Kap. 15 Gefahr

Percy pov

Ich hatte den restlichen Unterricht einfach nur abgesessen, mich auf meine Atmung konzentriert und versucht, nicht in die Muster von sadistischen Kindern zu fallen, die Fröschen, oder in diesem Fall pinken Kröten Gliedmaßen ausreißen. Ich muss gestehen, es war nicht einfach.

Die meiste Zeit mussten wir nur lesen, aber sobald sie anfing zu reden, unterschwellig Rassenunterscheidungen bei den Zauberern vorzunehmen und jedes andere magische Wesen als schmutzig und wertlos darzustellen, musste ich im Nachhinein immer mal wieder eine Wasserleitung zusammenflicken.

Ich war entsprechend glücklich, als die Stunde zu Ende war. Sobald die Hexe den Unterricht beendet hatte, hatte ich mir meine Sachen über die Schulter geworfen und war raus gestürmt. Dort wartete ich dann auf Harry. Ich musste mit ihm sprechen, nach dem was im Unterricht geschehen war.

Auch wenn man das anhand ihrer Einstellungen zu Unterricht im allgemeinen nicht erwartet hätte, war Hermine schneller aus dem Raum raus, als der Rest des ehemaligen Trios. Wir trennten uns mit einer netten kleinen Geste und sie lief zu ihrer nächsten Stunde, während ich wartete.

Zu meinem Glück liefen auch die beiden anderen nicht zusammen raus und so sah ich Ron in die selbe Richtung wie Hermine abhauen. Erst eine Minute danach kam auch Harry, jedoch wieder mit der altangestammten Ausstrahlung, mit der wir ihn kennengelernt hatten. „Harry, komm mit, ich muss mit dir sprechen", rief ich ihm zu.

Er sah mich verwirrt an und fragte dann zurück: „Warum sollte ich mit dir sprechen wollen, Jackson?" Ich verdrehte genervt die Augen. Musste es jedes Mal ein solches Schauspiel werden? „Weil ich dich sonst am Kragen hinter mir her schleife. Deshalb, also komm."

Zögernd und mit rasant wechselnden Gesichtsausdrücken, die meine Vermutung noch untermauerten, kam er zu mir rüber und ich lotste ihn in einen abgelegenen Gang, den scheinbar gerade niemand brauchte. Dort lehnte ich mich an die Wand und musterte ihn.

Er blickt verwirrt drein. „Was wollen wir hier?" - „Reden." - „Gut, also, was willst du?" Er wollte überheblich klingen, auch wenn das eigentlich nichts erstrebenswertes war, aber ich hörte die Unsicherheit in seiner Stimme. Auch das passte. Wenn meine Theorie richtig war, dann war mir Harry das selbe passiert, wie mit all denen, die nach dem Krieg die Unsterblichkeit angenommen hatten. Besessenheit. Und dieser jemand schien zum einen ein unangenehm hohes Selbstwertgefühl zu haben und schien zum anderen nicht besonders viel Interaktion mit anderen Lebewesen zu pflegen.

Ich stieß mich von der Wand ab. „Deiner Freundin zufolge hast du dich verändert. Weißt du warum?" Er blickte mich erstaunt an. „Das habe ich nicht", behauptete er.

„Du sagst also, dass du dich schon immer so verhalten hast, als würde die Welt dir alles schulden und als könntest du dir alles erlauben?", stellte ich die Folgefrage. Schließlich war es genau das, wie ich ihn kennengelernt hatte. „Ich habe Voldemort getötet. Ich verdiene diese Anerkennung."

Von da an verfiel dieses Gespräch in ein hin und her aus Fragen, mit denen ich ihn zu einem Teilgeständnis oder etwas ähnlichem bringen wollte, aber ohne Erfolg. Er beharrte permanent darauf, seines Schicksals wegen wichtiger oder besser zu sein.

Normalerweise wäre mir das gehörig auf die Nerven gegangen, aber nicht heute. Es gab mir nämlich die Möglichkeit, mich unauffällig und effektiv dem Kern seines Geistes zu nähern, in der Hoffnung, dort die Ursache für sein Verhalten zu finden.

Und während wir verbal sinnlosen Müll austauschten, begann ich schließlich, selbst eine Präsenz zu spüren. Schwach, unfassbar gut versteckt, aber sie war da. Und ich hatte gehofft, die nie wieder zu sehen oder zu spüren. Leider war dieser Wunsch eindeutig fehlgeschlagen. Mit diesem Gedanken konnte ich mich aber vorerst nicht beschäftigen. Erst musste sie aus Harry raus.

Dafür fiel mir nur ein Argument ein. Ich hatte glücklicherweise Zugriff auf Harrys Lebensgeschichte und so wusste ich, wer ihm etwas bedeutet hatte. Das war, wie sich gezeigt hatte, der beste Weg, seinem eigenen Charakter die Kraft zu geben, sich durchzusetzen. Auch wenn es grausam klingen mochte.

„Dann sag mir, Harry, wären deine Vorbilder stolz auf dein Verhalten? Lilly, James, Lupin, Sirius. Wären sie stolz darauf, wie du dich hier aufführst?" Eine schmerzerfüllte Fratzen zerriss seine normalen Gesichtszüge. Ich sah, wie es in ihm kämpfte. „Du kennst sie garnicht!", schrie er.

„Das vielleicht nicht, aber ich weiß wer sie waren. Insbesondere wer Sirius war. Komm zu dir und sei wieder der, der du früher sein wolltest. Sei wieder du selbst!", befahl ich. Und bei diesen Worten splitterte etwas in seinen Augen und er sackte in sich zusammen. Er würde ein paar Tage brauchen, um wieder voll bei sich zu sein, aber ich spürte, wie sich die Präsenz des Bösen langsam zurückzog.

Ich fing ihn auf, bevor er auf den Boden aufschlagen konnte und lehnte ihn gegen die Wand. Sein Geist brauchte nach so viel Zeit der Kontrolle Zeit, sich wieder an seinen Körper zurück zu gewöhnen, und schwere Schäden am Körper würden ihm nicht helfen, damit schneller fertig zu werden.

Ich lehnte ihn sicher an die Mauer und setzte mich anschließend zum Warten neben ihn. Ich glaubte nicht, dass es viel Mehrwert bieten würde, wenn ich die ganze Zeit gebieterisch vor ihm stehen würde. Gleichzeitig ließ ich einen hauchdünnen Faden aus Kraft in ihn fließen, um ihm auch weiter zu helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Der Kampf gegen einen Eindringling im Kopf brachte, wie ich selbst hatte erleben müssen, einen enormen Energieabfall mit sich, der häufig auch der Grund war, warum dieser Widerstand scheiterte.

Egal wie entschlossen er war und wie viele Kraftreserven das in ihm auftat, sie wären irgendwann erschöpft und wenn dieser Zeitpunkt zu früh käme, dann konnte das bedeuten, dass man den Kampf entweder aufgeben musste, oder dass man starb. Beides keine Ziele, auf die ich hinarbeitete.

Es dauerte eine ganze Zeit, bis Harry langsam wieder Anstalten machte, sich normal zu verhalten. Zum Glück hatte ich Geduld. Also genau genommen hatte ich die eben nicht, konnte mich aber immer beschäftigen. Kleine Bewegungen machten den Anfang, aber schließlich drehte er sich nach ein paar gescheiterten Versuchen zu mir. „Was ist mit mir passiert? Ich habe so viel gesehen, aber ich konnte nichts tun. War das echt?", wollte er noch immer etwas undeutlich wissen. „Ja, war es. Man könnte sagen, du warst von einem bösen Geist besessen. Ich glaube aber, du hast ihn besiegt und er sollte nicht wiederkommen", gab ich bereitwillig Auskunft.

„Dann... bist du dieser Perseus Jackson, über den er immer wieder gewütet hat, den er immer wieder töten wollte?" Eine weitere Bestätigung für meine schon bestätigte Theorie. „Ja, der bin ich. Aber nenn mich bitte Percy, Perseus nennen mich meine Feinde und davon habe ich schon mehr als genug. Ich hoffe, du bist nicht so blöd, dich ihnen anschließen zu wollen." Harry schüttelte den Kopf, aber seinem leeren Blick wegen war ich mir nicht vollkommen sicher, ob sich das wirklich auf meine Andeutung bezog, oder ob er einfach noch nicht vollständig in der richtigen Welt angekommen war.

„Ron!", rief er plötzlich und total unvermittelt. Ich sah ihn fragend an. „Er steht immernoch unter seinem Einfluss. Wir müssen ihn retten." Er versuchte aufzuspringen und loszurennen, aber ich hielt ihn mit einer Hand zurück. „Ruhig, wir müssen erstmal zur nächsten Stunde. Ich nehme ihn mir danach vor. Versuch einfach, nicht zu sehr aufzufallen. In deinem aktuellen Zustand kannst du sowieso nichts tun, um ihm zu helfen. Das wäre eine Selbstmordmission." - „Aber..." - „Kein aber jetzt. Wir helfen ihm, aber in deiner Verfassung hilfst du damit niemandem. Ich habe jetzt Zauberkunst und du solltest auch weiter Unterricht haben. Nutz die Zeit und finde zurück in deinen Körper. Sobald du das geschafft hast, reden wir weiter. Kein aber!", ergänzte ich noch, da ich sah, dass er gleich ein zweites Mal widersprechen wollte.

