Kap. 44 Endlich
Thalia pov
Seit dem Abend, an dem ich von meinem Gespräch mit Artemis zurückgekehrt war, hatten Luke und ich kaum mehr als ein paar Sätze gewechselt. Irgendwie kamen wir einfach nicht mehr in eine Stimmung, in der wir offen reden könnten. Weder er noch ich wollten, dass jemand anderes vorzeitig... davon Wind bekäme. Auf den Reisen wäre die Gefahr dafür zu groß und in den Nachtwachen kam immer entweder kein Gespräch zustande oder Luke schlief. Zwar meistens nur fünf Stunden oder so, aber in der restlichen Zeit ließ sich dann wieder nicht richtig sprechen. Ich wollte so gerne wortwörtlich mit ihm zusammen zurück zu den Varden kommen, die Chancen dafür sanken aber mit jedem verstreichenden Tag oder Abend. Wir waren schon mehr als eine Woche zusammen hier im Lager und mir wollte nicht einleuchten, was in der verbleibenden Zeit anders laufen sollte als bisher.
Zwei der Überfälle waren bereits erfolgreich durchgeführt und heute war der letzte an der Reihe. Dieses Mal ging es nicht um einen Versorgungskonvoi sondern um Verstärkungstruppen für die Stadt Feinster, welche die Rebellen in den nächsten Tagen erreichen und belagern würden. Wie jedes Mal liefen wir, also Frank, Luke und ich, vor, weil wir leiser waren und jede Ansammlung von Menschen sehr viel früher bemerkten.
Während wir so leise über die Hügel liefen, dachte ich daran zurück, wie die Soldaten auf Luke's Ankunft reagiert hatten. Der erste hatte direkt sein Schwert gezogen und war auf Luke zugestürmt. Eigentlich nicht überraschend, wir waren ein militärischer Trupp im Feindesgebiet und plötzlich stand eine Person, die man noch nie zuvor gesehen hatte, im eigenen Lager. Nachdem er ihn blitzschnell entwaffnet hatte, hatte Luke sein Schwert weggesteckt und dem Krieger erklärt, er würde seine Anwesenheit später vor allen erklären.
Ich konzentrierte mich für kurze Zeit wieder auf meine eigentliche Umgebung. Noch waren unsere Feinde nicht zu sehen, ich konnte jedoch spüren, dass sie nicht weit entfernt waren. Unregelmäßige Luftströme waren immer ein Hinweis darauf. Trotzdem verlor ich mich ein weiteres Mal in Gedanken.
Etwas mehr als eine Stunde nach dem ersten, recht offensiven Zusammentreffen zwischen Luke und dem ersten Soldaten, der aufgewacht war, waren alle wach genug gewesen und Luke hatte ihnen eine kurze Erklärung gegeben. „Ich gehöre zu der selben Gruppierung wie Frank und Thalia. Ich wollte nicht mehr tatenlos im Lager rumsitzen und warten, sondern lieber helfen. Deshalb bin ich euch hinterher gereist. Eigentlich wollte ich den beiden hier vorher Bescheid sagen," LÜGNER! „...aber es war eine spontane Entscheidung und so bin ich einfach so dazu gekommen. Es ist nicht nötig, mich, wie viele es heute morgen getan haben, jedes Mal, wenn ihr mich seht, anzugreifen."
Ich hatte mich auf den Gesichtern der Soldaten umgesehen und festgestellt, dass in den meisten davon nur Fragezeichen standen. Einige zeichneten sich auch noch durch Misstrauen, aber sie waren in der Minderheit. Dieses Misstrauen wurde allerdings wenige Tage später zerstört als Luke bei unserem zweiten Überfall einem Soldaten und einem Urgall das Leben rettete indem er den Kampf mit fünf imperialen Soldaten aufnahm, welche die beiden in die Enge getrieben hatten.
