Kap. 31 Weigerung zur Vernunft erklärt an zwei Beispielen

Annabeth pov

Nachdem der letzte Abend fast mit einem Toten geendet hätte, und seid euch sicher, ich bin nicht die, die knapp drum rum gekommen ist, verlief der heutige ruhig. Auch wenn ich kein Charm-Sprech oder gar Macht in meine Stimme gelegt hatte, schienen die wenigen im Haus der Reisenden, die am vorigen Tag bereits hier gewesen waren, verstanden zu haben, dass es besser für sie wäre, wenn sie die Geschehnisse mit Borg nur geträumt hätten. Dieser hatte sich, nachdem ich ihm Wange und Arm aufgeschnitten hatte, nicht wieder blicken lassen. Ich war irgendwie froh, dass ich auf Orbis Terrarum Chaos auch Messerwerfen geübt hatte. Diese deutlich leichteren Dolche hatten der Situation wirklich um einiges mehr Dramatik gegeben, als wenn ich Borg einfach verprügelt hätte.

An diesem Abend saß ich am gleichen Tisch wie am Tag meiner Ankunft. Jedesmal, wenn sich die Tür öffnete, schaute ich kurz auf. Ich tat das sowohl um zu sehen, ob Borg wirklich komplett dumm war, als auch in der Hoffnung, dass Eragon endlich auftauchen würde.

Schließlich trat natürlich das weniger erfreuliche Ereignis ein. Im Fünferpack. Borg und vier weitere Kerle von seinem Kaliber. Wären sie einfach an den Tresen gegangen, hätte ich das wohl geduldet, dem war aber natürlich nicht so. Sie kamen direkt auf mich zu und der Anführer, der natürlich nicht mehr Borg war, denn dieser war geschwächt, zog einen, meinen Dolch und rammte ihn in den Tisch. „Wenn du in einer Stunde noch in der Stadt bist, war's das für dich!"

Sagte, oder fast brüllte, er. Ich sah im genau in die Augen. Todesblick war angesagt. Nach zehn Sekunden hatte ich das Blickduell gewonnen und sagte dann: „Hat euch Borgs gestrige Erfahrung nichts gelehrt? Nicht jeder, der Schwächer aussieht, ist dies auch. Ich habe genug Dolche für euch alle. Das Risiko mit euch gehe ich ein." Ich legte so viel kalte Verachtung in meine Stimme, dass er zusammen zuckte.

Er belegte mich mit einem Blick, der vermutlich bedrohlich oder so sein sollte. Seine Augen verrieten jedoch, dass er nicht mehr ganz so selbstsicher war. Natürlich ging er aber davon aus, dass ich das nicht merkte. Dummkopf.

In diesem Moment schwang die Tür auf und eine in einen Umhang gehüllte Gestalt kam herein. Ich musterte sie genau und war mir sehr sicher, dass es sich um Eragon handelte. Ich gab ihm ein leichtes geistiges Zeichen und er blickte zu uns herüber.

Ich wandte mich kurz wieder Borgs Freund zu, dessen Namen ich genauso wenig wusste, wie er mich interessierte. „Würdet ihr jetzt bitte gehen, ich habe mit meinem Bruder einige Dinge zu besprechen." Ich wusste, dass Eragons Gehör seit der elfischen Blutschwur-Zeremonie fast so gut wie meins war und dass er verstehen würde, was ich meinte.

Er kam wirklich zu uns rüber und der Anführer fuhr zu ihm herum. „Ist diese dumme Hure Eure Schwester?" - „Ja, allerdings. Und wenn ihr sie nochmal so nennt, ist es um die Form eurer Nasen geschehen." Ich lächelte ihm zu.Nicht schlecht, du lernst unsere Schlagfertigkeit langsam." - „Ich werde auch jeden Tag damit konfrontiert." Jetzt sprach wieder der Anführer. „Dann bring ihr gefälligst einige Manieren bei, sonst könnte es ihr irgendwann auf sehr schmerzhafte Weise schaden!" Das war die schlechteste versteckte Drohung, die ich je gehört hatte.

