Kap. 132 Das Ende... oder?

Roran pov

Es blieb natürlich nicht bei einem. Nach diesem Ersten flogen auch noch weitere Kull aus der Staubwolke. Der kurze Moment der Hoffnung wandelte sich damit auch schnell in Entsetzen. Nichtmal das war genug gewesen. Nichtmal das Abfeuern von schwerem Kriegsgeschütz und ein Nahkampf mit den vielleicht stärksten Kriegern aus Alagaësia reichte aus, um dieses Monster zu Fall zu bringen.

Während die Anzahl der Toten zunahm, nahm die Dichte des Staubs ab und langsam zeichneten sich Gestalten ab. Eine Gestalt nur noch, zu dem Zeitpunkt, als man langsam wieder mehr als nur Konturen sah. Zur gleichen Zeit entschied nun auch das letzte Volk, ihren Beitrag für den Kampf zu leisten. Über ein Dutzend Katzen sprangen über den Platz und krallten sich in alles, was nicht durch starke Rüstung geschützt wurde. Ich war überrascht, dass sie ihm so nah kommen konnten. Zuvor war nämlich noch jeder direkte Angriff, auch ohne Waffen, abgelenkt oder blockiert worden.

Er brüllte vor Schmerz und Wut, aber ich gab mich nicht der Illusion hin, er würde dem Erliegen. Eigentlich nahm ich nur eine einzige Sache daraus mit. Irgendwie mussten zumindest seine Schutzzauber nachgegeben haben oder wenigstens schwächer geworden sein. Trotzdem musste ich tatenlos zusehen, wie eine Katze nach der anderen, ob Gestaltwandler oder nicht, beide waren betroffen, durch die Luft geschleudert oder von Barsts Fäusten zermalmt wurde.

Von ihnen blieben jedoch nicht alle so lange an ihm haften, bis es sie ihr Leben kostete. Einige sprangen vorher ab und fauchten ihn nur noch an. Als schließlich die letzte entschied, dass sie alleine nichts mehr ausrichten konnte, hatte sich das Erscheinungsbild des Grafen vollkommen gewandelt. Sein Gesicht hing in Fetzen und er war auf einem Auge geblendet. Trotzdem stand er noch. Offensichtlich beinhaltete seine breite Auswahl an magischen Veränderungen auch einen dieser barbarischen Flüchen, die das Schmerzgefühl aufhielten, abschwächten oder einfach nach einem Augenblick wieder auflösten, sodass man auf die Verletzung aufmerksam, aber nicht davon behindert wurde. Letzteres schien mir anhand seines früheren Verhaltens am wahrscheinlichsten.

Diese neue Erkenntnis bedeutete vor allem eines. Selbst wenn er nicht mehr geschützt war, nur der Tod würde ihn aufhalten, alles andere würde er irgendwie ignorieren. Irgendjemand würde es beenden und ich wollte nicht, dass noch weitere verletzt oder getötet würden. Also trat ich erneut einen Schritt vor, sodass ich ganz eindeutige als einziger aus der großen Masse hervorstach.

Er sah sich kurz um und erkannte mich natürlich sofort. Schließlich war ich der letzte gewesen, den er gesehen hatte, bevor ein Haufen Steine ihn unter sich begraben hatte. Soetwas prägte sich wohl recht gut ein. Ungünstig für mich in diesem Fall.

„Das", fauchte er und Abscheu und fast unbändigbare Wut rann aus jeder Silbe, „Wirst du mit deinem Leben bezahlen, Hammerfaust! Du und alles, was in deiner Blutbahn zu finden ist. Ich werde euch alle finden und töten!" Wenn wir nicht wüssten, dass das sowieso eine Schlacht ist, in der es um Leben und Tod geht, könnte das jetzt auch zu einem Horrorfilm werden. Here's Jonny! Ja, genau das klingt nach ner guten Idee.

