Kap. 6 Unerwartete Besucher
Percy pov
Als ich die Phase der vollständigen Wahrnehmungslosigkeit hinter mir gelassen hatte und wieder Sinneseindrücke erfasste, war ich mir nicht sicher, ob ich in einem Traum steckte. Es fühlte sich real an und die Tatsache, dass ich hinterfragte, ob es einer wäre, war eigentlich schon ein starkes Argument dafür, dass es kein Traum sein konnte. Dagegen sprach hingegen meine Umgebung. Alles um mich herum war von einem so grellen, reinem weiß, dass man nichts anderes sah. Diese Helligkeit wurde hier und da von meist kleinen schwarzen Punkten unterbrochen. Einer davon war jedoch nicht klein sondern wirkte, als sei dort ein Fass schwarzer Tinte ausgelaufen. Einen Boden gab es nicht. Ich fühlte mich, als hätte ich Boden unter den Füßen, aber es gab absolut nichts, woran man das optisch fest machen konnte. Über mir und unter mir gingen fließend in einander über. Alles in allem sah das kein bisschen wie ein realer Ort aus.
„Du hast recht und irrst dich gleichzeitig, Perseus. Dieser Ort existiert nicht in der Form, wie es ein Gebäude tun würde, aber gleichzeitig ist er nicht frei erfunden." In Anbetracht der Situation kam mir eine sehr kreative Frage in den Kopf. „Wer ist da und wo ist dieser jemand?" Ich hatte die Frage nicht laut gestellt, da ich nicht wusste, ob dieser jemand mir gut oder böse gesonnen war.
Das gleißende Licht verdunkelte sich vor mir und daraus formten sich Konturen. Diese wurden weiter in unterschiedlicher Geschwindigkeit dunkler bis dort eine sehr handfest aussehende Gestalt mit riesigen schwarzen Flügeln stand. Ich schätzte ihn äußerlich auf Mitte vierzig, auch wenn er sich dafür gut gehalten hatte, denn seine Haare waren noch immer von einem tiefen schwarz, in das sich nur ganz vereinzelt weiße und aus irgendwelchen Gründen silberne Strähnen verirrt hatten. Die Gestalt begann nun zu sprechen. „Wo ich bin ist eine schwierige Frage, die man nicht eindeutig beantworten kann, aber einen Teil der Antwort siehst du hier. Und mein Namen, den ich der Dramatik wegen nicht als erstes genannt habe, lautet Chaos und das hat ganz sicher nichts mit dem Zustand deines Zimmers zu tun... Ja, ich kann deine Gedanken nicht nur lesen sondern auch vorhersehen."
Überraschenderweise, nicht, war der erste Gedanke, der mir kam tatsächlich, dass ob dieser Name von der nicht vollkommenen Ordnung, die ich gerne mal hinterließ, inspiriert war, nicht das mir gerade möglicherweise das mächtigste Wesen der Schöpfung gegenüber stand. Ich hatte in den letzten Jahren gelernt, Dinge nicht zu hinterfragen, um Kopfschmerzen zu vermeiden, und so glaubte ich ihm diese Aussage, wer er sei auch einfach. Als dieser zweite Gedanke dann doch einsetzte, bekam ich ein klein wenig Angst. Erstens, was zur Hölle macht der Typ hier und zweitens, werde ich für diesen ungebührenden Empfang jetzt eingeäschert? „Wenn ich das hätte tun wollen, hätte ich nicht herkommen brauchen. Außerdem, würde ich jeden einäschern, der so großzügig ist, mir diese lästigen Anreden und Verbeugungen zu ersparen, wäre das Universum schon seit langem vollkommen unbelebt."
Ich zögerte, ehe ich fragte: „Bedeutet das, ihr wollt nicht so ehrenvoll behandelt werden?" Er gab ein tiefes Lachen von sich und antwortete: „Es reicht, wenn du Fragen und Antworten denkst. Und ja, ich möchte nicht so behandelt werden, auch wenn es oft unvermeidbar ist. Ich könnte mir vorstellen, dass es auf der Erde kaum jemanden gibt, der das besser versteht als du. Habe ich etwas getan, was andere hätten tun können, aber es nicht getan haben? Nein, also brauche ich dafür auch nicht mehr Lorbeeren als zum Beispiel wenn ich mehr Mut bewiesen hätte als jeder sonst. Herr der Schöpfung in Ehren aber dieses ganze ‚Himmelt mich an, weil ich eine wichtige Position habe' hängt einem nach ein paar Jahrtausenden zum Hals raus."
Während ich zögerlich zustimmte, da ich tatsächlich wusste, was er meinte, kam mir die Frage in den Sinn, was er dann eigentlich hier wollte. „Und, wenn ich fragen darf, was macht Ihr dann hier... in meinem Kopf oder wie Sie es formuliert haben?" Ich würde jetzt gerne erzählen, dass er mich unterbrochen hätte, damit es dramatischer klingt, aber leider ließ er mich ausreden und bat mich dann ruhig: „Perseus, bitte lass dieses gesiezte, da fühle ich mich immer so alt." Er klang dabei nicht gereizt sondern eher amüsiert. Davon ermutigt schlug ich also vor: „Wenn Ihr aufhört mich Perseus zu nennen. Es klingt viel formeller als ich eigentlich bin und ich finde Percy klingt eh besser." Nach außen hin verkniff ich mir die Bemerkung, dass er durchaus schon recht alt war, vergaß jedoch, dass er Gedanken lesen konnte.