Er schnaufte unzufrieden, aber mein Gesichtsausdruck war deutlich. Ich würde nicht verhandeln. So selbstlos, dumm und impulsgesteuert durfte nur ich handeln. Es folgte ein kurzes Duell mit Blicken, aber dieses gewann ich gegen ihn, wie auch gegen die meisten anderen. Schließlich gab er auf und stampfte vor mir her in Richtung des Raumes, in dem wir als nächstes Zauberkunst hätten.

Ja, er stampfte und es war klar zu spüren, dass er mir demonstrieren wollte, dass er nicht einverstanden mit meinen Vorgaben war. Ganz ehrlich, in den wenigen Minuten, die er jetzt schon wieder bei Bewusstsein war, hatte ich erstaunlich stark das Gefühl gehabt, dass sich bei ihm viele Charaktereigenschaften andeuteten, die bei mir immer je nach Situation meine größten Stärken und meine fatalsten Schwächen waren. Das reichte von Loyalität, auch wenn ich mich vermutlich nicht hätte aufhalten lassen, bis hin zu der völligen Ignoranz der eigenen Verfassung.

Obwohl ich spürte, dass wir bereits zu spät waren, in meinem Fall das zweite Mal an diesem ersten Tag, machte ich keine Hektik. Jeder, der Harrys Bewegungen gerade sehen würde, würde von weiteren Fragen absehen. Außer Umbit... der pinken Kröte natürlich.

Während wir liefen, fiel mir eine Kleinigkeit ein, die ich vielleicht doch eher als die nächste Unterrichtsstunde tun sollte. „Harry!", rief ich deshalb. Er drehte sich um und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an und versuchte dabei ein grimmiges Gesicht zu machen. Teilweise erfolgreich. „Ich muss noch eine Sache vor Zauberkunst machen. Kommst du alleine bis zu deiner nächsten Stunde?"

Seiner Mine wegen machte ich eine zusätzliche Ergänzung. „Ron sollte ebenfalls dort sein, oder?" Zack, seine eigenen Gründe gegen ihn verwendet. Er seufzte und nickte. Ich nickte zufrieden und wir trennten uns.

Ich lief auf kürzestem Weg zu Dumbledores Büro. Erneut verzichtete ich auf einen Zugang via Passwort oder Zauber und erschien stattdessen direkt auf der obersten Stufe der Treppe dahinter. Ich klopfte. Ich wurde herein gerufen. Alles wie beim ersten Mal. Der Unterschied war, dass Dumbledore dieses Mal überrascht aussah.

„Mister Jackson, was tun Sie hier? Sollten Sie nicht zur Zeit den Unterricht genießen?" Letzteres betonte er ein wenig übertrieben, sodass man merkte, dass er sich sehr wohl bewusst war, dass die meisten Schüler Unterricht nur maximal zur Hälfte wirklich genossen.

„Das sollte ich, Professor, aber es gab einen, nein, eigentlich zwei Zwischenfälle, die sofortiger Aufmerksamkeit bedürfen." Er legte den Kopf schief und musterte mich, eine Geste, die immer sofort aufforderte, weiterzusprechen. Es war irgendwie schwer vorzustellen, dass dieser Mann, der so viel mehr Beherrschung und seriöse Autorität besaß, auf der Erde zwar ziemlich genau einhundert Jahre älter als ich war, dieses Verhältnis jedoch durch meine Zeit auf Orbis Terrarum Chaos in der Theorie genau auf den Kopf gestellt wurde. Es zeigte wieder, wie man an diesem Ort in der selbstständig schneller laufenden Zeit zwar alles lernen konnte, selbst aber über weite Strecken der selbe blieb, der man zuvor gewesen war. Nicht vollständig unverändert, aber es gab einem nicht die Lebenserfahrung, die man hier auf der Erde gesammelt hätte.

„Das erste Problem wäre nur ein unangenehmes Ärgernis, gäbe es das zweite nicht." Ich ließ eine kurze Pause und diese nutzte er, um eine leicht amüsierte Zwischenfrage zu stellen. Leicht ironisch, aber definitiv mit einem traurigen Unterton. „Ich gehe davon aus, das Problem stellt ein Ausmaß von mehr pink dar, als sie in die Pyjamas für kleine Mädchen bei den Muggeln einweben können?" Dafür bekam er natürlich einen überraschten Blick ab. Recht hatte er, aber wie?

„Ich hatte befürchtet, dass sie genauso schlimm sein würde. Leider war Verteidigung gegen die dunklen Künste das Fach, was dem Ministerium am wichtigsten war und ich musste sie damit durchkommen lassen, um für den Rest uneingeschränkt im Interesse der Schüler handeln zu können. Ich hoffe, Sie verstehen das." Ich nickte nur, hoffend, dass er noch mehr dazu erklären würde.

„Sie war vor zwei Jahren bereits einmal Lehrerin an unserer Schule. Der Zaubereiminister damals war paranoid und hat geglaubt, wir und insbesondere ich, nicht Voldemort, wären die Bedrohung. Sie hat Stück für Stück die Schule übernommen, Lehrpläne im Interesse des Ministeriums diktiert, die alle praktische Magie, mit der man sich verteidigen oder andere angreifen könnte, vollständig untersagte, und dabei auch den Schülern immer mehr zugesetzt. Ich vermute, sie haben bereits bei der Einführung mitbekommen, dass sie bei den wenigsten Schülern beliebt ist." Erneut konnte ich nur zustimmend nicken. Es erinnerte mich zu sehr an Tantalus. Er hatte letztendlich ähnliche Absichten verfolgt.

„Gegen Sie sind mir dementsprechend leider die Hände gebunden, aber Sie hatten von einer zweiten Widrigkeit gesprochen", stellte der Schulleiter fest. „Ja, und diese ist viel, viel schlimmer. Ich kann Ihnen noch nicht genau erklären wieso, aber einer, mit ziemlicher Sicherheit sogar zwei Schüler an dieser Schule wurden von einem fremden Wesen beherrscht. Einem, im Vergleich zu dem selbst Voldemort, Grindelwald und Professor pinke Kröte zusammen ein wundervolles Freizeiterlebnis im Sonnenschein am Meer sind."

Sofort war aller Spaß aus Dumbledores Stimme gewichen. „Um was handelt es sich dabei?" - „Wie schon gesagt. Ein Wesen. Eines, welches ich noch nicht genauer benennen werde, da Namen Macht besitzen und ich seine Aufmerksamkeit nicht will, bevor ich weiß, was es will. Um ehrlich zu sein", ergänzte ich, „Ich habe seine Aufmerksamkeit mit Sicherheit schon und Rache ist kein unwahrscheinliches Motiv, aber das erklärt nicht, was es hier will."

Ohne eine weitere Frage zu meiner Zurückhaltung im Zusammenhang mit dem Namen zu stellen, musterte er mich leicht misstrauisch. „Sie sagten, dieses Wesen habe eine persönliche Beziehung zu Ihnen?" Ich schüttelte den Kopf, denn das klang falsch. „Nein, also naja, nicht persönlich zum Glück, aber es gibt da eine gewisse Beziehung. Leider. Im Prinzip ist es der Grund, wegen dem wir auch schon heute früh hier waren." Der Schmerz in meinem Gesicht war scheinbar zum Glück genug, um ihn von weiteren Fragen diesbezüglich abzuhalten.

„Nun, Mister Jackson, da Sie anscheinend zumindest einiges dazu wissen, was würden Sie vorschlagen?" Diese Frage überraschte mich ein wenig. Für gewöhnlich war nicht ich derjenige, der nach Plänen gefragt wurde. Und vor allem nicht so schnell. Trotzdem musste ich für meine Antwort nicht lange nachdenken. „Die Schüler müssen lernen, sich zu verteidigen. Nicht nur mit Zaubern, auch wenn die sicher helfen, aber vor allem gegen alles, was dieses Wesen im Angebot hat."

Dumbledore sah mich über die Gläser seiner Halbmondbrille hinweg an. „Was hat dieses Wesen denn im Angebot?", wollte er wissen, „Und wer könnte den Schülern die Verteidigung dagegen beibringen?" Ich merkte an der Art, wie er fragte, dass er die Fäden zusammengeführt hatte. Bei unserem ersten Treffen hatten wir versprochen, dass wir Erfahrung hatten und jetzt berichtete ich über soetwas.

„Im besten Fall versucht er, einzelne zu beeinflussen. Im schlechtesten werden Monster kommen. Monster wie aus den alten Sagen. Genaueres lässt sich alleine aus diesem einen Zusammenstoß nicht sicher sagen. Lehrer... jemand mit praktischer Erfahrung. Viel praktischer Erfahrung", erklärte ich. Ich hatte selbst erlebt, dass mehr Erfahrung in einem Bereich fast immer bedeutete, dass man Wissen und Fähigkeiten effektiver vermitteln konnte.