Natürlich hatte er dann noch seine Rolle sehr gut gespielt, das hatte er ja im Camp sehr gut gelernt, der Seitenhieb muss sein, und sich zwei mal versehentlich treffen lassen um den Anschein zu erwecken, dass er auch ein großes Opfer erbracht hatte, aber das ging meiner Meinung nach in Ordnung. Wieder konzentrierte ich mich auf die Gegenwart und stellte fest, dass das eine hervorragende Idee gewesen war. Wäre ich noch fünf Meter so weiter gelaufen, stände ich jetzt vollkommen offen vor Galbatorix' Soldaten. Ich ließ mich schnell auf den Boden fallen und sah mich um. Luke und Frank sahen gerade zurück zu unseren Verbündeten und gaben auch ihnen Zeichen, dass unsere Gegner direkt hinter dem Hügel waren.
Wir hatten unsere Taktik bereits im Vorfeld besprochen und so gab Roran einige stumme Zeichen und bedeutete seinen Leuten, Position zu beziehen. Da schon klar gewesen war, dass wir in einem hügeligen Gebiet angreifen würden, hatten wir uns entschieden unsere Gegner so anzugreifen, dass in ihrem Rücken ein Hügel wäre, der sie an der Flucht hindern würde. Ein Fehler, welcher ausgebildeten Soldaten eigentlich nicht unterlaufen dürfte. Das ließ mich misstrauisch werden, aber ich konnte mir nicht wirklich vorstellen, was der Hintergrund wäre.
Ein weiteres Mal dachte ich an die vergangenen Tage. Frank hatte Recht behalten und so hatte Roran uns bereits am selben Tag, an dem Luke zu uns gestoßen war, gefragt, wer er wirklich sei. Ihm schien sehr schnell aufgefallen zu sein, dass der Sohn des Hermes noch nie im Lager gewesen war. Also hatten wir ihm unsere weltbekannt Halbwahrheiten erzählt. Luke käme von dort, wo auch wir hergekommen waren, und dort einige Probleme, Hust hust, er war tot, hust hust, hatte, welche es ihm erst jetzt ermöglicht hatten, nachzukommen. Dies nahm uns Roran zwar nur zum Teil ab, er stellte aber keine weiteren Fragen. Soviel schien er über uns gelernt zu haben. Wir entscheiden, was wir sagen!
Mit diesem Gedanken schwenkte ich wieder zu unserem Angriff. Gerade begaben sich die letzten auf unserer Seite in Position und Roran hob die Hand. Das war das vereinbarte Zeichen, bei dem wir uns bereit machen sollten. Sobald er die Hand senken würde, würden alle Berittenen sowie Luke und drei der Kull direkt ins Lager der imperialen Truppen stürmen und so viel Chaos wie möglich verursachen bis der Rest da wäre. Frank und ich würden die Feinde aus der Entfernung ausschalten. Mit einem Bogen lässt sich in diesem Fall sehr viel erreichen.
Achtung, teilweise graphische Gewalt.
Nun senkte unser temporär akzeptierter Anführer seinen Arm und daraufhin stürmten die Ausgewählten los. Ich ließ meinen Bogen erscheinen und begann einen Pfeil nach dem anderen abzuschließen. Die meisten trafen genau die Köpfe der Soldaten. Selbst wenn sie Helme trugen, gingen diese genau in die Sehschlitze. Die Fähigkeit, so gut zu zielen, hatte ich beim Training mit Percy und Annabeth auf Orbis Terrarum Chaos erhalten und gemeistert, was sich hier besonders gut bemerkbar machte.
Einer der Kämpfer stand allerdings so weit hinter einem Fuhrwerk, dass es keine für mich treffbaren Stellen am Kopf mehr gab. Also entschied ich mich für den Hals, was ihn eigentlich auch töten sollte, aber als der Pfeil dort zwischen Helm und Kettenhemd in der Halsschlagader stecken blieb, reagierte er nichtmal. Es floss ver-DAMM-t viel Blut, aber weder reagierte er darauf, noch schien er überhaupt zur Kenntnis zu nehmen, dass er getroffen worden war. Ich fluchte laut und schrie unseren Kriegern zu: „Sie spüren keinen Schmerz! Ihr müsst sie entweder enthaupten, ihnen den Schädel spalten oder ihr Herz zerstören!"