Eragon gab eine, meiner Meinung nach - und ich bin das intelligenteste Wesen im Universum, ich muss es schließen wissen. Ja, meine fatale Schwäche, Hybris, dringt mal wieder an die Oberfläche - recht angemessene Antwort. „Das sehe ich. Einer von euch hat ja scheinbar bereits einen dieser Schäden abbekommen. Ich glaube nämlich nicht, dass die Schäden bei ihr landen. Würde es euch etwas ausmachen, uns jetzt einfach in Frieden zu lassen?"

Die Fünf sahen uns böse an, drehten sich jedoch ohne ein Wort um und gingen ans andere Ende des Raumes. Während Eragon sich zu mir setzte, wirkte ich schnell einige Zauber, die unser Gespräch für alle Umstehenden wie ein normales Wiedersehen klingen ließ. Ich sah ihn streng an. „Was waren die letzten Worte, die Percy dir mit auf den Weg gegeben hat?" Er seufzte. „Mach keine Dummheiten." - „Und was hast du gemacht? Was ist ein Fußmarsch durchs Imperium, während auf deinen Kopf ein gesamtes Herzogtum ausgesetzt ist?"

Er blickte etwas schuldbewusst drein und mit einem erneuten Seufzen antworte er schließlich: „Eine Dummheit?!" Ich lächelte grimmig. „Wenigstens weißt du es selber. Ich kenne Leute, die jetzt eine halbe Stunde diskutieren würden, ob es wirklich eine Dummheit gewesen ist, oder ob nicht viel mehr ich den Fehler gemacht habe, weil ich dir hinterher gereist bin."

Er sah mich resigniert an. „Nein, ich weiß inzwischen gut genug, dass es sich nicht lohnt, mit dir zu diskutieren." Ich gestattete mir ein schnelles Lächeln. „Ich habe allerdings noch zwei, eigentlich drei, Fragen. Erstens, von wem denkst du, er oder sie würde weiter diskutieren? Zweitens, bist du alleine auf die Suche gegangen und drittens, sind Saphira, Roran und Katrina sicher angekommen?"

Bei den letzten Worten schlich sich etwas Besorgnis in seine Stimme. Ich antwortete schnell: „Jaja, den dreien geht es gut. Also, die Leute die ich meine sind erstens alle Jungen aus unserer Reisegruppe, außer Will, und die meisten anderen dort, wo wir herkommen. Was deine zweite Frage angeht, Percy ist in dem anderen Ort, an dem du hättest halt machen können. Ansonsten ist niemand mit ins Imperium gekommen." Er nickte nachdenklich.

„Und was ist jetzt der Plan? So wie ich dich kenne, sei es auch noch so kurz, hast du immer einen." Ich lachte einmal auf. „Damit hast du auf jeden Fall recht. Ich ziehe einen Plan immer einem offenen Gemetzel vor. Und selbst wenn sich das nicht vermeiden lässt, ist eine Taktik immer hilfreich. Wie auch immer, wenn wir heute Abend noch verschwinden würden, wäre das zu auffällig. Wir wollen lieber möglichst lange unentdeckt bleiben. Es ist zwar nicht sonderlich gefährlich für uns, aber man kann dadurch einige unschuldige, naja, fast unschuldige, Leben retten. Wir werden morgen in aller Früh aufstehen und uns dann auf dem Weg mit Percy treffen."

„Klingt erstmal sinnvoll. Ist dieses Haus gleichzeitig eine Herberge?" Während ich antworte ließ ich meinen Blick durch den Raum schweifen. „Ja, ich habe ein Zimmer mit zwei Betten für diese Nacht im Voraus bezahlt. Wir... verdammt, diese Idioten können es einfach nicht lassen." Ich hatte gesehen, dass sich unsere fünf neuen Freunde offensichtlich jemand anderes gesucht hatten, den sie schikanieren könnten.