Er bedachte mich mit einem listigen Blick. „Halten Sie sich für geeignet, den Schülern den Weg zu weisen?", wollte er im Anschluss wissen. Es klingt vielleicht komisch, aber diese Frage hatte ich nicht kommen gesehen, auch wenn sie sich eigentlich sehr offensichtlich angebahnt hatte. „Warum sollten Sie mir eine so verantwortungsvolle Aufgabe übertragen, nachdem Sie mich kaum einen vollen Tag kennen?"

Das entlockte ihm ein Schmunzeln. „Aus zwei Gründen. Erstens bin ich nicht mehr der Jüngste und habe entsprechend auch ein wenig Kenntnis über Menschen gesammelt. Für gewöhnlich erkenne ich eine ehrliche Seele, wenn sie mir über den Weg läuft. Zweitens habe ich selbst deine Mutter unterrichtet und auch etwas mehr kennengelernt, bis sie nach Amerika ausgewandert ist. Sally hätte niemals ein Kind großgezogen, dass versucht, anderen mit solchen Methoden zu schaden." Bam, Totschlagargument, dagegen hatte ich nichts zu entgegen.

Es störte mich ein klein wenig, dass der alte Zauberer mir vom Gesicht ablesen konnte, dass sein Argument sich durchgesetzt hatte. Das lag wohlgemerkt nicht an ihm, sondern an mir. „Also, halten Sie sich für fähig dazu?", wiederholte er sich.

Ich seufzte. „Wäre nicht das erste Mal, dass ich sowas mache, also warum nicht." Er lächelte ehrlich erfreut. „Ausgezeichnet." - „Zwei Bedingungen!", sprang ich dazwischen. „Ich höre?"

„Ich möchte diesen Unterricht nicht alleine führen. Die anderen haben ebenfalls Erfahrung und können mir gut zur Hand gehen. Es ist effektiver und oft besser, wenn man verschiedene Ansätze und Blickpunkte kennenlernt." Ein Nicken mit dem Kopf bestätigte mir diese Kenntnisnahme. „Sie scheinen tatsächlich Erfahrung zu haben", schmunzelte er.

„Ein wenig, tatsächlich." - „Hervorragend! Und die zweite Bedingung?" Ein schmales Grinsen breitete sich auf meinen Lippen aus. „Der Unterricht ist jahrgangsweise, nicht immer nur ein bis zwei Häuser, und mindestens zwei Mal pro Woche, besser drei, denn sonst reicht die Zeit nicht", forderte ich. Die könnten sich auf einiges gefasst machen. Keine Häuser sondierte Aufteilung, sie würden sich miteinander abfinden müssen.

Mein Gesichtsausdruck färbte zumindest teilweise auf ihn ab. „Ich denke, das lässt sich einrichten. Mit deiner Einverständnis heiße ich Sie hiermit herzlich im Kollegium willkommen, Albus", ergänzte er eine kurze Vorstellung, die es mir von jetzt an erlaubte, ihn auch mit Vornamen anzusprechen, und hielt mir feierlich die Hand hin. „Es ist mir eine Ehre. Percy", antwortete ich und erwiderte den Händedruck.

„Wie wünschen Sie denn, Ihr neues Fach zu benennen?", wollte er nun noch wissen. Mit einen vermutlich von außen zurecht frech aussehenden Grinsen gab ich zurück: „Allgemeine und aktive Verteidigung." Es war ein hübscher kleiner Seitenhieb an einen gewissen Haufen aus pinkem Stoff, der eben versuchte, Verteidigung grundsätzlich zu reduzieren.

Dieser Vorschlag traf eindeutig auf gute Resonanz. „Name ist Programm. Brauchen Sie einen bestimmten Raum oder bestimmte Ausstattung?" Dabei musste ich kurz überlegen. Es war dafür schließlich notwendig, dass ich bereits im Voraus einen groben Plan von meiner Vorstellung vom Unterricht hätte.

„Nicht in dem Sinne. Ich werde mit den Schülern draußen üben, da dies mehr Freiheit für jegliche Übungen bietet. Bewegliche Kleidung wäre dabei vielleicht noch wichtig. Ich möchte nicht verantwortlich sein, wenn Schüler sich selbst in ihren Umhängen verheddern und deshalb verletzen und das Gemecker über schwitzen will ich mir auch nicht unbedingt anhören." Der letzte Teil klang vielleicht etwas hart, aber wenn es daran lag, dass man Umhänge und Pullover trug, dann war man selbst daran schuld und verlor damit einen großen Teil meines Mitgefühls.

„Ich werde die entsprechenden Anschaffungen veranlassen. Sie erfahren schnellstmöglich, wann Sie Ihre Stunden haben werden. Wenn Sie sagen, Sie wollen aktiv und direkt Verteidigung unterrichten, brauchen die Schüler dabei ein Mindestalter?" Ich schüttelte den Kopf. In diesem Punkt war mein Leben zu starker Beweis, um Ausnahmen zu machen. „Nein, wenn es Leute gibt, die Böses tun wollen, dann schert sie selten das Alter ihrer Opfer. Keine Sorge, ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, ich kann einschätzen, wieviel man Jugendlichen in solchen Altersgruppen zutrauen kann."

„Zwölf?", fragte er zweifelnd. „Zwölf!", wiederholte ich und hielt den Blickkontakt, bis er den Mund verzog und seinen Kopf wegdrehte. „Dann vertraue ich auch in diesem Punkt ihrem Urteil." Ich lächelte zufrieden und bedankte mich. „Dann werde ich mich jetzt wohl auf den Weg machen. Trotz alledem sehen es Lehrer nach meiner Erfahrung nicht gerne, wenn Schüler ihren Unterricht ignorieren. Insbesondere wenn das ohne Grund geschieht."

„Das wiederum kann ich aus Erfahrung auf der anderen Seite bestätigen. Ich bin sicher, Filius wird ihnen ein einziges Fehlen verzeihen, wenn sie sich ordentlich entschuldigen und ihm versichern, dass es nicht an seinem Unterricht sondern einem Gespräch mit mir lag. Wenn es ihnen hilft, würde ich ihm bestätigen, dass ich dieses Gespräch gewünscht habe, denn im Nachhinein ist dem so", erklärte er. Ich vergaß immer wieder, dass Dumbledore früher auch Lehrer gewesen war.

Ich bedankte mich und lief zügigen Schrittes nach draußen und die Wendeltreppe runter. Wieder vor der Statue des Wasserspeiers angekommen drehte ich mich schnell in die Richtung des tödlichen Treppenhauses. Je schneller ich da wäre, desto weniger müsste ich nachholen. Zumindest hatte das früher gegolten, als ich noch ein normaler Problemfall gewesen war. Wie auch in vielen anderen Fällen hatte sich dieses Wissen so fest in meinem Verhalten manifestiert, dass ich noch immer instinktiv danach handelte.

Meine Geschwindigkeit beim Rennen lag vermutlich gerade so in dem Bereich, in dem man auf der Autobahn geblitzt werden würde, während ich durch die Gänge sprintete und mich unter Gemälden wegduckte, damit sie nicht sahen, wie schnell ich wirklich war. Beim Treppenhaus widerstand ich zwar der Versuchung, mich elegant über das Geländer zu schwingen und so den direktesten Weg vier Etagen nach unten zu kommen. Das hätte die Bilder erst einen weiteren Toten in diesem Teil des Schlosses erwarten und im Anschluss riesig viel Aufwand machen lassen, dass es eben nicht passiert war.

Soviel zur Zurückhaltung. Im Gegenzug sprang ich mehrfach menschlich mögliche Distanzen von einer Treppe, die noch mehrere Meter von ihrem Ziel entfernt war, zum nächsten sicheren Torbogen. So konnte ich mich tatsächlich recht effizient nach unten arbeiten.

Da ich nun in Gängen war, in denen zumindest die Chance bestand, dass Schüler schnell auf Toilette müssten, drosselte ich meine Geschwindigkeit und bereits zwei Seitengänge später machte sich das ganz eindeutig bezahlt.

Hermine pov

Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, drehte mich um und sah, dass Ron hinter mir stand. Normalerweise etwas gutes, aber nachdem ich Percys Blick in Verteidigung gegen die dunklen Künste gesehen hatte, hatte ich jetzt schon kleine Zweifel. Sie waren klein, denn ich kannte Percy ja noch kaum, auch wenn er und Annabeth beide wirklich nett schienen und kein bisschen den Eindruck gemacht hatten, dass sie andere Leute ohne Grund anschuldigen würden.

Bevor ich jedoch entscheiden konnte, wie ich damit umging, wurde sein Griff fester und er rief: „Rede nie wieder mit diesem Perseus!" Ich hatte es nicht besonders gerne, wenn andere Leute mir Befehle erteilten. Erstrecht nicht solche Befehle, die, wie ich zumindest in dem Moment dachte, aus eiversucht oder etwas ähnlichem kommen mussten. Zumindest war das das Verhalten, was ich am letzten Abend so oft gehört hatte, dass ich mich irgendwann ihretwegen in den Schlafsaal zurückgezogen hatte.