Daraufhin hörte ich sie bis zu mir hörbar Fluchen und konnte es sehr gut verstehen. Die Art auf die wir unsere Feinde nun töten würden, widerstrebte mir zutiefst. Ich hatte allerdings schon früh gelernt, mich durch solchen Widerstand hindurch zu kämpfen und so begann ich, wenn auch unter gelegentlichem Fluchen, mit besonders schweren Pfeilen auf die Köpfe der Soldaten zu schießen. Diese Projektile hatten eine so enorme Durchschlagskraft, dass sie bei einem Treffer den selben Effekt erzielten wie ein Schlag mit einem zugespitzten Hammer. Unser Trupp bestand aus etwa 35 Mann, und einer Frau, die jedem, der sie bei soetwas vergisst, einen schönen Schlag ins Gesicht verpasst, unsere Gegner waren mehr als hundert und hatten dazu einen kämpferischen Vorteil. Egal wie schnell ich meine Pfeile abschoss und damit je einen Feind ausschaltete, ich konnte trotzdem erkennen, dass bereits mehrere Varden, einige Urgals und sogar ein Kull gefallen waren.
Selbst Luke hatte einige Probleme. Er kämpfte gegen sieben schmerzlose Soldaten, welche ihn umzingelt hatten. Er ließ sich zwar nicht erwischen, aber durch die schiere Anzahl der Gegner kam er nicht gut zum Zug, ohne dass er dafür mindestens einen Gegentreffer hätte einstecken müssen. Ich konnte auch sehen, dass er bereits viel Verletzungen ausgeteilt hatte, die einen normalen Menschen kampfunfähig gemacht hätten, einem hatte er einen Arm und ein Bein abgeschlagen, ein anderer hatte ein großes Loch im Bauch, diese fast schon Monster kämpften allerdings normal weiter und schienen davon wenig beeindruckt.
Zu seinem Pech hatten seine Gegner nun einen Angriff vorbereitet, welchem er nicht wirklich ausweichen konnte. Natürlich hätte er sich mit Magie schützen können doch ich wusste, dass er daran in dieser Situation nicht denken würde. Ich sah, dass er mindestens einen Angriff übersehen hatte, fluchte einmal laut, das gehört dazu, und schoss dem Typ einen Pfeil gegen die Stirn, welcher diese vollständig entzwei brechen ließ.
Kein schöner Anblick, aber es erfüllte seinen Zweck. Zum einen lenkte es seine verbliebenen Gegner ab und zum anderen nahm es einen aus dem Gefecht. Luke kämpfte schon lange genug um sich sofort wieder auf das Geschehen zu konzentrieren. Er schlug blitzschnell zu und enthauptete zwei weitere Gegner. Während ihre Köpfe wegrollten, begann ich wieder andere Soldaten zu erschießen. Mit vier Gegnern käme er ohne Problem alleine klar.
Ich ließ meinen Blick weiter über das Schlachtfeld schweifen und sah, dass die Zahl von Soldaten und Varden inzwischen ausgeglichen war. Mir fiel Carn ins Auge. Auch wenn er ein Magier war, beteiligte er sich aktiv am Kampf. Einen Kampf mit zwei imperialen Soldaten auf einmal. Dabei gab es ein gutes und ein schlechtes Zeichen. Das gute: er spaltete gerade den Schädel eines seiner Gegner. Die schlechte: der verbleibende Gegner hatte bereits ausgeholt und hieb auf den Schwertarm des Magiers. Ich zog so schnell ich konnte die Sehne meines Bogens nach hinten, ließ einen der schweren Pfeile daran erscheinen und schoss. Auch hier gab es eine gute und eine schlechte Nachricht.