Zuerst machte mir diese Drohung tatsächlich Angst. Selbst wenn ich sterben sollte, ich hatte Katrina immer aus diesen Gefahren heraus halten wollen. Dann jedoch erinnerte ich mich, dass er sowieso alle hier töten würde und dass Katrina, sollten wir tatsächlich verlieren, genauso sehr in Gefahr wäre, wie ich jetzt. Ich durfte einfach nicht zulassen, dass wir verlieren würden. Egal was es kosten würde. Diese Erkenntnis brachte einmal mehr die kalte, analytische Bereitschaft mit sich, die sich einfach nicht aufhalten ließ.

Barst stürmte auf mich zu, was tatsächlich ein wenig komisch aussah, schließlich humpelte er dabei etwas, und ich hörte, wie meine Verbündeten hinter mir zurückwichen. Nicht besonders solidarisch, aber es war verständlich. Niemand wollte von einem Querschläger des Grafen getroffen werden. Ich sprang mit so viel Schwung, wie ich nur konnte zur Seite und sah, während ich kopfüber war, wie die Nägel der tödlichen Keule meine Füße und anschließend auch meinen Kopf nur um Millimeter verfehlten.

Dieses Art vom Ausweichen wiederholte sich in den nächsten Sekunden noch ein halbes Dutzend Male und in jeder entbehrlichen Sekunde, die mein Widersacher damit verbrachte, seine Keule für den nächsten Angriff zu heben, überlegte ich fieberhaft, was ich tun könnte, um ihn sicher auszuschalten.

Testweise versuchte ich, ihm an irgendeiner sonst recht effektiven Stellen einen Schlag mit dem Hammer zu versetzen, aber ich konnte diesen nie bis zum Ende durchziehen, denn dann war er wieder bereit zum Angriff und mir blieb nichts übrig, als einen Sprung zur Seite zu machen, da ich sonst zerschmettert werden würde.

Zum Glück wurde er von Wut angetrieben und dachte so nicht mehr an Dinge wie Finten oder ähnliches, mit denen er mich vermutlich auf den ersten Versuch niederstrecken könnte. Trotzdem konnte es so nicht ewig weitergehen. Ich sah langsam ein, dass ich diesen Kampf nicht gewinnen konnte. Ich konnte nur dafür sorgen, dass er ihn verlieren würde. Ich hatte inzwischen auch mein Ziel ausgewählt, und es war nicht sein Genick, wie ich das in einem gewöhnlichen Kampf getan hätte, sondern eine Idee, die entweder alles retten konnte, oder keine Auswirkung haben und damit mein Ende bedeuten würde.

Und dann sah ich meine Gelegenheit. Er rutschte bei einem Schlag ein Stück am inzwischen auch schon von Blut überströmten Griff ab und musste so einen Schritt mehr machen, um wieder in Angriffsbereitschaft zu kommen. Ich sprang vor und schlug so fest ich konnte zu. So fest wie ich nur irgendwie konnte gegen die eine Stelle, die ihn von allen anderen Unterschied. Den gewölbten Brustpanzer.

Ich hinterließ eine tiefe Delle, aber das war noch nicht genug. Als ich dann meinen Hammer wieder aus dem Metall heraus gerissen hatte, hob er gerade schon wieder meinen wahrscheinlichsten Tod über den Kopf. Ich akzeptierte in diesem Augenblick, dass mich das vielleicht mein Leben kosten würde. Vielleicht? Vermutlich! Aber es würde Katrina eine freie Welt schenken.

Und mit diesem letzten Gedanken entschied ich mich dagegen, meine Kraft in einen weiteren Versuch, aus dem Weg zu springen, zu stecken und nahm nochmal all meine Kraft zusammen und schmetterte meinen Hammer in die frische Mulde in seiner Rüstung. Ich spürte darin erst einen und dann kurz danach noch einen Widerstand brechen und mein Hammer wurde plötzlich mit unglaublicher Kraft erst vollkommen gestoppt und dann wieder hinausgestoßen.