Jetzt musste Chaos wirklich lachen. „Ja, ich bin alt, aber ich will mich nicht noch älter fühlen, als ich bin. Und auf deine Frage, ich bin hier um dir ein Angebot zu machen." Erwartungsvoll sah ich zu ihm auf und wartete, dass er fortfahren würden. Das dauerte allerdings einen Moment. „Auch wenn es nicht schön ist, du weißt, dass alle Götter verblassen. Auch wenn ich eigentlich über den Göttern stehen würde, das Verblassen bleibt auch mir nicht erspart. Es wird nicht heute und auch nicht morgen sein, aber irgendwann wird es passieren und damit dann nicht alles im Chaos, keinerlei Wortspiele beabsichtigt, versinkt, brauche ich einen Nachfolger, der Macht kontrollieren kann und dessen Charakter so geschrieben ist, dass er sie niemals missbrauchen würde. Lange Rede, kurzer Sinn, meine Entscheidung ist auf dich getroffen."
Das erste was mir in den Sinn kam, war vollkommener Unglaube. Ich schob die Frage, ob das hier alles ein Witz war, zur Seite und stellte zwei Fragen an Chaos. „Okay, bevor meine Gedanken vollständig abschalten, warum ich und warum sollte meine Entscheidung hier anders aussehen als vor zwei Jahren auf dem Olymp?" Er zögerte einen Moment ehe er antwortete. Ob es Unsicherheit war, was ich nicht glaubte, oder er einfach nachdachte, ließ sich von außen nicht direkt bestimmen. Schließlich antwortete er:
„Ich habe dich gewählt, weil deine Loyalität dich unter allen Umständen daran hindern wird, deine Macht zu missbrauchen. Du hast ein gutes Herz und das ist vermutlich das wichtigste an dieser Stelle. Dazu kommt, dass du heute gezeigt hast, dass du Macht nutzen kannst, ohne daran zu zerbrechen oder zu sterben. Viele, vielleicht alle anderen Halbgötter wären gestorben, selbst wenn sie deine Fähigkeiten hätten, weil diese immense Kraft sie zerrissen hätte. Du hast davon nichtmal Fieber bekommen, was ein Zeichen dafür gewesen wäre, dass dein Limit fast erreicht war.
Auf deine zweite Frage muss ich mit einer Gegenfrage antworten, auch wenn ich deren Antwort schon kenne. Warum übernimmst du Führungsrollen?" Schön, dass er darauf die Antwort wusste, ich musste zuerst nachdenken. „Entweder um helfen zu können, weil ich jemandem diese Verantwortung ersparen will, oder weil ich niemandem selbige auferlegen will." Zufrieden nickend sagte er: „Exakt. Anders als damals hast du hier die absolute Entscheidungsfreiheit, gutes zu tun. Du verhinderst, dass jemand unfähiges auf meinen Thron kommt, der damit monumentalen Schaden anrichten könnte. Ein Punkt, der doch außerdem interessieren könnte ist, dass du zu der selbsterklärenden Unsterblichkeit auch noch die Fähigkeit bekommst, anderen solche Fähigkeiten zu verleihen. Das bedeutet, es wäre nicht zwangsläufig so, dass du alle um dich herum überlebst sondern wenn du es möchtest, überleben sie mit dir." Als er zu Ende gesprochen hatte, trat ein Schweigen ein. Also gesagt hatte ja sowieso keiner von uns etwas, aber auch gewollter Gedankenaustausch blieb, zumindest von dem was ich mitbekam, aus.
Ich wollte keine Unsterblichkeit oder noch mehr Macht. Das einzige mal, an dem das anders gewesen war, war bei unserer Durchquerung des Tartarus, weil ich Annabeth so besser hätte schützen können. Seine Argumente hatten leider genau das angesprochen, dass was für mich dafür sprechen würde. Ich würde meine Freunde vermutlich auch nicht verlieren, wenn wir alle sterben würden, da das Elysium den meisten Halbgöttern vorbestimmt war, aber wenn es dadurch nicht anders wäre, wäre ein Grundsatz, der mich daran gehindert hätte, aus dem Weg geräumt.
Auch bezüglich der Verantwortung traf er einen empfindlichen Nerv. Ich hatte an zu vielen Stellen gesehen, wie Macht in den falschen Händen um ein Haar gigantische Katastrophen ausgelöst hätte. Seien es Luke, ehe er wieder zu sich gekommen war, Gaia, Oktavian oder Zeus. Auch wenn ich nicht wusste, ob ich alles umsetzen könnte, die Absichten, die ich damit verfolgte, waren nicht mit Macht sondern mit Frieden und Glück für alle verbunden und somit vermutlich eine Versicherung gegen derartiges. Nachdem ich die Informationen verarbeitet und über Chaos Punkte nachgedacht hatte, was zusammen wahrscheinlich mehrere Minuten dauerte, fragte ich schließlich, „Für den Fall, dass ich annehmen sollte, was würde das für mich bedeuten?"
