Kap. 70 Ein großes Risiko
Eragon pov
Der Morgen lief ab wie jeder hier im Lager. Da die Varden jeden Tag alles auf und wieder abbauten und dies sehr viel Zeit in Anspruch nahm, kamen wir kaum voran und bei den wenigen Sachen, die ich besaß, und der hohen Geschwindigkeit, mit der ich packen konnte, hatte ich im Normalfall fast alle meine Sachen bereit, ehe die meisten Menschen überhaupt angefangen hatten. Daraus folgte, dass ich sehr viel Zeit hatte, in der alles um mich herum den ewig langen, aber nicht besonders schnell voran kommende Konvoi bildete.
Den Tag über hatte ich dann meistens zwei Dinge zu tun. Zum einen wurde ich weiter von Oromis und Glaedr in der Geschichte und Bedeutung der Reiter, sowie für den Orden relevante Magie gelehrt. Zum anderen übte ich mich im Schwertkampf. Beider Unterricht war auf seine Weise sehr fordernd. Ich hatte manchmal das Gefühl, ein Nebeneffekt davon war, dass meine Konzentrationsfähigkeit, vor allem die Ausdauer, immer weiter geschult wurde. In Oromis Stunden musste ich mitdenken und Wissen aufnehmen. Danach konnte ich jedoch nicht einfach abschalten, nein, ich trat im Schwertkampf gegen Arya oder teilweise auch gegen einen der, wenn Percy wirklich die volle Wahrheit gesagt hatte, Götter an. Wenn ich dabei einen Augenblick unaufmerksam war, hatte ich eine willkürlich ausgewählte Waffe an der Kehle oder einen gebrochenen Knochen, weil ich dem dazugehörigen Schlag nicht schnell genug ausgewichen war.
So hart das auch klingt, es funktionierte. Am Abend fiel ich zwar meist todmüde ins Bett, aber bis dahin gab es selten Momente, in denen meine Aufmerksamkeit bröckelte. Das machte sich auch in meinen Ergebnissen bemerkbar. Zwar war ich noch immer der Schwächste, jedoch hatte ich zumindest näherungsweise ein ausgeglichenes Verhältnis von Siegen und Niederlagen gegenüber Arya. Das galt sowohl für physische, als auch für verbale Kämpfe und wenn Saphira mich in Gedanken unterstützte, neigte sich die Waagschale sogar eher zu mir.
Mit der Unterstützung ihrer Kraft und erweiterten Wahrnehmung war es mir sogar ein paar mal gelungen, gegen ein paar der gefühlt schwächeren Götter im Kampf so lange standzuhalten, bis sie es als unentschieden werteten. Auch wenn es nur ein Bruchteil der Fälle war, so hatten diese stetigen Erfolgsmomente eine starke motivatorische Wirkung auf mich. Ich hatte immernoch das Gefühl, weiter Neues zu lernen und besser zu werden, was meiner Motivation enorm gut tat und mich weiter arbeiten ließ, ohne dass ich dafür viel Disziplin anstrengen musste.
Auch im Kampf zu zweit wurde natürlich geübt. Es stand zwar zu befürchten, dass der Kampf, auf den ich mich die ganze Zeit vorbereitete, von mir alleine ausgefochten werden würde, aber das bedeutete nicht, dass man das bequemere Szenario, in dem mir jemand auch physisch zur Seite stand, dadurch verwerfen sollte, dass man nicht darauf vorbereitet wäre.
Die normalste Konstellation war in diesem Fall, dass Arya und ich gegen Jason kämpften. Von Percy und Annabeth einmal abgesehen hatte ich das Gefühl, im Kampf hatte er die herausragendsten Fähigkeiten. Diese Kämpfe hatten sehr unterschiedliche Ausgänge. In einigen Fällen verloren wir nach wenigen Minuten oder sogar Sekunden, weil wir schlecht abgestimmt waren und/oder uns gegenseitig in den Weg kamen. An Tagen, an denen wir beide in Höchstform waren, bestand sogar die Chance auf Erfolg. Dies war jedoch enorm selten und hing außerdem zu großen Teilen von der Waffe ab, die er wählte.