In diesem Moment wusste ich, dass alles weitere von Glück abhängen würde, und so tat ich noch das allerletzte, womit ich vielleicht Einfluss auf dieses Glück haben konnte. Ich hatte nicht die Stellung für einen Sprung, aber ich ließ mich zumindest vorne über fallen, seitlich weg von der Keule, auch wenn das vermutlich nicht schnell genug sein würde, und riss einen Arm vors Gesicht. Das hatte mir an diesem Tag schließlich schon einmal das Leben gerettet.

Es reichte nicht aus. Ich spürte eine Kraft, gegen die ich rein garnichts ausrichten konnte, an meinem Kettenhemd reißen. Sie riss mich auf den Boden und von diesem Augenblick an explodierte der Schmerz überall in meinem Körper. Zwei Stellen stachen besonders hervor. Ein unfassbarer Druck schien irgendetwas auf der Höhe des unteren Endes des Brustkorbs zu zerquetschen und ich schlug mit so viel Kraft auf dem Boden auf, dass selbst der Arm vor dem Gesicht nicht reichte, um mich zu schützen. Ich spürte. Wie die Knochen in meinem Arm brachen, als der Kopf darauf schlug, und vermutlich war auch am Kopf selbst die Nase nicht das einzige, dass danach nichtmehr heil war.

Einen Moment lang lag ich dort in unvorstellbaren Schmerzen, dann schien nochmal ein mindestens genauso schweres, wenn nicht noch schwereres Gewicht auf mich zu stürzen, dass alle Luft aus mir heraus presste und nach einem Augenblick wieder weg war. Mit ihm war aber auch jeder restliche Funken Kraft weg und ich verlor das Bewusstsein. Durch den Nebel aus Schmerz war das Letzte, was noch hervor dringen konnte, ein leuchtendes, aber unscharfes Bild meiner Frau und mein letzter Gedanke, bevor alles um mich herum schwarz und rot vor Schmerz wurde, galt ihr, unserem Ungeborenen und dem Wissen, dass ich mein Versprechen gehalten hatte. Ich hatte absolut alles getan, um ihnen ein freies restliches Leben zu schenken. Alles!

Annabeth pov

Ach komm, das habt ihr kommen sehen müssen. Ich kann doch hier nicht einfach so weiter machen und euch verraten, wie es weitergeht. Weihnachten hin oder her, aber Kliffhanger sind nunmal Pflicht.

Die Idee hinter dem Zauber von Eragon war genial. Tatsächlich hätte sie, auch wenn das mit der Genialität normalerweise nicht auf Percys Ideen zutraf, durchaus vom Vorgehen her von meinem Algenhirn persönlich kommen können. Eigentlich war es nämlich keine letzte Waffe, sondern eher etwas, dass nach dem Prinzip funktionierte, dass es Galbatorix jede Freude an seiner Position nehmen und ihn mit sehr viel Glück sogar nachhaltig und langfristig schwächen würde. Und genau deshalb hatte ich das Gefühl, dass der Gedanke dahinter tatsächlich noch deutlich mehr erreichen könnte, als nur diesen präventiven Vergeltungsschlag. Übrigens wäre das auch eine hervorragend beschönigende Begründung für einen Atomangriff.

Um es mit Eragons Worten zu sagen, „Ich will nur, dass er versteht, was er anrichtet." Das war der Grundgedanke gewesen, doch wie es so war, je mehr Teilnehmer es gibt, desto mehr verändert sich die Struktur der Magie. Der junge Reiter konnte eigentlich nur das in seine Magie einbauen, von dem er selbst wusste oder dass er selbst erlebt hatte. Als jedoch ein Eldunarí nach dem anderen und zusätzlich Glaedr und Arya, die beide in dieser Zeit auch in den Ländern von Alagaësia unterwegs gewesen waren, ob in Du Weldenvarden, im Beor-Gebirge, in Surda oder im Imperium, dazu kamen, wurde das Netz immer größer, sodass es Galbatorix immer mehr Erkenntnis aufzwingen würde.

