Kap. 64 Auftrag
Nasuada pov
Ich saß mal wieder auf einem der wenigen massiven Möbel im Lager, meinem Stuhl hinter dem Schreibtisch im Kommandozelt, und wartete. Seit ich nicht mehr Botin und unbekannte Kraft im Hintergrund war, um meinen Vater zu unterstützen, ohne dass dieser etwas davon mitbekommen durfte, hatte ich das Warten gelernt. Boten brauchten immer Zeit, genauso wie die Personen, die ich zu mir rufen ließ, dieselbe brauchten, um bis zum Pavillon vorzudringen.
Ich seufzte. Der Auftrag, den ich nun vergeben wollte, war nicht unbedingt das, was ich mir wünschte. Er war notwendig, aber trotzdem missfiel er mir. Ein Zweifrontenkrieg ist verheerend, vor allem wenn man schon so in der Unterzahl ist, und solange Aroughs noch zum Imperium gehörte, forderten wir ein solches Desaster geradezu heraus.
Dementsprechend musste eine Mission gelingen. Ich hatte natürlich schon kurz nach dem Verlassen Surdas eine Truppe zu dieser Stadt ausgeschickt, aber meine Späher waren getäuscht worden und so war diese vermeintliche Einnahme in eine Belagerung ausgeartet. Zum einen hielt uns das vorerst noch den Rücken frei, aber es war wohl kaum von Dauer. Neueren Berichten zufolge, für die ich jedes Mal die Initiative ergreifen musste, da ich nichtmal einen Magier zu diesem Trupp beordert hatte und so nur von uns aus Kontakt aufgenommen werden konnte, waren in der Stadt fast drei mal so viele Soldaten wie Belagerer außen herum. Somit war nichtmal klar, ob wir darüber unterrichtet werden würden, wenn es zum schlimmsten käme und diese Soldaten ausziehen würden.
Während ich die aktuelle Lage beim Warten durchging, spürte ich plötzlich ein Gewicht auf meiner Schulter. Ich lächelte. Es war in letzter Zeit keine Seltenheit, dass sich Luna, so hatte ich die kleine genannt, auf diese Weise bemerkbar machte. Auch wenn ich sie nicht sah, spürte ich sie meinen Oberkörper hinab klettern und es sich auf meinem Schoß bequem machen. Es war eine der wenigen einfachen Dinge... nein, es war überhaupt eine der wenigen Dinge, die mir zur Zeit wirklich Freude bereitete.
Natürlich kämpfte ich weiterhin mit allem Elan für den Widerstand, aber die Kämpfe bereiteten mir keine richtige Freude. Sicher, Siege gaben mir Genugtuung und weitere Überzeugung, dass wir es schaffen könnten, aber das lag nicht an den Kämpfen selbst sondern daran, dass wir einer besseren Welt einen Schritt näher kamen. Ich war mir auch nicht sicher, ob das gut oder schlecht war. Zum einen war ich erstmal nur Oberkommandeur unserer vereinigten Streitkräfte und als solche waren diese Gemetzel eigentlich meine primäre Aufgabe, aber zum anderen glaubte ich auch, dass zu viel Gewaltbereitschaft eher negative Auswirkungen hätte. Es war eine Frage, die ich mir nicht selbst beantworten konnte.
Ich starrte gedankenverloren auf die Stoffplanen, die zur Zeit jeden Blick von außen aufhielten, und streichelte dabei weiterhin Luna, was mit einem zufriedenen Summen meiner unsichtbaren Begleiterin kommentiert wurde, als von draußen erst Stimmen und dann ein Klopfen ertönten. Ich wusste, was diese Geräusche bedeuteten und so streckte, wie erwartet, einer der Nachtfalken, deren Namen ich noch immer etwas gewöhnungsbedürftig, wenn auch nicht schlecht, fand, seinen Kopf herein. „Roran Hammerfaust begehrt Euch zu sprechen, Herrin" Ich nickte und seufzte innerlich auf. Formalitäten. „Lasst ihn durch!"