Diese Vorgeschichte brachte auch noch eine gewisse Verspannung in die jetzige Situation mit und war vielleicht auch der Grund, dass ich nicht ruhig und beherrscht antwortete, sondern sofort seine Hand wegschlug und fauchte: „Erstens, fass mich nicht an, zweitens, du hast mir garnichts zu befehlen."

Ich sah für einen kurzen Moment, wie Rons Augen irgendeine merkwürdige Veränderung durchmachten und seine Gesichtszüge eine sich ebenso schnell in schmerzerfüllte Trauer verwandelten, wie sie wieder zurück auf den versucht befehlerischen Ausdruck kamen. Eine Stimme, die viel viel älter und tiefer als seine klang, nahm nun den Platz von seiner normalen ein.

„Du willst also Streit, Kätzchen, den sollst du bekommen. So sehr, dass du ihn niemals vergessen wirst!" Und dann rief er irgendetwas in einer Sprache, mit der ich mich scheinbar noch nie beschäftigt hatte, auch wenn einzelne kleine Teile mir bekannt vorkamen. Ich machte ein verwirrtes Gesicht, als nichts unmittelbar geschah. Falsch, ich versuchte es, aber es ging nicht. Ich konnte mein Gesicht nicht steuern. Und in dem Moment bekam ich Panik. Ich hasste es, nicht steuern zu können, was ich tun wollte. Ich hasste es, so hilflos zu sein, und ich hasste es, dass ein ehemaliger Freund dafür verantwortlich war.

Ich nahm alle Willenskraft zusammen, die ich aufbringen konnte, und warf mich innerlich gegen diesen Widerstand. Er wackelte und ich stolperte zwei, drei Schritte vorwärts, aber im nächsten Augenblick wurden die Fesseln noch fester, zogen noch härter an mir, und nahmen mir wieder jegliche Bewegungsfreiheit, die ich im vorangegangen Moment gehabt hatte.

„Nochmal gelingt dir das nicht!", rief mir eine Fratze entgegen, die nur noch entfernt and Ron Weasley, den Jungen, den ich einmal liebte, erinnerte. „Als Strafe darfst du jetzt Zeugin davon werden, wie alles seinen Lauf nimmt, und wirst brechen unter dem Wissen, dass du nichts dagegen tun konntest, weil du nicht fähig genug warst, etwas dagegen zu tun. Für eine hübsche kleine Hexe wie dich werden wir sicher etwas finden. Auf die eine oder andere Weise."

Ich hatte nicht geglaubt, dass die Situation noch schlimmer werden konnte, aber gefühlt jeder neue Satz tat genau das.

Hier einmal eine Warnung. Der folgende Teil könnte auf unterschiedliche Weise, vor allem aber für jeden, der sich keine schweren Verletzungen und das ertragen von diesen vorstellen möchte, ungeeignet sein. Einfach überspringen, bis ich wieder mit dieser fetten Schrift Entwarnung gebe. Ich hoffe, ihr kommt trotzdem danach weiter mit.

Im nächsten Moment verschwand ich. Also wortwörtlich. Mein Körper und mit ihm meine Kleidung wurden durchsichtig, bis nichts mehr übrig war, ich mich restlos in Luft aufgelöst hatte. Er griff mein Handgelenk etwa drei mal fester, als Ron das jemals gekonnt hätte und riss mich vorwärts.

Ich hatte keine Kontrolle über meinen Körper, also wurde ich im wahrsten Sinne des Wortes von den Füßen gerissen und stürzte. Da ich weiterhin nicht eine Spur von Kontrolle über meinen Körper hatte, konnte ich nichts tun, um meinen Sturz aufzuhalten, als der Boden immer näher kam.

Ein Teil meiner Geschwindigkeit wurde von dem Arm, an dem er gezogen hatte weggenommen, aber erstens hatte ich danach das Gefühl, mein Arm währe aus dem Gelenk gerissen worden, und zweitens schlug ich trotzdem mit dem Gesicht auf, hörte meine Nase brechen und spürte es obendrein noch. Ich konnte offenbar keine Befehle an meinen Körper schicken, aber mein Körper konnte Schmerz an mein Gehirn senden.

Und das war erst der Anfang meiner Tortur. In diesem einen Fall hätte ich sehr bereitwillig darauf verzichtet, mit meiner Einschätzung Recht zu haben, als ich behauptet hatte, dass es mit jeder Aktion schlimmer wurde. Mit meinem Arm in der Hand lief er den Gang entlang und ich kam ihm hinterher. Mit dem Gesicht und der gebrochenen Nase nach unten. Es fühlte sich an, als würden Sekunden zu Minuten und Minuten zu Stunden gestreckt werden.

Mein Arm brannte von Sekunde zu Sekunde mehr und jedes Mal hatte ich das Gefühl, keine weitere aushalten zu können, jedes Mal wurde ich jedoch zum lernen eines Besseren gezwungen. Mein Gesicht brannte, glühte, explodierte, alles zur gleichen Zeit, und schien dabei noch mit reiner Säure eingerieben zu werden.

Ich spürte, wie meine Kleidung an verschiedensten Stellen bis auf die Haut durchgerieben wurde, bis auch an meinen Knien, meinen Hüften, meinem Oberkörper und meiner freien Handfläche kein Stoff mehr vor dem kalten, rauen Boden schützte. Es war wie Sandpapier. Man sollte vielleicht glauben, schwere Schmerzen würden andere, schwächere überdecken, doch ich hätte nicht weiter daneben liegen können. Es schien, als würde jede einzelne Wunde meine Empfindlichkeit für Schmerz an anderen Stellen steigern.

Und auf einmal hielten wir an. Man sollte meinen, das wäre etwas Gutes, doch wie schon angedeutet, ich hatte recht behalten. Egal wie höllisch die Qualen gewesen waren, als ich über den Boden geschliffen worden war, jetzt, wo keine neuen Reize mehr kamen, schien jede einzelne Nervenzelle zu versuchen, die anderen mit Schmerzen zu übertrumpfen. Ich wollte nicht wissen, wie viele davon tatsächlich Erfolg gehabt hatten. Zu viele. Viel zu viele.

Während meine körperlichen Leiden meine Gedanke vernichteten und mich immer weiter in eine emotionale Einigelung trieb, die versuchte alles um sich herum auszublenden, kam der nächste Horror hinzu. „Habt ihr Hermine gesehen?", fragte Rons Stimme. „Dieser neue, Percy, hat sie mit sich gezogen und ich weiß nicht mehr, wo sie ist. Ich muss sie finden, nicht dass ihr noch etwas passiert ist oder er ihr etwas getan hat."

Ich war mir sicher, dass noch weitere Sätze gesagt worden, doch ich bekam nichts mehr mit. Vielleicht entschied mein Gehirn, dass ich nichts weiteres mehr gleichzeitig verarbeiten konnte, vielleicht wollte es mir nur diese letzten schmerzhaften Lügen zeigen, vielleicht rauschten meine Ohren vom Schmerz so sehr, dass sie alles weitere übertönten. Es reichte aber auch schon, denn mir wurde übel von diesem grausamen Doppelspiel.

Ich spürte irgendwann, wie ich nochmal losgeschleift wurde und wie jede einzelne Verletzung eine Intensität erreichte, von der ich zu Anfang geglaubt hätte, ich würde sie nicht überleben ohne wahnsinnig zu werden. Welle für Welle überrollte es mich. Vor meinen inzwischen zugefallenen Augen tanzten blutrote Flecken und ich hätte es vermutlich nicht gemerkt, wenn man mich bei lebendigem Leibe verbrennen würde. Aber wer weiß, vielleicht wäre das ja auch der nächste Schritt auf meiner Treppe der leiden.

Mit meinen letzten Gedanken, bevor ein Nebel aus Leid mich verschluckte und ertränkte, fragte ich mich, ob ich vielleicht wirklich langsam wahnsinnig wurde.

Hallöchen, hier ist Manfred, ich habe den Auftrag, die Stimmung kaputt zu machen, indem ich euch darüber informiere, dass ich fast keine Zeit überspringen muss, weil das alles in recht kurzem Rahmen passiert. Ich möchte anmerken, dass er diesen Auftrag selbst vergeben hat. An sich.

Zuerst dachte ich, meine Sicht sei trüb, so als schwämme ich in einem sehr schmutzigen See, doch dann merkte ich, dass noch immer der graue Stein unter mir war. Mit einem Schlag kamen auch alle Erinnerungen zurück. Bevor ich sie aber überhaupt in Frage stellen konnte, kam noch etwas anderes ebenfalls zurück. Alles vernichtender Schmerz. Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht. Ich wollte weinen, aber ich konnte nicht. Ich war noch immer eine vermutlich unsichtbare Strohpuppe, deren einziger Existenzgrund im ertragen von Schmerzen lag.

Ich spürte, wie ein Fuß gegen mich stieß. Oder mich trat. Es war nicht genug, um zusammen mit meinem restlichen Körper eine Rolle zu spielen. „Wach endlich auf!", befahl die Stimme, die jetzt wieder irgendwo zwischen Ron und etwas Altem, Tiefem, Bösen lag. Natürlich hätte ich nichtmal geantwortet, wenn ich gekonnt hätte. Irgendwie spürte er aber doch, dass ich wieder genug von meinem Bewusstsein übrig hatte, um zu leiden. Ein Schuh schob sich unter meinen Bauch und irgendwie gelang es diesem kleinen Objekt, meinen vollkommen von Muskeln befreiten Körper auf den Rücken zu drehen.

