inhalt, als auch an seinem neuen Gesichtsausdruck fest. Leise, so dass jemand mit menschlichem Gehör vermutlich das wenigste davon verstanden hätte, murmelte er halb für sich selbst: „Du weißt doch eh schon das meiste, worüber ich nachdenke." Und dann wieder etwas lauter, „Du warst so oft in meinen Gedanken, ob für Übungen, in Übungskämpfen oder weil ich nicht wusste, dass Elfen im geistigen Kampf selbst stark geschwächt mächtiger als jeder Mensch sind. Dementsprechend macht es für mich, abgesehen von der Regelmäßigkeit, wahrscheinlich keinen wirklichen Unterschied. Wenn du weißt, wie man diesen Zauber anwendet, nehme ich gerne an dieser Bindung teil. Ich... Ich vertraue dir, dass du mich damit nicht in die Irre führst oder in eine Falle lockst."
Ich musste schmunzeln. „Dein Vertrauen ehrt und freut mich, Shurtugal. Und du kannst dir sicher sein, wenn ich dir eine Falle stellen sollte, würde ich das deutlich raffinierter tun, als dich zu fragen, ob du jeden geistigen Schutz gegen mich auflösen möchtest. In deiner Familie mögen solche Pläne, die so offensichtlich sind, dass sie niemand erwartet, recht verbreitet sein, aber ich verlasse mich lieber auf auserlesene Ideen. Mich beispielsweise für Jahrzehnte als Verbündete ausgeben und mir dann, wenn es niemand erwartet, ein leichtes Spiel zu machen." Ich musste mich stark bemühen, nicht laut loszulachen, als ich einen Schatten von Panik über sein Gesicht huschen sah.
Es war mehr als nur amüsant zu sehen, dass er mir das zutraute. Er schien sich allerdings schnell genug wieder zu fangen, um zu erkennen, dass ich bloß einen Witz gemacht hatte, was ja doch etwas seltener passierte. Immer noch mein Lachen unterdrückend fragte ich schließlich: „Gibt es noch etwas, dass du vorher machen willst, möchtest du noch mit jemandem sprechen oder es dir nochmal durch den Kopf gehen lassen?"
Er schien nachzudenken, aber ich war mir relativ sicher, dass das in diesem Fall mit einem Gespräch mit Saphira auf Gedankenebene gleichzusetzen war. „Die Einzige, mit der ich mich absprechen müsste, wäre Saphira und das habe ich bereits vorhin getan. Hätte ich es nicht, würden wir vermutlich gerade genau hier unter einem riesigen Berg Schuppen und den Überresten des Zeltes begraben sein und sie würde mir einen Vortrag über Verantwortung halten." Seine Ausführung wurde überraschend unterbrochen, als jene Drachendame sich für einen Moment gedanklich einschaltete. „Da hat er absolut recht." Ob es hinter diesem Satz einen tieferen Sinn als Ironie gab, konnte ich nicht beurteilen, bekam jedoch auch keine Gelegenheit dazu, da Eragon fortfuhr: „Je länger ich nachdenke, desto weniger Ergebnisse kommen dabei heraus und desto mehr stelle ich das alles in Frage. Bringt also nichts, von mir aus können wir es gleich tun."
Ich nickte und bat ihn dann: „Du musst mir dabei etwas zur Hand gehen. Genau genommen musst du genauso daran beteiligt sein wie ich, denn dieser Zauber basiert zu großen Teilen auf der einwandfreien Erkennung zweierlei Geister. Bei der einen vergangenen erfolgreichen Anwendung ist es dadurch gelungen, dass die beiden Elfen über Gedanken offen miteinander verbunden waren. Da wir nicht hier sind, um zu experimentieren, würde ich es genau nach diesem Beispiel aufbauen." - „Das klingt soweit sinnvoll. Aber wie lautet der entsprechende Spruch? Ich sehe hier keine Niederschriften, in denen er verewigt wäre."
