Kap. 131 Ein zündender Funken
Percy pov
Es mochte daran liegen, dass meine kleine Schwester neben dem blauen Essen eine der letzten Erinnerungen war, die ich noch an mein ursprüngliches Zuhause hatte, aber in diesem Moment, hatte ich die Entscheidung getroffen, dass ich im Notfall gegen jede göttliche Richtlinie verstoßen würde, um diesen Krieg so zu beenden, wie es sein musste.
Während Eragon und Murtagh also einander bekämpften, trennte ich mich von der Gruppe und ließ meine Präsenz durch den Raum wandern, bis zu den Kindern hin. Ich blieb auf dem Weg allerdings vorsichtig. Ich konnte mir inzwischen durchaus vorstellen, dass Galbatorix über Wege verfügte, Götter aufzuspüren und daher verhielt ich mich auf dieser Ebene etwa so, wie ich mich auf der materiellen Ebene verstecken würde, wenn ich weder gesehen, noch gehört werden wollte. Ich hatte das ganze natürlich vorher mit Annabeth abgesprochen und hielt auch weiterhin die Verbindung zu ihr aufrecht, aber ich war froh, dass sie einsah, dass ich meiner jungen Schwester wegen einen noch engeren Bezug dazu hatte, als sie mit ihren inzwischen bereits fast erwachsenen Halbgeschwistern väterlicherseits. Aufschub hätte sie nicht geduldet, aber das hatte ich ja auch nicht vor gehabt, doch für sie stand in diesem Fall mehr das Ergebnis im Vordergrund, als der eigene Anteil an der Lösung.
Als ich bei den Kindern angekommen war, war das erste, was ich tat, eine Sichtblende und einen Schallschutz zu errichten. Es war schließlich kein Geheimnis, dass Kinder ab und an mal einiges an Lärm machen konnten. Ich war wohl das beste Beispiel gewesen. Ich wollte sie aber auch am liebsten weder ver-, noch erschrecken, das waren sie ja schon der äußeren Umstände wegen genug, also überlegte ich, wie ich ihnen am besten erscheinen könnte, ohne einen solchen Effekt auszulösen. Das war garnicht so leicht, denn wenn etwas vor einem aus dem Nichts erscheint und man nicht den Göttern und Nico wegen einige Erfahrung damit hatte, dann war es fast egal, wie niedlich oder beruhigend dieses etwas war.
Zu ihrem eigenen Besten nahm ich mir deshalb die Freiheit heraus, ohne es sie spüren zu lassen, ihre Gedanken zu durchsuchen. Das Erste, was mir natürlich entgegen schlug, war Angst von beiden. Als ich etwas tiefer ging, spürte ich auch, dass sie das Glück gehabt hatten, eine für Verhältnisse dieser Welt zumindest recht gesunde Kindheit gehabt zu haben und auch die Beziehung zu einander war besser als die der meisten Kinder in ihrem Alter, die in unserer Welt lebten. Der Junge war gut ein Jahr älter und hielt seine Schwester an der Hand. Es war schön, Geschwister zu sehen, die sich anscheinend meistens vertrugen. Und es machte mich noch entschlossener.
Ich suchte weiter nach und fand heraus, dass sie beide eigentlich gerne mit Tieren spielten, Katzen insbesondere, ihre Eltern aber der Meinung waren, diese wären zu gefährlich auf Dauer im Haus zu haben. Aber das eine Problem blieb bestehen. Eine aus dem nichts erscheinende Katze würde sie in ihrem jetzigen Zustand auch erschrecken, nicht beruhigen. „Heute qualifizierst du dich wieder für den Titel des Algenhirns, oder?", fragte Annabeths Stimme in meinem Kopf ironisch. Ich wollte gerade etwas schlagfertiges antworten, als ich vor meinem inneren Auge eine Projektion einer Katze sah, die sich von hinten um das Bein einer Person wandte. „Die beiden sind noch klein und unerfahren genug, um nicht zu hinterfragen, warum in diesem Raum eine Katze ist. Also ist das doch eindeutig der beste Ansatz."
Nach diesen Worten entschied ich mich doch wieder gegen Schlagfertigkeit. Ich musste mich nicht qualifizieren, ich hatte diesen Titel zum einen dauergemietet und zum anderen eben auch wieder verteidigt.