Ich spürte, wie gefühlt eisige Luft über mich hinweg fuhr und all die brennenden Stellen kühlte. Es machte die Folter nicht besser, aber es veränderte die Art, wie es diesen Effekt hatte. Es würde mich nicht wundern, wenn viele der Teile, die jetzt Gott Götter! weiß wie lange mit Sandpapier abgeschliffen, abgerieben und zerfetzt worden waren, weitreichende bleibende Schäden hinterlassen würden. Das war aber wohl mein kleinstes Problem. Bei weitem das kleinste.

„Du bist hilflos. Überleg dir lieber das nächste mal, bei wem du es wagst, deine kindliche Sturheit durchzusetzen. Sonst wird das in Zukunft noch viel häufiger passieren. Ausgeliefert, allein, niemand der dir helfen würde und niemand, der auch nur die Fähigkeiten hätte, dir zu helfen." In Rons altem Gesicht entstanden immer wieder einzelne kleine schwarze Fragmente, hinter denen es schien, als würde sich dort etwas bewegen.

Ich versuchte meinen Hass und meine Abscheu im Zaum zu halten und meine Konzentration auf diese Splitter zu richten. Doch als er sich zu mir hinab beugte, kochte es immer mehr hoch und immer stärker wurde der Wunsch in mir, mich in einem letzten Akt des Widerstands zu opfern, um ihm zu entkommen. Ich wollte nur diese Qual loswerden und wenn ich damit etwas letztes gutes tun könnte, dann wäre es mir das ganz eindeutig wert.

„Du! Gehörst! Mir!", schienen die Stimmen von Ron und diesem ominösen, alten Wesen übereinander befehlend zu schreien, als sie kaum fünf Zentimeter von mir entfernt waren.

Und an diesem Punkt kochten meine Emotionen über. Sie wurden schon enorm gefördert, von dieser höllischen Reizflut, aber ich gehörte absolut niemandem und ich würde nicht weiter leiden, nur um daran etwas zu ändern.

Im Nachhinein war meine Reaktion absolut kindisch, doch für diesen einen Augenblick war ich so von Genugtuung erfüllt, dass es mir vollkommen egal war. Irgendwie gelang es mir nämlich, meinen Gefühlen einen Weg durch die mächtige Lähmung zu bahnen, ein Durchbruch aus aufgestauten Emotionen und geballtem Schmerz, und wozu nutzte ich das? Ich spuckte ihm ins Gesicht.

Er erstarrte über mir. Mehr und mehr schwarze Splitter erschienen auf seinem Gesicht und schienen die Spucke binnen einem Sekundenbruchteil aufzusaugen. Seine Pupillen waren jedoch bei weitem das schlimmste. Ein nach innen gerichteter Wirbel aus Finsternis, dem nichts jemals entkommen würde. Ich wusste nicht, wie das so schnell geschehen war. Als er mich an der Schulter gepackt hatte, war er noch der selbe Junge gewesen, den ich in Erinnerung gehabt hatte, doch jetzt schien nur noch ein Monster übrig zu sein.

Vor Angst nahm ich sogar den Schmerz nicht mehr war. Ich hatte keinen Menschen angespuckt und damit wütend gemacht, das vor mir war ein Monster und wer wusste, was das alles mit mir anstellen könnte. Als es nun sprach, war seine Stimme kein bisschen mehr die von Ron. „Du hast deine Chance auf Leben als Sklavin verwirkt. Du wirst leiden, bis dein Körper nachgibt oder meine Lakaien dich holen kommen. Diese Frechheit wird dich teuer zu stehen kommen, Hermine Granger! Du wirst die Anthesterien nicht überleben!"

Aus der Wut in seinem Gesicht wurde nun Bosheit. Die Augen wurden zu Schlitzen und die Wirbel beschleunigten sich. Er griff an meine vom über den Boden Rutschen völlig aufgerissene, dem Gefühl nach blutüberströmte Hüfte und zog meinen Zauberstab hervor. „Viel Glück kleine Hexe. Den wirst du sicher nicht mehr brauchen!", lachte er und klang dabei rau wie die große Säge unseres Nachbarn, wenn er die Bäume in seinem Garten Zuschnitt. Und er brach ihn entzwei.

Ich wollte schreien, in meinem ganzen Leben hatte ich kaum einen Hand voll von diesen Meisterwerken brechen gesehen, aber mein Anflug von Widerstandskraft war verschwunden, in dem Moment, in dem ich erkannt hatte, dass irgendein Monster Rons Platz eingenommen hatte. Die Panik half dabei auch nicht weiter.

„Viel Spaß noch", rief er gehässig, „wenn du Glück hast, findet dich in ein, zwei Stunden vielleicht jemand. Mach es dir bis dahin gemütlich." Im Vergleich zu diesem Sadismus war Bellatrix Lestranges Folter gegen mich eine wahre Wonne aus purer Güte gewesen.

Und als wäre das nicht alles schon viel zu viel für mich gewesen, schob er nochmal einen Fuß unter mich und drehte mich auf den Bauch. Damit nicht genug, er griff meinen Arm und schleuderte mich um sich herum über den Boden. Dann ließ ich los und rutschte flach auf Bauch und Gesicht, eben den bereits völlig aufgeschürften und zerstörten Stellen, den Gang hinab. Gegen dieses grässliche Brennen vor allem an meiner Brust, als Schwerpunkt meines Gewichts in dieser Position, war der Cruciatus-Fluch das kleiner übel gewesen.

Irgendetwas geschah in mir, das sich nach außen nicht beschreiben lässt. Der Schmerz betäubte mich, aber gleichzeitig war die andere Lähmung verschwunden. Ich wusste nicht wieso dieses Monster sie genommen hatte, aber alles was mich jetzt hielt, waren die Schmerzen, die bereits gigantischen Schmerzen, die bei jeder Bewegung ins unermessliche weiter wuchsen.

Nichtmal schreien konnte ich, denn mein Mund war so verstümmelt, blutig, trocken und rissig, dass ich keinen Ton hervorbringen konnte. Dazu kam, dass ich kaum atmen konnte, da jede Bewegung von meinem Oberkörper die offenen, noch immer blutenden Wunden strapazierte und dir Bewegung fast sofort hemmte.

In einem Anfall von Entschlossenheit, der mir gleichzeitig schwarz und weiß vor Augen werden ließ und mir beinahe das Bewusstsein nahm, rollte ich mich in Embryonalstellung ein. Nachdem der schlimmste Teil abgeklungen war, stellte ich in einem leichten Anflug aus Eigenlob fest, dass diese Idee tatsächlich sehr gut gewesen war. Ich konnte mich durch den vorgebeugten Oberkörper gerade so weit genug vorbeugen, um meine Brust nicht ins unerträgliche zu strapazieren, während ich einatmet. Und das war auch alles, was ich von da an tat. Einatmen. Ausatmen. Hoffen.

Ich verlor jedes Zeitgefühl. Es konnten Sekunden sein, es konnten Stunden sein, aber auf einmal hörte ich etwas. Schnelle Schritte, als würde jemand rennen, die immer lauter wurden. Ich lag jedoch in die falsche Richtung eingekugelt, um irgendetwas zu sehen. Aus naheliegenden Gründen drehte ich mich nicht komplett um, um etwas zu sehen. Die Leiden, die das mit sich bringen würde, könnten auf keine Weise kompensiert oder ausgeglichen werden.

Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich vor Freude aufgeschrien, als ich die Stimme erkannte. „Hermine?", rief Percy erschrocken. Es riss mich sofort aus meinen von Schmerz induzierten Halluzinationen. Ich weiß nicht, was genau es war, aber irgendwie hatte er es geschafft, dass ich ihn als guten Menschen sah, dem ich vermutlich vertrauen würde, obwohl ich mich nur einmal mit seiner Freundin, das hatte mir Annabeth im Zug verraten, unterhalten hatte und zweimal, ebenfalls auf dem Weg hier her, sowie einmal im Unterricht mit ihm gesprochen hatte.

Als ich nicht antworten konnte, hörte ich, wie Schritte schnell näher kamen. „Hey!", ich fühlte seine Hand behutsam auf meiner Schulter. Er war aber noch immer außerhalb meines Sichtfeldes.

Auf einmal floss eine Art warme Kraft in mich. Ich wusste nicht, was geschah, aber sofort entspannten sich all die Muskeln, mit denen ich mich verkrampft zusammen gehalten hatte, und die Schmerzen reduzierten sich zu einem heftigen Pochen und Ziehen.

Wie ein nasser Waschlappen lief ich auseinander und lag im nächsten Moment flach auf dem Rücken. „Wie hast du...", begann ich, wurde aber von einem lauten Fluchen unterbrochen. Ich hatte den Ausdruck noch nie gehört, es war ganz klar keine Sprache, die ich beherrschte, aber die Art, wie er rief, machte seine wütende Erregtheit unverkennbar.