Die gute: Ich traf perfekt zwischen seine Augen und spaltete seinen Kopf dabei. Die schlechte: Er führte trotzdem seinen Schlag aus und trennte Carns Arm von seinem Körper. Dieser stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus und brach zusammen. Es war keine tödliche Wunde, sofern sie sich nicht infizierte, und er verlor auch nicht das Bewusstsein, aber so ein plötzlicher Schmerz ist natürlich ein Schock.
Da ich wusste, dass das wichtigste für ihn jetzt war, dass er so schnell es ginge behandelt würde, zog ich erneut die Sehne meines Bogens zurück, fluchte natürlich mehrmals, und schoss dann fünf Pfeile auf einmal, welche je einen Zombiesoldaten in der Nähe mit einem Schädelbasis... nicht -bruch, -spalt, zurück ließen.
Weder ich noch Frank oder Luke oder irgendwer sonst hier besaßen die nötigen Fähigkeiten, um eine solche Heilung wirklich sicher funktionieren zu lassen, und so fiel mir nur eine Möglichkeit ein, wie wir dauerhafte Schäden auf Seiten des Magiers zuverlässig verhindern könnten. Ich lief zu ihm herunter und sagte: „So widerlich das jetzt klingt, nimm deinen Arm und dann komm her, ich bringe dich zu jemandem, der helfen kann."
Er sah mich zweifelnd an, entschied sich aber dafür. Man konnte seinem Gesicht deutlich ansehen, dass er starke Schmerzen hat. Er griff mit seiner verbleibenden Hand nach dem im Schlamm liegenden Stumpf, hob ihn auf und wankte zu mir herüber. „Ich bringe ihn zu Will! Bin in fünf Minuten wieder da.", rief ich Luke und Frank zu. Da Altgriechisch das gleiche ist wie die alte Sprache hier, konnte Carn mich einigermaßen verstehen und sah mich misstrauisch an. „Wie soll das gehen? Man kann doch keine Lebewesen von einem an einen anderen Ort bringen."
Wann lernen die es endlich? „MAN kann auch keinen Kull ohne Waffen und Magie besiegen. Wenn du deinen Arm wiederhaben möchtest, musst du mir vertrauen, dass ich das sehr wohl kann."
Er zuckte zusammen. Ob das an meinem Tonfall oder an einem Schmerzanfall in seinem Armstummel lag, konnte ich nicht sagen. Er atmete einmal tief ein und nickte dann. Ich fasste ihn leicht an der Schulter und sorgte dafür, dass wir mit einem Blitz verschwanden. Keinen Augenblick später standen wir wieder im Vardenlager vor Wills Zelt. Ich schlug dreimal laut gegen den Pfosten daneben und rief: „Will, komm raus, ich brauche einmal deine Hilfe und zwar SCHNELL!"
Ich war wohl deutlich genug gewesen denn im Zelt ertönte einiges Rascheln, dessen Ursache ich garnicht wissen wollte, und dann öffnete er in einem weißen Leinenhemd die Klappe. „Hey Thals, schon zurück? Was gib's... oh!" Er sah auf Carn neben mir und blickte mich fragend an. Als ich ihm mit einem Nicken bestätigte, dass das der Grund meiner Anwesenheit war, fragte er Carn: „Wie lange ist es her, dass der Arm abgetrennt wurde?" Angesprochener verzog schmerzerfüllt das Gesicht und presste dann zwischen den Zähnen hervor: „Keine fünf Minuten!" Will nickte zufrieden. Mit einem Seitenblick auf mich bemerkte er: „Dann habt ihr Glück. Wenn es mehr als zehn her wäre, wäre es etwas aufwendiger. Bist du bereit?"