Habe ich das schon erwähnt? Nö, hast du nicht, aber alle hier wissen es trotzdem schon. Er konnte scheinbar frei zwischen Waffen wählen. Von Zwillingsschwertern über Speere bis zu Streitäxten hatte ich von ihm schon alles um die Ohren gehauen bekommen. Die wenigen Siege, die wir aufzuweisen hatten, kamen dann von Duellen gegen ein einzelnes Schwert, da wir ihn so im Idealfall in die Mitte nehmen konnten.
Den Anderen ohne Worte verstehen war dabei eines der wichtigsten Dinge, die man lernen konnte. Wenn sie es nicht versuchte zu verhindern, war ich meistens recht erfolgreich dabei. Unter Druck, wie im Kampf, nur zeitweise und es schlichen sich häufig Fehler ein, aber genau deshalb trainierten wir ja.
Wenn sie allerdings versuchte, mich daran zu hindern, hatte ich keine Chance, solange wir nicht im Kampf waren. Wenn das allerdings so war, dann war meine Trefferquote mehr als zufriedenstellend, in meinen Augen.
Ich konnte mir gut vorstellen, dass man im Kampf seine nächsten Schritte instinktiv körperlich vorbereitete und selbst wenn man es versuchte, immer winzige Details zu finden waren, die doch einen Einblick in die beabsichtigten nächsten Schläge gab. Im Kampf war meine Beobachtungsfähigkeit um ein Vielfaches schärfer, perfekt jedoch nicht. Trotzdem reichte es wohl, zumindest viele der körperlichen Hinweise wahrzunehmen.
Am Nachmittag passierte jedoch etwas Unerwartetes. Percy und Annabeth waren am direkten Training normalerweise nur begrenzt beteiligt. Sie waren manchmal anwesend, doch das wurde immer seltener. Es schien nicht so, als hätten sie keine Lust mehr, eher wie keine Zeit. Häufig verschwanden sie einfach und tauchten erst am Abend wieder auf. Sie schienen dann nicht müde oder so, sie waren einfach nur manchmal verschwunden. Ich fand das merkwürdig, hatte aber zu viel Angst zu fragen.
Heute jedoch standen sie jedoch beide zusammen da. „Ah, wenn das nicht die besten Krieger des Landes sind." Hätte Percy danach nicht angefangen zu lachen, hätte ich mich ziemlich geehrt gefühlt. Also ich tat das auch so, aber nicht mehr ganz so stark. „Ihr habt gut reden. Kann euch eigentlich irgendjemand im Kampf das Wasser reichen?" Annabeth grinste frech. „Das werden wir jetzt sehen."
Sie und Percy hoben fast synchron zwei recht stabil wirkende Äste vom Boden. „Wir werden mit diesen beiden Stöcken gegen euch kämpfen. Sie sind nicht verzaubert und wir werden in jeder Form darauf verzichten, euch parallel auch ohne Waffe anzugreifen. Ihr gewinnt, wenn ihr uns trefft oder unsere Waffen zerstört sind. Ich denke, wir werden erstmal immer Einzelkämpfe machen, da es sonst unausgeglichen werden würde. Wer möchte gegen wen kämpfen?"
Arya lächelte mich an. Irgendwas in meinem Hinterkopf sagte mir, dass das ein Trick war, doch ich reagierte leider zu spät beziehungsweise garnicht. „Ich glaube, Eragon wollte gerne gegen dich kämpfen, Percy", erklärte sie. Nein, wollte ich nicht, da ich wusste, dass Percy sogar noch besser als Annabeth war, was wirklich etwas heißen will. Leider war ich von ihrem so direkten Lächeln wieder mal so geblendet, dass ich zu spät reagierte. Mit einem Feixen ging sie zu Annabeth hinüber und ließ mich mit Percy stehen.