Ich hörte etwas reißen und im nächsten Moment glitt ein großer, orangener Stofflappen über meinen gesamten Oberkörper und erst dabei fiel mir auf, was meine entsprechenden schwer verwundeten Stellen bedeuteten. Meine Schuluniform musste in noch schlechteren Zustand als mein Körper sein, was eine wirkliche Herausforderung war.

Ich lief mit Sicherheit rot an, während ich murmelte: „Danke!" Ich traute mich nicht aufzuschauen und fokussierte meinen Blick stattdessen auf den Stoff. Die Farbe meines Gesichts wurde mit Sicherheit nicht besser, als ich realisierte, was der wirklich absolut einzige Ort war, an dem ich diese Farbe bisher gesehen hatte.

„Ist es für dich okay, wenn ich dich heile?", wollte Percys Stimme irgendwo hinter meinem Kopf wissen. Obwohl die Frage in meinen Ohren im ersten Moment doppelt bescheuert klang, sowohl wegen dem Ausmaß der Schäden, als auch weil ich nicht sah, warum ich das nicht wollen sollte, fiel mir schnell ein, dass es auch Leute gab, die sich sehr schwer damit taten, Hilfe von anderen anzunehmen, und ich gehörte da nicht selten dazu.

Ich heftete meine Augen weiterhin auf den orangenen Stoff unter meinem Kinn, als ich ganz leicht nickte. Ich wollte nicht aufblicken. Dann hätte ich ihn danach noch weniger normal anschauen können.

„Das wird sich jetzt komisch anfühlen!", warnte er mich. Dann legte sich seine Hand nochmal sanft auf meine Schultern und ich spürte, wie sich die Wärme von zuvor noch stärker ausbreitete, wie mein ganzer Körper kribbelte und die Wunden sich allesamt so abfühlten, als wäre das entsprechende Körperteil eingeschlafen.

Ich sah an mir herunter. Das Blut verschwand in feinen roten Röhrchen, rotes Fleisch legte sich darum herum und ich langsam breitete sich die normale Haut an den entsprechenden Stellen wieder aus. Ich sah dabei zu, wie insbesondere an Nase, Brust und Hüfte Schäden behoben wurden, die ich in der Krankenstation als schwierig und ohne Magie als unmöglich zu heilen eingestuft hatte. Vor allem nicht so glatt, so ordentlich und so spurlos.

Es war einfach... weg. All die Spuren meiner Tortur... verschwunden. Mein Körper fühlte sich bis auf die zerschlissene Kleidung an wie neu. Ich setzte mich überrascht von der neuen Leichtigkeit auf. Und bereute es natürlich sofort, als die Überreste von Percys T-Shirt von meinem Oberkörper rutschten. Schneller als ich reagieren konnte, hatten zwei sonnengebräunte Hände die Enden jedoch in der Luft erwischt und oben gehalten.

Nach einem Moment des Zögerns nahm ich diesen Blickschutz in die eigenen Hände, wickelte ihn einmal um meinen Körper und fixierte die Enden mit einer Hand. Diese neue Situation trug auch nicht dazu bei, dass ich ihm besser in die Augen gucken könnte.

Für eine Sekunde herrschte ein etwas unangenehmes schweigen, bevor er vorsichtig vorschlug: „Die Mädchentoilette ist gleich den Gang runter. Willst du dir vielleicht erst ordentliche Sachen anziehen, danach reden wir?"

Ich zuckte ganz kurz zusammen. Der Moment der Ruhe hatte schon gereicht, um mich bei diesem leisen Geräusch aufschrecken zu lassen. „Ich habe keine anderen Sachen hier", erwiderte ich.

Ich hörte ein leichtes Rauschen hinter mir, als habe jemand eine weite Geste mit den Armen gemacht, und er antwortete: „Das ist kein Problem. Ich kann dir Ersatz besorgen."

Ich war auch von diesem Angebot zuerst verwirrt. Wie sollte er das tun? Aber dann erinnerte ich mich an die letzte Minute und es schien mir garnicht mehr so unwahrscheinlich. Wer wusste schon, wozu dieser Junge in der Lage war.

„Dann bitte", gab ich etwas kleinlaut zurück. Ich hatte noch immer nicht den Mut aufgebracht, mich zu ihm umzudrehen und ihn so direkt vor mir zu sehen.

Wir liefen den Gang hinunter, auch wenn ich noch etwas wacklig auf den Beinen war. Einmal stolperte ich über meine eigenen Füße, fuchtelte im Fallen wild mit den Armen umher, doch bevor einer der beiden Unfälle geschehen konnte, waren Percys Arme unter meinen Achseln aufgetaucht und hielten gleichzeitig mich und meinen improvisierten Ersatzmantel oben.

Als wir das Bad erreicht hatten, ich war sehr froh, dass er mir ohne eine weitere Frage bis zu den Kabinen folgte, denn diese zu beantworten wäre noch viel peinlicher geworden. „Und jetzt?", wollte ich vorsichtig wissen.

Ein Funkenwirbel stob in der Kabine vor mir auf und dort hing eine vollständige Garnitur Kleidung, wie ich sie jeden Tag an dieser Schule trug, und noch eine Reihe anderer zerstörter Dinge, die man von außen nicht direkt sah.

Ich huschte schnell in die Kabine und sobald ich die Tür hinter mir verschlossen hatte, glitt der orangene Fetzen ohne mein Zutun unter meinen Händen weg und wieder nach draußen. Offensichtlich hatte sein Besitzer ihn sich zurück geholt. Mit Recht.

Ich tauschte schnellstmöglich meine Sachen aus. Nur die beschädigten natürlich, aber das waren eben wirklich alle, außer den Socken. Ich wusste nicht, wie viel Zeit dabei verging, ich konzentrierte mich wirklich nur auf diese eine Aufgabe. Ich fühlte mich einfach noch nicht bereit, über die Geschehnisse von davor nachzudenken.

Während ich mich umzog, hatte ich das Gefühl, dass die Sachen weicher und bequemer waren. Das konnte daher kommen, dass ich jetzt eine lange Periode von Schmerz und Qual hinter mir hatte, wodurch sich alles normale auf einmal anfühlte, als wäre es unglaublich komfortabel, sozusagen Resensibilisierung. Es bestand aber auch die Möglichkeit, dass die Ursache tatsächlich darin lag, dass Percy sie selbst geschaffen hatte und mir jetzt einen Gefallen tun wollte.

Zum Schluss warf ich mir den Umhang über und atmete noch einmal tief durch. Irgendwie hatten sich die engen vier Wände gerade sehr viel sicherer angefühlt, als alles darum herum. Trotzdem öffnete ich die Tür der Kabine.

Ich konnte nicht anders als dabei aufzugucken. Obwohl mein Instinkt meinen Blick noch immer auf die Spitzen meiner Schuhe heften wollte, spürte ich das Verlangen, mich wirklich davon überzeugen, dass meine Rettung wirklich Percy gewesen war, nicht jemand, der nur so klang. Ich glaubte es nicht, aber nach einem so grauenhaften Erlebnis wollte ich Gewissheit haben, dass es wenigstens in diese Richtung keine Fortsetzung des Dramas gab.

Und tatsächlich, dort stand er und sein T-Shirt war auch wieder ganz, als hätte ich ein anderes für das Bedecken meines Körpers und meiner Wunden bekommen.

So, das sollte es mit allen grenzwertigen Inhalten gewesen sein, viel Spaß im weiteren

Er sah mich fragend und erwartend an. „Danke!", murmelte ich, auch wenn ich es nicht mehr schaffte, ihm dabei in die Augen zu schauen oder verständlich zu reden.

Er winkte sofort ab. „Keine Ursache. Ich finde, wer helfen kann, hat damit die Pflicht, diese Hilfe auch zu leisten. Aber das wollte ich garnicht fragen. Der Blick sollte eigentlich etwas in die Richtung, wie es dir geht, heißen."

Ich zuckte peinlich berührt zusammen, erinnerte mich dann aber schnell daran, dass ich das tatsächlich nicht hätte vorher wissen müssen. „Es geht wieder. Ich verstehe nur einfach nicht, was da passiert ist. Was ist mit Ron passiert? Wie konnte er mich so sehr lähmen? Wer seid ihr? Wo bist du hergekommen? Warum kannst du all diese Dinge? Was sind die Anthesterien?", sprudelten all die Fragen aus mir hervor.

„Wenn du darauf bestehst, können wir das tun, aber ich würde trotzdem vorschlagen, dass du dich noch für einige Minuten geduldest, dann können wir das an einem sichereren Ort als den offenen Schultoiletten machen. Wie klingt das?"

Ich zögerte kurz. Es klang nicht so, als würde er versuchen, mich davon abzuhalten, aber meine Neugier brannte in mir und Geduld war damit wirklich nicht meinen Stärke.

Schließlich stimmte ich aber doch ergeben zu. Außer dem Bad in der zweiten Etage würde immer die Gefahr bestehen, dass jemand den Raum betreten würde, und dort wusste man nie, ob Myrthe einen gerade belauschte.