„Naja, zuerst trifft dich eine ordentliche Portion Energie. Das könnte etwas schmerzhaft werden und dich nochmal für ein paar Minuten mehr als ohnehin schon außer Gefecht setzen, aber dadurch bekommst du die Kraft, die du brauchst. Sowohl Macht als auch Wissen. Danach kommst du für hundert Jahre zu mir auf meinen Planeten. In dieser Zeit wirst du alles über deine Kräfte lernen, was es zu lernen gibt. Du hast ein allwissendes Gehirn, aber nur Übung gibt dir die Möglichkeit, über dein vorhandenes Wissen hinaus zu wachsen. Danach kommst du zuerst auf die Erde zurück, um zu lernen, mit deinen Kräften zu leben und zu arbeiten." Erklärte das mächtigste Wesen des Universums.
„Einhundert Jahre?", fragte ich fassungslos. „Aber da nützt es mir doch garnichts, wenn ich meine Freunde unsterblich machen könnte, weil sie eh schon alle tot wären." Als er dies hörte, ... lachte Chaos. Er lachte einfach. Danach sagte er jedoch: „Percy, auf meinem Planeten, Orbis Terrarium Chaos (schlechtes Latein für „Chaos Welt"), vergeht die Zeit anders. Sofern es keinen triftigen Grund dagegen, wie zum Beispiel Besuch von außen, gibt, lasse ich die Zeit dort anders vergehen. Ein Jahr dort entspricht meistens einer Sekunde auf der Erde. Du wärst also keine zwei Minuten da. Außerdem gibt es eigentlich keinen Grund, warum das mit dem Sterben dir Sorgen machen sollte. Du könntest den Tod nicht nur verhindern, du könntest ihn auch rückgängig machen. Etwas, was du nicht leichtfertig tun solltest, aber an sich wäre es möglich."
Erwartungsvoll sah er mich an. Auch wenn er jeden von mir gebrachten Zweifel eigentlich mit Logik kaputt gemacht haben sollte, war ich immernoch zerstritten. Gutes tun und anderen helfen ist ja schön und gut, aber ich wollte keine Macht. Einer von vielen Widersprüchen im Leben. Schließlich seufzte ich und sagte: „Also schön, wenn du dir sicher bist, dass du mich als Nachfolger willst, dann soll es so sein, selbst wenn mir der Gedanke, so viel Macht zu haben, nicht gefällt." Zufrieden lächelnd sagte Chaos mit gütiger Stimme: „Mit dieser Erklärung zeigst du, dass du der richtige bist. Gute Herrscher wollen den Titel und die Position nicht wegen der Macht sondern wegen den Umständen. Ich freue mich, dass du deine Entscheidung trotzdem so getroffen hast."
Nach dieser berührenden Ansprache erklärte er mir noch, dass ich wenn ich wieder aufwachen würde, mich zu ihm teleportieren sollte. Meine Frage, wie das gehen sollte, hatte er fein säuberlich abgewimmelt. Schließlich fragte er dann: „Bist du bereit?" Ich nickte und er hob eine Hand. Ein pechschwarzer Strahl, der nur von gelegentlichen silbernen Blitzen durchzuckt wurde, traf meine Brust. Kennt ihr das, wenn ihr sehr viel Sport gemacht habt und danach manche oder alle Muskeln weh tun, genau dieses Gefühl in tausend mal schlimmer erfuhr ich am ganzen Leib. Es war extrem schmerzhaft, aber ich hatte schon schlimmeres ausgehalten.
Das hätte ich nicht sagen dürfen. In dem Moment, in dem ich den Gedanken zu Ende gedacht hatte, durchfuhr mein Kopf ein Schmerz, im Vergleich zu dem sich der gesamte Tartarus, auf eine Sekunde zusammengestaucht, angefühlt hätte, wie ein Daunenkissen. Das hielt auch ich nicht richtig aus. Nach kaum einer Sekunde brach ich einfach zusammen und mir wurde schwarz vor Augen.
Warten ist langweilig, und Langeweile sollte hier nicht zu finden sein. Deshalb erspare ich euch Stunden des Wartens und schicke euch zu dem Zeitpunkt, an dem Percy wieder aufwacht.
Als ich sie wieder öffnete, lag ich in meinem Bett. Wie ich dorthin gekommen war, wusste ich nicht. Als ich aufstand, fiel ich vorne über. Ich hatte vom Bett aus Schwung genommen um besser auf die Beine zu kommen, aber irgendwie mehr Kraft genutzt als erwartet und flog so fast zwei Meter, nur um mein Gesicht gerade noch davon abzuhalten, überaus innige Bekanntschaft mit dem Boden zu machen. Dies wiederum gelang mir enorm gut. Zu gut denn der Impuls, den ich mit meinen Armen gab, gab mir auch einen nach oben und setzte so meine Bewegung mach vorne fort. Es krachte einmal laut und ich lag in der Wand... und mit in der Wand meine ich, dass zwei der Bretter zerbrochen waren und ich halb dazwischen steckte.
So viel zum negativen. Zum positiven lässt sich sagen, dass ich trotz dieses, nennen wir es kleinen Unfalls, mich nicht so fühlte, als hätte ich einen solchen Unfall erlitten. Ich stand unversehrt auf und suchte meinen Körper nach Splittern des Holzes hab. Nichts. An mehreren Stellen war mein orangenes Camp-T-Shirt von Spänen durchlöchert, aber auf magische Weise hatte keiner davon Spuren an meinem Körper hinterlassen.