Carn nickte nochmal und hielt seinem Heiler den abgetrennten Teil seines Armes hin. Dieser sah mich an: „Thalia, könntest du mir vielleicht etwas Wasser auftreiben?" - „Ich bin nicht Percy!" - „Dann mach meinetwegen Regen. Mir egal!", rief er genervt und gestresst. Na schön, er war der Arzt und damit die Autorität für den Moment. Und offensichtlich hatte er mehr mitgedacht als ich also ließ ich etwas Wasser aus der Luft zu kleinen Tropfen zusammenfließen. Will hielt zuerst den Stumpf und dann Carns blutüberströmte Schulter in das Wasser. Zu guter letzt hielt er die beiden Teile zusammen, was den Magier dazu brachte, noch fester die Zähne aufeinander zu beißen, und auch mich fast zum Weggucken brachte. Es sah nicht besonders schön aus.
Will begann leise einige Heilzauber zu murmeln, von denen ich bereits kleinere Ausschnitte von anderen Kindern des Apollo oder sogar ihm selbst wiedererkennen konnte. Langsam verband sich das Fleisch wieder miteinander, was ziemlich verstörend aussah, und nach einigen kurzen Momenten bedeutete er seinem Patienten, er solle versuchen die Hand zu bewegen. Er tat es auch zum Teil, aber seine Bewegungen schienen etwas eingeschränkt. Daraufhin erklärte Will: „Das wird sich mit der Zeit geben. Versuch diese Hand so viel wie möglich zu dehnen und zu bewegen. Sie ist jetzt wieder vollständig heil und es wird nichts mehr als Folgeschaden kaputt gehen. Nur die Bewegung wird Zeit brauchen. Ich werde dafür sorgen, dass du mindestens die nächsten zwei Wochen frei hast um dich wieder daran zu gewöhnen. Außerdem ist euer Auftrag meines Wissens nach sowieso abgeschlossen."
Ab jetzt ist alles wieder normal. Zumindest soweit Urgötter und so normal sind.
„Danke, Herr...", stammelte der Magier mit einem verwirrten Blick im Gesicht. „Quatsch. Ich bin Heiler und das ist meine Aufgabe. Wenn, dann nenn mich bitte einfach Will. Und jetzt los, geh dich waschen und dann ruh dich aus. Du hast viel Blut verloren!" Typisch Will. Erst jemandem das Leben retten und ihm dann einen Haufen strikter Anweisungen verpassen, was er in den nächsten Tagen zu tun oder lassen hätte. Noch verwirrter bedankte sich Carn noch mehrmals, das meiste davon ging allerdings in seinem Bart unter, und lief dann etwas unsicher davon.
Ich sah wieder zu dem Sohn des Apollo. „So, das war's, jetzt kannst du gerne weitermachen mit was immer du eben getan hast." Er lief etwas rot an und nickte dann nur, ehe er sich umdrehte und wieder ins Zelt stieg. „Ach ja und vielen Dank!", flötete ich ihm hinterher was mit einem Augenrollen seinerseits kommentiert wurde.
Das Zelt schloss sich wieder und ich teleportierte mich zurück zu dem Militärkonvoi, welchen wir eigentlich angegriffen hatten. Inzwischen waren die meisten Wagen durchsucht und die Leichen wurden im Falle der Varden begraben, im Falle der Soldaten verbrannt. Das bedeutete, dass wir in wenigen Minuten abrücken würden. Gut. Ich war nicht gerne länger als nötig auf einem solchen Schlachtfeld. Naja, wer ist das schon?
Ich ging zu Roran, welcher gerade seinen Leuten Anweisungen zuschrie und dabei wild mit den Armen in der Luft herumwirbelte. Er hatte sich sichtlich gut von seiner Bestrafung für gesunden Menschenverstand und dem Kampf mit dem Urgall erholt. Aber er hatte auch offenkundig und verständlich schlechte Laune.