Er lächelte zufrieden und bedeutete mir dann, ihm zu folgen. Wir liefen durch die Gänge und dabei hörte ich Percy etwas murmeln, das ich nicht verstand. „Was?", hinterfragte ich wortgewandt sein Geflüster.

Er hatte scheinbar garnicht gemerkt, dass er gesprochen hatte, denn nun schlug er sich mit einer Hand vor den Mund, entschuldigte sich und erklärte dann: „Annabeth und ich wollten dir eigentlich heute Abend all diese Dinge erklären, bevor du sie dir selbst zusammenreimst, aber sie sitzt in dem Unterricht, den ich gerade schwänze, und deshalb bespreche ich mit ihr das weitere Vorgehen. Ich weiß nicht genau, was dir gerade widerfahren ist, du vermutlich auch nur bis zu einem gewissen grad, aber wenn meine Vermutungen richtig liegen, dann wäre es wirklich gemein, dir die Dinge bis heute Abend vorzuenthalten."

Ich nickte verstehend und wir liefen weiter. Den restlichen Weg sprachen wir kein Wort. Es wäre einfach komisch, nach den Geschehnissen über etwas anderes zu sprechen und das einzige aktuelle Thema hatten wir verschoben.

Nur ein einziges Mal fuhr ein Blitz aus Erinnerungen durch meine Gedanken, in denen ich den Schmerz wirklich nochmal selbst zu fühlen glaubte. Meine Füße gaben unter mir nach, aber bevor ich stürzen konnte, hatte Percy mich nochmal aufgefangen. Er hatte sich nichtmal umgedreht. Er hatte geholfen und sobald ich wieder auf meinen Beinen gestanden hatte, das Gewicht also von seinem Arm verschwunden war, lief er einfach weiter. Kein Blick zurück auf der Suche nach Dank oder Bestätigung. Er war einfach anders, als jeder, den ich in meinem Leben kennengelernt hatte.

Erst auf den letzten Metern erkannte ich, wo er mich hinführte. Der Raum der Wünsche. Was in seinem Inneren geschah, blieb auch meistens in seinem Inneren. Meistens.

Wir liefen drei Male an der Wand, hinter der der Raum getarnt lag und ich dachte die ganze Zeit an einen Ort, an dem man sich ruhig unterhalten konnte. Etwas wie der Gryffindor-Gemeinschaftsraum.

Und wie auch die letzten Jahre, tauchte eine hölzerne Tür im Mauerwerk auf, die Percy beherzt nach außen auf zog. Er winkte mich hinein und so betrat ich diesen magischen Ort vor ihm.

Im Inneren war tatsächlich etwas, das starke Ähnlichkeiten zu unserem Aufenthaltsraum aufwies. Ich trat einige Schritte weiter ins Innere und setzte mich auf einen der Sessel, die überall im Raum in kleinen Gruppen zusammen standen. Ich blickte mich um und stellte fest, dass Percy den Raum noch zweifelnd ansah. „Der Raum der Wünsche reagiert nicht auf meine Wünsche!", beschwerte er sich.

Ich kicherte. Er hatte so eine Art, sich überdreht über Kleinigkeiten zu aufzuregen, dir mich irgendwie amüsierte. Entsprechend klopfte ich noch immer grinsend auf den Sessel neben mir und rief: „Vielleicht hat der Raum mich erkannt." Er zuckte mit den Schultern und machte einen Schmollmund, bis zu dem Augenblick, wo sein Fuß die Schwelle überquerte. Da verwandelte es sich in ein hämisches Grinsen.

Von ihm ausgehend breitete sich eine blaue Aura im Raum aus und pulverisierte alles, was in ihre Reichweite kam. Mir fiel die Kinnlade runter. Mein schöner Gemeinschaftsraum wich einer weiten Wiese, die ein paar Dutzend Meter weiter erst in einen Strand und dann in einen weiten Ozean überging. Über unseren Köpfen breitete sich ein Sternenhimmel aus, wie ich ihn noch nie gesehen hatte, obwohl die Zeit eigentlich gleißenden Sonnenschein bedeuten müsste. Ein frischer Wind wehte und ließ kniehohe Wellen über den Strand rollen. Trotzdem war das Wetter so mild, dass ich es angenehm fand.

Ich sah ihn an, eine Mischung aus Schreck, Überraschung, Enttäuschung, Faszination und Empörung im Gesicht, die meinen Mund für mehrere Sekunden offen stehen ließ. „Hast du gerade..." - „Ja, habe ich. Schön hier, oder?" Und jetzt bekam ich einen Seehundblick ab. Das war so unfair!

Widerwillig nickte ich. Dieser Ort war schön. Vielleicht noch schöner und freier als der, an den ich gedacht hatte. Trotzdem fand ich es gemein und kopierte seinen Schmollmund. Er streckte mir die Zunge raus und ließ sich rückwärts ins seichte Gras fallen.

„Also, möchtest du mir vielleicht erzählen, was geschehen ist? Das hätte die Vorteile, dass ich erstens nicht überlegen muss, ob die Umstände wichtig genug sind, um deine Gedanken zu lesen, zweitens dir Antworten auf die meisten deiner Fragen geben kann und wir drittens möglicherweise gemeinsam ein paar Dinge erfahren, die dazu führen würden, dass vielleicht nicht alle Lebewesen auf der Erdoberfläche ihr gewaltsames Ende finden. Letzteres könnte minimal übertrieben sein", schlug er vor.

„Minimal?", hakte ich nach. „Minimal!", bekam ich die Bestätigung mit einem absolut ernsten Gesichtsausdruck, der mich schlucken ließ. Man konnte ihm ansehen, wann er Witze macht. Das war kein Witz.

Ich begann also zu erzählen, was geschehen war. Während ich sprach, versuchte ich mir vorzustellen, ich würde die Geschichte aus einem Buch vorlesen. Das erlaubte mir nämlich, selbst die schlimmsten Dinge aus einer Art herabblickenden Perspektive zu beschreiben, mich nicht von meinen Emotionen aufhalten zu lassen und all die Dinge, die mir peinlich wären und die ich über mich nicht erzählt hätte, so zu schildern, als ginge es um jemanden, den ich kaum kannte.

Diese Methode hatte immer funktioniert und auch jetzt machte sie das Ganze erträglich. Ich fühlte mich davor immernoch furchtbar, aber ich machte keine Pause und berichtete alles von Anfang bis Ende. Nichtmal die Dinge, die Ron über Percy gesagt hat, ließ ich aus, denn in meinem Kopf hatte er schließlich eine andere als mich gemeint.

Als ich schließlich an dem Punkt angekommen war, an dem ich Percys Schritte im Flur gehört hatte, war ich total außer Atem und nachdem ich meine Lunge einmal vollständig mit der hier wehenden Meeresbriese gefüllt hatte, ließ ich mich rückwärts zurück sinken. Das genaue Gegenteil von Percy, der sich zum Beginn meiner Erzählung aufgesetzt und mir zugewandt hatte. Ich wollte schlechte Neuigkeiten aber lieber in einer Position empfangen, in der ich erst locker alles aufnehmen konnte, bevor ich begann, mir ernsthaft Gedanken zu machen.

Tatsächlich kam aber als erstes eine Neuigkeit, die nur auf den zweiten Blick schlimm war. „Sei dir bitte bewusst darüber, dass der Umstand, dass du dich tatsächlich gegen ihn, beziehungsweise die von ihm herbeigeführte Lähmung, wehren konntest, von enormer Willensstärke zeugt. Du wirst gleich verstehen, wieso." Ich sah ihn überrascht an, bedankte mich aber, obwohl ich tatsächlich noch nichts verstand.

Percy bot nun an, meine Fragen zu beantworten. „Ich vermute, es ist trotzdem am schlausten, wenn ich mit den schnellen Fragen anfange und auf die weniger bis garnicht wichtigen vollends verzichte?", nahm ich an. Er nickte. „Was sind die Anthesterien?" - „Ein Fest im alten Griechenland. Es sind drei Tage zum Wintersende und zum einen wurde dort Dionysos geehrt, zum anderen kamen in dieser Zeit die Geister der Toten aus der Unterwelt zurück in die Welt der Lebenden um dort Rache an offenen Rechnungen und nicht eingehaltenen Versprechen zu üben. Heute feiert man sie nicht mehr, aber die Schranken zwischen Leben und Tod sind trotzdem dünner während dieser Tage."

Ich hatte schon am Vorabend viel über mein Gespräch mit Annabeth nachgedacht. Einige Besonderheiten waren definitiv daran gekoppelt, dass sie aus einem anderen Land kamen, aber eine Sache, die mir bei ihr genauso wie jetzt bei Percy ins Auge gesprungen war, war der Umstand, dass sie erstens unglaublich viel über antike Bräuche wussten, mehr als ich noch, und dass sie diese alle so behandelten, als wären sie auch heute noch aktuell.

