Kap. 121 Ein guter Anfang

Roran pov

Bis wir an den Mauern ankamen, wurden wir nicht angegriffen, obwohl der Alarm bereits Minuten zuvor erschollen war. Für mich hieß das, dass der Angriff, mit dem die Elfen die Nachteile von Urû'baens Lage ausnutzten, ziemlich erfolgreich verlaufen war. Weder Pfeilhagel, noch Katapulte hatten uns begrüßt. Mehr Herzlichkeit wäre wohl zu viel verlangt. Eine Öffnung der Stadttore hätte ich natürlich auch als Geste des Großmuts oder mehr der Unterwerfung gerne entgegengenommen, aber davon auszugehen, wäre so extrem naiv gewesen, dass man es auch gleich Dummheit nennen könnte.

Sobald wir auf hundert Fuß an die in den Himmel ragende Felswand heran gekommen waren, teilte sich unser Heer auf. Von nun an führte jeder Hauptmann ein Bataillon und nur wenn es zu allgemeinen Fragen zur Vorgehensweise kommen würde, hätte ich eine Entscheidung zu treffen. Ich hatte meine eigenen Streitkräfte und wir würden an einem Teil etwas östlich vom Haupttor ansetzen. „Die Leitern!", rief ich. „Bringt sie her, je schneller wir oben sind, desto geringer wird unser Nachteil dadurch, dass wir noch ausgesperrt sind." Dabei deutete ich auf je vier Urgals, die meisten von ihnen waren Kull, die zusammen eines der hölzernen Gebilde trugen.

Während zwei weitere ihnen mit speziellen Holzstangen folgten, die beim Aufrichten der Leitern aushelfen würden, wandte ich mich an eine Gruppe Elfen zu, die etwas abseits von den anderen Kriegern standen. „Sollten wir doch von den Zinnen beschossen werden, brauchen wir sofort magische Schilde dagegen. Wir dürfen unter keinen Umständen riskieren, dass wir es nicht auf die Mauern schaffen."

Mehrere von ihnen rümpften, sehr zu meinem Missfallen, die Nase oder machten andere tendenziell abwertende Gesten, einige nickten aber auch entschlossen und von einem, den ich nicht genau ausmachen konnte, hörte ich sogar ein sanftes: „Sehr wohl, Hauptmann Hammerfaust!" Es war immer wieder bemerkenswert, wie die Stimmen der Elfen selbst in einer solchen Situation noch weich und melodisch klangen. Es gab dafür auch immer wieder Ausnahmen, aber diese traten eher bei Zurechtweisungen auf. Emotionen wie Furcht aus ihren Worten herauszuhören war wohl ein Ding der Unmöglichkeit, auch wenn ich nicht so dumm war, daran zu zweifeln, dass auch sie solche Gefühle besaßen.

Das Auftreffen der Leitern an den Mauern setzte den lautesten Klang frei, den ich seit dem Brüllen von Shruikan und dem blauen Drachen gehört hatte. Als anschließend der erste Soldat drauf und dran war, die ersten Sprossen der Leiter zu erklimmen, zog ich ihn jedoch weg. „Ich gehe zuerst!", legte ich fest und auch wenn er davon überrascht schien, gab er kein Widerwort.

Worte hatten nur wert, wenn ihnen Taten folgten und so griff ich nach der ersten Sprosse. Und nach der Zweiten und der Dritten. Ich verlor schnell den Überblick, auch wenn man sich keinen Moment der Unachtsamkeit erlauben konnte. Selbst im unteren Viertel schwankte die Leiter bereits etwas hin und her, ein falscher Griff oder Schritt hätte möglicherweise zu einem sehr schädlichen Unfall führen können.

Aber das Wackeln war bei weitem nicht das Problem. Das begann nämlich erst in großer Höhe. Das Holz war logischerweise zu einem gewissen Grad elastisch und so bog sich die Leiter durch und die Sprossen lagen direkt am kalten Stein an. Mit jedem Schritt befürchtete ich, mein Fuß könnte abrutschen. Auch wenn diese Angst wohl begründet war, denn einige Male spürte ich tatsächlich, wie mein Fuß ein winziges Stück rutschte, kletterte ich weiter.