Ich erinnerte mich an meinen Traum. War es ein Traum? Auch egal, ich erinnerte mich an diese Vision, die laut Aussage des Verursachers in meinen Gedanken stattgefunden hatte. Während sich meine Gedanken immernoch zu großen Teilen weigerten, den Inhalt davon zu verarbeiten, kam mir zumindest sein Auftrag, was ich tun sollte, wenn ich wieder bei Bewusstsein wäre, in den Sinn. Also stellte ich nur die Frage: „Wie komme ich nach Orbis Terrarum Chaos (In Zukunft vielleicht manchmal als OTC abgekürzt, ich bin schließlich auch faul.)?" Die erste Antwort, die ich erhielt, war nicht zufriedenstellend. „Ich habe gesagt du sollst daran denken, nicht eine Frage stellen. Wäre es das, was ich will, hätte ich es dir schon früher sagen können." „Chaos?", fragte ich etwas peinlich berührt. „Wer redet dich denn sonst in Gedanken an? Ja klar meldet sich deine Zimmersordnung wieder zurück. Das hier soll eigentlich schon deine erste Übung werden. Wie dem auch sei, du musst einfach nur an mich und an diesen Ausdruck, also den Namen von meinem Planet denken. Es tauchen dann sofort alle relevanten Informationen in deinem Kopf auf. Alles weitere erkläre ich dir dann, wenn du da bist." Ich wollte zurückmelden, dass ich verstanden hatte, doch leider hatte ich einen Augenblick zuvor gespürt, wie seine Präsenz verschwand, auch wenn ich anfangs nicht gemerkt hatte, wie sie aufgetaucht war, und wusste noch nicht, wie ich von mir aus jemanden auf diese Weise geistig ansprechen sollte.
Ich dachte also an alles, was ich bisher über den Ort wusste. Das war nicht sonderlich viel. Ich kannte den Namen. Ich kannte den Eigentümer. Das war's. In meinem Kopf sah ich eine grobe Kontur eines Ortes und dazu war ich plötzlich der Überzeugung, mir einen Wirbel vor mir vorstellen zu müssen, hinter dem diese Silhouette lag.
Ich folgte dieser Intuition und vor mir sprühte die Luft Funken. Sie formten einen Kreis in den Raum, in dessen Mitte die Luft flimmerte. In der Hoffnung, keinen Fehler zu machen, trat ich durch den Kreis. Auf der anderen Seite glaubte ich, mir würden die Augen aus den Höhlen fallen. Wenn man das ganze Ausmaß der Schrecklichkeit des Tartarus in die Schönheit des Olymps umwandeln und dabei die Größe beibehalten würde, hätte man eine minimalistisch Karikatur eines Amateurs, der versucht hatte, auch nur einen Teil dessen abzubilden, was sich meinen Augen bot. Es war schlichtweg atemberaubend. Es war das größte und schönste, was ich jemals gesehen hatte, aber nicht in einem prunkvollen Stil, zumindest nicht in erster Linie, sondern kunstvoll und so, dass es einladend wirkte. Der ganze Ort wurde von mystisch schimmerndem orangenem Licht erhellt. Anders als der Olymp war die gesamte Fassade nicht weiß sondern mehr wie der Sternenhimmel. Dunkelblau herrschte vor, was mir auf Anhieb sympathisch war, aber auch weiße, schwarze, silberne sowie mal zu mal auch goldene Funken stoben um das gesamte Terrain. Fast nahtlos gingen die Zinnen in den dunklen, sternenübersähten Himmel hinweg.
Vor mir zerflossen die Farben auf einmal und dort stand der Mann aus meinem Traum mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht. „Na bitte, denken ist auch für dich nicht unmöglich. Ich bin Chaos und das hier", er breitete die Arme aus, „ist meine Welt. Von hier aus arbeite ich, hier lebe ich und von hier beobachte ich alles. Sei willkommen Perse... ach stimmt ja, Percy." Dieses mal war ich mir relativ sicher, dass er mit normaler Stimme sprach, und nicht in meinen Gedanken. „Es freut mich, hier zu sein. Ich dachte immer, der Olymp sei äußerlich das schönste, was ich jemals gesehen hätte aber im Vergleich dazu sieht er aus wie irgendein langweiliges Reihenhaus in New York." Lachend antwortete er: „Freut mich, dass es dir gefällt. Wenn du mir nun bitte folgen würdest, heute zeige ich dir hier erstmal einen kleinen Teil dieses Palastes, nämlich den, der in den nächsten hundert Jahren wirklich wichtig wird." Ich stutzte. „Den ganzen Tag für einen kleinen Teil? So riesig ist das hier alles?"
Er schaute mich fragend an. „Riesig? Das was ich dir zeige ist ein winziger Bruchteil der Wunder, die dieser Ort zu bieten hat. Wenn wir uns beeilen schaffen wir es vielleicht an einem Tag. Aber dieses ganze Gemäuer wirst du vermutlich selbst bis zum Ende deiner Ausbildung nicht vollständig gesehen haben. Manchmal habe auch ich das Gefühl, hier noch nicht alles gesehen zu haben." Und nach diesen Worten bedeutete er mir mit einer Geste zu folgen. Er ging voraus und ein wie angewurzelt auf die riesigen Strukturen starrender Percy blieb noch mehrere Sekunden dort stehen, ehe er sich los riss und dem mächtigsten Wesen des Universums in dessen Hallen folgte.