Und dann, von all den zusammengesammelten Dingen, wurden vor allem die Emotionen unterstrichen, denn diese konnten nicht einfach verstanden werden. Emotionen waren für jeden individuell und wenn jemand behauptete, er würde diese Gefühle verstehen, dann bedeutete das schlichtweg, dass er oder sie schonmal eine ähnliche Situation durchlebt hatte und dadurch einen guten Vergleich für sich selbst hatte. Ein Gefühl verstand man nur, wenn man es erlebt hatte und so veränderte sich die gesamte Sammlung der Informationen und zu den vielen Beschreibungen wurden immer wieder die eigenen Gedanken und Gefühle der Drachen ergänzt.

Und dann wurde dieses Netz auf Galbatorix losgelassen. Es bestand aus so vielen Dingen, die sich nicht in Worte fassen ließen. Wissen über die Grausamkeit seiner Taten, persönliche Emotionen und die grundlegenden Handlungsideale der Drachen. Sie alle sollten durch diese Magie dem Mörder aufgezwungen werden und während das bei Wissen und Idealen noch recht einfach war - er würde die Ideale niemals befolgen aber zumindest kannte er sie nun und würde vielleicht eines Tages darüber nachdenken - gab es mit Gefühlen ein großes Problem, was am Ende der zündende Funke sein sollte. Gefühle sind eigentlich individuell und sie zu erklären würde nicht oder nur begrenzt Verständnis dafür erzeugen. Vielleicht würde ihm auffallen, dass er sich einmal in einer ähnlichen Situation ähnlich wie beschrieben gefühlt hatte, aber das wäre nicht die Emotion selbst.

Stattdessen trat nun der eigentliche Teil des Zaubers ein, der auch bei weitem die meiste Stärke brauchte. Der in diesem Moment noch so zornige wie siegesgewisse König wurde durch die stärke der Eldunarí dazu gezwungen, jede einzelne der Emotionen, die irgendeiner von ihnen einmal gespürt oder vermittelt bekommen hatte, für jedes Mal, wo sie gefühlt worden war mit genau der entsprechenden Intensität selbst zu erleben und er konnte sich sicher sein, knapp zweihundert Seelen die ein Jahrhundert in Abgeschiedenheit gelebt und den Verlust von Verwandten, Familie und Freunden betrauert hatten, hätten genug emotionalen Schmerz übrig, um auch die letzten Reste seiner Seele in Stücke zu reißen. Schon jetzt mochten die Jahrhunderte der Macht und Grausamkeit seine Seele so sehr verbrannt haben, dass selbst wenn er nicht mit Magie das Aussprechen seines wahren Namens mit tödlichen Fallen versehen hätte, dieser Name nur noch an Fäden mit seiner Seele zusammenhing, aber das war nichts im Vergleich zu dem, was diese Menge ans Schmerz in dieser kurzen Zeit mit den Überresten anstellen würde.

Langsam nahm das ganze seinen Lauf und einige Sekunden später bemerkte auch Galbatorix, dass etwas geschah. Während durch Eragon in diesem Moment der stärkste Kraftstrom floss, den ich jemals auf einer Ebene unterhalb von Chaos, Percy und mir gespürt hatte, brüllte Galbatorix: „Was ist das? Was geschieht mit mir?"

Eragon lächelte müde. „Ihr... versteht!" Obwohl er sich kein bisschen bewegt hatte, keuchte er. Die verlorene Kraft war jetzt schon zu spüren, dabei war noch kaum die Hälfte der Ansammlung an Gefühlen und Erinnerungen durch ihn hindurch geflossen.

Zornesfalten bildeten sich in Galbatorix Gesicht und er presste seine Finger stärker in Eragons Stirn und Unterarm. „Deine Magie wird aufgehoben. Du kannst mich nicht damit verletzen. Ich stehe jetzt über der Magie!" Noch während er sprach, brachen aber auch die ersten Anzeichen von Panik durch seine Maske der Wut. Obwohl man ihm ansah, dass er nicht mehr lange durchhalten würde, dass er jeden Augenblick zusammenbrechen konnte, wurde Eragons Lächeln eher noch breiter. „Wenn ich keine Magie wirken kann, dann erklärt mir doch bitte, was mit Euch passiert."