Ich erschuf also aus dem nichts eine Katze mit dunkelgrauem Fell und schwarzen Streifen hinter den beiden. Um sicherzugehen, gab ich ihr zusätzlich zu den vielen Erinnerungen, die sie zu mehr als einer leeren Hülle machten, auch einige Erinnerungen an die Kinder, damit sie für diesen Zweck zutraulicher wäre.
Sie tat zum Glück genau das, was ich beabsichtigt hatte. Sie schlich von hinten um die Beine der Kinder. Katzen hatten eigentlich einen sehr starken eigenen Willen und daher war ihr Verhalten für gewöhnlich nicht so leicht vorauszusagen. Aber dieses Mal hatte ich Glück gehabt.
Die Kinder schreckten erst zurück, als sie die weiche Berührung an den Beinen spürten, denn Angst machte natürlich schreckhaft, aber dann sahen die beiden, dass nichts Gefährliches vor ihnen war. Schließlich, nach einigen Sekunden, in denen sie die Katze nur angestarrt hatten, fasste sich der Junge ein Herz, setzte sich auf den Boden und versuchte es mit streicheln. Als das nicht nur funktionierte, sondern sich die Katze sogar auf seinem Schoß einrollte, lächelte er glücklich und winkte seiner kleinen Schwester zu, die noch daneben stand. Sie folgte seinem Beispiel und schon waren die beiden vollkommen mit ihrem neuen Freund beschäftigt und aus der Angst, die sie bis eben noch gesteuert hatte, war jetzt die Zuneigung für die Katze geworden.
Es war wirklich großartig, wie kurz die Aufmerksamkeitsspanne von kleinen Kindern war. Im Vergleich dazu war sogar ich noch ein Marathonläufer gewesen. Sie waren so abgelenkt, dass ich glaubte, jetzt würden sie sich nichtmal mehr an einer magischen Erscheinung stören. Ich konstruierte mir also einen neuen Körper, den ich ganz langsam vor ihnen sichtbar werden ließ. Ich versuchte dabei so warm, wie nur irgendwie möglich zu lächeln, eine Erinnerung an ein Weihnachtsfest mit Mom, Paul, Annabeth, auch wenn sie damals noch nur meine beste Freundin gewesen war, einen blauen Weihnachtsbaum und blaue Kekse halfen diesem Ausdruck sehr gut nach.
Die beiden sahen mich nichtmal sofort, aber nach einigen Sekunden machte das Mädchen ihren großen Bruder darauf aufmerksam und blickten mich unsicher, aber mit großen Augen an.
„Wer bist du?", wollte dieser sogleich wissen. Daran sah ich wieder, dass ihre Umgebung schon längst wieder aus ihren Gedanken verschwunden war. Sonst hätten sie, nach dem, was soeben mit ihnen geschehen war, Angst vor allem Fremden gehabt. Schließlich waren sie anscheinend von irgendeinem fremden Beamten mitgenommen worden, wurden hier abgesetzt und mussten dann zuhören, wie jemandem mit dem Mord an ihnen gedroht worden war.
„Mein Name ist Percy und ich möchte euch helfen", antwortete ich. Sie sahen mich überrascht an und die Schwester fragte: „Ist das deine Katze?" Ich musste schmunzeln. Es war so ein schöner Unterschied, zwischen den Prioritäten von Kindern und Erwachsenen. Man wurde nicht gefragt, warum jemand einem vertrauen sollte, man wurde zu allererst nach einer Art Haustier gefragt. Ich nickte und erklärte: „Zumindest bis jetzt. Aber wenn sie euch gefällt, schenke ich sie euch gerne."
Ihre von Gesicht ablesbare Freude war nach Monaten in einem Armeelager wirklich etwas wundervolles zu sehen. Und dann setzten sie plötzlich wieder schärfer Prioritäten, als die meisten Leute, die ich kannte, das gekonnt hätten. Von einem neuen Haustier, was in diesem Bereich natürlich absolut ungeschlagen war, wechselten sie nun zu: „Kannst du uns zurück zu unserer Mutter bringen?"