Der helle Klang meines Lachens füllte das Zelt. „Nein, Eragon, einen solchen Zauber wirkt man nicht mit einem festgeschrieben Spruch. Das kannst du machen, wenn du dein Schwert schützen willst oder dergleichen mehr. Das hier ist eine Form der Magie, die der der Drachen recht nah kommt. Magie ohne Worte." Damit schien ich ihn überrascht zu haben. Möglicherweise lag das daran, dass diese Reinform der Macht in seinem Unterricht bisher noch hauptsächlich dem Kampf diente. Solch mächtige Zauber hatte er selbst noch nie ohne Worte ausgelöst. Nun ja, einmal ist immer das erste Mal.
„Das schöne ist,", fuhr ich fort, „in diesem Fall ist es garnicht mal so weit weg von dem, was du im Duell zwischen Magiern machst, mit dem einen Unterschied, dass du es hier mit Magie auf Dauer machst. Du hast bereits einen Zauber gewirkt, ohne Worte zu sprechen oder sie auch nur zu denken. Was du nun tun musst, ist deinen Zauber in deiner Vorstellung so zu gestalten, dass er deinen gedanklichen Schutzwall auf eine Art verändert, die ganz spezifisch einen einzigen Geist, in diesem Fall meinen, durchlässt. Du kannst auch den gesamten Aufbau deiner Verteidigung jedes einzelne Mal von Grund auf so ändern, aber in einem Kampf werden dabei Fehler unterlaufen und noch dazu müsstest du dir das Schützen deines Geistes nochmals von Grund auf neu beibringen.
Du erinnerst dich, als Oromis dir erklärt hat, wie unsere Gemüter gestrickt sind? Eine Landschaft mit verschiedenen Orten, einem Zentrum und bestenfalls guten Befestigungen. Du kannst dir die Magie laut Rhunöns Erklärung so vorstellen, als würde die Magie ein Tor in diese Befestigung einbauen. Dieser Eingang ist von außen absolut nicht mit dem Rest des Walls unterscheidbar, aber kommt ein anderer Geist als, im übertragenen Sinne, Schlüssel an diese Stelle, öffnet sich dieser Durchgang für diese Person."
Seinem Blick nach zu urteilen, war der Inhalt zwar irgendwie angekommen, jedoch wirkte er nicht so, als habe er eine Idee für die Art und Weise, wie er es umsetzten sollte. „Die Verzierungen dazu musst du dir überlegen, insbesondere im Hinblick darauf, ob andere diesen Schlüssel nutzen können. Das entscheidende dafür ist aber, dass du dir Zeit nimmst. Auch wenn du normalerweise eher in einer Druck-Situation auf Magie zurückgreifen musst, jetzt gibt es keinen Anlass zur Hektik. Es ist wichtiger, dass du diese Verbindung ordentlich aufbaust und schützt, als dass du ein paar Minuten schneller fertig bist.
Es gibt prinzipiell drei Anforderungen. Erstens muss der Zugang klar und funktional sein, sodass er eben diesen Zugang ermöglicht. Zweitens muss er so einmalig sein, dass die Erkennung wirklich so kompliziert ist, dass niemand sonst, egal wie ähnlich er dir ist, den Schlüssel benutzen kann. Drittens, er ist kein Loch, sondern ein fester Bestandteil. Dein Schutzwall sollte dadurch keine allgemeinen Einschränkungen davontragen."
Zögerlich nickte er. Ich schloss meine Augen und sandte meinen Geist aus. Mit meinen geistigen Fühlern klopfte ich sanft an das Haupttor der Lande seiner Gedanken. Die Reaktion war zuerst eine reflexhafte Verstärkung. Die saphirblauen, fließend ineinander übergehenden Schuppen, mit denen er sich zu schützen pflegte, zogen sich noch fester zusammen und wenn sie vorher schon glatt gewesen waren, hätte nun vermutlich nichtmal eine Nadel oder etwas ähnlich Spitzes halt gefunden. Ich hatte in den letzten Wochen festgestellt, dass auch dieser Schutz Probleme mit sich brachte, aber für den Moment hatte ich ja sowieso nicht vor, ihn zu durchbrechen.
Ich klopfte nochmals an, ebenfalls nur leicht, um ihn daran zu erinnern, dass das erforderlich war, um diese Verbindung zuverlässig aufbauen zu können. Es schien zu funktionieren. Das Tor, an das ich eben noch geklopft hatte, schwang nun auf.