Der Zustand, in dem der junge Reiter sich in diesem Moment befand, war äußerst bemerkenswert. Er hatte diesen Kampf eigentlich schon fast aufgegeben gehabt, aber jetzt spürte er, dass sein geplanter letzter Versuch eben doch einen Zweck bekam. Obwohl er das Kräftemessen nicht für sich hatte entscheiden können, hatte er die erhobene Position, da er seinen Gegner in eine Situation gezwungen hatte, die dieser weder erwarten, noch je zuvor erlebt haben konnte. Die Unwissenheit kämpfte auf unserer Seite.

Während Eragon auf ein Knie sank, ließ Galbatorix ihn los und griff sich selbst mit beiden Händen an den Kopf. „Mach dass es aufhört, diese Schmerzen, diese Stimmen!" brüllte er sein Gegenüber an. Dieser jedoch schüttelte nur den Kopf und während die letzten Erinnerungen durch ihn hindurch flossen, versuchte er nur, weiterhin bei Bewusstsein zu bleiben.

Galbatorix schrie noch mehrere Male, in einigen Fällen brach sogar seine Stimme weg, doch irgendwann sah er trotz des Nebels aus Schmerz, der ihn einhüllte, ein, dass er damit nicht weiter kam. Er schien allerdings auch keine bessere Idee zu haben, wie er mehr bewirken konnte, daher ließ er nun, in einem törichten Versuch, der selbst wenn er Erfolg gehabt hätte, seine Situation keinen Deut besser gemacht hätte, der Wut freien Lauf, zumindest glaubte ich das zu diesem Zeitpunkt.

Er zog sein Schwert. Islingr, Lichtbringer, wie ich erkannte. Zumindest war das sein Name, bevor es dem König in die Hände gefallen war. Ob er einen so glücklichen Namen gelassen hatte, wagte ich zu bezweifeln. Ich hatte zwar an diesem Ort keinen Zugriff mehr auf meine Allwissenheit, aber über die Waffen der Reiter hatte ich mich schon früher einmal informiert. In diesem Fall hätte ich das Schwert aber vermutlich auch anders genannt. Es war weiß, aber irgendwie war Licht nicht das, was ich mit dieser Farbe verband. Dafür hätte irgendwelche Wärme, ein leichter Gelb- oder Rotton in diesem blanken Weiß zu finden sein müssen. So sah es mehr aus wie Knochen, die seit Ewigkeiten in einer Wüste schmorten.

Das Schwert gezückt stampfte er auf Eragon zu und hob es mit beiden Händen über den Kopf. Ich bezweifelte es, aber wenn er immer so kämpfte, dann würde das erklären, warum er seinen Lakaien vorgeschickt hatte und dafür die Frage aufwerfen, wie genau es dem Orden der Reiter gelungen war, gegen ihn zu verlieren.

Als er zuschlug, stieß Arya einen Schrei aus, der weit höher klang, als ich es von ihr gewohnt war, doch bevor die Klinge Eragons Schädel spalten konnte, blockierte eine andere, purpurn gefärbte Klinge diese Verzweiflungstat. „Murtagh!", kreischte der König, kochend vor Wut und Schmerz, „Was soll das? Geh mir aus dem Weg!"

Der, den ich eben noch Lakai genannt hatte, schüttelte nur den Kopf und schlug die Klinge zurück und weg von seinem Halbbruder. „Das war ein Befehl! Gehorche, du bist mir immernoch durch deinen wahren Namen verpflichtet!", schrie sein Meister erneut.