Ich schob die Gedanke an Aroughs zumindest soweit nach hinten, dass ich mich erstmal auf die Begrüßung konzentrieren können würde, und straffte meine Schultern etwas. Es war indirekt meine Pflicht, allgegenwärtig Disziplin zu wahren. Nicht besonders schön, unter garkeinen Umständen einfach, aber unumgänglich.
Da die Wachen die Eingangsverhänge nur zur Seite und nicht hoch zogen, konnte ich Roran bereits einen Augenblick früher sehen als er mich. Es war nicht großartig von Bedeutung, aber solange es keine richtigen Nachteile dabei gab, sah ich keinen Grund es zu ändern.
Als Hammerfaust, den Namen hatte er sich ja mehr als verdient, vollständig eingetreten war und seinen Blick kurz durch das Innere des Zeltes schweifen ließ, räusperte ich mich. „Roran, ich möchte hier nicht um den heißen Brei herum reden. Ich weiß, dass wir erst gestern eine große Schlacht hatten, aber ich muss dir schon wieder einen Auftrag geben." In Sekundenbruchteilen verfinsterte sich seine Miene, doch er sagte erstmal nichts.
Es war wohl eindeutig, dass er nicht glücklich damit war, aber dieses Schweigen interpretierte ich vorerst dahingehend, dass es nicht um mehr als Missfallen ging. Ich konnte das natürlich nachvollziehen. Ich war mir sicher, dass es zumindest einen Zusammenhang zwischen seinen Fähigkeiten als Anführer und seinem Unwillen zur Schlacht gab. Es war offenkundig, dass er sich keinen einzigen dieser Kämpfe wünschte, aber wenn es sein musste, trotzdem vor nichts zurückschreckte. Meine Vermutung war, dass diese Abneigung zum unnötigen Töten in Kombination mit dem Wissen, dass das alles niemals enden würde, wenn auch nur einmal verlieren würden, ihm diesen Antrieb gab. Not macht erfinderisch, hatte ein weiser Mensch mal gesagt.
Es war zumindest klar, dass sein Führungstalent nicht daher kam, dass es ihm Spaß machte, seine Gegner in den Boden zu stampfen. Genau das war der Grund, aus dem ich genau ihn für diese Mission ausgesucht hatte. „Es wird von den Kämpfen um die einzelnen Städte einmal abgesehen keine weiteren Missionen geben, auf die du dich begeben musst, falls das deiner Körpersprache ein wenig entgegen wirkt."
Er hob ein wenig überrascht die Augenbraue, bestätigte dann aber mit einem grimmigen Lächeln: „Ja, Herrin, vermutlich würde es das" Gleichzeitig löste er seine fest verschränkten Arme vor der Brust und stemmte sie nunmehr nur in die Hüfte. Ich nickte. „Sehr gut, was du vielleicht noch wissen solltest, du hast dich bei jeder Mission hervor getan, egal in welcher Position. Du hast gezeigt, dass du Befehle befolgen kannst, solange sie dir zusagen...", an der Stelle ließ ich eine Pause um ihn nochmal darauf aufmerksam zu machen, was ich eigentlich meinte.
„... und du hast jedes einzige Mal gezeigt, dass du ein Talent dafür hast, unmögliche Situationen durch waghalsige Pläne und Motivation nahezu ohne Gleichen in einen Sieg umzuwandeln. Ausnahmslos!" Er wollte etwas erwidern, und ich war sehr sicher, dass es sich um eine Rechtfertigung handeln würde, wie er es hatte schaffen können, aber ich würgte diese gleich im Keim ab. „Deshalb habe ich beschlossen, dich als Hauptmann nach Aroughs zu schicken. Hauptmann Brigmann leitet den Angriff zur Zeit, aber er erzielt keine Fortschritte. Zugegebenermaßen, seine Mission ist nicht leicht, aber das ändert nichts daran, dass wir es uns nicht leisten können, eine Stadt unter Galbatorix' Kontrolle im Rücken zu haben."
Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. „Was meint ihr mit nicht leicht? Genau das, nicht leicht, oder vollkommen unmöglich?" Er nahm keine Hand vor den Mund, selbst wenn er hier vor mir stand. Auf der einen Seite störte mich das, auf der anderen gewann er damit meinen Respekt. Mit einem Seufzen begann ich nochmal die Geschichte zu erzählen. „Unseren Spionen war berichtet worden, Aroughs wäre bestenfalls dürftig vorbereitet und in der Stadt wären knapp tausend Mann. Ich habe eine ähnlich große Truppe geschickt um die Stadt einzunehmen, da wir nicht in der Position sind, mehrer Krieger auf Einsätze dieser Art zu schicken als unbedingt nötig. Auch einen Magier konnte ich nicht mitschicken, da wir in diesem Gebiet sowieso schon dezent unterbesetzt sind.
Als ich nun durch einen meiner Magier Kontakt zu Brigmann aufgenommen habe, hat er mir mitgeteilt, dass ihren Beobachtungen zufolge rund drei mal so viele Krieger dort stationiert sind und obendrein haben sie wohl auch einen Hexer. Seit mehr als einem Monat läuft die Belagerung nun schon und es ist klar geworden, dass die Stadt auf eine Belagerung vorbereitet wurde. Sie haben den Berichten zufolge wegen ihrer Lage unbegrenzt Zugang zu Wasser und Nahrung für fast ein ganzes Jahr in ihren Kellern. Alles weitere wirst du vor Ort erfahren."
Während ich erklärt hatte, verdüsterte sich seine Miene wieder rasant. „Also ein vollkommen unmögliches, hoffnungsloses Unterfangen!" - „Hättest du es für möglich gehalten, dass ein nahezu unausgebildeter menschlicher Krieger alleine ohne Zuhilfenahme von Magie fast zweihundert Mann niederstreckt? Ich habe dich nicht hierfür ausgewählt, weil ich niemanden habe, der die Belagerung eher erfolgreich leiten könnte. Ich habe genau dich ausgewählt, weil du dir auf die Flagge geschrieben hast, das unmögliche ein ums andere Mal zu schaffen, selbst wenn du noch nie wirklich an einem Militärakt ähnlicher Art teilgenommen hast. Wenn jemand es schaffen kann, dann du. Also, akzeptierst du meine Entscheidung oder möchtest du lieber ein weiteres Mal Befehle verweigern? Das würde für jeden, wirklich jeden hier unschöne Konsequenzen haben."
Spätestens an diesem Punkt konnte man seine Gesicht nichts ablesen, außer seiner Wut. Und das seine Nerven wirklich kurz vorm Durchbrennen standen. Seine Hand ruhte bereits auf seinem Hammer und ich wusste, wenn er diesen ziehen würde, wären die Folgen noch um ein Vielfaches verheerender, als die, an die ich gedacht hatte. Vielleicht war ich einen Schritt zu weit gegangen. „Ihr müsst mir nicht drohen. Auch wenn ich es hasse, habe ich ein Pflichtbewusstsein, welches mir verbietet diese Aufgabe abzulehnen. Ich werde niemals vor meiner Pflicht davon laufen, aber ich möchte dass Ihr wisst, dass ich an diesem Punkt kurz davor bin. Sucht Euch das nächste mal jemand anderes für euer Himmelfahrtskommando. Ich werde diese gottverdammte Stadt einnehmen, aber ich nehme Euch beim Wort, dass Ihr mich danach nicht mehr von hier wegschickt um irgendwelche Städte am anderen Ende des Landes einzunehmen. Und dieses Versprechen bin ich bereit mit allen Mitteln einzulösen. Ich habe hier meine Familie und wenn ich schon irgendwann sterben soll, möchte ich es nicht tausend Meilen entfernt tun. Habe ich mich klar ausgedrückt?"
Diese letzte Frage stellte normalerweise ich. Es war jedoch deutlich, dass in diesem Gespräch gerade ich diejenige war, die Forderungen entgegen nahm. Es wäre eigentlich meine Aufgabe, ihn dafür zu Maßregeln, aber ich sah ein, dass das dann ohne Zweifel dazu führen würde, dass die Situation eskaliert. Und dass das nicht nur mich, sondern vermutlich auch meine Wachen, denn das traute ich ihm zu, das Leben kosten würde, war eine zu nahe liegende Option, um sie zu ignorieren.