Hallöchen, Manfred ist wieder da. Die Zeit spielt verrückt und schickt euch... wahnsinnige eine Minute und neununddreißig Komma neun neun sieben zwei Sekunden in die Zukunft... rätselt nur, wie ich auf diese Idee gekommen bin, ihr werdet es nie erfahren!
Da ein ausführlicher Bericht von jedem Tag, jedem Monat oder sei es auch nur jedes Jahr, zu viel wäre, erzähle ich jetzt einfach, wie es mir hier so ergangen ist. Warte mal, will der Kerl mich verarschen? Der verrät doch gerade mein Mysterium über die Veränderung der Zeit. Das ist gemein! Mit der Beschreibung der Größe hatte Chaos bestenfalls untertrieben. Wir brauchten bestimmt zwei Tage um den kleinen Teil zu sehen, den er mir angekündigt hatte und auf dem Weg kamen wir durch sieben Räume, an die er sich nicht mal mehr erinnerte.
Über Chaos Privatunterricht konnte man einiges sagen, aber langweilig war es nie. Wir begannen mit einer sehr langen Phase, in der ich einzig und allein Kontrolle über meine Kräfte übte. Das ging von der Beherrschung meiner selbst bis zu der Sicherheit im Einsatz dieser Kräfte an sich. Ein Fehlschlag hätte bei mir die vielleicht fatalsten Ausmaße, die nur irgendwie möglich waren. Schon jetzt könnte ich, verlöre ich je die Kontrolle, unser gesamtes Universum in Stücke reißen. Das war der Stand als ich auf Chaos ankam. Über die Jahre stieg meine Kraft jedoch rapide an. Sehr rapide, wie sich herausstellte.
Nach seiner Einschätzung sollte ich nach etwa der Hälfte meiner Ausbildung freie Möglichkeiten mit meinen Fähigkeiten haben. Den Abschluss sollte das Erschaffen einer vollständig neuen Spezies aus dem nichts sein. Dazu musste man nicht nur unermessliche Kraft aufwenden, allein um die nötige Materie zu schaffen, nein, noch dazu musste man mit ungeheurer Präzision arbeiten, da schon der kleinste Fehler riesige Probleme hervorrufen könnte. Als Prometheus die ersten Menschen schuf, hatte er in dem Bereich des Geistes der ersten Menschen, der für Vernunft verantwortlich war, eine Lücke übersehen, kleiner als es mit bloßem Auge zu erkennen wäre, aber dennoch vorhanden. Diese war, wie ich schon früh hier im Unterricht gelernt hatte, der Grund, dass gesellschaftliche Probleme wie Rassismus und Homophobie so viel mehr bei Menschen vorkommen als bei anderen Tieren. Letztere ist einzig und alleine beim Menschen aufgetreten, nur wegen einer winzigen Unachtsamkeit.
Wie dem auch sei, Exkurs in die Vergangenheit beendet. Nach etwas mehr als acht Jahren hatte ich abends heimlich ein bisschen mit Materie herumgespielt. Ganz vielleicht hatte ich dabei Chaos striktes Verbot von Experimenten, die Lebewesen hervorbringen sollten, vergessen. Zugegeben, möglicherweise nutze ich hier ‚vergessen' als Synonym für ‚ignoriert'.
Am nächsten Morgen hatte ich so erschöpft gewirkt, dass ich es nicht lange geheim halten konnte. Er begutachtete mein Werk, welches ich Nala nannte, zuerst und erklärte dann mit widerwilliger Anerkennung, dass er keinen noch so kleinen Fehler fand. Nala war etwa dreißig Zentimeter lang, hatte einen Körperbau, der an vielen Stellen Ähnlichkeiten zu dem von kleineren Affenarten der Erde aufwies, und ihr katzenartiges Fell war so weich, dass man nur ungern aufhören wollte, sie zu streicheln. Sie begrüßte das sehr denn sie hatte einen sehr verspielten Charakter, was zusätzlich zu dieser Liebe zum gestreichelt werden auch beinhaltete, dass alles und jeder ihr Klettergerüst war, und sei es der Erschaffer des Universums. Als ich begann, ihr Fähigkeiten zu geben, hatte ich leider ein wenig mit Kraft übertrieben und so war sie nun in einem so großen Maß in der Lage, den Nebel zu manipulieren, dass selbst Chaos und ich uns aktiv Mühe geben mussten, um sie zu finden.
Eine weitere, eigentlich ziemlich peinliche Geschichte ist die, wie ich fliegen auf natürlichem Wege lernte. Nach fast zwei Jahren fiel mir ein, dass Chaos bei unserer ersten Begegnung, wenn man den Traum so nennen konnte, riesige schwarze Flügel hatte. Als ich ihn danach fragte, ob ich auch solche hatte, lachte er mich statt einer Antwort aus. Als er sich ein wenig beruhig hatte, bedeutete er mir, mal in den Spiegel zu gucken. Ich tat es und zu meiner vollkommen Verwirrung sprossen scheinbar aus meinem Rücken ebenfalls Schwingen, die nur geringfügig kleiner als die meines Meisters waren. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich sie so lange nicht hatte bemerkten können, auch wenn es hier zu wenige Spiegel gab, in denen ich das hätte feststellen können. Zumindest irgendetwas damit umreißen hätte ich doch müssen.