Diese Kinder hatten ganz offensichtlich noch nichts darüber gelernt, wem man vertrauen sollte und wem nicht, aber in diesem Fall kam mir das ganz gelegen. Fremde Leute, die aus dem nichts auftauchen und einem ein Geschenk machen, waren normalerweise nicht so weit oben auf der Liste des Vertrauens. Percy ist die Figur, die mit dem Kleinlaster vorfährt und Kindern drinnen Süßigkeiten verspricht
„Ich kann euch helfen zurückzukommen, aber vorher müssen wir hier noch etwas klären. Wollt ihr solange zusammen mit einem Freund und der Katze spielen?" Sie nickten schnell. „Danke, lieber Percy!", der Junge hatte im Elternhaus wohl Manieren beigebracht bekommen. Das war aber auch allgemein ein guter Rat. Wenn jemand euch hilft und ihr nicht das Gefühl habt, dass er gruselig ist und euch entführen will, dann sagt danke für die Hilfe. Es kostet nichts und freut viele Leute. Das musste einmal raus, genau wie früher meine Bemerkungen darüber, dass Alkohol schlecht für euch ist und ihr nicht schuld daran seid, wenn komische Leute auf euch zu kommen. Das musste einmal raus, danke für eure Aufmerksamkeit.
Um zurück zum eigentlichen Thema zu kommen, ich sah die Freude auf ihren beiden Gesichtern und das alleine machte es unmöglich, sich nicht mit ihnen zu freuen. „Keine Ursache. Kommt mit", sagte ich zu ihnen. Dieses Mal hinterfragte das Mädchen dann aber doch, was ich sagte. „Sieht uns dann nicht der böse Mann? Der wollte uns doch wehtun." Ich ergriff vorsichtig ihre Hand und legte sie sanft zwischen meine eigenen. „Keine Sorge, ich passe auf euch auf, er wird euch garnicht sehen."
Während sie schnell nickte, bat ihr Bruder mich: „Kannst du uns tragen?" Ich wusste nicht, ob er das wollte, weil er Angst hatte alleine zu laufen, oder ob es ihm einfach nur mehr Spaß machte, der Grund war mir aber auch nicht wichtig genug, um seine Gedanken dafür zu lesen. Wenn ich ihm damit einen Gefallen tun konnte, wer konnte diesem Kindergrinsen schon widerstehen?
Ich kniete mich hin, machte einen krummen Rücken, so dass sie gut auf meine Schultern kämen, und sagte: „Steigt auf." Er lachte vor Freude und kletterte über meinen Rücken, bis er dort saß, wo er am weitesten oben wäre. Dann hielt er seiner Schwester den Arm hin und half ihr damit, den selben Aufstieg zu meistern. Es war ein Segen, dass ich selbst über meine körperliche Kraft entscheiden konnte, denn sonst hätte das tatsächlich ein klein wenig anstrengend werden können. Ich legte meine Hände an ihre Beine, damit sie oder ich gegensteuern konnten, falls sie aus dem Gleichgewicht geraten würden und begann dann langsam und immernoch im Sichtschutz zurück zu unseren Freunden zu laufen.
Während ich sie trug, schuf Annabeth zwei leere Hüllen für ihre ehemalige Position, die zwar einige einfache Tätigkeiten beherrschten, jedoch keinerlei Erinnerungen, Persönlichkeit oder Geist besaßen. Anschließend lösten wir an diesem Ort den Tarnzauber wieder auf.
„Wo bringst du uns hin?", wollte das Mädchen lachend wissen. Vom Wortlaut her hätte die Frage auch Angst oder Sorge ausdrücken können, aber sie klang dabei eher beflügelt und neugierig. „Zum lieben Onkel Leo. Er wird mit euch spielen, solange bis wir fertig sind", erklärte ich also weiterhin bereitwillig.
„Leo, du bist für die nächsten Minuten der liebe Onkel Leo, der sich um die Kinder kümmert und Kalypso, du bist dafür verantwortlich, dass Onkel Leo auch die Bezeichnung lieb verdient!", trug ich den beiden auf. Ich spürte, dass Leo überrascht davon war, dass er für diese Aufgabe ausgewählt worden war, aber er beschwerte sich nicht. Schließlich hatte er immer Spaß, seinen Witz mit anderen zu teilen.