Immer mal wieder hob ich meinen Blick, um zu sehen, wie weit ich noch vom oberen Ende entfernt war, und zu meiner Erleichterung sah ich niemanden, der oben auf mich warten würde, oder der versuchen könnte, die Leiter wegzustoßen.

Das änderte sich auch zwei Meter unterhalb nicht mehr und mit dieser Zuversicht überwand ich das letzte Stück. Ich wusste, dass ich bei meinem Übertritt absolutes Risiko einging, da ein einzelner Soldat schon reichen würde, um mich ohne Probleme zurück zu schubsen und abstürzen zu lassen, aber diese Möglichkeit erkannte ich erst danach und da war es zu spät, um es noch rückgängig zu machen. Gleichzeitig zeigte die Tatsache, dass es ein danach gab wohl, dass ich nicht abgestürzt war, sondern wieder festen Boden unter die Füßen bekommen hatte.

Rasch blickte ich mich um. Der Wehrgang hier oben war sehr breit, breit genug um zwei der Karren der fahrenden Händler in Carvahall nebeneinander fahren zu lassen. Leider war die Situation nicht ganz so rosig, wie ich unten angenommen hatte. Die Elfen hatten sich zu Gruppen zusammengeschlossen und verteidigten immer nur sehr kleine Abschnitte, in denen wir anderen als Nachschub kamen. Mit Schreck stellte ich fest, dass sogar schon eine Hand voll tot am Boden lag. Natürlich waren die meisten Leichen Soldaten aus der Stadt, aber der pure Umstand, dass es ihnen gelungen war, diese übermenschlichen Wesen in so kurzer Zeit zu töten, weckte in mir wider Willen eine gewisse Anerkennung.

Als einer der Elfen, die eine sichere Zone für unsere Leiter gewährleisteten, verletzt wurde, sprang ich sofort an seine Stelle und trat meinem ersten Gegner entgegen. Ich war ganz klar im Nachteil, da ich keinen Schild bei mir trug. Natürlich wäre dieser beim Aufstieg sehr hinderlich gewesen, aber dafür könnte ich jetzt sehr gut einen gebrauchen.

Er kämpfte mit irgendeiner Form von Speer und nur durch Glück gelang es mir, den Schaft mit einer Hand hinter der Spitze zu greifen, einen kleinen Ruck in meine Richtung zu geben und ihm anschließend meinen neuen Hammer seitlich an den Hals zu schmettern. Sofort brach er leblos zusammen und damit hatte auch für mich das Töten an diesem Tag begonnen. Das Töten, was mich wohl den restlichen Tag verfolgen würde.

Mit den voranschreitenden Minuten gelang es uns, ganz langsam vorzurücken, aber es war eine mühselige und kräftezehrende Arbeit. Gleichzeitig trug ich bereits die ersten Prellungen davon. Eine davon an der Hüfte war besonders unangenehm, aber keine war wirklich eine Beeinträchtigung im Kampf.

Irgendwann mit der Zeit gelang es mir dann tatsächlich auch, einem Gegner einen Schild abzunehmen, indem ich ihm das Handgelenk dahinter zertrümmerte, und von da an lief der Kampf für mich auch schon um einiges sicherer. Ich konnte nun die meisten Bemühungen meiner Feinde mit einer schlichten Bewegung ins Nichts lenken, statt kompliziert ausweichen zu müssen, und das war Kräfte schonend, obwohl ich ja nun mehr Ausrüstung trug.

Und dann waren wir schließlich so weit vorgedrungen, dass wir uns mit den Gruppen bei den anderen beiden Leitern verbünden konnten. Dieser Abschnitt der Stadtmauer gehörte nun uns und in dieser Lage war es auch einfacher, den Boden zu halten, als die Kämpfe zuvor, die wir bis dahin ausfechten mussten, bei denen wir umzingelt waren und so unsere Gegner mehr Bewegungsfreiheit als wir hatten.