Ihr Opfer war wieder weiblich, sah aus wie gerade mal zwanzig aus und schien von der Idioten-Gang ziemlich stark eingeschüchtert. Ich fluchte in einer Mischung aus Altgriechisch und Latein, was mir einen verwirrten Blick von Eragon einbrachte, welcher ja schließlich kein Latein konnte und meine Flüche waren kreativ genug gewesen, dass er auch einige der altgriechischen Worte nicht kannte - Eine beliebige, neutrale Beschreibung, ein schwerer Fluch, ein beliebiges Objekt, die drei hinter einander setzen und schon habt ihr die kreativste Beleidigung, die euer gegenüber je gehört hat - und zog dann ein Viererpack Dolche aus dem Ärmel. Zumindest sah es für die Anwesenden vermutlich so aus. In Wirklichkeit waren sie dort einfach erschienen.

Ich brauchte etwa eine Sekunde um zu zielen und warf dann. Alle gleichzeitig. Jeder traf natürlich, tut mir leid, Hybris, genau dort, wo ich es gewollt hatte. Jedes ihrer Leinenhemden war nun an die Wand fixiert. Da ich fünf Schwachmaten mit vier Dolch treffen musste, hatte ich einfach zwei von ihnen zusammengenagelt.

Alle Gespräche im Raum verstummten und über dreißig Gesichter blickten mich an. Ich sah bereits, wie die ersten den Raum verließen. Sie fürchteten scheinbar, dass etwas ähnliches wie gestern passieren würde, nur mit mehr Teilnehmern.

Die Fünf sahen sich um und blickten erst auf mich und dann auf die Dolche. Dieses Mal war direkt klar, dass es keine Glückstreffer gewesen waren. Der Anführer brüllte durch den Raum. Anscheinend hatte er nichts aus dem gestrigen Schicksal seines Mitidioten gelernt. „Was willst du von uns?" Diese Frage alleine machte mich schon wieder ziemlich wütend.

Trotzdem wahrte ich meine Maske und antwortete mit kalter, aber dennoch ruhiger Stimme: „Das gleiche wie gestern. Nur weil ihr euch jetzt ein anderes Opfer gesucht habt bedeutet das nicht, dass ich das eher zulasse. Ich gebe euch auch heute die Wahl. Entschuldigt euch und verschwindet. Sonst erwarten euch ähnliche Dinge wie euren Kameraden." Bei meiner Stimme zuckte jeder, einschließlich Eragon, zusammen. Na bitte, geht doch.

Die drei schienen nicht vollständig bescheuert zu sein, denn sie hatten erkannt, dass ich es ernst meinte. Sie zogen schnell meine Dolche aus der Wand und stecken sie ein. Ich hatte keine Lust, mich weiter damit aufzuhalten, die Waffen zurückzufordern und so beließ ich es dabei.

Die junge Frau, die bis eben noch von diesen Idioten belästigt worden war, kam zu uns herüber und murmelte etwas, aus dem ich die Worte „...war das jetzt dieses Glück...schon wieder...zu viele... keine Zeit..." wahrnahm. Das klang interessant.

Ich klopfte auf den letzten freien Stuhl an unserem Tisch und sie setzte sich mit einem dankbaren Lächeln hin. „Danke, dass ihr diese Kerle vertrieben habt. Ich will nicht no..." dabei brach sie ab. Spätestens jetzt betrachtete ich sie neugierig. Was ich sah, verwunderte mich.

Zuallererst hatte sie einen sehr mächtigen Zauber um sich, der Unglücke fern halten sollte. Offensichtlich hatte das in diesem Fall bedeutet, dass ich gerade zufällig anwesend war. Außerdem war da ein Zauber, der ihr ermöglichte, bestimmte Magie zu wirken, ohne selbst eine Magierin zu sein. Das dritte war ein kleiner Dolch aus Chaosstahl, den ich an ihrer Hüfte spürte. So ein mächtiges Material kann ich spüren.