Auf meine Nachfrage hin erklärte er mir, das diese Flügel, solange man sie nicht willentlich steuerte, quasi einen eigenen Geist hatten, der sie immer in eine der Position brachte, in der sie gegen nichts gegen stoßen würden. Von da an waren sie in meinem Training inbegriffen. Ihre Eigenschaft, dass sie ihre Beschaffenheit von seidig weich bis hin zu stahlhart und messerscharf ändern konnten, machte sie sogar in meinen Übungen im Schwertkampf oder allgemein in physischen Auseinandersetzungen extrem nützlich.
Springflut wäre bereits bei meinem ersten Übungskampf gegen Chaos fast zerbrochen und so hatte ich es ein wenig überarbeitet. Die Struktur aus himmlischer Bronze durchflocht ich mit Chaosstahl. Dieses ist, wie eigentlich fast alles hier, ein fast schwarzes Metall, das manchmal von silbernen Linien durchzogen wurde. Es ist unzerstörbar, solange nicht ein Wesen mit mindestens der Macht von mir zu diesem Zeitpunkt nahezu all seine Kraft aufwendet, um es zu zerstören. Deshalb und eingedenk des Faktes, wie viel meiner Vergangenheit mit dieser Waffe zusammen hingen, hatte ich entschieden, dass das Verstärken der Strukturen reichen würde. Eine vollständig neue Waffe bräuchte ich nicht.
Meinen ersten richtigen Kampf mit Waffen gegen Chaos verlor ich haushoch. Es dauerte kaum eine Minute, bis er mich entwaffnet hatte. Wir kämpften zwar in einem Tempo, in dem wir meist Dutzende Schläge in einer einzelnen Sekunde austauschen, aber trotzdem war das irgendwie unangenehm.
Auch wenn ich nicht zufrieden war, klang Chaos danach ehrlich, als er mir sagte, er habe noch nie einen so guten Kämpfer wie mich getroffen. Zu Anfang glaubte ich ihm das nicht und hielt es für einen Spruch, der mich motivieren sollte, aber als ich schlussendlich einige Monate nachdem ich Nala kreiert hatte, mein erstes Duell gegen ihn siegreich bestritt, fasste die Überzeugung von seiner Ehrlichkeit doch mehr und mehr Fuß. Wir kamen nie zu dem Punkt, an dem ich die Mehrzahl, gewann aber es kam immer öfter vor, solange wir bei dieser Form des Trainings keine Magie einsetzten. Kam es an diesen Punkt, war er mir noch um mindestens das doppelte überlegen.
Als schließlich der letzte Tag angebrochen war, rief mich Chaos zu sich. Als ich den Thronsaal, in dem ich tatsächlich noch eher selten gewesen war, betreten hatte, sagte Chaos nach einer kurzen Begrüßung, die sich in den letzten Jahren so weit gelockert hatte, dass wir meistens die Titel und formellen Anreden vergaßen, außer um einander aufzuziehen, „Dein Training ist wohl erstmal um. Auf der Erde würden vermutlich viele Lehrer jetzt soetwas sagen wie, sie können dir nichts mehr beibringen. In diesem Fall stimmt das zwar nicht, aber dennoch hast du mehr gelernt und erreicht, als selbst ich erwartet hätte. Meinen herzlichsten Glückwunsch." Ein wenig überrascht über diese ja doch übermäßig lobenden Glückwünsche, bedankte ich mich und fragte danach, wie es nun für mich weitergehen sollte.
Er sah mich nachdenklich an und erklärte dann: „Das würde ich ganz frei heraus dir überlassen. Auch wenn du versucht hast, es nicht zu zeigen und dich nicht davon hast ablenken lassen, dass du deine Freunde im Camp vermisst. Du bist jetzt mein Erbe, aber das bedeutet nicht, dass du immer hier herumhocken musst. Ich rufe dich, wenn sich etwas daran ändert, aber bis dahin kannst du gerne tun was immer du willst."
Damit traf er einen empfindlichen Punkt. Ich hatte zwar immer versucht, diesen Umstand mit der Selbstversprechung zu vertuschen, dass ich sie ja sicher bald wiedersehen würde aber ich hatte trotzdem in jeder freien Sekunde daran gedacht.
Aus diesem Grund nickte ich dankbar und fragte dann: „Gibt es irgendetwas, was ich auf der Erde nicht darf?" Ich musste schließlich sichergehen, dass ich weiter Unsinn stiften durfte. Wieder musterte er mich nachdenklich. „Die Einschränkungen, die es gibt, brauche ich dir nicht zu sagen, da du sie vermutlich besser als jeder andere befolgst. So Dinge wie Gerechtigkeit und andere grundlegende Sachen dürfen nicht verletzt werden. Niemand könnte dich davon abhalten, aber dürfen tust du es nicht. Deine eigentliche Frage, die dahinter steht, lässt sich wesentlich leichter beantworten. Ja, du darfst deinen Freunden, wenn du es für richtig hältst, göttlichen Status geben. Ich verlasse mich dabei auf dein Urteilsvermögen, dass du nicht leichtsinnig damit umgehst."