Die Zugänge zu den breiten Gängen der Soldaten, die hinab in die Stadt führten, waren dünn und konnten von drei Mann zusammen ohne weiteres gesichert werden. Und mit dem einen, der in unserer Reichweite lag, taten wir das auch sofort. Diese Atempause nutzte ich, um mir nach unzähligen Schlägen mit dem Hammer eine kurze Pause zu gönnen, in der meine Arme sich erholen konnten, und ich dabei zusehen konnte, wie an jeder Leiter immer mehr Verbündete Truppen die Mauern betraten. Dieser erste Teil des Sturms war wohl doch um einiges besser verlaufen, als ich aus der Defensive, in der ich gestartet hatte, hätte vermuten können.

Hallöle, hier ist Manfred und eigentlich bräuchte ich garnichts sagen, weil so kurze Zeiten auch schon oft einfach so vorbei gegangen sind, ohne dass ich darauf aufmerksam gemacht habe, aber ich kann ja wohl nicht zulassen, dass hier eine weitere mehr oder weniger spannende Szene vorbei geht, ohne dass ich euch dazwischen rede.

Ich gab erst dann den Befehl, sich die Treppen entlang auf den Weg nach unten zu machen, als ich mir sicher war, dass wir so viele hier oben auf der Mauer waren, dass wir sie selbst dann sehr lange ausharren könnten, wenn das gesamte königliche Heer die Treppen hinauf käme und dieser Graf Barst, über den in den letzten Tagen immer wieder Gerüchte im Lager die Runde gemacht hatten, sie anführte.

Es hieß, er sei unmenschlich stark, auch wenn sich aus keiner der Erzählungen genau entnehmen ließ, was genau das bedeutete, denn von den Elfen bis zu Leo, der einen Hammer zehn mal größer als er selbst schwang, war das ein weites Feld. Nichts desto trotz war er auch für seine Grausamkeit, Rücksichtslosigkeit und seinen Jähzorn weit bekannt. Diese Dinge kombiniert ließen mich absolut sicher sein, dass ich ihm am liebsten niemals begegnen wollen würde. Ironie des Schicksals, dass er angeblich die Armee des Imperiums für die Belagerung führte und wir dementsprechend direkt auf ihn zu liefen. Und ich dementsprechend sein genaues gegenüber auf unserer Seite wäre.

Während wir dann schnellstmöglich die Treppen hinab stiegen, die zu meiner Überraschung nicht weiter geschützt wurden, nachdem wir die feindlichen Truppen soweit zurückgedrängt hatten, dass sie sich dorthin zurückzuziehen mussten, überlegte ich, wie wir unten weiter vorgehen sollten. Selbst von so weit oben, wie die Mauern hier nun einmal waren, hatte ich keine größere Armee gesehen, gegen die wir kämpfen sollten. Das musste natürlich noch nichts heißen, aber dieser Umstand gefiel mir nicht. Weil der König niemals zulassen würde, dass jemand aus seiner Armee floh oder abwesend war, würde das heißen, dass wir in einen Hinterhalt oder etwas Vergleichbares laufen würden.

Leider konnten wir wenig dagegen tun. Wir mussten versuchen, von unten die Tore zu öffnen, denn egal wie gut wir damit bis hier gekommen waren, wir könnten nicht die gesamte Streitmacht über Leitern auf die Mauern klettern lassen. Dem Hauptteil musste über die eigentlichen Zugangswege Zugang verschafft werden.

Und dann öffnete sich die Wendeltreppe in einem großen Platz. Wir standen in Urû'baen auf dem Platz, über den wohl nahezu alle von außerhalb die Stadt das erste Mal betraten. Der kleine aber feine Unterschied bestand darin, dass wir seit einem vollen Jahrhundert die ersten unerwünschten Besucher waren. Oder zumindest waren wir die ersten, denen dies auf gewaltsame Weise und mit dem Wissen des Tyrannen gelungen war. Brom sollte es bei dem Diebstahl von Saphiras Ei wohl unbemerkt geschafft haben. Wir waren noch lange nicht an unserem Ziel, doch der erste entscheidende Schritt war getan und nun mussten wir auf den zweiten warten. Unseren Gegner.