Wenn ein Wesen in den Geist eines anderen eindringt, ist das etwa so, als sei man ein magiebegabter Reisender. Man konnte überall mithören, wenn man wollte. Man konnte sich frei bewegen. Man konnte die Umgebung frei erkunden. Wenn ein Wesen den Geist eines anderen übernahm, war das, als würde der König und sein Gefolge im Reich durch den anderen ersetzt. Er konnte alles steuern, hören und beeinflussen. Wenn zwei Wesen ihren Geist vereinigten, so lösten sich die Grenzen dadurch auf. Nach außen hin bestand der Schutz aus dem beider Individuen. Im Inneren jedoch war nun ein Land, in dem jeder zwar einem der beiden Reiche angehörte, sich jedoch mit jedem aus dem anderen verstand. Auf diese Weise konnten beide Parteien alles hören, beide Parteien könnten die andere beeinflussen und wenn sie wollten, auch die Kontrolle über die anderen versuchen zu übernehmen.
Dadurch, dass ich beim Eintreten die gesamte Präsenz meines Geistes hinter mir her zog, trat sehr schnell der dritte dieser Zustände ein. „Wenn du noch Fragen hast oder irgendetwas unklar ist, sag Bescheid." Von seiner Seite ging Zustimmung aus und so machte ich mich frisch ans Werk.
Auch wenn ich mich auf theoretischer Ebene schon seit einiger Zeit mit diesem Thema auseinandergesetzt hatte, war die praktische Anwendung nochmal etwas ganz anderes. Eigentlich etwas, das sich auf fast alle Bereiche des Lebens anwenden lässt. Um einen wirksamen Durchlass, gleichzeitig aber auch einen weiterhin einwandfrei funktionierenden Schutz zu garantieren, musste ich sicherstellen, dass ein eindringender Geist alle eindeutigen Charaktermerkmale von Eragon erfüllte, um keinen falschen einzulassen. Gleichzeitig musste aber auch genug Spielraum für seine Charakterentwicklung sein, denn anderenfalls waren die Chancen zu hoch, dass diese Methode in wenigen Tagen nicht mehr funktionierte.
Um solche Merkmale, die sicher unverändert bleiben würden, zu finden, musste ich sehr tief in seinem Inneren nachgraben. Schnell fand ich heraus, dass der Knackpunkt sich um die extrem rar gesäte Verbindung mit Saphira drehte. Zweifelsohne wären die massiven Veränderungen, die die Verbindung zum ältesten Volk und die damit einhergehende Gedwëy Ignasia hinterließen, kein hinreichender Beweis, aber ihr Nichtvorhandensein wäre bereits ein sicheres Ausschlusskriterium. Um weitere eindeutige Eigenschaften zu finden oder einige, deren Existenz ich bereits vermutete, zu bestätigen, musste ich weiter vordringen.
Ein oder zwei Male fragte ich ihn dabei auch nach seiner Erlaubnis. Nach einem Moment des Schweigens bekam ich diese jedoch ausnahmslos jedes Mal. Auch er fragte an einigen Stellen nach, jedoch deutlich öfter als ich. Das lag wohl zum einen daran, dass er mich gut genug kannte, um zu wissen, wie wichtig mir meine Geheimnisse waren, zum anderen aber auch einfach an meinem um ein Vielfaches höheren Alter und der damit einhergehenden Erfahrung, sowie Komplexität meiner Persönlichkeit.
Während ich nachgrub, erkannte ich, ob gleich vieler guten Dinge, beispielsweise einige Eigenschaften, die so festgestampft waren, dass sie sich höchstwahrscheinlich nie ändern würden, etwas sehr beeindruckendes. Je mehr ich erfuhr, desto näher kam ich bei dieser Suche seinem wahren Namen. Dieser würde noch viel mehr Kontrolle geben, als dieser Zugang zu seinem Geist. Mit diesem wäre ich in der Lage, ihm absolut alles zu befehlen und mir gleichzeitig sicher zu sein, dass er nicht einmal die Chance für einen Akt der Rache hätte. Er wäre, sofern ich das wollte, mein hilfloser und willenloser Diener. Ich überlegte, ob ich dieses Wissen überhaupt wollte. Die Versuchung war zugegebenermaßen enorm.