„Sind dieser Dolch und diese beiden Zauber um dich zufällig von einem gut aussehenden, schwarzhaarigen Jungen mit Augen in den Farben des Meers?" Fragte ich gleichzeitig das Mädchen vor mir und Percy in meinem Geist. Dadurch, dass wir viel mächtiger sind als alle Magier dieses Landes, können wir auch über weitere Strecken kommunizieren. In unserem Fall könnten wir uns auch in Surda und Ellesméra befinden, ohne Probleme beim Kommunizieren zu haben.

Danach murmelte ich etwas in meinen nicht vorhandenen Bart, was dafür sorgte, dass alle anderen im Raum sich plötzlich sehr für ihr Bier interessierten, um noch auf uns zu achten. Außerdem bewirkte es, dass sie die Aktion mit Borgs Schlägertrupp vergaßen.

Ich wandte mich wieder dem Mädchen vor mir zu. Percy ließ mich eine deutliche Erheiterung spüren und bestätigte dann meinen Verdacht, indem er mir seine Erinnerungen des letzten Abends schickte. Schließlich begann das Mädchen zögerlich: „Ja, kann schon sein. Woher wisst Ihr von diesen Dingen?" Ich lächelte und antwortete: „Mein Name ist Annabeth und ich möchte nicht in irgendwelchen viel zu höflichen Formen angesprochen werden. Soweit ich weiß hat Percy gestern Abend in eurem kleinen Gespräch mehrmals erwähnt, dass seine Frau ihn an dieser und jener Stelle zu diesem und jenem gedrängt hätte. Diese Frau bin ich. Percy ist mein etwas tollpatschiger Mann. Kannst du dir in diesem Zusammenhang denken, wer das hier ist, Melina?" Ich deutete auf Eragon.

Sie zögerte kurz. „Ich soll nicht darüber reden, aber es ändert scheinbar nichts." - „Gut erkannt!", bemerkte ich mit einem Hauch Sarkasmus in der Stimme. Ich sah, dass Eragon neben mir grinste und versuchte und versagte, es zu verstecken.

„Soweit ich weiß, bist du auf dem Weg nach Feinster? Dann wünsche ich dir auf jeden Fall viel Glück, dass das der letzte derartige Vorfall gewesen ist." Sie nickte. „Das hoffe ich auch. Du sagtest, du könntest den Glückszauber spüren? Warum ist mir das heute Abend dann wieder passiert?"

Ich sah sie nachdenklich an. „Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder funktioniert der Zauber nicht, was mich sehr stark wundern würde, Percy ist ein Tollpatsch, aber seine Magie funktioniert meistens einwandfrei, oder das Schicksal wollte dir heute Abend noch viel mehr reinwürgen. Überleg mal, was die fünf Schweine gemacht hätten, wenn sie niemand daran gehindert hätte. Einer von ihnen hat mir gestern Abend schon gezeigt, dass sie weder vor Diebstahl noch vor Körperverletzung oder Mord zurückschrecken. Vielleicht konnte der Zauber das nicht vollends verhindern und hat es nur abgeschwächt."

Ihr Blick glitt ins Leere. „Könnte sein. Ich will mir garnicht ausmalen, was passiert wäre, wenn Eragon schon gestern hier gewesen wäre und ihr bereits abgereist wäret. Dann hätte ich vermutlich die Rache von denen für dich gleich mit abbekommen." - „Und jetzt haben sie gleich noch eine zweite Lektion bekommen. Auch würde es mich nicht wundern, wenn sie es immernoch nicht gelernt haben.", bemerkte Eragon.

Wir redeten noch einige Minuten und ich kam zu dem Schluss, dass Percys Einschätzung richtig war. Sie hatte wirklich einen angenehmen Charakter und es machte Spaß mit ihr zu reden. Irgendwann wurde es dann trotzdem spät und sie ging schlafen.