„Dieses Tor ist riesig. Ich weiß nicht, wieviele Männer nötig sind, um sie auf normalem Weg zu öffnen, deshalb gehen zwei Gruppen von je fünf von euch", ich deutete auf die Gruppe der Elfen, die natürlich bereits unten war, „mit je einem Dutzend von euch", dieses Mal zeigte ich auf eine kleine Traube von menschlichen Kriegern, „In die Wachkammern dort und sorgen dafür, dass diese Seite vom Tor aufgezogen wird! Gibt es Unverständlichkeiten?" Ich blickte den meisten kurz einzeln ins Gesicht, wartend auf Fragen oder Widerspruch. Keins von beiden kam, auch wenn mich das bei Letzterem etwas überraschte, denn die Elfen hatten wieder diese verschiedenen Ausdrücke. Einige von ihnen schienen wahrlich unzufrieden damit zu sein, dass ich sie anführte und ihnen Befehle erteilte. Trotzdem beugten sie sich alle meiner Entscheidung und formten binnen Sekunden zwei Gruppen.

„Wenn ihr auf Soldaten in beträchtlichen Zahlen trefft, bei denen das Risiko besteht, dass ihr sie nicht besiegen könnt, dann kommt schnellstmöglich zurück. Im Notfall kämpfen wir uns alle zusammen bis dahin vor!", gab ich ihnen noch mit, denn weiterhin befürchtete ich, dass es irgendein Armeegeheimnis in Urû'baen gab, von dem wir nichts wussten, und wir auf einmal von einer Übermacht umzingelt und damit zum Tode verdammt wären.

Oromis pov

Ich blickte auf den Reiter auf dem Rücken des roten Drachen. Ich wusste, dass er von Kindesbeinen an fehlgeleitet worden war und dass seine Hand in den entscheidenden Momenten vom König selbst geführt worden war, doch ich konnte den Gedanken nicht völlig ausschließen, dass es sein Schwert gewesen war, welches Glaedr und mich eigentlich getötet hätte. Es war letzten Endes pures Glück, dass wir nicht beide dadurch gefallen waren. Dieses Wissen trübte, auch wenn ich das nicht gerne zugab, bis zu einem gewissen Punkt mein Urteilsvermögen.

Ich verlor natürlich nicht vollständig den Verstand, aber ich schaffte es auch nicht, die entschuldigenden Umstände richtig zu sehen und zu berücksichtigen. Ich war nicht stolz darauf, aber wenn ich im Nachhinein auf meine Entschlossenheit guckte, glaubte ich nicht, dass ich davor zurück geschreckt wäre, diesen anderen Reiter zu töten. Das gleiche galt für Glaedr. Die Worte, die der Dracheneimörder durch ihn gesprochen hatte, hatten zu tiefe und alte Wunden geöffnet.

Sobald Dorn in Reichweite war, stieß er ein Brüllen aus, was uns vermutlich einschüchtern sollte. Jedoch hörte ich mit Jahren voll Erfahrung, dass Angst darin mitschwang. Vielleicht lag das daran, unter welchen Umständen er aufgewachsen war, vielleicht weil er seine Gegner nun kannte und wusste, was er uns angetan hatte. Vielleicht weil er bei unserem letzten Zusammenstoß ein Stück seines Schwanzes verloren hatte.

Mein Seelengefährte erwiderte diese Geste so oder so mit einem donnernden Brüllen, dass mit Sicherheit auch den letzten Menschen mit dem tiefsten Schlaf weckte. Es war schrecklich, dass wir den Kampf über nicht in der Lage waren, sicher durch unseren Geist zu kommunizieren, aber hierbei gab uns die Erfahrung einen enormen Vorteil. Zumindest für ein abgestimmtes Duell brauchten wir uns nicht immer austauschen. Morzans Spross und sein Roter jedoch waren noch nicht so geübt.