„Ich habe es verstanden, aber wie gesagt. Ein Zweifrontenkrieg ist unsere Niederlage, das gilt genauso für die Zukunft, die du dir erträumst, und mit der jetzigen Mannschaft wird die Belagerung ohne einen kühnen Plan nicht gelingen. Wir können keine größere Menge Truppen entbehren und Saphira und Eragon losschicken erstrecht nicht... Vielleicht habe ich eine Idee, aber die muss ich erst überdenken und gegebenenfalls Vorbereitungen treffen. Ihr werdet noch heute Abend aufbrechen, da Eile geboten ist und ich dich im Erfolgsfall auch für Dras-Leona als Hauptmann brauchen werde. Ein letztes Angebot aus meiner Richtung, sieh es als Zeichen des Wohlwollens, such dir deine Begleitung aus. Alleine werde ich dich dann doch nicht durchs ganze Land schicken."
Er brummte etwas unverständliches, bei dem ich ziemlich sicher war, dass es sich nicht um ein freundliches Dankeschön handelte, nickte dann aber und seufzte: „Wie Ihr wünscht, Herrin. Letzten Endes bleibt mir aus mehreren Gründen nichts anderes übrig." Am Ende schlich sich doch ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Ich wusste, dass er damit nicht nur die Regeln der Hierarchie meinte, sondern auch sein eigenes Pflichtbewusstsein und vermutlich noch irgendetwas anderes, bei dem ich nur raten konnte.
„Sehr gut", meinte ich und suchte danach auf meinem halbwegs improvisierten Schreibtisch nach Tinte, Feder und Pergament. Wie schon bei meinem Vater ein eindeutiges Zeichen, um jemandem klar zu machen, dass er entlassen war. Ich mochte dieses fast schon Ritual, weil es merkwürdigen Gesprächspausen und unhöflich klingenden Rauswürfen vorbeugte. Roran erkannte es wohl denn er drehte sich um und lief in Richtung Ausgang. Als er schon halb draußen war, rief ich ihm noch hinterher: „Ach Roran...", er streckte seinen Kopf nocheinmal zurück, „...Versuch bitte es nicht als Strafe sondern als Chance zu sehen."
Er schien zu überlegen, teilte mir jedoch nicht mit wie diese Überlegungen ausgegangen waren und ging nun wirklich. Ich starrte ins Leere während ich darüber nachdachte, was eben geschehen war. Es war das erste mal seit mein Vater gestorben war, möge er in Frieden ruhen oder was jetzt auch immer im Nachleben passiert, dass mir jemand ganz offen und mehrfach widersprochen hatte.
Der Ältestenrat hatte dies zwar teilweise getan, aber das hatte daran gelegen, dass sie damals gedacht hatten, sie würden mich leicht manipulieren oder sogar kontrollieren können. Es amüsierte mich jedes Mal wieder, wenn ich an ihre Gesichter dachte, als sie erkannt hatten, dass ich genau wusste, was sie vorhatten und sie in ihre Schranken verweisen konnte.
Ich schob diese Ablenkung wieder in den Hintergrund. Lunas Gewicht war noch immer auf meinem Schoß zu spüren und ich hatte die wage Vermutung, dass sie eingeschlafen war. Ihre Anwesenheit hatte dennoch etwas beruhigendes und friedliches, dass mir dabei half, meine Gedanken zu ordnen. Es war nämlich so, dass es soweit zur Gewohnheit geworden war, dass ich inzwischen nicht mehr damit rechnete, dass mir jemand, außer in einigen Fällen vielleicht Arya, Percy oder Annabeth, widersprach. Und wenn doch, war es im Normalfall meine Aufgabe, dies im Kern zu verhindern. Solange ich meine Autorität als Anführerin behalten wollte, hatten Rücksicht auf persönliche Gedanken nur einen sehr begrenzten Platz. Natürlich durfte man nicht völlig rücksichtslos werden, aber die Tatsache, dass jemand keine Lust auf eine Aufgabe hatte, durfte nicht als Grund ausreichen um sich vor Pflichten zu drücken.