„Dann eine doppelte Frage als nächstes. Warum kannst du so viel, Schmerz betäuben, heilen, Dinge aus dem nichts erschaffen, den gesamten Raum der Wünsche übernehmen, und woher wisst ihr beide so viel? Du und Annabeth. Wann immer ich mit ihr auf das Thema Antike gekommen bin, wusste sie alles wie aus der Pistole geschossen, und du du hast mir gerade genaue Fakten zu einem Fest von vor zweitausend Jahren aufgezählt, von dem ich noch nichtmal gehört habe. Und das gelingt sonst selbst den Lehrern kaum." Ich sah, wie er die Lippen zusammenbiss und tief Luft holte. Offenbar ging es jetzt langsam um die wirklich wichtigen Dinge.

„Bevor ich darüber spreche, möchte ich zwei Dinge von dir", legte er fest. Ich wartete. „Du redest mit niemandem darüber. Erstens glaubt dir keiner und zweitens wäre das für keinen Beteiligten gut. Du wirst gleich verstehen warum. Außerdem bitte einmal keine Unterbrechungen und vor allem keine warum-Fragen. Die Antwort wird immer ‚ist nunmal so' sein." Ich wählte die naheliegendste Antwort. „Wieso?" Er rollte mit den Augen und versuchte nicht zu lachen.

„Weil ich mir solchen absurden Schwachsinn nicht aus den Fingern saugen kann und weil ich, wenn ich dir wirklich Lügen auftischen wollen würde, deutlich effektivere Wege hätte." Ich nickte. Mit diesen Bedingungen konnte ich leben, auch wenn die zweite mir vermutlich in einer Minute Kopfschmerzen bereiten würde. „Also?"

Nach einer kleinen Pause begann er zu erzählen. „Du hast es schon im Ansatz angedeutet. Wir wissen mehr über die antike, insbesondere Griechenland, als eigentlich jedes andere Wesen, und wir sprechen von all den Dingen in der Gegenwart. Warum? Dieses eine Mal ist die Frage erlaubt. Weil sie auch heute noch die Realität widerspiegeln."

Ich sah ihn misstrauisch und ungläubig an, hielt mich aber an seine Bitte und sagte nichts weiter. „Mit zwölf sind meine Mutter und ich von Wesen aus dieser Welt angegriffen worden und sie wurde entführt. Ich habe auf die harte Tour lernen müssen. Die antiken Götter sind noch immer da und der Olymp als Symbol ihrer Macht schwebt jetzt für sterbliche Augen nicht zu sehen und zu erreichen über dem Empire State Building. Ich bin Percy Jackson, einziger lebender Sohn des Poseidon und habe den faulen Säcken mehrfach ihre göttlichen Gesäße gerettet. Einige meiner Fähigkeiten kommen einfach durch das Erbe meines Vaters, wie diese hier."

Er deutete auf den Strand und sofort zog sich das Wasser zurück, bildete einen riesigen Strudel weiter draußen und schwappte wieder bis zu unseren Füßen vor. Ich war schon jetzt so fasziniert wie gefesselt. Und das war wohl erst der Anfang. „Andere haben sich erst im letzten Monat entwickelt, als ich mit jemandem zusammengestoßen bin, der mir mit ausnahmsweise guten Absichten ein Angebot gemacht hat, das mir diese anderen Fähigkeiten und eine Menge wissen auf einmal gegeben hat. Dazu aber vielleicht ein andermal mehr. Ich gebe dir zu diesen beiden Themen nachher noch ein paar Bücher, auf deren Aussagen du dich verlassen kannst."

Ich war baff. Ich konnte nichts damit anfangen, was er gerade über sich selbst angedeutet hatte, aber es klang schon beeindruckend genug. Ich würde heute Abend vermutlich eine ganze Menge Schlaf ans Grübeln verlieren. „Steht in diesen Büchern auch genauer, was ihr alle könnt und was nicht?", wollte ich wissen. Ich sprach sofort instinktiv von der Mehrzahl. Sie waren alle zusammen angereist, also waren sie vermutlich alle von irgendeinem Ort, an dem das Leben mit dem Wissen über Götter der Alltag war.

Es fiel mir tatsächlich weit einfacher, als ich gedacht hätte, diese neuen Informationen anzunehmen. Zauberer, Magie und Drachen waren echt, warum also nicht auch Götter? „Okay, in Ordnung", erwiderte ich mit zitternder Stimme. „Für den Moment nehme ich das einfach so hin. Ich werde dann vermutlich heute Abend unser Bad bei uns am Schlafsaal mit einem Zauber, der verhindert, dass ich draußen gehört werde, belegen und dann dort schreiend im Kreis laufen, aber für den Moment kann ich es mir klein reden."

Er sah mich besorgt an, meinte aber nur: „Wenn du nach einer Nacht drüber schlafen noch immer wichtige Fragen hast, kannst du gerne immer zu uns kommen und fragen. Es is besser, als wenn du dir selbst Sachen zusammenreimst. Alle Angebote, die ich hier mache, zählen übrigens auch aus Annabeths Richtung, falls du mit ihr lieber sprechen wollen würdest. Eines der Dinge, die ich auf dem Weg mit ihr besprochen habe."

Ich nickte als Zeichen der Kenntnisnahme. „Danke." Dafür bekam ich ein schnelles Lächeln, welches mich ermutigte, mit den Fragen weiterzumachen. „Dann ist es wohl jetzt der Zeit, den Elefant im Raum anzusprechen. Was zur Hölle war mit Ron los und warum hast du vorhin so komisch bei Harry reagiert?"

Er presste die Lippen zusammen und versuchte daraus ein Lächeln zu machen. Es sah nicht echt sondern eher gruselig aus. „Witzige Wortwahl. ‚Was zur Hölle...'", murmelte er vor sich hin. „Um das genauer zu erklären, muss ich ein wenig weiter ausholen", begann er dann seine Erklärung.

„In unserer Welt gab es in den letzten Jahren Kriege, genau wie bei euch. Im letzten war die Erde selbst unser Feind und weißt du, wann es geendet hat?" Es war eindeutig eine rhetorische Frage. „Zum Fest der Spes, am ersten August." Er sah mich fordernd an, als müsste mir das etwas sagen. Und tatsächlich tat es das. „In der Nacht vom ersten auf den zweiten August haben sich Harry und Ron so plötzlich verändert", erkannte ich.

„Richtig. Das gleiche wie bei ihnen ist auch mit einigen von uns auf etwas andere Wege etwas später geschehen. Damals war ich jedoch zu langsam, um herauszufinden, wer dafür verantwortlich war." Ich bedeutete ihm mit einer kleinen Kopfbewegung, dass ich ihm bis zu diesem Punkt noch gut folgen konnte.

Percy holte tief Luft, als müsse er sich sehr zusammennehmen, und ich sah trotzdem, wie das Meer um und wilder wurde. Die Wellen wurden größer, Schaum wirbelte dazwischen herum und der Wind blies noch intensiver. Wenn das Zusammennehmen war, wollte ich mir kein Bild davon machen, wie es sonst ausgesehen hätte.

„Die Vermutung liegt also nahe, dass irgendjemand dafür verantwortlich ist, dem das Ergebnis dieses Krieges ganz und garnicht gefallen hat", stellte er eine letzte These auf. „Und damit könnt ihr das so eindeutig sagen?"

Dafür wurde ich ausgelacht und für einen Moment beruhigte sich die Natur um uns herum wieder. „Götter, nein, das macht die Liste der verdächtigen eher länger als kürzer. Wirklich, als Halbblut stehen die Zahlenverhältnisse so garnicht auf deiner Seite." Ich hielt abwehrend die Hände vor mich, ein leichtes Schmunzeln jedoch auf den Lippen. „Kann ich doch nicht wissen."

Er winkte ab. „Natürlich nicht, aber ich habe Spaß daran, Leute für die Unwissenheit auszulachen, für die ich früher ausgelacht wurde. Jedenfalls," und sein Gesicht wurde schlagartig wieder ernst, als er zum eigentlichen Thema zurück fand. Als er mit dem wichtigsten Teil der Geschichte dieses Abends begann, folgte die Natur ihm. Je länger er sprach, desto wilder wurden die Elemente.

„Sie Bruchstücke passen alle zusammen. Unsere Freunde wussten erstaunlich viel über die Unterwelt und haben laut eigenen Berichten in dieser Zeit immer wieder Referenzen darauf gemacht. Sie mögen Hades als den Herren der oberen Unterwelt nicht. Du hast erzählt, dass Harry und Ron seit gestern ihre Wut nahezu immer auf mich richten. Ron, der mich für die Geschehnisse von vorhin beschuldigen wollte, und später die schwarzen Splitter in seinem Gesicht und die Wirbel in seinen Augen. Ihr Auftauchen nach dem Krieg gegen Gaia, Erdmutter und Lehmfresse. Es passt alles zusammen mit dem, was ich in Harrys Geist gespürt habe, als ich ihn zum freikämpfen gebracht habe.

Es ist jemand, dessen Namen ich nicht gerne ausspreche, nicht nur weil Namen macht haben. Wir sprechen von jemandem, der das Leben auf der Oberfläche grundsätzlich hast, aber eine ganz besondere Rechnung und einen ganz besonderen Willen nach Rache mit mir und Annabeth offen hat. Wir sprechen von Tartarus, Verkörperung der Hölle, des tiefsten Teils der Unterwelt!"

---------------------------

9710 Wörter

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top