Erfreut nickend sagte ich: „Danke, das werde ich. Gibt es sonst noch etwas wichtiges?" Er zögerte ehe er antwortete: „Nicht so wirklich. Das einzige wäre ein kleiner Tipp. Überleg dir gut, wem du erzählst, wer du bist. Kaum jemand wird dich danach noch gleich behandeln. Viele misstrauen dir sogar einzig und alleine weil du mächtig bist. Dein Onkel zählt zum Beispiel dazu. Zeus vertraut grundsätzlich nur sich selbst, aber je mächtiger man wird, desto weniger. Aus diesem Grund würde ich dir empfehlen, es nicht einfach zum Angeben herauszutrompeten."
„Ich werde es mir merken. Ich weiß um ehrlich zu sein nicht, ob ich es von mir aus getan hätte, zum Angeben oder aus anderen Gründen", meinte ich lachend. Auch er schmunzelte amüsiert.
Wir redeten noch einige Minuten, aber schließlich verabschiedete ich mich und erschuf ein Portal zurück zur Erde. Ach so, da war ja noch was. Chaos hatte mir gezeigt, wie man die Optik eines solchen Portals ändern könnte. Auf diese Weise hatte ich die Funken nun von Orange, wie langweilige normale Funken es nunmal waren, in schwarz und Silber geändert und statt dem Schimmern in der Luft war der gesamte Kreis von pechschwarzem Rauch erfüllt. Ich musste sagen, dass mir dieses Design viel besser gefiel, auch wenn es kein blau beinhaltete.
Dahinter erwartete mich meine Hütte so wie ich sie vor hundert Jahren oder einzweidrittel Minuten verlassen hatte. Ich spürte, dass sich jemand näherte. Wie es schien hatte mich durchaus der ein oder andere gehört, als ich beim Aufstehen fast die Wand eingerissen hätte. Ich versteckte schnell meine Flügel in einer Version des Nebels, den außer Chaos und mir niemand durchblicken konnte, und verwandelte mich optisch weitestgehend in den alten Percy zurück. Orangenes weitestgehend zerfetztes T-Shirt mir dem Schriftzug CHB und einem schwarzen Pegasus dazu, die gleiche ebenfalls zerfetzte Hose, mit der ich aufgebrochen war und die graue Strähne, die zu verlieren mir das Gefühl geben würde, einen Teil meiner Vergangenheit aufzugeben, waren nun für jeden außen stehenden absolut identisch zu denen, die ich am Vortag trug.
Die Tür wurde aufgerissen und ein etwas außer Atem wirkender Jason rief: „Percy, wach au... oh, du bist ja schon wach, den Göttern sei dank. Schön, dass es dir gut geht." Ich nickte langsam und tat dabei so, als wäre ich verschlafen immernoch und am Ende meiner Kräfte. War ich natürlich nicht und selbst wenn ich nahezu tot wäre und alles bis auf ein Millionstel meiner Kräfte verbraucht hätte, wäre ich noch so stark, dass mich niemand hier im Camp besiegen könnte, aber sei's drum. „Was... was ist denn los?" Er Rang um Atmen, was bedeutete, dass er extrem schnell gerannt sein musste, da wir eigentlich alle genug Training haben um mehrere Minuten, teilweise Stunden am Stück zu rennen, ehe er begann zu sprechen, als habe er nur noch eine Minute Zeit und wollte mir sein gesamtes Leben erzählen. Um ehrlich zu sein, hätte ich vermutlich kaum etwas verstanden, hätte ich nicht inzwischen so übernatürliche Sinne, dass ich selbst so schnelle Wortfolgen völlig normal verarbeiten konnte.
„Leo... Leo steht auf einem Floß, das auf den Strand zu treibt. Irgendjemand ist noch da, aber diese Person steht nicht lodernd in Flammen, deshalb können wir nicht sehen, um wen es sich handelt", ratterte er herunter. Ich tat als bräuchte ich einen Moment ehe ich den Inhalt verstand und als dieser zu Ende war, sagte ich: „Leo? Wie ist das... wie hat er sich selbst Asklepios Wundermittel spritzen können? Auch egal, bin auf dem Weg." Er glotzte mich erst wie ein Auto an, woraus ich schloss, dass er genauso wenig Ahnung von Leos überleben hatte, wie ich ohne Allwissenheit, und danach fragte er zweifelnd: „Kannst du schon wieder selbst laufen? Du hast wirklich ganz schön viel Kraft verbraucht, dem Ergebnis nach zu urteilen." Ich winkte ab.
„Nicht der Rede wert. Geht schon wieder", murmelte ich. „Nicht der... was zum Zeus, Jupiter. Ich habe noch nie jemanden so große Mengen von irgendetwas kontro..." „Hast du gerade auf deinen Vater geflucht? Nicht dass ich das schlecht finde aber das ist doch eher untypisch für dich, oder?", unterbrach ich ihn. Er schlug sich die Hand vor den Mund und sah unauffällig nach oben. Entweder hatte er Angst vor seinem Vater oder vor dem drei Meter langen Dreizack, der unter der Decke meiner Hütte hing. Was davon mir lieber wäre, wusste ich nicht genau. Ich mochte diesen Dreizack eigentlich ganz gerne.