Genau wie ich nahmen auch Leo und Kalypso langsam Gestalt an, ohne dass sie jemand anderes als die Kinder sehen könnte. Der Sohn des Hephaistos strahlte begeistert, das bezieht sich in diesem Fall lediglich auf seinen Gesichtsausdruck, und auch Atlas Tochter lächelte freundlich und herzlich.
Nachdem ich die Geschwister abgesetzt hatte, wies ich ihnen einen Bereich etwas weiter hinten am Rand der Halle zu, den ich vollständig nach außen hin isolierte. Zur Sicherheit der Kinder gab ich auch ihnen selbst noch eine bewegliche Abtrennung mit, die zumindest Geräusche unterdrücken würde und sie vor einem zufälligen Blick in ihre Richtung schützte. Nur für den Fall, dass sie aus Versehen oder Unachtsamkeit diesen Bereich verlassen würden.
Danach wandte ich mich wieder dem eigentlichen Geschehen zu und ließ meinen Körper wieder vollständig verschwinden. Da Annabeth und ich uns im Moment ein Zentrum der Präsenz teilten, hatte ich gespürt, wie von diesem aus Arya informiert worden war, dass die Kinder sicher waren, ohne dass ich selbst etwas getan hatte. Es war fast so, als würde mein Geist selbstständig arbeiten und Aufgaben übernehmen, nur dass das Muster, nachdem er vorging, meine wundervolle Freundin war und dadurch meistens, trotz des Gefühls von geistiger Abwesenheit meinerseits, bei den Tätigkeiten weniger Fehler pro Zeit geschahen.
Auch wenn ich durch diese symbiotische Zusammenarbeit passiv alles hatte aufnehmen können, war ich für einen Moment überrascht, als bei der Rückkehr meiner Aufmerksamkeit gerade Murtagh seinen Meister angriff. Zum Glück liefen meine oder mehr unsere - Annie, mögen die Mächte mich vor ihrem Zorn über diesen Namen schützen, war ja eben auch Teil davon - Gedanken deutlich schneller, als sie das früher getan hatten, und so konnte ich recht schnell die sich rasant wandelnde Situation erfassen.
Galbatorix hatte nun alle Manipulationsstrategien aufgegeben und wurde nun einfach nur noch von Zorn beherrscht. Er brüllte: „Narren! Ihr könnt mich niemals besiegen. Ich habe unendlich viele Schutzzauber." Diese Erklärung ergab eigentlich keinen Sinn, denn der wahre Name der alten Sprache, den Murtagh so eben benutzt hatte, löste nicht eine gewissen Anzahl, sondern wortwörtlich alle Zauber auf. Aber logisch schlüssige Argumente waren wohl auch nicht das, was der geplante Kindermörder uns gerade mitzuteilen versucht hatte.
Sie standen alle noch zu weit von ihm entfernt, um einen wirklichen körperlichen Angriff ausüben zu können, als er schließlich zu dem Mittel griff, aus dem heraus er seit einem Jahrhundert seine Diktatur stützte. Auf der Ebene der Gedanken
entbrannte ein riesiges Durcheinander. Der schwarze Sturm um seinen Geist griff um sich, wurde größer und bildete rote Jets, die zumeist aus ein bis zwei der wahnsinnig gefolterten Drachen bestanden, die nun versuchten, mit bloßer Gewalt die Wälle der Eldunarí von Vroengard niederzureißen. Diese versuchten gleichzeitig von außen in Form von Jets in all den Farben, die die Drachen zu Lebzeiten gehabt hatten, in den schwarzen Sturm einzudringen. Es war ein riesiges Chaos, dass sich zwar immer mehr in Kämpfe kleinerer Gruppen auflöste, jedoch auch dann noch immer nicht übersichtlicher wurde.
Zur gleichen Zeit geschah auch auf der materiellen Ebene gigantisches. Die gesamte Wand hinter Galbatorix geriet in Bewegung und erst da bemerkte ich, dass es keine Wand war. Es war ein einzelner Flügel. Ich hätte das vielleicht schon vorher feststellen können, aber diese unfassbare Größe hatte mich davon abgehalten, überhaupt erst auf diese Idee zu kommen. Ein einzelner Flügel Shruikans war größer als der Mäonische Drakon, aus dessen Überresten Damasen, der Gigant, damals seine gesamte Hütte im Sumpf errichtet hatte. Sein Kopf war größer als Saphiras gesamter Körper mit angelegten Flügeln. Vielleicht hätte ich das in dieser Nacht erkennen müssen, schließlich hatte sich das Monstrum ja schon gezeigt, aber das Ausmaß seiner Größe widersetzte sich einfach so sehr allem, was im Rahmen der Größe der Drachen lag, dass ich es nicht genauer betrachtet hatte. Er war vermutlich nach Typhon, dem Leib des Tartarus und dem Nïdhwal auf der Reise nach Doru Areaba das viertgrößte Lebewesen, das ich je gesehen hatte.