Als Melina verschwunden war, fragte Eragon mich zögernd und in dem Versuch, eine Tomate alleine mit seinem Gesicht zu imitieren: „Soll ich mir ein eigenes Zimmer holen oder..." Ich unterbrach ihn mit einem abwinken. „Lass gut sein. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du in diesem Gebiet keine Dummheiten machst. Außerdem bin ich sowas gewöhnt." Er zog eine Grimasse und erwiderte dann mit einem schiefen Lächeln: „Und ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass jeder, der in diesem oder einem ähnlichen Gebiet einen Fehler macht, dies aufs schmerzlichste bereuen wird." Das entlockte auch mir ein Lächeln. „Ich würde dich ja jetzt beglückwünschen, aber ich denke, meine Aktion gestern und das vorhin war so deutlich, dass es selbst die Stallburschen der Varden erkannt hätten."

Er grinste und signalisierte mir so, dass ich richtig lag. Auffälliger konnte man den Hierarchien in dieser Welt nicht trotzen. „Na komm, wir haben morgen einen anstrengenden Lauf vor uns und zumindest du musst schlafen, sei es auch nur dein elfischer Wachschlaf. Und auch ich finde es deutlich angenehmer."

Er sah mich an und zum hundertsten Mal standen ihm die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben. „Du musst garnicht schlafen?" - „Überrascht dich das, nach den anderen Besonderheiten?" Er schüttelte nur ungläubig den Kopf und murmelte dann: „Das sollte es vermutlich nicht mehr, aber ja, es überrascht mich." Das kommentierte ich mit einem Lachen und stand auf. Er tat es mir nach und wir gingen zu meinem Zimmer.

Dort angekommen sah er, dass es nur ein Bett gab und bot freiwillig an: „Ich schlafe auf dem Boden. Sonst würde es komisch aussehen, wenn zufällig jemand ins Zimmer kommt." - „Wenn jemand zufällig in dieses Zimmer kommt und keine gute Erklärung dafür hat, wird er das bereuen. Außerdem schläfst du in dem Bett." Offensichtlich war ihm der Nachdruck in meiner Stimme aufgefallen, was ihn zu der Reaktion brachte, „Und wo schläfst du dann?"

Na bitte, genau auf diese Antwort hatte ich gehofft. Percys neuer dramatischer Zug färbt ab. „Jedenfalls nicht auf dem Boden, falls du das glaubst." Er atmete erleichtert auf und ich nahm ihm gleich wieder den Atem indem ich einmal in die Hände klatschte und ein zweites Bett erscheinen ließ.

Himmelbetten, wie in unserer Welt, gab es hier nicht und ich hielt mich an den Plan, nicht aufzufallen. Trotzdem sah meins deutlich bequemer und sauberer aus als seins. Er murmelte etwas von „unfair" und stampfte zu seinem Bett. Früher hätte ich ihm die Zunge rausgestreckt, aber als Königin gehört sich das einfach nicht. Selbst wenn einen niemand Niemand wie garkeiner oder niemand wie Annabeth auf Polyphems Insel? Zweiteres natürlich. Hä? Selber hä? sieht, der davon weiß.

Ich schlief recht schnell ein. Am letzten Abend war ich wach geblieben, einfach um mir den Bedarf zu schlafen abzugewöhnen, heute hatte ich allerdings keine Lust.

Ich wachte dementsprechend auch recht früh auf und sah aus dem Fenster. Es war noch stockfinster draußen. Hätte ich eine Uhr gehabt hätte sie mir vermutlich etwa zwei Uhr nachts angezeigt. Ich setzte mich auf und ging zum Fenster. Das Dorf sah bei Nacht so friedlich aus, wenn man einmal von den Wachen, die durch die Straßen patrouillierten und auf der Stadtmauer standen, absah.

Plötzlich hörte ich etwas, dass die nächtliche Ruhe störte. Eine Gruppe, bestehend aus scheinbar fünf unbegabten Poltergeistern torkelte die Straße entlang. Sie versuchten scheinbar leise zu sein, das gelang ihnen aber ungefähr so gut wie einem Schlagzeuger mit Zitteranfall. Ach nein, es waren nur Menschen, die wahrscheinlich zu viel getrunken hatten.