Dies entlockte Murtagh ein eisiges Lächeln. „Das ist jemand anderes. Dieser jemand ist lange tot, genau wie Eure Kontrolle über mich." Vollkommene Verwirrung verzerrte Galbatorix Züge fast bis ins unkenntliche. „Das ist unmöglich!" Langsam wurde mir diese Lautstärke wirklich zu viel. Außerdem müsste er eigentlich wissen, dass das möglich war. Eragon hatte Murtagh davon erzählt und nach dessen Aussage hatte der König seine Gedanken immer wieder durchsucht, wenn er von einem Auftrag zurückgekehrt war.

So bekam er auch von dem Sohn seines ehemals treusten Untergebenen keine Antwort mehr. Stattdessen griff dieser ihn mit seinem neuen Schwert an und drängte seinen früheren Herrn in die Defensive. Dass dieser sich noch behaupten konnte, zeigte zwar, dass er doch nicht ganz so hoffnungslos im Schwertkampf war, aber genug für einen Sieg war es bei weitem nicht oder nicht mehr. Vielleicht war er ja besser gewesen, bevor er die unendliche Qual seiner Diktatur zu spüren bekommen hatte.

Es dauerte aus diesem Grund auch nicht lange, bis Murtaghs Vorteil gegen ihn immer größer wurde und er bald nicht mehr weiter zurückweichen konnte. Auch wenn die Situation besser aussah, es war noch nicht zu Ende.

Ich sah, wie Saphira um ein Haar von Shruikans Kopf zu Boden geschlagen worden wäre und er versuchte, als sie gerade noch auswich, sie mit einer seiner gigantischen Pranken aus der Luft zu fangen. Es misslang ihm um wenige Zentimeter, aber hätte er getroffen, wäre Saphira vermutlich daran zugrunde gegangen.

Dies war auch Arya bewusst, deren Blick immer wieder zwischen dem Kampf zwischen den Reitern und dem der Drachen hin und her wechselte. Nun sprang sie jedoch auf und ich hörte sie für sich selbst flüstern: „Ich habe dieses Ei hunderte Male quer durchs ganze Land getragen und der Schutz davon war der Sinn meines Lebens. Ich werde nicht zulassen, dass heute der letzte Tag für den letzten weiblichen Drachen ist." Und sie umgriff ihr Schwert fest, während sie auf Shruikan zu rannte. Ein sinnloses und selbstmörderisches Unterfangen, dachte ich zuerst, doch dann begann sie, seitlich an den einzelnen Schuppen hoch zu springen. Jede einzelne war größer als sie selbst, und so boten sie recht zuverlässige Trittstellen.

Sie kam tatsächlich auf diese Weise bis auf den Rücken des Hinmelsgiganten, ohne auch nur ein einziges Mal abgeschüttelt zu werden. Dann begann sie sich an den weiteren Aufstieg zu machen. Meter für Meter kletterte oder sprang sie an den Schuppen von Shruikans Hals entlang, der sich immer wieder hin und her wand. Sicheren Untergrund hatte sie schon lange nicht mehr. Ein paar Male stach sie sogar ihr Schwert in die Schuppen hinein und verwendete es als eigenen Griff. Verletzen tat sie ihn dabei kein Stück, doch es war beeindruckend, wie gut sie so weit oben ihre Balance halten konnte.

Als sie schließlich wenige Meter vor dem Punkt war, an dem der Kopf des Drachen breiter werden würde, passierte es schließlich doch. Die Schuppen lagen schlecht für sie, aber von ihrem Adrenalin angetrieben versuchte sie trotzdem einen waghalsigen Sprung. Sie verfehlte ihr Ziel minimal und rutschte an der Seite ab. Nur gerade rechtzeitig, bevor sie zu weit fallen würde, erinnerte sie sich an das kleine Hilfsmittel, was alle Elfen immer bei sich trugen. Magie. Und auch daran, dass sie hier zur Zeit ohne Worte gewirkt werden musste. Und so durften wir ein Mal mehr Zeugen von etwas werden, was sonst nur in Cartoons auf der Kinoleinwand möglich war. Ohne irgendwelche erkennbare Ursachen wurde ihr Fall gestoppt und sie schoss wieder in die Höhe, wo sie gerade noch wieder auf dem Hals des schwarzen Giganten halt fand.