Klein rechts unten in der Ecke neben ihm lag Dorn auf dem Boden. Der Rote war zuvor von dem Flügel verdeckt gewesen und nun, da er auf einmal freie Sicht auf die Halle hatte, sprang er auf. Er flog auf uns zu, landete vor Saphira und fletschte die Zähne. Ich merkte, dass ein Austausch zwischen ihnen beiden stattfand. Bevor jedoch ein Ergebnis getroffen und durchgeführt werden konnte, stieß Galbatorix gestohlener Drache ein ohrenbetäubendes Brüllen aus und schlug mit einer Pranke auf den Boden, dass die ganze Halle bebte. Bei seiner Größe könnte er vermutlich wirklich alles hier einreißen.
Saphira schnappte hörbar mit dem Maul und Dorn klappte seins zu. Anscheinend hatte ihr Austausch Erfolg gehabt oder war zumindest zu einem Ende gekommen. Einem friedlichen Abkommen, wie es schien. Der Rote sprang an ihr vorbei und drehte sich um. Als hätte es ein Signal gegeben, breiten sie nun beide die Flügel aus, stießen sich vom Boden ab und flogen auf Shruikans gewaltigen Schädel zu. Es war wirklich ein Glück, dass diese Halle so groß war, dass sie ihre Flügel frei benutzen konnten, auch wenn es einiges an Koordination erforderte. Ich war überzeugt, dass Saphira und vermutlich auch Dorn diese Prüfung meistern konnten. Vielleicht könnten sie diesen Kampf sogar für sich entscheiden, wenn sie die Größe des Schwarzen als Schwäche gegen ihn ausspielten.
Während dieser Kampf zwischen Riesen und Giganten tobte, hatte Galbatorix sich ein einziges festes Ziel gesetzt. Seiner und Eragons Geist kreisten um einander, suchten nach Schwachstellen und versuchten gegen einander vorzustoßen. Noch gelang es keinem der beiden, aber dann ließ der Tyrann für einen Moment ab und stattdessen seine Sklaven diese Aufgabe übernehmen. Er stapfte zu Eragon hinüber und griff mit einer Hand dessen Arm und mit der anderen seine Stirn.
„Unterwirf dich!", flüsterte er und zog dabei eine Grimasse, die mich möglicherweise in meinen Nächsten Albträumen verfolgen würde. „Niemals!", presste der junge Reiter nur durch die Zähne hervor. Ich konnte sehen, dass Galbatorix mit dem Druck seiner Hände und zusätzlich magischer Verstärkung versuchte, Eragon durch physische Schmerzen von dem nun wieder entbrannten Kampf abzulenken, um sich selbst bessere Chancen auf einen Sieg zu verschaffen.
Ich beobachtete nun, wie Eragon jede einzelne Strategie benutzte, die wir ihn im Laufe der Monate gelehrt hatten, und damit konnte er sich auch recht gut verteidigen. Die brutale Offensive seines Gegners kombiniert mit den kreischenden Seelen der Drachen erstickte jedoch jeden Versuch eines Gegenangriffs im Keim. Gegen die wüstenartigen Minenfelder, deren verödete Einzelgebiete von Stacheldraht, tiefen Schluchten und scharfen Steinen getrennt und überseht waren, konnte er nicht wirklich etwas ausrichten. Alles in Galbatorix Geist sah aus wie ein Schlachtfeld. Nichts war mehr von Leben, Glück oder Freude zu sehen. Es waren alles Zeichen von Abscheu gegenüber jeder anderen Lebensform. Die schwarze Festung, die das Zentrum des Ganzen bildete, war ein Inbegriff dessen, was wir bekämpfen und letztendlich war sein gesamter Geist ein Abbild der Struktur des Imperiums.