Ich dachte zuerst, es wären normale Reisende, die aus irgendeiner Schankstube in der Stadt zum Haus der Reisenden zurück kehrten. Leider erkannte ich die grobschlächtigen Gestalten und den Verband an Arm und Kopf des einen. Ich fluchte leise und richtete dann meine geistige Aufmerksamkeit auf Eragon. „Klopf, klopf, ist da jemand? Nimm dir dein Schwert und stell dich weiterhin schlafend. Für dein körperliches Wohlergehen würde ich dir jedoch raten, einigermaßen wach zu sein. Die netten Herren von vorhin scheinen uns besuchen zu wollen."

Er sprang förmlich auf und griff nach seinem Schwert. Nachdem er sich hektisch umgesehen und schließlich auch den Rest meiner Worte verarbeitet hatte, drehte er sich wieder um, legt sein Schwert neben sich und zog sich den deckenähnlichen Stofflappen, der auf seinem Bett lag, über den Kopf.

Ich lächelte ob seiner Reaktion und legte mich selbst wieder hin. Ich spielte die arglos Schlafende, hatte jedoch meine Finger bereits an der Perle meines Halsbandes, die zu meinem guten alten Dolch werden konnte. Zwar hatte ich diesen eigentlich beim Sturz in den Tartarus verloren, als Allmächtige ist es jedoch nicht besonders schwer, sich sowas einfach zurückzuholen. Ich hatte bei Percy oft genug gesehen, wie man sich schlafend stellte und so war es ein leichtes für mich, das zu imitieren.

Es dauerte nur ein paar Sekunden, bis die Tür geöffnet wurde. Vermutlich sollte auch das leise geschehen, spätestens jetzt sah man jedoch, dass sie betrunken waren. Nicht so betrunken, dass sie nicht mitbekommen hätten, was sie taten, aber definitiv betrunken genug, um nicht mehr leise oder vernünftig sein zu können.

Offenkundig hatten sie meine Dolche tatsächlich mitgenommen und wollten sie jetzt gegen mich verwenden. Als sie im Zimmer waren, ließ ich die Tür ins Schloss fallen. Magie selbst ohne einen Fingerschnipp, an dem man sich orientieren kann, zu wirken, erforderte noch etwas mehr Konzentration, es gelang mir jedoch. Borg schien wegen seinem unglücklich verletzen Arm keine Waffe halten zu können. Offensichtlich war er nur mitgekommen um bei der Rache dabei zu sein.

Die fünf kamen auf mich zu und der Anführer hob seinen, MEINEN!, Dolch. Ich hatte noch keine Lust zu reagieren und sorgte einfach dafür, dass der Dolch daneben ging. Der Dolch fuhr fast eine Hand breit tief in meine Matratze und der Anführer fluchte. Sein Kumpan lachte ihn aus und sagte mit einer Stimme, die wie ein Flüstern klang, aber trotzdem mindestens Zimmerlautstärke hatte: „Kannst du nicht mal zielen?"

Der Anführer fluchte und hickste dann: „Mach's doch besser!" - „Gerne doch", rülpste der andere. Ich war etwas angewidert, ließ mir jedoch nichts anmerken. Als der Stich dann kam, rollte ich mich blitzschnell zur Seite, berührte währenddessen die Perle und stand dann mit auf die gerichtetem Dolch vor ihnen. „Ich habe euch neun mal laufen lassen. Vier mal davon hat Borg alleine zu verantworten. Ein zehntes Mal lasse ich euch nicht mehr davonkommen."

Mit diesen Worten stach ich den Dolch in meiner Hand in Borgs Herz, riss in der gleichen Bewegung dem Anführer das Messer aus der Hand und stach damit einen weiteren seiner Kameraden nieder. Ich sah, wie Eragon mit einem Stich zwei von ihnen durchbohrte. Jeder dieser Angriffe war so schnell und präzise gewesen, dass keiner von ihnen hatte schreien können.