„Bist du so weit?", wollte er wissen. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, aber das werde ich wohl niemals." - „Gute Antwort!", schmunzelte er, ehe er seine Spielzeugwaffe in Kampfstellung brachte. Ich tat das selbe und versuchte dann, ihn so genau wie möglich zu mustern. Dass es keine Fehler in seiner Verteidigung geben würde, davon war auszugehen. Die einzige Schwachstelle war der Stock und ich musste mir nun einen Plan machen, wie ich diesen Vorteil ausnutzen sollte. Meine erste Idee war logischerweise Gewalt. Mein Schwert war aus Stahl und nahezu unzerstörbar. Sein Ast müsste eigentlich leicht brechen.
Ich holte aus und überwand die fünf Meter, die uns trennten, mit einem Sprung, bei dem ich gleichzeitig mit meinem Schwert Schwung holte. Normalerweise versuchte ich Kämpfe durch Technik zu gewinnen, aber ab und an machte es einfach Spaß, sich nicht zu konzentrieren sondern einfach, wie hier, mit purer Kraft an die Sache zu gehen. Auch wenn in diesem Fall eine Taktik hinter diesem Ausbruch steckte.
Das Ergebnis hätte vermutlich ausgereicht, um einen stahlbeschlagenen Schild und den Mann dahinter in der Mitte zu durchschlagen, doch dazu kam es nicht. Von der Seite schlug oder mehr drückte Percy mit seiner neuen Waffe gegen mein Schwert.
Sein hölzernes Artefakt bog sich gefährlich durch, doch es brach nicht. Der kontinuierliche Druck schob meine Klinge zur Seite, sodass sie nur Millimeter neben seinen Schuhen in den Boden fuhr. Er lächelte und ich fluchte lautstark. Auch wenn der Boden aus Erde und Sand bestand, ging ein extrem starker Impuls durch meinen Arm. Ich konnte nicht leugnen, dass es ziemlich weh tat.
Ich riss die bis zum Schaft im Dreck steckende Waffe heraus und schüttelte den Arm aus, um das Gefühl von Taubheit loszuwerden. Nur zum Teil erfolgreich, leider.
Danach ging ich vorsichtiger vor. Ich versuchte jede erdenkliche Möglichkeit, wie ich Percy auf eine Weise angreifen könnte, bei der der Ast in seiner Hand zu Bruch gehen könnte. Angriffe, bei denen die Klinge in sehr merkwürdigen Winkeln verdreht war, Angriffe aus unterschiedlichen Richtungen oder Angriffe, bei denen ich dafür sorgte, dass mein Schwert sich um sich selbst drehte. Auf mir vollkommen unklare Weise traf kein einziger sein Ziel. Nicht selten war der Stock stark durchgebogen, doch jedes Mal reichte es gerade noch aus, sodass er nicht brach, aber mein Schlag ins Leere ging.
Es ging viele Minuten so. Je länger ich scheiterte, desto lächerlicher kam ich mir vor. Ich sollte die Hoffnung der Reiter sein, aber konnte nichtmal gegen einen einzigen Gegner mit einem stinknormalen Stock gewinnen. Auch schien Percy es nicht so besonders eilig zu haben, mein Leiden zu beenden. Er wehrte nur ab, Gegenangriffe blieben aus.
Nach gefühlten Ewigkeiten, bei einem weiteren sinnlosen Angriff meinerseits, schlug er dann doch anders zu. Er leitete Brisingr ein weiteres Mal in eine Richtung, in der ich es sicherlich nicht haben wollte, aber dieses Mal schlug er dem Schwert nochmals hinterher. Dabei wurde diagonal ein Stück von dem Holz abgesäbelt, woraufhin der Stock eine Spitze hatte, aber gleichzeitig bekam mein Arm durch die davon gehaltene Waffe etwas zu viel Schwung, sodass ich für den Moment teilweise die Kontrolle über mein Schwert verlor.