„Wo ist Carn?", brüllte er zu mir herüber. Ich lief zu ihm und meinte: „Der ist bei der Hauptstreitmacht und ruht sich aus. Er wird keine dauerhaften Schäden davontragen." Mehr wollte Roran dann auch nicht wissen. Er nickte zufrieden und wandte sich seinen Leuten zu und gab weiter Befehle. Ich ging schnell einige Schritte zur Seite, da mein Gehör so scharf war, dass es echt etwas in den Ohren weh tat, wenn er direkt neben mir so laut war.
Zum Glück waren die Arbeiten fast abgeschlossen und es gab nichts mehr für uns zu tun. Roran befahl den Aufbruch und wir folgten dem gerne. Frank, Luke und ich hatten zwar einen großen Teil der Zombiekrieger, ein besserer Name fällt mir einfach nicht ein, vernichtet, es war aber trotzdem ein Drittel unseres Trupps ums Leben gekommen und fast jeder hatte Verletzungen beliebiger Größenordnungen abbekommen, wenn auch scheinbar nichts Lebensbedrohliches.
Da unsere Mission nun erfüllt war, ritten beziehungsweise liefen wir nun zurück zum Lager der Varden. Bei dem Tempo, welches unsere Mitreisenden an den Tag legten, würde es noch mehr als fünf Tage dauern. Eher eine Woche da die jetzt verletzten Menschen und Urgals nun noch langsamer waren als ohnehin schon. Ausnahmsweise hatte ich damit kein Problem, da so vielleicht die Chance bestand, dass ich irgendwie wieder ein Gespräch mit Luke finden würde. Ver-DAMM-t! Warum muss es immer so schwer sein?
Am Abend machten wir auf einer einsamen Ebene Rast. Scheinbar zufällig verteilt lagen überall größere Objekte herum. Mal waren es Baumstämme, mal Steine. Es war Hochsommer und so war es noch lange hell, selbst wenn es eigentlich schon 10 Uhr Abends wäre. Alle legten sich sofort schlafen, was ja auch verständlich war nach all den Verletzungen, Anstrengungen und der Gewalt des Tages. Auch Frank legte sich hin. Ich wusste nicht ob er das einfach so tat oder damit etwas verfolgte. Ich wusste auch nicht, was davon mir lieber wäre, und starrte einfach in Richtung Horizont wo gerade die Sonne unterging.
Ich spürte wie jemand den Arm um mich legte und ich widerstand vorerst dem Impuls, die Person einfach über die Schulter zu schleudern. Ich spähte zur Seite und erblickte Lukes große Narbe welche sich gerade bei seinem Lächeln etwas verzog. Er setzte sich neben mich und ich überlegte, was ich tun sollte.
Ich entschied mich für das Naheliegendste. Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter. Wenn schon, denn schon. „Danke für die Hilfe, Thals, ohne dich hätte ich mindestens ein Schwert abbekommen. Dass ich nicht an Magie gedacht habe, ist dir wohl schon aufgefallen." Er machte dabei ein trauriges Gesicht. „Hey, Kopf hoch, passiert jedem mal, auch wenn ich dem Impuls schwer widerstehen muss, dich dafür auszulachen, dass dir Magie nicht in den Sinn gekommen ist. Außerdem, gehört sich das so. Annabeth hat sich selbst vor das Schwert geworfen um Percy vor einem Angriff zu schützen, auch wenn dieser den Fluch des Achilles trug. Da kann ich doch zumindest jemanden erschießen, der versucht, dich hinterrücks zu erstechen."
„Vergleichst du uns gerade mit Percabeth?" Ich lachte leise über diesen Namen. Aus seinem Mund klang er nochmal anders als zum Beispiel von Piper. „Wieso denn nicht? Mehr als einen wirklichen Kuss hatten die beiden damals auch noch nicht." Ich machte eine kurze Pause und musterte ihn eindringlich. „Du hast ein schlechtes Gewissen!" Jetzt wo ich es aussprach, klang es so logisch. Natürlich, deshalb sah er wegen der Notwendigkeit einer so kleinen Geste so traurig aus. „Du hast ein schlechtes Gewissen und das Gefühl, du hättest das hier alles nicht verdient!"