Aber wie schon gesagt, meine und Glaedrs Wut war in diesem Moment stärker, als wir es uns für gewöhnlich erlaubten, und somit zögerten wir nicht mit unserem Angriff, sondern starteten mit dem ersten Manöver um die Schergen vom Himmel zu holen. Dorn war seiner Größe wegen wendiger und konnte so entkommen, aber dazu gab es mehreren Ausgleich, einmal von Glaedrs roher Kraft abgesehen. Wenn ich Galbatorix richtig einschätze, was mir in der Vergangenheit meistens gelungen war, dann hatte Dorn nicht in praktischen Kämpfen das Fliegen gelernt, sondern bestenfalls auf Anweisungen hin. Nicht einmal Galbatorix wäre so dumm, ihn mit dem Monster, zu dem der Mörder Shruikan gemacht hatte, ringen zu lassen. Daraus konnte kein Kampf resultieren, der nicht auf Leben und Tod hinauslaufen musste. Dorn musste deshalb zu wenig Erfahrung in Schlachten auf dem Rücken eines Drachen haben und was er hatte, war auf jeden Fall nicht variabel genug. Zwei oder drei Kämpfe mit Saphira und einer mit Glaedr wären als Übung mit Sicherheit nicht genug.

Es kam daher nicht besonders überraschend, als Dorn zwar auswich, aber nicht direkt einen Gegenversuch startete. Stattdessen versuchte er, über uns drüber zu fliegen, um uns für den nächsten Angriff die Fluchtwege zu versperren. An sich keine schlechte Idee, doch er hatte dabei den kleinen Umstand vergessen, dass seine Größe nur einen Bruchteil von Glaedrs ausmachen würde. Körpergröße bedeutete meistens auch mehr Geschwindigkeit und ganz egal, wie viel Wachstumsmagie der Verräter dem Drachen seines Schergens eingeflößt hatte, in ein paar Monaten konnte man damit nicht Jahrhunderte ausgleichen.

So kam es wie es kommen musste. Mein Seelengefährte schlug mehrmals mit voller Stärke mit den Flügeln, solange bis wir genug Vorsprung hatten, um an ihm vorbei in den Himmel zu steigen. Das taten wir auch, nur um mit einem riesigen Überschlag von hinten anzugreifen.

Nachdem wir uns für ein paar Runden immer wieder umkreist hatten, spürte ich, wie Glaedr das Manöver startete, was unsere jungen Feinde ablenken sollte, damit Eragon und Saphira sicher und ungesehen bis zur Zitadelle des Tyrannen vorstoßen könnten. Glaedr schlug kräftiger mit den Flügeln und gewann immer weiter an Höhe. Murtagh und Dorn folgten uns und wann immer ich hinsah, war der Blick des Reiters angespannt auf uns gerichtet, genau wie wir es wollten. Sie wussten, dass wir uns jeder Zeit auf sie fallen lassen konnten und wenn sie nicht darauf vorbereitet wären, dann wäre dieser Kampf vielleicht früher , als wir alle erwartet hätten. Es war nicht so, dass mich das stören würde, aber es war unwahrscheinlich. Der eigentliche Zweck bestand nur in der Ablenkung.

Wir brachen durch die feine Wolkendecke. Auch wenn sie nur dürftigen Blickschutz bieten würde, ging ich davon aus, dass sie zusammen mit der großen Höhe den Boden so weit verwischen würden, dass der eigentliche Angriff vor unseren Feinden verborgen bleiben würde. Dazu kam, dass weitere Höhen Schutzzauber fordern würden und in einem Kampf zwischen Magiern zu zaubern, ohne den Geist des Feindes gebrochen zu haben, war seit schon lange vergangenen Zeiten ein universelles Tabu, das zu brechen besonders in diesem Fall mehr Risiken als Chancen bieten würde.