Augenblicklich nutzte er auch diese Chance aus, wirbelte herum und hielt mir die Spitze unters Kinn. Sie wäre nicht tödlich, aber es würde schmerzhaft werden. Das war dann wohl der Moment aufzugeben. In einem normalen Kampf hätte ich das nicht getan, aber jetzt ließ ich mein Schwert nach einem erneuten Fluchen fallen.
Percy grinste mich an, ehe er sagte: „Du hast dich garnicht schlecht geschlagen. Musst nur aufpassen, dass Oromis nicht zu Ohren kommt, was für Wörter du so in deinem aktiv genutzten Wortschatz hast. Ich bin sicher, er würde sich brennend dafür interessieren." Ich lachte nervös. Ich wusste nicht genau, ob Oromis mir dafür die Ohren langziehen würde oder ob er lediglich Percy bitten würde, die Luft nicht mit solchen Wörtern zu verpesten. Brom hätte definitiv ersteres gewählt, aber bei dem alten Elf war ich mir nicht so sicher. Bevor ich eine Idee für eine schlagfertige Antwort hatte, wurde meine und scheinbar auch Percys Aufmerksamkeit von einem aus unserer Nähe kommenden Klirren auf sich gezogen.
Wir, er etwas schneller als ich, drehten uns zum Ausgangsort des Geräusches um und sahen dort Arya und Annabeth in einer solchen Situation, wie Percy und ich sie hatten, als er begonnen und damit auch fast augenblicklich aufgehört hatte, zurück anzugreifen.
Ich lächelte Arya unschuldig an und rief: „Aber natürlich wollte ich mit Percy kämpfen. Wieso denn auch nicht." Sie versuchte das Lächeln zu erwidern, doch es war offenkundig, dass sie gehofft hatte, zumindest ein klein wenig besser abzuschneiden. Das war wohl nix. Sie und Annabeth kamen zu uns rüber und unsere, in diesem Fall, Lehrer sahen uns aufmerksam an.
„Wir sehen, ihr habt die richtigen Intentionen. Fast jeder der Versuche, unseren Nachteil zu eurem Vorteil zu nutzen, hätte bei fast ausnahmslos jedem anderen Gegner zu einem recht schnellen Sieg geführt. Es ist quasi eine Grundvoraussetzung von uns, dass wir trotzdem in der Lage sind, das Blatt zu unseren Gunsten gewendet zu halten, aber in einigen Fällen, bei euch beiden wohlgemerkt, war es durchaus herausfordernd, da wir wie versprochen nicht auf Magie zurück gegriffen haben." An Percys Ausführung schloss Annabeth fast fließend an.
„Wir wollten hierbei sehen, wie flexibel ihr in eurem Stil seid. Ich muss euch sagen, ihr habt beide mit Bravour bestanden. Wie Percy schon gesagt hat, ihr habt euch der Situation angepasst und selbst dabei ein hohes Maß an Variabilität gezeigt. Im Einzelkampf können wir euch, unter den gegebenen körperlichen Umständen, nichts Neues mehr beibringen." Sie holte einmal tief Luft, und ich war mir sehr sicher, dass sie das einzig und allein der Dramatik wegen tat, da sie meines Wissens nach theoretisch nichtmal atmen müsste, ehe sie fortfuhr: „Wehe ihr versteht das falsch und denkt, eure Technik wäre perfekt, das kann und wird sie nie sein, aber alles was jetzt noch bleibt, ist Übung. Wieder und wieder bis ihr selbst nach zwei Wochen ohne jegliche Erholung für euren Geist instinktiv über einen beweglichen Kampfstil verfügt.
Für die nächsten Tage werdet ihr deshalb einen Fokus auf den Teamkampf legen, und dort Manöver üben, die sich nicht von selbst aus unterschiedlichen Techniken ergeben. Trotzdem unseren herzlichen Glückwunsch, ihr habt beide eine natürliche Begabung für den Schwert Kampf, aber noch mehr macht ihr davon Gebrauch."