Sie sprintete über den sich unter ihr in alle Richtungen bewegenden Boden und erreichte schließlich ihr Ziel. Das rechte Auge des Schwarzen. Für einen Moment zögerte sie, doch dann holte sie aus und schleuderte ihr Schwert in das Auge. Gerade im rechten Moment um zu verhindern, dass die gepanzerten Augenlider ihren Versuch von Beginn an stoppten. Die Klinge war zu kurz und zu breit, um weit nach innen vorzudringen, aber es reichte aus, um irreparablen Schaden zu hinterlassen und Shruikan damit einseitig zu blenden.

Ich war mir nicht sicher, ob ich jemals, ein Lebewesen einen lauteren Ton von sich geben gehört hatte, als diesen größten aller Drachen in diesem Moment. Das Brüllen durchdrang alles, vermutlich selbst die massiven Mauern aus Stein und alle Magie, die sie schützte. Ich hoffte nur, dass unser Dämmungswall zumindest die Kinder davor bewahrte oder Leo sie schnell wieder beruhigt bekommen würde. Dabei schüttelte Shruikan seinen Kopf so stark, dass er damit eine der nahestehenden Säulen umstieß und Arya von seinem Kopf herunter schleuderte.

Sie segelte durch die Luft, zu weit abseits von jedem festen Gegenstand, um trotz des abschwächenden Effekts der Umgebung ihren Fall wieder auf magische Weise zu retten. Sie war noch fünfzehn Meter über dem Boden, als Dorn von oben auf sie zugeschossen kam und sie mit einer seiner Vorderklauen umschloss. Nicht gewaltsam, nur so weit, dass er ihren Flug beeinflussen konnte. Irgendwie gelang es ihm, nicht gegen irgendetwas gegen zu stoßen und seinen Flug trotzdem so langsam abzubremsen, dass es einer elfischen Passagierin dabei nicht das Genick brechen würde. Als er wenige Fuß über dem Boden stoppte und langsam die Kralle öffnete, sprang Arya wackelig, aber unversehrt daraus hervor.

Für einen Moment ließ sie sich zu Boden fallen, um sich zu ordnen. Gleichzeitig wechselte mein Hauptfokus zurück zu Murtagh und Galbatorix. Als ich feststellte, dass der König entwaffnet am Boden lag, zeigte Percy mir kurz, was bis zu diesem Zeitpunkt geschehen war. Tatsächlich eigentlich nichts spektakuläres. Der Jüngere hatte schlichtweg besser gekämpft und war eben nicht von den Gefühlen tausender Leidender heimgesucht worden. Schließlich hatte er einen recht gut ausgewählten Entwaffnungstrick benutzt und Islingr wirbelte durch die Luft.

„Ihr habt verloren!", stellte Murtagh fest. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass er am Ende der sein würde, der diese Verkündung machen würde. Leider lag er vielleicht damit auch nicht richtig. Zumindest nicht so, wie der Satz normalerweise gedacht war. „Das stimmt!", fauchte Galbatorix, dessen Mimik mich inzwischen an die derjenigen erinnerte, die auf den Feldern der Bestrafung gequält wurden, „Aber wenn ich schon sterbe, dann nehme ich euch mit. Euch alle!" Und mit diesem letzten Ausruf bellte er einen Zauber in den leeren Raum. „Stenr Evarínya gath!" Kein Elf würde das jemals so sagen, denn es riss die Worte aus ihren ursprünglichen Bedeutungen und nahm nur Teile davon mit, doch es konnte, wenn man es so verstehen wollte, „Sternenstein erscheine" bedeuten, was sich mit dem Ergebnis deckte. Es konnte auch „Stein Stern verdichte" heißen oder völliger Blödsinn sein, aber das passte weniger. Er hielt nun nämlich einen selbst hier im dunklen funkelnden, leicht hellblauen Diamanten in der Hand.

---------------------------

3739 Wörter

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top