Aus irgendeinem Grund war das bei Roran etwas anderes. Man könnte argumentieren, dass auch seine Beweggründe schlichtes Desinteresse waren, aber ich wusste es besser. Wie ich schon festgestellt hatte, hatte er einen eisernen Willen, der ihm erlaubte sein Ziel unter nahezu allen Umständen zu erreichen und an sich wollte ich ihn auch nicht dazu zwingen. Es war nunmal so, dass sein Eigenwille gleichzeitig seine größte Stärke und Schwäche war. Niemand, wirklich niemand würde ihn ohne Druckmittel oder Magie zu irgendetwas zwingen können, aber gleichzeitig störte das, wie er mehrfach eindrucksvoll bewiesen hatte, die Hierarchie in mehreren Gebieten und war ihn einmal noch teuerer zu stehen gekommen als eigentlich ethisch richtig gewesen wäre.
Eben deshalb wollte ich ihn lieber motivieren als zwingen. Je geringer der Anteil war, den man ihn gezwungen hatte, desto höher war sein eigener und wie mehrfach erwiesen, war dieser Anteil um ein Vielfaches bedeutsamer.
Außerdem, wie ich schon gesehen hatte, hätte ich vor ihm meine Autorität, die ich ja eigentlich mit dieser Strenge wahren wollte, vollends verloren, wenn ich so weiter auf ihn eingedrungen wäre. Und wenn ich vor ihm keine Autorität mehr hatte, wäre das zum ersten für mich gefährlich geworden und zum zweiten hätte es ihn auf seine eigenen Pläne geschickt, die nur bedingt identisch mit unseren waren. Er war Bauer, kam von einem Dorf, in dem man sich annähernd selbst versorgte. Für ihn spielte es keine Rolle, wie das gesamte Land danach aufgebaut wäre, für ihn zählte nur, dass Galbatorix verschwand und eine mögliche nachfolgende Herrschaft sich nicht in sein Leben einmischte.
Roran pov
Warum schon wieder ich? Bin ich in den letzten Wochen und Monaten nicht oft genug um ein Haar gestorben? Es war nicht der Gedanke an den Tod, der mich so aufregte. Ich hatte schon längst beschlossen, dass das Leben von denen, die mir am meisten bedeuteten, mir wichtiger war als mein eigenes. Eine Eigenschaft, die ich sicher mit Eragon gemeinsam hatte. Nein, es war die Angst, ich würde ohne eben genannte Freunde und Verwandte sterben.
Ich war grundsätzlich der Meinung, es war besser das Feld zu bestellen als anderen Menschen ihr Leben zu nehmen. Natürlich tat ich es ohne Zögern, aber der einzige Grund dazu war, dass mir mein Leben und das meiner Familie wichtiger war als das von jemandem anderen, den ich nicht kannte. Das mag vielleicht rücksichtslos klingen, aber einen Unterschied gibt es doch, wenn ich jemanden Angriff, dann tat ich das nicht aus Spaß am Töten und an Grausamkeit oder weil ich jemandem schaden wollte, sondern um mehr oder weniger direkt mich und andere zu schützen. Das ändert jetzt vielleicht nichts daran, dass ich viel zu viel Blut an meinen Fingern hatte, aber es war der einzige Hintergrund, der mir erlaubte soetwas zu tun und mich dabei trotzdem nicht selbst zu hassen und zu verabscheuen.
Ich lief durch die monotonen Zeltreihen und schwankte die ganze Zeit zwischen Selbstmitleid und Wut darüber, dass ich solche Dinge tun musste. Es war ein schmaler Grad, vor allem weil ich weder solche Gewalt erleiden, noch sie verüben wollte und trotzdem beides der Fall war, ohne einen klaren Weg hinaus. Ich wusste, dass ich nicht aufgeben würde. Nicht bis ich meinen Vater bis zum letzten Funken gerächt und eine Wiederholung davon für immer verhindert hatte. Ich hatte inzwischen nicht mehr nichts. Auf materieller Ebene vielleicht, aber nicht in Gedanken. Ich hatte eine Frau und eine Familie. Das hatte mich dazu gebracht, zum einen keine oder zumindest weniger eindeutig selbstmörderischen Risiken einzugehen, aber zum anderen gab es mir auch Kraft. Eben deshalb würde ich nicht aufgeben.