Nach dieser Ansprache breitete sich ein Schweigen aus, das schließlich fast zeitgleich von Arya und mir unterbrochen wurde, die das nicht erwartet hatten und somit nur irgendetwas nach einem Dank klingendes vor uns hin stotterten. Sie schien genauso wenig wie ich zu wissen, wie man auf solch ein Kompliment reagierte. In meinem Leben hatte ich zwar ab und an welche bekommen, aber die wenigsten davon gingen darüber hinaus, wie gut ich im Jagen gewesen war, und auch diese kamen meistens von Garrow oder Roran.
Für Arya war es wohl noch um Weiten schlimmer gewesen. Nach dem, was ich über ihr Leben wusste, hatte sie von ihrer Mutter nur recht wenig Liebe erfahren und Komplimente gingen damit einher. Sowohl am elfischen Hof, als auch als Botschafterin war nahezu alles, was auch nur in diese Richtung ging, zu größten Teilen Formalitäten. Vielleicht auf den Reisen mit ihren Gefährten, wer weiß, aber so oder so, an Komplimente dieses Ausmaßes, die wirklich gegeben wurden, weil jemand es so wahrnahm, nicht weil die Situation es verlangte, waren wir beide nicht gewöhnt und reagierten entsprechend kläglich darauf.
Mit einem leichten Schmunzeln im Gesicht verabschiedeten die beiden sich dann. Unsere offenkundige Hilflosigkeit, wenn man es so nennen konnte, schien sie nicht zu stören. Eher im Gegenteil. Sie wirkten amüsiert. Wir erwiderten ihren Gruß und einen Augenblick später standen wir wieder allein auf der Wiese. Ich blickte auf die Stelle, an der sie verschwunden waren. So viele großartige Fähigkeiten ich auch besaß, ich war neidisch auf genau diese, die ich nicht hatte. Mich selbst ohne Zeitverlust von einem Ort an einen anderen zu bringen, das hätte mir schon oft Mühen und Leid gespart, in einigen Fällen vielleicht sogar Leben gerettet.
„Eragon?", durchkreuzte Arya meine abschweifenden Gedanken. Ich riss meine Aufmerksamkeit von dem nunmehr leeren Fleck Gras los, der mich soeben in seinen Bann gezogen hatte. Danach brauchte ich trotzdem noch einen weiteren Moment, um zu realisieren, dass das eine Frage gewesen war, die eine Reaktion erforderte, und dann hastig zu signalisieren, dass sie meine Aufmerksamkeit hatte.
Als ich das getan hatte, fuhr sie etwas zögerlich fort: „Könntest du dir vorstellen, heute Abend nochmal zu meinem Zelt zu kommen? Ich würde gerne etwas wichtiges mit dir besprechen."
Roran pov
Ach, erst n cliffhanger einbauen, dann, zu einem anderen Zeitpunkt an einem anderen Ort weiter machen, dort einen anderen einbauen und dann den ersten auflösen? Der Shéhérazade-Preis geht heute an Nameless. Danke, gern geschehen.
„Ja, die Leute dürfen Pausen machen, aber sag ihnen, dass jeder einzelne von ihnen bedenken sollte, dass seine Pause unseren Zeitplan näher an den Abgrund bringt und sie daher nach Vernunft urteilen sollen, ob sie das wirklich brauchen." Nachdem alle meinen Plan verinnerlicht hatten, hatte es nur wenige Minuten gedauert, ehe sich von den Unteroffizieren geführte Gruppen für beide Teile der Aufgabe gebildet hatten.
Nun gab ich einem Boten, der von der Gruppe am Schiefer-Steinbruch kam, meine Befehle mit. Einer der Anführer dort hatte gemeint, dass der Plan zeitlich so knapp bemessen war, dass man sich keine Pausen erlauben könne. Viele der Soldaten hatten ihm dabei widersprochen doch glücklicherweise war, ehe das Ganze handgreiflich hätte werden können, ein Bote geschickt worden, um meine Befehle einzuholen. Seit meiner Ansprache am Vortag hatte ich das Gefühl, als würden mir die Leute blind folgen und meine Befehle kommentarlos ausführen. Solange sie dabei nicht das eigene Denken vollständig unterließen, sollte mir das recht sein.