Nachdem immer mehr Versuche fehlschlugen, begann Eragon mehr und mehr, sich in die Defensive zurückzuziehen und zu hoffen, sein Gegner würde einen grundlegenden Fehler machen. So antwortete er auch nicht mehr, als sein Widersacher erneut fauchte: „Unterwirf dich!"
Wir begannen immer mehr zu glauben, Eragon werde irgendwann den Mut verlieren, wenn er mit seinen Mühen keine Möglichkeit sah, wie er die Lage zu seinem Vorteil wenden sollte. Galbatorix befahl ihm noch einige weitere Male, sich zu unterwerfen und mit jedem Mal wurde er siegessicherer.
Auch um die Kämpfe der Eldunarí stand es nicht besonders gut. Gegen die unberechenbare Vielzahl an wahnsinnigen Stimmen konnten sie nichts ausrichten und die Kontrolle über ein solches Chaos von einem Geist an sich zu reißen funktionierte vorne und hinten nicht. Annabeth und ich waren schon kurz davor, selbst einzugreifen und die Folgen davon in Kauf zu nehmen, als sie plötzlich ein Glühen in Eragons Geist erkannte. Wir sahen genauer hin und ich erkannte den Funken, einer letzten Hoffnung. Er ließ seinen Geist langsam durch Raum wandern, immernoch vollkommen nach außen abgeschirmt, und als er schließlich den von Arya fand, verbanden sich die beiden. Gemeinsam, was nur durch ihre Idee im Voraus, diese Verbindung so einfach zu ermöglichen, umsetzbar war, verteidigten sie sich weiter, bis sie zu Umaroth durchdrangen. „Kannst du alle Drachen zusammensammeln?", wollte er wissen.
Der alte Drache wusste offensichtlich nicht, warum sein junger Schüler das genau jetzt wollte, doch er antwortete mit nur wenig Verzögerung: „Ich werde sehen, was ich tun kann, Schattentöter." Die Drachen hatten in den Jahren der Abgeschiedenheit ein System entwickelt, wie sie sich auch unter Angriff irgendwie verständigen konnten, und so dauerte es nicht lange, bis sie alle versammelt waren und sich durch Umaroth an Eragons Geist festklammerten. Dieses gesamte entstandene Konstrukt wirkte von außen nicht stabil, aber irgendwie hielten sie all den Angriffen gemeinsam stand und nichtmal Galbatorix selbst schaffte es, sie schnell genug zu brechen.
Und dann begann Eragon die Idee, die ihm gekommen war. Er hatte sich an genau die Vision, die die Drachen ihm auf dem Rückflug verpasst hatten, erinnert, die er am wenigsten verstanden hatte. Valdr, der größte und älteste unter den Eldunarí hatte ihm eine merkwürdige Geschichte über eine Igelfamilie gezeigt, die, hätte man es nicht besser gewusst, auch genauso gut ein Fiebertraum hätte sein können.
Das Ganze hatte er nun als Sinnbild für das Problem an Galbatorix Herrschaft interpretiert. Die Sorgen der Igelmutter waren so lange gewachsen, bis sie gleich auf mit einem um seine Herrschaft bangenden König waren. Und genau da lag der Schlüssel. Galbatorix Furcht um primär seine eigene Macht und Herrschaft waren eben nicht wichtiger als die Sorgen der Bauern, die wegen seinen Steuern hungern musste, waren nicht wichtiger als die Wünsche nach Freiheit der anderen Völker und sein Gerechtigkeitsgefühl war mit Sicherheit nicht wichtiger als das Leben der Drachen und Reiter.
Aus dieser Idee heraus startete er ein Meisterwerk wortloser Magie mit einem Umfang, wie sie auf dieser Welt seit der Bindung von Drachen und Elfen aneinander nicht mehr vorgekommen war. Als die Drachen erkannten, was genau er vorhatte, trug jeder von ihnen seinen Teil dazu bei, denn sie waren ja nicht zuletzt diejenigen, die das größte Leid durch Galbatorix erfahren hatten und somit waren sie auch diejenigen, die am meisten darüber wussten. Sie versorgten Eragon mit ihrer letzten Hoffnung und der nötigen Kraft, um hoffentlich zu Ende zu bringen, was vor so langer Zeit begonnen hatte.
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3410 Wörter
Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.
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