Ich erreichte unser Zelt und stellte überrascht fest, dass ich aus dem inneren Stimmen hörte. Ich wusste, dass eine davon Katrina gehörte, aber bei der zweiten hatte ich keine Idee und vom Inhalt verstand ich auch nichts. Ich war etwas unentschlossen, was ich tun sollte. Zum einen war es natürlich mein Zelt, aber wenn meine Frau gerade mit jemandem redete, wollte ich auch nicht unangekündigt hinein platzen. Sollte ich also lieber klopfen oder wäre das auch komisch?
Ehe ich mich entscheiden konnte, nahm mir jemand anderes die Entscheidung ab. „Komm rein, Roran, wir beißen nicht." Die helle Stimme ließ mich zusammenzucken. Dennoch folgte ich der Aufforderung und schob die Plane aus dem Weg. Im inneren saßen natürlich Katrina und jemand, den ich bisher hauptsächlich vom weiten kannte. Ich hatte die lockigen Haare und das liebe Lächeln von Hazel eigentlich nur bei offiziellen Anlässen und zur Hochzeit gesehen. Ihr Gesicht stach in jedem Punkt aus der Masse hervor. Auch wenn sie sich kein bisschen so benahm, sah sie aus als hätte sie kaum fünfzehn Sommer gesehen und ein so ehrliches Lächeln, wie sie nahezu immer im Gesicht hatte, fand man auch immer seltener hier.
Noch ehe ich fragen konnte, was sie hier tat, hatte sie sich schon an mir vorbei nach draußen geschoben. Etwas unsicher trat ich ins Innere, da ich nicht wusste, ob ich sie irgendwie unterbrochen hatte, und umarmte meine Frau einmal. Ich bekam jedoch nicht die Zeit, mich vernünftig niederzulassen, da sie mich nahezu augenblicklich fragte: „Was wollte Nasuada? Ich sehe dir an, dass es nichts gutes sein kann." Ich seufzte nur, da es mich immernoch frustrierte.
Als ich mich schließlich doch dazu durchringen konnte, den Inhalt meines vorangegangenen Gesprächs zusammenzufassen, meinte ich schlicht: „Ich soll auf einen weiteren Auftrag. Zum einen habe ich noch mehr Angst als bisher schon, dass ich dort alleine ohne dich sterbe, und zum anderen will ich nicht noch mehr Leben auf mein Gewissen laden müssen. Sie hat zwar gesagt, es sei mein letzter außerhalb unserer Hauptstreitmacht, aber... ich möchte trotzdem nicht so weit weg."
Ihre Reaktion traf mich ziemlich unerwartet. Sie lachte. Ich liebte ihr lachen zwar, aber es kam sehr unerwartet und schien nicht ganz angemessen. Ich hatte wohl sehr gut ersichtlich meine Stirn gerunzelt, denn sie erklärte nun: „Du bist niedlich, machst dir immernoch Sorgen. Sag mir, Roran Hammerfaust, was bitte sollte dich umbringen? Du hast inzwischen von den schlimmsten Dämonen, die unser Land gesehen hat, bis hin zu einstürzenden Gebäuden alles überlebt. Warum erwartest du jetzt, dass etwas schief laufen könnte?" In etwas sanfterem Tonfall fuhr sie dann fort: „Natürlich habe ich Angst um dich, das habe ich immer wenn du weg bist, aber du hast mehrfach bewiesen, dass das unbegründet ist. Meine Sorgen um dich kann es nicht tilgen, aber mir würde es schon helfen, wenn du optimistisch bleibst.