„Wollen wir?", fragte ich. Er riss seinen Blick von, was auch immer er dort an der Decke anstarrte, los und nickte. Wir liefen aus der Hütte, wobei sich mir die Frage stellte, wieso ein Sohn des Jupiter einfach so in Hütte 3 marschieren konnte, vielleicht war mein Vater ja einfach nett gewesen, und hinab zum Strand, wo noch vom Vortag der Sand festgetrampelt war und ähnlich viele Halbgötter wie man an den Fußstapfen sah, standen ein paar Dutzend Meter weiter rechts und starrten wie gebannt zum Horizont.
Ich sah in die Richtung, in die ihre Blicke zu größten Teilen liefen. Wie vielleicht schon erwähnt habe ich etwas bessere Sinne als jedes sterbliche Wesen, mit etwas meine ich so unfassbar viel, dass die meisten es sich nichtmal vorstellen könnten, und so konnte ich nicht nur sehen, dass dort ein Floß im Wasser auf uns zu schwamm oder dass die Personen darauf Leo und zu meiner leichten Überraschung Kalypso waren. Nein, ich konnte auch kleinere Dinge feststellen, wie zum Beispiel dass Kalypsos Blick immer wieder nervös zum Strand, zu Leo und zu ihren Füßen wanderte oder dass Leo völlig entspannt und mit einem recht selbstzufriedenen Ausdruck im Gesicht da stand.
Wenn ich gewollt hätte, hätte ich ihre Gedanken lesen und damit den Grund herausfinden können doch das wollte ich mir für Momente aufsparen, in denen es nötig wäre. Stattdessen stellte ich mich etwas weiter hinten in die Menge, auch wenn ich wusste, dass die anderen sieben, oder was von ihnen übrig war, Leo, Annabeth und ich fehlten, dafür standen Will, Nico, Thalia und Reyna an ihrer Stelle, weiter vorne zusammen. Nach meinem gestrigen Ausbruch wollte ich mich erstmal im Hintergrund halten.
Der Sand knirschte als das sicherlich von Leo an mehreren Stellen überarbeitete Floß auf Grund lief. Besagter Kapitän sprang sofort mit einem Koboldgrinsen im Gesicht von Bord während Kalypso sich im Hintergrund hielt und demonstrativ auf den Boden sah. Es stellte sich heraus, dass das vermutlich auch für den Sohn des Hephaistos besser gewesen wäre, seinen Auftritt vorher etwas zu überdenken. Nachdem er den festen Boden betreten hatte, dauerte es nur wenige Sekunden bis Piper ihm eine klatschte - auch wenn sie von Gaias Treffer noch immer humpelte, heilte ihre Hüfte schnell und sie erholte sich gut - und in einer übernatürlich hohen Tonlage kreischte: „Stirb mir ja nie wieder... sonst bringe ich dich um!" Danach lief sie weg und obwohl ich ihr die Zweifel ansah, folgte Annabeth ihr in der Hoffnung, niemand würde ihre Abwesenheit bemerken. Leo so zu begrüßen war wirklich nicht cool, aber unter den gegebenen Umständen verstand ich Pipers Reaktion. All die Sorgen unbegründet zu sehen, machte das beherrschen der eigenen Gefühle nicht zwangsläufig leichter.
Nach ihr umarmte Jason Leo und schlug ihm dann mit einer inhaltlich ähnlichen Botschaft gegen die Schulter. Er jedoch eher im Spaß. Auf irgendeine Art griff diese Idee auf alle anwesenden über und so formte sich eine lange Schlange von Leuten, die Leo schlagen wollte. Dieser protestierte erst, gab dann aber auf, als er einsah, dass er es nicht verhindern könnte. Danach beschwerte er sich nur noch an einer Stelle, nämlich als Clarisse sich, nachdem sie bereits überdurchschnittlich fest zugeschlagen hatte, wieder hinten anstellte. Dies amten wieder viele, ich gehörte nicht dazu, nach und so musste Leo von einigen mehr als drei mal lernen, dass er nicht verschwinden dürfte, da sie ihn sonst umbringen würden. Ich hatte durchaus etwas Mitleid, irgendwann musste seine Schulter ja schon sehr schmerzen, aber nach einem kurzen Gespräch mit Jason, mir und Hazel, welches er mit der Frage begann, was mit Piper los sei, verstand er eben auch unsere Seite und obgleich missmutig über den Schmerz in seiner Schulter, so beschwerte er sich nicht. Seine Hoffnung war ganz klar, dass wir jetzt die negativen Emotionen raus lassen würden und danach wieder alles besser wäre.
Nach über einer Stunde ließen die Anderen von ihm ab und seine Haltung zeigte deutlich, dass er lieber nicht nochmal zu sterben wollte. Als dann auch wirklich alle mit ihm fertig waren, wurde auch Kalypso von den meisten noch immer Anwesenden mehr oder weniger herzlich begrüßt. Piper und Annabeth waren inzwischen zurückgekehrt, wenn auch nicht zusammen, um unser Schauspiel nicht auffliegen zu lassen, und nun war sie die engagierteste bei der Begrüßung. Offenbar hatten die beiden genug klären können, um Piper wieder zu beruhigen. Ich hielt mich zurück und das schien sie zwar etwas zu überraschen, aber sie nahm es von selbst wahr und ließ mich in Ruhe. Ich wollte sie eigentlich auch zumindest freundlich willkommen heißen, aber die Erinnerungen an die Arai saßen noch zu tief.
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5802 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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