Gleichzeitig entschied ich jedoch, dass das nicht das war, was ich erreichen wollte. Einen willfährigen Sklaven konnte ich mir immernoch bei anderen Gelegenheiten machen, wenn ich mal einen brauchen sollte, aber hier wäre es in jeder Hinsicht kontraproduktiv... ganz davon abgesehen, dass ich den jungen Reiter auch so als den Umständen entsprechend unabhängiges Individuum zu schätzen gelernt hatte. Mit immer noch einiger Überwindung wandte ich meinen Fokus von dem wahren Namen ab und konzentrierte mich wieder auf die für meine eigentliche Aufgabe wichtigen Aspekte.
Alles in allem konnte man diese Arbeit als mühselig, aber trotzdem befriedigend bezeichnen. Zum einen dauerte es für jedes einzelne Detail länger, es zu suchen und zu überprüfen, wie geeignet es war, aber zum anderen konnte man in seinen eigenen Gedanken mit jedem mal besser sehen, wie sich das ganze mehr und mehr zu einem großen Ganzen zusammenfügte.
Nach bestimmt zwei Stunden hatte ich ein Netz aus Informationen, Erkennungs- und Ausschlussmerkmalen beisammen. Ich gab Eragon einen Hinweis und ein paar Minuten später erklärte er: „Ich habe denke ich auch alles, was ich finden kann.", und dann, nicht mehr in Gedanken: „Braucht dieser Zauber sehr viel Energie?" Ich schüttelte den Kopf. „Kaum und das auch nur einmalig. Es ist theoretisch eine einmalige, permanente Veränderung deiner geistigen Befestigung und wenn du es selbst willst, dann wirkst du sie ja nichtmal gegen irgendeinen Widerstand, der sonst dein Wille sein könnte. Wenn der Durchgang einmal da ist, bleibt das auch so. Falls diese Frage bedeuten soll, ob du Saphiras Energie dafür brauchst, nein, tust du nicht. Laut den Angaben der zwei Entdecker waren sie danach nur etwas müde."
Er nickte und man konnte ihm deutlich ansehen, dass sein Unbehagen inzwischen fast vollständig Neugierde und Ungeduld gewichen war. „Dann lass es uns versuchen", rief er voller Tatendrang. Eindeutig als Zeichen, dass er den Mut wieder verlieren würde, wenn wir zu lange warten würden. Ich musste über die plötzlich zurückgekehrte Energie lachen und nickte dann ebenfalls zur Bestätigung.
Ich schloss meine Augen und stellte mir vor, wie meine geistigen Mauern in Berührung mit dem Netz von Eragons Eigenschaften kam. Hier kam es mir zugute, dass jede Pflanze, jedes Gebäude und jedes Körperteil eines Einwohners alle Eigenschaften des Charakters, zu dem sie gehörten, beinhaltet. Nicht jeder reflektiert sie, aber die Berührung von irgendetwas aus seinem Geist würde ausnahmslos den Effekt auslösen, den ich mir nun als Antwort meines geistigen Schutzwalls vorstellte. Dieser legte sich fließend über den Eindringenden, ohne ihn zu behindern, sofern er dieses Netz an Eigenschaften besaß, und sich hinter ihm wieder schloss. In meinem eigenen Geist eilte ich zu dem versteckten Ort der Magie und mit gewohnter Leichtfertigkeit entfesselte ich sie.
Die beiden, die es damals probiert hatten, schienen hervorragend ausgeruht und überdurchschnittlich magiebegabt gewesen zu sein. Nachdem der magische Strom versiegt war, war ich nicht nur leicht müde, ich spürte, dass ich meine Kraft so weit verbraucht hatte, dass ich gleich in Ohnmacht fallen würde. Im letzten Moment, ehe mich Dunkelheit umfing, sah ich mich noch einmal im Zelt um und konnte mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass es bei Eragon nicht anders aussah. Dann wurde alles schwarz und ich fiel in einen traumlosen Schlaf.
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3973 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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