Die Soldaten mussten wirklich die Hoffnung verloren haben, bis ich sie anscheinend wiedererweckt hatte. Mit Ausnahme von Hauptmann Brigmann war seit gestern jeder, der konnte, die Kranken und Verletzten natürlich nicht, auf den Beinen und arbeitete an der schnellstmöglichen Umsetzung meines Plans. Vonseiten des Ex-Hauptmanns schlug mir weiterhin ausnahmslos Hass und Widerstand gegen jedes einzelne Wort entgegen. Er hatte nur ein paar wenige Sekunden nachdem ich meine Idee zum Erfolg vorgestellt hatte, begonnen loszuzetern, was für ein Schwachsinn das sei und ob ich uns alle umbringen wolle.
Ich hatte ihn kurzerhand darauf hingewiesen, wie erfolgreich er bisher gewesen war und ihn danach nach einem besseren Vorschlag gefragt. Nachdem dieser ausgeblieben war, war auch klar, dass sein Widerspruch vergeblich war. Nach diesem Zwischenfall hatte ich nochmal mit ihm gesprochen und ihm denke ich klar gemacht, dass der nächste Akt der Verbreitung von Hoffnungslosigkeit oder Ähnlichem für ihn zur sofortigen und vollständigen Suspendierung führen würde. Diese mehr als nur deutliche Botschaft war scheinbar bei ihm angekommen. Ich hatte immernoch massive Vorbehalte gegenüber ihm, und das schien andersrum natürlich auch zuzutreffen, aber er drückte das vorerst nicht so klar aus.
Mein Plan hatte natürlich auch eine Schwäche. Gut, das ist gelogen. Mein Plan bestand aus einer ewig langen Kette von Schwächen, die uns an jeder einzelnen Stelle in den Untergang führen könnten und daher umgangen werden mussten, aber eine stach besonders hervor. Während den hektischen Vorbereitungen waren fast alle Männer entweder an den Mühlen oder im Steinbruch tätig. Im Lager selbst waren außer mir, Carn, Frank, Thalia, Brigman, zwei Dutzend Kriegern, die die Verletzten pflegten, und eben jenen Verletzten, niemand. Einen direkten Kampf konnten wir also ausschließlich gewinnen, wenn unsere drei Magiekundigen dem aus der Stadt um Längen überlegen sind. Eine direkte Konfrontation wäre mit einer sofortigen Niederlage gleichzusetzen. Aber nicht für euch. Thalia macht kurzen Prozess. Weiß er das? ...Nein warum sollte er das dann sagen? Wer hat denn behauptet, dass er das sagen sollte? Ich wollte nur was ergänzen. Hast du sehr gut gemacht. Darf ich jetzt weiter erzählen? Du darfst.
Somit war das bereits der erste Punkt, an dem ich sehr hoch pokerte. Wir mussten darauf vertrauen, dass unsere Gegner sich auf ihre Verteidigung fokussieren würden und keine Vorstöße versuchten. Für den unglücklichsten aller Fälle, wenn das passieren sollte, hätte ich rein theoretisch auch einen Plan, doch dieser war so waghalsig, dass er eigentlich niemals funktionieren dürfte. Jedes Mal, wo ich darüber nachdachte, hatte ich das Gefühl, weiter davon Abstand zu nehmen. Es wirkte zu gefährlich und die Chancen auf einen Erfolg kamen mir von Mal zu Mal geringer vor. Warum das bei einem solchen Manöver passierte, nicht jedoch bei dem viel größeren Plan, der mir im Idealfall einen erfolgreichen Abschluss dieses Einsatzes bieten würde, wusste ich nicht.
Hallo, ich verrate euch nicht wer ich bin, Das wissen auch schon alle. Aber ich werde euch jetzt ein paar Stunden in die Zukunft schicken. Danke!Ich sage euch jedoch nicht, was in dieser Zeit passiert. Brauchst du auch garnicht, es ist nichts passiert.