Er schwieg eine Weile und sah mit einem traurigen Lächeln in die Ferne. Mit einem schweren Seufzen begann er schließlich zu sprechen. „Du kennst mich einfach zu gut. So froh ich auch war, ins Elysium zu kommen, ich hatte immer das Gefühl, ich hätte es nicht verdient. Auch wenn sich Percy bei den meisten die Schuld gibt, so gut wie jeder tote Halbgott im Titanenkrieg geht auf mich.
Ich habe gelernt damit zu leben, aber seit ich Kronos los bin, macht es mir trotzdem zu schaffen. Ich habe mich am Ende für seine Vernichtung geopfert, aber gleichzeitig habe ich eine Armee aus kleinen Kindern aufgebaut, indem ich ihre Gefühle ausgenutzt habe, und nicht alle davon haben das überstanden. Ich erinnere mich an fast jeden bildlich..." Ich legte ihm einen Finger auf die Lippen. Was er sagte, war zwar teilweise richtig, aber er hatte sich geändert und ich sollte ihn jetzt eher aufbauen. Wenn ich jetzt zu hart mit ihm wäre, würde ihn das wahrscheinlich zerbrechen. Und das wollte ich nicht. Nicht mehr.
Ich setzte mich auf und sah ihm in die Augen. „Du hast das ganze ins Rollen gebracht, aber die meisten Tode sind geschehen nachdem Kronos deinen Körper übernommen hat. Diese sind seine Schuld. Du hast Kronos aufgeweckt und wieder getötet. Das meiste dazwischen ist nicht deine Schuld. Du hast dich geändert und damit den Olymp gerettet. Das ist das, was zählt. Schon alleine die Tatsache, dass dir diese Toten so zu schaffen machen, zeigt das. Du. hast. dich. geändert." Die letzten Worte sagte ich extra deutlich und tippte ihm bei jedem einmal gegen die Brust. Hoffentlich war das deutlich genug gewesen.
Er hatte mir erneut gut zugehört und versank scheinbar wieder in Gedanken. „Ich werde versuchen es so zu sehen, aber du hast bestimmt mitbekommen, dass Annabeth Percy das auch seit Jahren sagt und er gibt sich trotzdem die Schuld. Danke trotzdem..." Er begann wieder schwach zu lächeln.
Immerhin etwas hatte ich erreicht. „Gerne... und jetzt hör auf Trübsal zu blasen und genieß lieber den Abend." Nachdem man ihn aufgemuntert hat, muss man ihm eben was klares zu tun geben. Sein Lächeln wurde sicherer und er legte wieder den Arm um mich. Ich hatte garnicht bemerkt, dass er ihn weggenommen hatte, aber solange er ihn jetzt wieder dahin tat, war es mir egal. Ich lehnte meinen Kopf wieder auf seine Schulter und wir sahen gemeinsam der Sonne entgegen, welche nun fast den Horizont berührte.
Genau als sie begann als große orangene Scheibe zu versinken, spürte ich, wie Luke erst seinen Kopf ein wenig bewegte, bevor ich dann einen sanften Druck auf meinem Kopf spürte, mit einem Geräusch, das ich nicht mehr geglaubt hatte, jemals bei mir selbst zu hören, sowie den nachfolgenden Worten: „Ich liebe dich, Thals!" Na endlich. Endlich traut er sich dann doch. „Ich dich auch!" Mehr sagte keiner von uns, weil es nicht mehr zu sagen hab. Wir blieben im Sonnenuntergang sitzen und dieses Mal würde uns niemand unterbrechen, sonst würde das für diesen jemand sehr schmerzhaft werden.
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3684 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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