Der letzte sah, dass er keine Chance mehr hatte. Statt sich jedoch zu ergeben, hob er den letzten Dolch und warf ihn auf mich. Ich fing die Waffe aus der Luft und warf sie zurück. Ich traf seinen Hals und er stürzte zu Boden. Ich holte mir meine Dolche zurück und wischte sie am Bettlaken sauber.

Aus dem Nichts schuf ich mir einen Zettel und einen Stift. „Wir bitten um Verzeihung, wenn wir Ihnen Umstände gemacht haben, aber diese Fünf haben es verdient. Sehen sie das bitte als Entschädigung." Seit Percy mich zu seiner Königin gemacht hatte - auch wenn ich ihm manchmal für solche impulsiven Entscheidungen den Hals umdrehen könnte, machte es mich doch meistens glücklich, dass wir so eine Art Rückversicherung für alle Fälle hatten und, nicht zu vergessen, dass er ohne einen zweiten Gedanken mich gewählt hatte - war das Schreiben deutlich leichter geworden. Die Spuren der Legasthenie waren nie ganz verschwunden, viele der Muster hatten sich sehr tief eingebrannt, aber es ging immer weiter aufwärts.

Ich legte den Zettel offensichtlich auf das Bett und legte etwas mehr als zehn Goldmünzen hinzu. Für ein Wirtshaus war das ein Vermögen. Als ich mein Gewissen auf diese Weise beruhigt hatte, sagte ich zu Eragon: „Los, wir müssen hier weg, ich habe keine Lust irgendwelche Soldaten töten zu müssen, weil sie nicht weitererzählen dürfen, dass ich hier einige Menschen, wenn man ihnen diesen Titel trotz ihres Verhaltens zugesteht, getötet habe." Er nickte und ich sprang aus dem Fenster.

Beim Aufprall auf die Straße brach ich zusammen und alles wurde schwarz.

Nein Spaß, ich kann folgenlos aus dem Fenster springen. Bitte macht das nicht nach.

Anschließend wartete ich, dass Eragon hinterher kam. Das tat er auch wenige Sekunden später, wenn auch nicht ganz so elegant, und ich reichte ihm einen schwarzen Umhang, den ich natürlich gerade erst erschaffen hatte, man, das macht echt Spaß. Er verstand sofort und zog ihn sich über. Ich hatte meinen seit dem Aufbruch von den Varden nicht mehr abgelegt.

Wir schlichen uns die Straßen entlang und als wir an der Mauer ankamen, überlegte ich, wie wir am besten hinüber kämen. Die Mauer war, auch wenn es nur eine Kleinstadt war, mehr als fünf Meter hoch und im Gegensatz zu mir konnte er nicht so hoch springen.

Da entdeckte ich einige Meter weiter einen Teil der Mauer, an dem mehrere Steine einig Zentimeter aus der Wand hervorragten. Ich wies meinen jungen Begleiter darauf hin und er nickte. „Du zuerst." Ich schüttelte den Kopf. „Es ist sicherer, wenn du vorgehst. Ich kommen sowieso aus der Stadt, im größten Notfall geradeaus durch die Wand", setzte ich nach und ergänzte diesen Satz mit meinem patentierten Keine-Widerrede-Blick. Er sah ein, dass diskutieren nichts ändern würde.

Als er oben war, gab er mir ein Handzeichen, ihm zu folgen. Ich ignorierte ihn gekonnt und sprang direkt auf die Mauer. Er murmelte etwas über angeben und ich feixte. Auf der anderen Seite sprangen wir wieder herunter und ich fing ihn auf, da er bei der Landung ins Stolpern gekommen war. Er nickte mir dankbar zu und wir rannten los.

Im Laufen hatte ich Percy informiert, dass wir Eastcroft früher als geplant verlassen hatten. Er hatte mir ein Gefühl der Erheiterung übermittelt und gesagt, bei ihm sei das ebenfalls von Nöten gewesen.

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3751 Wörter

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.



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