Ich wurde vom unverkennbaren Klang eines Horns aus meinen Gedanken, über verschiedene Szenarien zum Ausgang dieser Eroberung, gerissen. Der Klang war sehr klar, also schloss ich, dass es aus der Nähe gekommen sein musste.
Ein Bursche, der nicht so wirkte, als habe er bereits das Mannesalter, seine ersten sechzehn Sommer, erreicht, rannte auf mich zu und salutierte. „Hauptmann Hammerfaust, eine fünfzig Mann starke Kolonne von Reitern hat soeben die Stadt verlassen und reitet auf unser Lager zu. Wie lauten Eure Befehle?" Ich stieß einen relativ kreativen, jedoch definitiv situationsangemessenen Fluch aus und hoffte, dass der Bote das nicht als meine Befehle verstand. Das hätte kompliziertere Folgen gehabt.
Fieberhaft versuchte ich mir einen anderen Plan auszudenken, als den, den ich mir bereits kaputt geredet hatte, doch leider kamen mir nur Ansätze von Ideen, bei denen wir die Kranken und Verletzten zurücklassen müssten. Solche fielen für mich jedoch von Grund herauf weg. Anstatt noch weiter mehr unflätige Worte, die auch nichts an der Situation ändern würden, von mir zu geben, erklärte ich so schnell ich konnte ohne undeutlich zu klingen: „Sag allen, dass sie in ihren Zelten verschwinden sollen. Kein Mucks von irgendjemandem. Sorg dafür, dass mir ein Dutzend Knochen, ein kleiner Holztisch und ein Becher vom Met der Zwerge gebracht wird. Und schick mir Carn so schnell wie möglich her!"
Er blickte mich verwirrt an und es war nach außen hin klar ersichtlich, dass er daran scheiterte, den Zusammenhang zwischen diesen Aufträgen zu finden. Ich war logischerweise sehr angespannt und so fuhr ich ihn etwas deutlicher, als ich es im Normalfall getan hätte, an: „Wenn du nicht willst, dass wir alle hier sterben, dann los jetzt!" Es schien, als habe ich ihn aus einer Art Benebelung gerissen, denn nun salutierte er hastig erneut und rief: „Jawohl, Herr Hauptmann!", ehe er davon rannte.
Ich lief zum Rande des Lagers, wo sich bereits alle Personen, deren Namen ich hier kannte, versammelt hatten. Als ich ihnen ganz grob meinen Plan schilderte, gab es drei Arten von Reaktionen. Frank und Thalia musterten mich abschätzig, aber es sah so aus, als ob sie die Idee grundsätzlich überdenken würden. Die beiden ehemaligen Dorfbewohner und Carn schienen sehr skeptisch gegenüber dem Plan, aber ihr Vertrauen in diese Art von mir kommenden Plänen schon auszureichen, um sie von Widerworten abzuhalten.
Bei Brigman sah es grundlegend anders aus. Er ließ mich nicht mal zuende ausreden, bevor eine seiner Schimpftiraden startete, die zu ignorieren ich gelernt hatte. Dieser wollte mir gerade vorhalten, dass er abhauen würde und jeden, der wolle, mitnehmen würde, da unterbrach ich ihn mit erhobener Hand. „War meine letzte Warnung nicht deutlich genug? Du hast gehört, wie viel Mut ein wenig Hoffnung den Soldaten geben kann und ich werde nicht zulassen, dass du das zerstörst. Baldor, wärst du so freundlich ihn in sein Zelt zu begleiten und ihm die Waffen abzunehmen? Wir können uns hier keine Fehler leisten. Wenn er sich daneben benimmt, obliegt es hiermit dir, die Folgen zu bestimmen." Während der ehemalige Hauptmann sehr schnell sehr bleich wurde, zeichnete sich ein etwas hämisches Grinsen von Baldors Mund ab. „Sehr gerne, Hammerfaust", sagte er und tat so, als würde er salutieren.