Wir hatten diesen Plan im Voraus abgestimmt und so ging Glaedr ohne weiteren Austausch langsam in einen waagerechten Flug über. Auch unsere Verfolger schienen es nicht darauf abzusehen, weiter in die Höhe zu steigen und so kam es, dass die Drachen sich wieder umkreisten. Beide lauerten darauf, dass der andere einen Fehler machen würde. Dazu wusste mein Partner aus seiner Erfahrung heraus, dass auch Probleme wie Luftlöcher unerfahrene Flieger oft aus dem Gleichgewicht brachten. Ob Dorn darüber unterrichtet worden war, zweifelte ich stark an. Shruikan war schließlich nie von erfahrenen Lehrern - Morzans Drache war gerade erst mit seiner Lehrzeit fertig - unterrichtet worden und konnte daher auch nur bedingt Wissen weitergeben. Außerdem war er, wie schon erwähnt, nie in einer Drucksituation wie im Kampf damit konfrontiert gewesen. Die Eldunarí könnten ihm vielleicht helfen, aber sie waren nach Jahrzehnten der Sklaverei wahnsinnig. Von ihnen würde er nichts vernünftiges lernen.

Und dann offenbarte sich die Gelegenheit. Dorns linker Flügel sackte ein Stück ab und auch wenn ihm das wohl schon früher passiert war, denn er glich sehr schnell wieder aus, musste er dafür doch seine Kampfstellung verlassen. Und diesen Moment nutzte Glaedr ohne Zögern in vollem Maße aus. Mit einer seiner metallenen Pranken traf er Dorn so heftig an der Seite, dass dieser dort einen riesigen Riss in den Schuppen davon trug und sein Reiter im Sattel heftig durchgeschüttelt wurde.

Auch ich ließ mir diese Chance nicht nehmen und mit aller Kraft griff ich seinen Geist an. Sofort spürte ich, dass ich ihn tatsächlich vollkommen unvorbereitet getroffen hatte. Trotz den kreischenden Geistern der gefolterten Seelen gelang es mir, seine Verteidigung zu brechen. Ich wusste, dass das kein dauerhafter Sieg sein würde, mit Konzentration und Hilfe der Eldunarí könnte er mich wieder aus seinen Gedanken vertreiben, deshalb musste ich schnell handeln.

Vermutlich hätte ich ihn töten können, aber das wollte ich aus mehreren Gründen nicht. Meine Skrupel hielten mich trotz unserer Wut zurück. Zum einen gab es aber nur einen einzigen Reiter, dem ich über alles den Tod wünschte, und das war der Meister, nicht der Schüler. Zum anderen wünschte ich keinem echten Reiter oder Drachen, den jeweils anderen zu verlieren. Galbatorix hatte es zu oft getan und das musste ein Ende haben. Das war wohl der Teil, der sich wirklich durchsetzte. Ich hatte Eragon gelehrt, Gleiches niemals mit Gleichem zu vergelten, nun musste ich mich selbst daran halten.

Die andere Möglichkeit bestand in einer schnellen Handlung, die den Kampf unveränderlich für uns entscheiden würde. Und ich hatte da schon eine genaue Idee im Kopf. Ich ließ ihn sein Schwert ziehen und damit seine Beinriemen zertrennen. Seiner Unaufmerksamkeit verschuldet würde er damit wohl aus dem Sattel stürzen. Jedoch konnte er mittels Magie oder durch die Flugkünsten seines Drachen ohne Frage wieder in Sicherheit kommen, doch ersteres würde ihn massiv schwächen und zweiteres ließe Dorn in einen unausgleichbaren Nachteil im Flug bringen. Egal wofür er sich jedoch entscheiden würde, die Manöverfähigkeit der beiden wäre drastisch reduziert, da Murtagh auf dem Rücken keinen vernünftigen Halt mehr haben würde, wenn es um ruckartige und heftige Reaktionen ginge.

Der Plan war erfolgreich und tatsächlich, Murtagh fiel in die Tiefe. Durch die Wolken und der Stadt entgegen. Durch die Verbindung zwischen Drache und Reiter reagierte auch ersterer sehr schnell und setzte sofort zum Sturzflug an. Wir folgten ihnen in sicherem Abstand, um ihm das Aufsammeln seines Reiters zu ermöglichen, jedoch nicht so weit weg, dass sie uns entkommen könnten.

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3258 Wörter

Vielen Dank fürs Lesen. Ich hoffe, es hat euch gefallen. Unabhängig davon freue ich mich über jeden Vorschlag zur Verbesserung.

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