Weißt du, kurz bevor du gekommen bist, hat Hazel eine kleine Andeutung fallen gelassen. ‚Denk an die Geschenke!' Ich glaube, ich weiß, was sie damit gemeint hat. Nein, das wäre übertrieben... Ich kann mir denken, in welche Richtung diese Empfehlung gehen soll. Vielleicht, ganz vielleicht ist in dem Anhänger irgendwie Magie, die uns etwas nützen kann." Ach richtig, der Anhänger. Ich hatte ihn seit er Hochzeit nicht getragen, weil er beim Training eher störte als alles andere. Percy hatte gemeint, er würde zu einem kleinen Dolch werden, aber das war im Training keine Option und obendrein war Dolchkampf in einer Schlacht sowieso keine gute Idee. Das Kettenhemd war großartig und praktisch, aber mit diesem Anhänger konnte ich eben unter gegebenen Umständen kaum etwas anfangen. Die Möglichkeit, dass diese beiden Dinge noch mehr versteckten, bestand jedoch tatsächlich. Magie war wirklich immer wieder um sie herum zu beobachten gewesen.
Die silberne Kette lag auf einem kleinen Klapptisch in der Ecke. Ich lief hin und in dem Moment, als ich den Anhänger berührte, schwebten brennende Zeichen in der Luft darüber. Die ähnelten sehr stark einigen, die ich zum Beispiel in Jeods Bibliothek gesehen hatte, aber lesen konnte ich sie leider nicht. Nach einigen Sekunden wechselten sich die Zeichen, aber verstehen tat ich sie noch immer nicht. Ich drehte mich zu Katrina um und sah, dass es ihr genauso erging. Nochmal veränderten diese kryptischen Symbole ihre Konturen und Positionen, aber mein Verständnis wurde dadurch nicht besser.
Es war einige Sekunden still bis aus dem nichts eine Stimme ertönte, die vermutlich von Percy stammte. „Roran, Katrina, tut uns leid, wir haben vergessen, dass lesen und schreiben hier keine Selbstverständlichkeiten sind. Was wir euch nur kurz sagen wollten, zwischen deinem Armband Katrina und deinem Anhänger, Roran, besteht eine magische Verbindung die es euch erlaubt zum einen über unbegrenzt große Distanzen miteinander zu kommunizieren. Zum anderen ist es euch dadurch möglich, euch gegenseitig Kraft zu spenden. Vielleicht gestaltet das die nächsten Tage und oder Wochen etwas annehmbarer für euch."
Während ich und ziemlich sicher auch Katrina noch völlig erstarrt waren, erklang auch die Stimme von Annabeth. „Noch ein kleiner Zusatz, Roran, wie du dir vielleicht denken kannst, wird Nasuada dir deine Befehle in schriftlicher Form mitgeben. Einfach aus Prinzip wäre es besser, wenn du sie auch selbst lesen könntest. Bei Nasuada ist das zwar unwahrscheinlich, aber an sich könnte es auch sein, dass du einen Zettel mit dem Befehl zu deiner eigenen Exekution überbringst.
Deshalb, nur wenn ihr nichts dagegen habt, würden wir dafür sorgen, dass sich die schriftlichen Bestandteile der Sprache in eurem Kopf festigen, ohne dass ihr irgendwie dafür üben müsst... das war eine Frage", ergänzte sie dann, als von keinem von uns eine Antwort kam. Ich hinterfragte einfach nicht, warum sie uns hier hören konnten.
Ich verharrte immernoch regungslos als Katrina sagte: „Womit auch immer wir das verdienen, ich nehme gerne an." Auch mir gelang es daraufhin, mich von dem was auch immer loszureißen und zu antworten: „Keine Einwände." Im Nachhinein hätte man wohl freundlicher auf dieses Angebot reagieren können, aber naja, ich war nicht in der richtigen Verfassung zum Nachdenken.
Die Schrift in der Luft verblasste bereits langsam doch kurz bevor sie völlig verschwand, sah ich noch zwei scharfe Zeichengruppen in der Luft schweben. Von irgendwo wusste ich, dass sie „Kettenhemd" und „unzerstörbar" bedeuteten. Moin, Manni hier, ich soll hier kurz ausrichten, dass das kein unlogischer Zufall ist sondern genau von Annabeth geplant war. Warum der Autor euch das nicht selbst sagt, weiß ich allerdings nicht...naja, vielleicht könnte die Tatsache, dass er mich mit Keksen bestochen hat, einen kleinen Einfluss darauf gehabt haben.
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3823 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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