Als die beiden davon gingen, sprach ich zuerst noch Carn an. „Glaubst du, du schaffst es die Luft neben mir gleich schimmern zu lassen? So wie eine schlechte Illusion, die leicht zu durchschauen ist, aber eben ohne die eigentliche Täuschung." Hastig nickte er und antwortete dann: „Auf jeden Fall. Ich kann dir nicht sagen, wie stark oder lange ich es aufrecht erhalten kann, aber zeitweise auf jeden Fall." Ich nickte dankbar und meinte dann: „Nimm dir ein Zelt möglichst in der Nähe. Niemand sollte für Ankömmlinge sichtbar sein."
Zum Zeichen, dass er verstanden hatte, nickte er und lief dann schnellen Schrittes in eine der nahestehenden Unterkünfte. Ich wollte gerade noch zwei Worte an Thalia und Frank richten, ich war mir ziemlich sicher, dass diese beiden durchaus auch einen relevanten Einfluss auf eine direkte Konfrontation haben könnten, zuvor lief jedoch eine Gruppe, aus der die meisten Mitglieder sehr danach aussahen, als seien sie eher in irgendeiner Form an der Heilung von Patienten beteiligt als am aktiven Kampfgeschehen, zu uns und stellte einen vergoldeten Kelch, in dem sich vermutlich der Met der Zwerge befand, auf einen ebenfalls hergebrachten Tisch auf Kniehöhe.
„Verdammt, wo sind die Knochen? Die sind vermutlich das wichtigste dabei!", rief ich angespannt. Einer der Heiler meldete sich zu Wort. „Verzeiht Hauptmann Hammerfaust, aber in den vergangenen Wochen hat hier niemand die Notwendigkeit des Aufhebens irgendwelcher Knochen gesehen. Daher gibt es hier im Lager keine, die nicht fest im Körper von noch Lebenden verbaut sind."
Ich spähte aus dem Augenwinkel hinab zur Stadt. Die Gruppe der Reiter war bestenfalls noch zwei Minuten von uns entfernt. „Ich kümmere mich darum." Mit diesen Worten rettete Frank vermutlich meinen Plan. „Hier ist vor einigen Jahren eine Dachsfamilie in ihrer Höhle gestorben und ihre Knochen sind noch gut erhalten. Gut genug für dein Vorhaben und leicht erreichbar." Der Boden grummelte und daraus sprangen ein Dutzend überwiegend ähnlicher Knochen hervor. Überrascht sah ich zu ihnen auf, fasste mich aber angesichts der gefährlichen Lage fast augenblicklich wieder und nachdem ich mich bedankt hatte, rief ich denen, die mir die Knochen eigentlich hätten bringen sollen, zu: „Jetzt los, jeder in sein Zelt und sagt allen, dass ich niemanden hören oder sehen will. Andernfalls sind wir alle tot."
Mit schreckensweiten Augen blickten sie mich und dann die Reiter, die sich uns immer weiter näherten, an. Ich räusperte mich nochmal deutlich, das schien sie aufzuwecken. Sie rannten zwischen den Zelten davon und ich drehte mich zu den letzten verbleibenden Anwesenden. „Wenn mein Plan fehlschlägt, bringt bitte die Leute hier in Sicherheit. Sie sollen nicht sterben, weil mein Plan zu riskant ist. Nach allem, was ich von euch gesehen und gehört habe, sollte das möglich sein. Bitte!" Eigentlich ist es die Aufgabe eines Hauptmannes, Befehle zu erteilen, doch hier war es wirklich eine Bitte, da ich nicht einschätzen konnte, ob ich hier viel oder wenig verlangte.
„Es wird funktionieren, Roran. Du hast die Kraft, überzeugend zu wirken, und selbst wenn nicht, würden wir es als unsere Pflicht sehen, zumindest die Anzahl der Toten zu beschränken." Ich lächelte ihnen dankbar zu, bevor ich mich der Stadt zu wandte, mir die Knochen nahm und mich demonstrativ gelassen an den Tisch setzte. Das Spiel, das Garrow uns einst gelehrt hatte, sollte hiermit beginnen.
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4212 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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